Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, Kollegin Taubert, ich traue mich schon, ich sage einmal, einen Namen zu nennen, und ich traue mich auch zu sagen, ich hätte schon gerne, dass wir anschauen, welche Träger von Krankenhäusern bei uns in Thüringen sich hier niederlassen. Es täte auch gut, wenn andere das machen würden.
Da sage ich, natürlich ist bekannt, die Marseille-Gruppe ist der größte börsenorientierte Betreiber von Altenpflege- und Rehabilitationskliniken in Deutschland. In der Financial Times Deutschland vom August 2006 ist folgende Schlagzeile nachzulesen: Marseille-Gruppe findet keinen Käufer für defizitäre Reha-Kliniken. Bezogen auf das Vorhaben, nun in Eisenach eine Fachklinik für Inkontinenz neu aufbauen zu wollen, ist es legitim zu fragen, soll jetzt ein neues profitables Fachgebiet, ein neues sicheres Geschäftsfeld ersatzweise für die einst defizitär geführten Reha
Meine Damen und Herren, da dieses Vorhaben mit öffentlichen Fördermitteln realisiert werden soll, müssen diesbezüglich auch folgende Fragen an die Landesregierung erlaubt sein. So frage ich: Warum wurden in Thüringen in den zurückliegenden Jahren Betten abgebaut, Kliniken von 72 auf 46 reduziert bzw. Stationen geschlossen, wenn jetzt ein neuer privater Träger mit öffentlichen Fördermitteln eine Fachklinik neu baut? Worum geht es, wenn dieser börsennotierte Anbieter, der vorrangig bundesweit Erfahrungen als Betreiber von Altenpflegeheimen hat, Thüringen jetzt für den Neubau einer medizinischen Fachklinik entdeckt? Letzte Frage: Welche Logik des Landes könnte dahinter stehen, wenn dem Ansinnen zugestimmt werden würde, könnte, sollte? Wir möchten das, meine Damen und Herren, hier und heute in aller Öffentlichkeit erfahren, und zwar, damit es nicht nur die Abgeordneten verstehen, sondern auch jeder Bürger und jede Bürgerin in Thüringen und vor allen Dingen die Menschen - Frau Taubert, Sie haben darauf hingewiesen -, die in der Vergangenheit z.B. auf die Straße gegangen sind, um ihr Krankenhaus in ihrer Region zu erhalten, und sie eindeutig die logische Erklärung und vielleicht auch bewiesene Erklärung bekommen haben, für dieses Krankenhaus in eurer Region gibt es keinen Bedarf.
Sehr geehrte Damen und Herren, wir haben in Thüringen eine Trägerpluralität. Wir haben einen Status quo, der unserer Auffassung nach nicht zugunsten weiterer privater Träger verändert werden darf, denn schon jetzt ist jedes zweite Bett in Thüringen in privater Trägerschaft. Wenn aber Bedarfslücken in diesem besonderen medizinischen Fachbereich tatsächlich bestehen sollten, dann unterstützen wir den Kapazitätsausbau öffentlich-rechtlicher Häuser, wie z.B. des Universitätsklinikums in Jena,
das europaweit bei der Behandlung von Harninkontinenz einen Namen hat, oder den Ausbau des gerade neu eröffneten Beckenbodenzentrums in der Region Eisenach. Nach meinem Kenntnisstand steht in Kooperation des Krankenhauses Weimar mit der Universität Jena ein Beckenbodenzentrum kurz vor dem Abschluss, wo ich dann sagen würde, ich habe eigentlich keine Zweifel daran, dass wir den Bedarf decken können.
Sehr geehrte Damen und Herren, es ist schon darauf hingewiesen worden, uns ist wohl bekannt, dass Harninkontinenz ein Tabuthema in der Öffentlichkeit ist, und inwieweit die Anzahl der medizinischen Eingriffe diesbezüglich in Thüringen ausreichend ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Da haben wir gehört, es gibt eine Bedarfsanalyse, die ist in Auftrag
gegeben worden - Frau Taubert deutete es an. Ich hoffe - ich habe es in der Politik schon oft erlebt, dass Bedarfsanalysen auch sehr interessengeleitet sein können -, dass wir dem nicht ausgeliefert sind und Frau Ministerin sehr stark darauf achten wird, dass es hier wirklich um die Menschen geht, die diese Krankheit haben, und nicht um irgendwelche Krankenhauskonzerne. Wir warten das Ergebnis ab, aber ich kann mir nicht vorstellen - und ich habe mich wirklich sachkundig gemacht oder versucht mich sachkundig zu machen -, dass die in Thüringen ansässigen Krankenhausträger nicht in der Lage wären, auch einen höheren Bedarf abzudecken, und zwar durch eigene bedarfsgerechte Kapazitätserweiterung. Ich denke, keines der hier ansässigen Krankenhäuser in Thüringen würde sich darüber ärgern, wenn dafür von der Landesregierung dann auch entsprechende Fördermittel bereitgestellt werden würden. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, es ist richtig, Frau Taubert und auch Frau Fuchs, Zeitunglesen ist immer gut, aber Zeitunglesen bedarf oft auch der weiteren Aufklärung. Darum bemühen Sie sich ja auch, deswegen ist das heute Gegenstand in der Aktuellen Stunde.
Ich will gern dazu beitragen, was die Sachaufklärung betrifft und Ihnen berichten, dass in der Tat im Oktober 2008 im Thüringer Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit Antragsunterlagen für das genannte Projekt eingegangen sind. Daraufhin fand am 17. Dezember 2008 ein Gespräch im Ministerium mit den Antragstellern statt, bei dem das Projekt vorgestellt und erläutert wurde. Gleichzeitig wurden die in Thüringen geltenden Regelungen sowohl für die Aufnahme in den Krankenhausplan als auch für eine mögliche Förderung dargelegt. Das ist etwas, was sich, denke ich, auch von selbst versteht. Dazu gehört insbesondere die Behandlung - es haben alle Redner darauf hingewiesen - im Krankenhausplanungsausschuss. Das Vorhaben wurde durch Herrn Staatssekretär Dr. Oesterheld in der 83. Sitzung des Krankenhausplanungsausschusses vorgestellt. Eine Arbeitsgruppe des Krankenhausplanungsausschusses, in der Vertreter der Kostenträger, der Krankenhäuser, des MDK, der KV Thüringen, der Landesärztekammer sowie die Antragstellerin vertreten sein werden, wird am 11. Februar 2009 eine Entscheidung des Krankenhausplanungsausschus
ses vorbereiten. Es ist geplant, dass der Krankenhausplanungsausschuss in seiner nächsten Sitzung am 26. Februar 2009 über den Antrag auf Aufnahme in den Plan entscheiden wird. Ein Krankenhaus wird dann in den Krankenhausplan aufgenommen, wenn es bedarfsgerecht ist und seine Leistungen wirtschaftlich erbringt. Darüber wird sowohl in der Arbeitsgruppe am 11. Februar als auch in dem Krankenhausplanungsausschuss am 26. Februar intensiv zu sprechen sein. Ich will nur einmal sagen, dass schon von voller Interessenwahrnehmung aller in diesem Prozess tangierten Vertreter im Freistaat Thüringen ausgegangen werden darf. Mitglieder im Krankenhausplanungsausschuss sind: zwei Vertreter beispielsweise der Landeskrankenhausgesellschaft Thüringen e.V., sechs von den Landesverbänden der Krankenkassen - auch nicht zu unterschätzen - und den Verbänden der Ersatzkassen benannte Mitglieder, ein Vertreter des Thüringischen Landkreistags, ein Vertreter des Gemeinde- und Städtebunds Thüringen, der Caritas-Verband Thüringen, das Diakonische Werk der Evangelischen Kirche Mitteldeutschland, der Verband der Privatkrankenanstalten in Thüringen, der Landesausschuss Thüringen des Verbandes der privaten Krankenversicherung e.V. und ein von der Landesärztekammer benanntes Mitglied.
Ich denke, meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist ein Gremium, dem ich als Ministerin mein volles Vertrauen entgegenbringen kann im Blick auf eine sachgerechte Entscheidung bei dieser Hochrangigkeit, bei dieser Kundigkeit der Mitglieder.
Den Sorgfaltsappell, liebe Frau Taubert, habe ich sehr wohl vernommen und nehme ihn gern auf - das ist für uns selbstverständlich. Die Krankenhauslandschaft, die wir in Thüringen in den vergangenen Jahren mitunter auch durch durchaus schmerzhafte Prozesse, aber doch sehr zukunftsweisend aufgestellt haben, ist wirklich eine Erfolgsgeschichte im Freistaat Thüringen und Sie können sicher sein, dass diese Erfolgsgeschichte auch ihre Fortschreibung finden wird. In dem Sinne ganz herzlichen Dank. Ich denke, als Sachaufklärung reicht das, Sie kennen den Zeitplan, Sie kennen das Verfahren, Sie kennen die Akteure, die jetzt darüber sachkundig erörtern werden.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, gern hört man, dass der Sorgfaltsappell angekommen ist. Es gibt auch gar keinen Grund, zunächst zu zweifeln, was die Bedarfsermittlung betrifft. Es ist ein Punkt noch nicht angesprochen worden, den ich für wesentlich halte, insbesondere wegen des ersten Tagesordnungspunkts, den wir heute besprochen haben. Dieses Krankenhaus, so war für uns Eisenacher am 31. Dezember in der OTZ zu lesen, soll ja nicht aus dem laufenden Haushalt finanziert werden.
(Zwischenruf Lieberknecht, Ministerin für Soziales, Familie und Gesundheit: Ja, das geht sowieso nicht.)
Es geht um 40 Mio. € aus dem Konjunkturprogramm, welches wir heute früh besprochen haben. Es geht um 40 Mio. €, die man aus einem Konjunkturprogramm, wo wir uns heute früh alle einig waren, so viel wie möglich für die Kommunen, wir nehmen diese 40 Mio. €, um das mal ganz platt zu sagen, den Kommunen weg.
(Zwischenruf Lieberknecht, Ministerin für Soziales, Familie und Gesundheit: So weit sind wir doch noch gar nicht.)
Über den Finanzierungsansatz haben Sie gesprochen, nun müssen Sie auch ertragen, dass zwei Sätze zum Finanzierungsansatz gesagt werden. Bei aller Sorgfalt, diese Finanzierung, die Sie vorgeschlagen haben, geht auf keinen Fall. Es ist schwer vermittelbar, und das ist dann nicht nur Ihr Problem, dass wir hier gemeinsam durchaus strittig darüber diskutieren, wie wir aus dem Konjunkturprogramm den kommunalen Anteil finanzieren, wie hoch er ist, insbesondere auch für Kommunen, wo sich der Haushalt schwierig darstellt, aber dass es im privaten Bereich für die Investition eine Hundertprozentfinanzierung geben soll.
(Zwischenruf Lieberknecht, Ministerin für Soziales, Familie und Gesundheit: Lieber Herr Gentzel, das machen wir nicht.)
Ich rede über das, was ich lesen konnte, aber bei aller Sorgfaltspflicht will ich noch einmal sagen, diese angedachte Finanzierung, diese 40 Mio. € aus dem Konjunkturprogramm zu nehmen, dieses geht so nicht. Ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, mich haben die Worte von Frau Ministerin Lieberknecht nach vorn getrieben, weil Sie hat zwar die Prozedur richtig dargestellt, aber mir fehlt an der Stelle einfach die Positionierung der Landesregierung. Ich habe von Ihrer Seite leider heute nicht
(Zwischenruf Lieberknecht, Ministerin für Soziales, Familie und Gesundheit: Das machen wir in den Sachgremien, warum wollen wir dem vorgreifen?)
vernehmen können, wie Ihre Position dazu ist. Das ist nicht nur eine Frage der Sachgremien an der Stelle, sondern Sie können auch Ihre persönliche Meinung da mit einbringen.
Der in der Diskussion befindliche Neubau der Klinik ist so ein bisschen die Frage „bittere Medizin“ oder „süßes Gift“. In meinen Augen „süßes Gift“, weil im ersten Moment klingt das für eine Kommune wie Eisenach - Sie wissen, finanziell nicht so unglaublich gut dastehend - natürlich verlockend, eine Investition von 40 Mio. € in Aussicht stehen zu haben, gar keine Frage, aber ich will Ihnen erklären, warum ich diesen Neubau für „süßes Gift“ halte, denn in meinen Augen kann dieses Gift durchaus tödlich für Eisenach sein oder doch zumindest eine sehr gefährliche Spritze beinhalten, Finanzspritze. Es ist richtig, wir haben in Thüringen einen Krankenhausplan. Eisenach hat aus meiner Sicht ein gut funktionierendes Gesundheitssystem, wenn auch derzeit in einer etwas schwierigen Situation in der Diskussion mit dem Landkreis. Das ist Ihnen sicherlich auch bekannt. Das heißt, wir haben in Eisenach keine Unterversorgung, wir haben auch im Landkreis keine Unterversorgung. Soweit mir bekannt ist, gibt es auch keinen Versorgungsmangel gerade in dem entsprechenden Fachgebiet, das heißt - auch schon angedeutet, weil gerade auch in letzter Zeit ein Beckenbodenzentrum geschaffen wurde -, weil das zunehmend gut angenommen wird.
Es wird argumentiert, dass eine neu geschaffene Klinik eine deutschlandweite Ausstrahlung hat. Das mag sein, muss aber nicht. Meine Sorgen beziehen sich darauf, was passiert, wenn die Auslastung dieser Klinik nicht entsprechend mit den 18.000 Frauen im Jahr, die in der Diskussion waren für eine wirtschaftliche Tragfähigkeit, realisiert werden kann. Dann wird sich in meinen Augen automatisch diese Klinik andere Betätigungsfelder suchen, sogar suchen müs
sen, und es wird ein Wettbewerb mit dem kommunalen Haus in Eisenach stattfinden und auch mit dem Haus im Landkreis.
Ich muss - da werden sicherlich alle Eisenacher Kollegen mich an der Stelle unterstützen - sagen, das kann das Eisenacher Haus nicht brauchen. Es ist zurzeit sowieso ein mühsamer Akt, aus den roten Zahlen rauszukommen. Von daher ist die derzeitige Entwicklung für Eisenach wirklich eine gefährliche.
Auf die Rolle von Herrn Goebel möchte ich an der Stelle gar nicht eingehen, auch wenn ich zugebe, dass das ein bitteres Geschmäckle auch in Eisenach mit hervorgerufen hat, weil ich finde es an der Stelle doch schon bedenklich, wenn sich ein Mitglied in diesem Hohen Hause in dieser Art und Weise da mitbetätigt.
Keine Unterstellung, aber er hat offiziell zugegeben, in dem Klinikum auch oder in dem Unternehmen als Berater tätig zu sein.
Ich möchte zusammenfassen: In Eisenach ist die öffentliche Meinung eindeutig. Wir brauchen diese Klinik nicht, wir wollen diese Klinik nicht, wir befürchten in Eisenach einen wirtschaftlichen Schaden für die kommunale Klinik. Von daher wünsche ich mir vonseiten der Landesregierung hier an der Stelle ein klares Wort. Herzlichen Dank.
Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit kann ich den ersten Teil der Aktuellen Stunde schließen und rufe den zweiten Teil auf
b) auf Antrag der Fraktion DIE LINKE zum Thema: „Hartz-IV-Gesetzgebung und Klage- flut an Thüringer Sozialgerichten“ Unterrichtung durch die Präsi- dentin des Landtags - Drucksache 4/4778 -
Auch hier eröffne ich die Aussprache. Als erster Redner hat Abgeordneter Hauboldt, Fraktion DIE LINKE, das Wort.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Ministerin Walsmann, schon wieder das Thema „Sozialgerichte“ hier in diesem Hause. Es stimmt, die Fraktion DIE LINKE ruft das Thema „Situation der Thüringer Sozialgerichte“ seit Herbst 2004 immer wieder auf die Beratungsagenda des Landtags, im Plenum wie auch in den Ausschüssen. Im Herbst 2004 wurde unsere Fraktion noch als Club von Schwarzmalern belächelt, als wir fragten, wie denn die Landesregierung mit der zu erwartenden Klageflut wegen Hartz IV umgehen wolle. Mittlerweile lächelt wohl niemand mehr. Allein mit Blick auf den momentanen Ist-Stand, auf die Zahlen und auch mit Blick auf das, was uns noch erwartet, allein das Stichwort Finanz- und Wirtschaftskrise und damit verbunden auch dem leider wahrscheinlichen Anstieg der Arbeitslosigkeit.
Worüber wir heute reden, meine Damen und Herren, ist nicht unmittelbar ein juristischer Skandal, sondern ein zutiefst politischer Skandal. Die Justiz wird überlastet durch, ich sage bewusst, berechtigte Klagen von betroffenen Menschen, weil die Bundesregierung aus CDU und SPD unfähig ist, nicht nur punktuell nachzubessern, sondern - wie die Fraktion DIE LINKE es fordert - das Gesetz in Gänze infrage zu stellen und abzuschaffen.
In der jüngsten Justizausschuss-Sitzung ist anhand des Datenüberblicks, den Frau Ministerin Walsmann auf der Grundlage unseres Selbstbefassungsantrags gegeben hat, ein enormer Anstieg der Neuzugänge bei SGB-II-Klagen an den Sozialgerichten zu erkennen. Im Vergleich allein zu 2006 haben sich die Neuzugänge aktuell verdoppelt. Die Erledigungszahlen können diesen Anstieg des Arbeitsaufkommens nicht kompensieren, die Personal- und Arbeitskapazitäten sind dazu gar nicht vorhanden, obwohl - und das sage ich auch - manche Sozialgerichte spürbar mehr Personal erhalten haben. Der merkliche Verfahrensanstieg beschränkt sich jedoch nicht nur auf die Hartz-IV-Klagen, auch die Rentenverfahren nach SGB VI sind deutlich mehr geworden. Die Verfahrensdauern sind mit durchschnittlich 10,4 Monaten beim SGB II und 22,8 Monaten beim SGB VI schlichtweg unbefriedigend, zumal es hier um existenzielle Leistungsansprüche der Betroffenen geht.
Bei näherem Hinsehen wird deutlich, die Aufstockung des Personals und die Verbesserung der Arbeitssituation und Logistik bei den Gerichten ist unerlässlich. Hier erinnere ich noch mal an die Forderungen auch der Richtervereinigung, zehn weitere Richter in Thüringen plus Verwaltungspersonal zusätzlich einzustellen.
Es gibt aber auch interessante Ansätze mit Blick auf andere Bundesländer, z.B. für eine Evaluierung der Arbeit der Sozialgerichte. In der Landessozialgerichtsbarkeit Bremen/Niedersachsen z.B. wurden für alle Sozialgerichte im zeitlichen Abstand schon zwei solche wissenschaftlichen Evaluierungsstudien durchgeführt. Wir als Fraktion DIE LINKE halten es angesichts der problematischen Situation für sinnvoll und notwendig, eine entsprechend umfassende Evaluierung auch in der Thüringer Sozialgerichtsbarkeit durchzuführen.
Doch, meine Damen und Herren, die Lösung der logistischen Probleme der Sozialgerichte ist keine langfristig wirksame Lösung des Problems. Im Rahmen der Berichterstattung des Justizministeriums im Justizausschuss wurde zum wiederholten Male deutlich, dass die Sozialgerichte auch die schlechte Entscheidungsarbeit der ARGEn und optierenden Kommunen auszubaden haben. Ein hoher Prozentsatz der SGB-II-Bescheide ist fehlerhaft, also rechtswidrig. Entsprechend hoch ist damit auch die Erfolgsquote vor Gericht; ca. 19,2 Prozent der Kläger obsiegten im Jahr 2007 vollständig und weitere 15,2 Prozent errangen zumindest einen Teilerfolg.
Sie selbst, Frau Ministerin Walsmann, gestehen ein, dass eine Optimierung der Bescheidungspraxis dringend notwendig ist. Das kann aber nicht der Weg über die Einführung von Verfahrensgebühren sein. Das lehnen wir kategorisch ab. Ich denke, in der Frage sind wir uns zumindest einig.
Ich sage es deutlich: Die schwerwiegenden Probleme liegen auch auf der Ebene des Gesetzestextes des SGB II. So sind z.B. das seltsam und entmündigende Konstrukt Bedarfsgemeinschaft, Fragen der Einkommensanrechnung und der Höhe der Übernahme von Kosten der Unterkunft, Höhe und Regelungsumfang der Regelsätze und die Fragen der Rangfolge von Sozialleistungsansprüchen inhaltliche Schwerpunkte von Hartz-IV-Prozessen. Die Liste der gesetzlichen Problemfelder ist nicht abschließend. So wundert es auch nicht, dass mittlerweile sich die Justizministerkonferenz im Rahmen einer Arbeitsgruppe auch mit Änderungsbedarf am materiellen Recht befasst.