Protokoll der Sitzung vom 19.03.2009

Es gibt eine weitere Redeanmeldung seitens der Abgeordneten. Abgeordneter Kuschel für die Fraktion DIE LINKE, bitte.

Danke. Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, es machen sich einige Anmerkungen meinerseits hier erforderlich.

Herr Gumprecht, auch mit diesem Gesetzentwurf bleibt es dabei, die CDU macht Wasser und Abwasser zu einer Ware, zu einer Ware, die der Bürger zu bezahlen hat, und ökologische Aspekte sind oftmals nur ein Vorwand. Es ist ein lohnendes Geschäftsfeld, das haben die Bürgerinnen und Bürger in Thüringen in den letzten Jahren in ihrem Geldbeutel gespürt. 3,5 Mrd. € sind bisher in die abwassertechnischen Einrichtungen investiert worden, davon rund 1 Mrd. € öffentliche Gelder, das heißt, 2,5 Mrd. € müssen über Beiträge und Gebühren refinanziert werden. Wenn man das auf den Einwohner herunterbricht, dann ist Thüringen im bundesdeutschen Maßstab spitze, hat also die höchsten Investitionen realisiert und dabei aber bisher nur einen Anschlussgrad von 68 Prozent erreicht. Um die übrigen 32 Prozent zu realisieren - das sind Angaben der Landesregierung -, werden weitere Investitionen von 3,5 Mrd. € erforderlich, und das bei einem Rückgang der Förderung. Das heißt, der Anteil, der über die Gebühren und Beiträge zu refinanzieren wäre, steigt noch weiter. Jetzt frage ich: Wer soll das zum Schluss dann bezahlen? Ökologische Standards müssen auch finanzierbar bleiben für den Einzelnen, oder wenn es ein öffentliches Interesse gibt, muss die öffentliche Hand dafür aufkommen. In diesem Spannungsfeld bewegen wir uns und da begrüßen wir außerordentlich, dass es ein Umdenken bei der Landesregierung gibt, nämlich weg von den zentralen Anlagen hin zu den dezentralen. Das Problem ist nur,

dieses Umdenken kommt viel zu spät. Es wurde ja richtigerweise schon darauf hingewiesen, dass Sachsen hier offenbar schon frühzeitiger eine andere Weichenstellung vorgenommen hat, aber auch in Sachsen war schon viel realisiert. Es ist richtig, was hier in der Debatte gesagt wurde, dass es natürlich den Aufgabenträgern jetzt recht schwerfallen wird, diese Gebiete sachgerecht zu definieren, wo in den nächsten 15 Jahren kein Anschluss an zentrale Anlagen erfolgt, wenn die Konzepte der Aufgabenträger ursprünglich ausschließlich auf zentrale Anlagen orientiert haben. Deshalb befürchte ich, dass nur sehr wenige Aufgabenträger von der jetzigen Ermächtigung im neuen Wassergesetz Gebrauch machen werden.

Aber Sie produzieren auf der kommunalen Ebene einen neuen Konfliktstoff und Konfliktpotenzial, denn Sie schieben jetzt den Schwarzen Peter den Aufgabenträgern zu und sagen, die haben es in der Hand zu entscheiden, ob das Konzept eine zentrale Anlage beinhaltet oder eine dezentrale, aber Sie haben jahrelang die Aufgabenträger - letztlich auch durch die Förderung - angehalten, eher auf zentrale Anlagen zu setzen. Das ist der Vorwurf, den wir Ihnen machen. Jetzt schaffen Sie auf kommunaler Ebene dieses neue Konfliktpotenzial und werden sich zurücklehnen und sagen, ihr könnt es ja machen, aber real ist das nicht. Ich selbst gehöre dem Verbraucherbeirat im Wasser- und Abwasserzweckverband Arnstadt an. Die haben auf ein zentrales Konzept gesetzt und sind jetzt gar nicht mehr in der Lage, selbst wenn sie wollten, vernünftig die Gebiete zu definieren, wo ausschließlich dezentrale Anlagen zum Einsatz kommen. Aber es werden ja neue Hoffnungen geschürt. Die Bürger haben tatsächlich Hoffnung, dass jetzt ein Paradigmenwechsel erfolgt. Der wird aber nicht erfolgen, nur im Ausnahmefall.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie setzen damit Ihre gescheiterte Abwasserpolitik nahtlos fort. Ich will das noch einmal anhand der Geschichte kurz belegen. Wir hatten bis 1992 eine Aufgabenträgerstruktur, um die haben uns andere Bundesländer beneidet, mit drei Aufgabenträgern.

(Zwischenruf Dr. Sklenar, Minister für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt: Ich lach mich kaputt, mein Guter.)

Unterhalten Sie sich mit den Leuten, die jetzt in den Zweckverbänden tätig sind, die bestätigen Ihnen das immer wieder. Dann kamen irgendwelche Leute auf die Idee, die gehörten sogar einmal einer CDU-Landesregierung an und sind jetzt bei einem großen Energiekonzern tätig, die haben gesagt, wir zerschlagen mal diese Struktur und schaffen 222 kommunale Aufgabenträger. Das müssen Sie sich einmal überlegen, bei einem Land mit 2,3 Mio. Einwohnern schaffen sie 222 Aufgabenträger, wo jeder für sich

hinplant. Gegenwärtig haben wir 147/148 Aufgabenträger, aber diese Reduzierung der Anzahl der Aufgabenträger hat das Land viel Geld gekostet. Rund 400 Mio. € Strukturhilfe mussten Sie aufbringen, um diese Reduzierung herbeizuführen. Damit wurden auch Anlagen nachgefördert. Damit haben Sie eingestanden, dass die Förderpolitik bis dahin offenbar völlig vor den Baum gefahren ist. Aber auch die jetzige Struktur ist aus meiner Sicht keinesfalls dauerhaft und leistungsfähig. Wir werden viel zu tun haben, um das aufzuarbeiten, was die CDU in den letzten Jahren auf diesem Gebiet als Hinterlassenschaft hier angerichtet hat.

(Zwischenruf Abg. Primas, CDU: Das sind die Kommunen gewesen.)

Da gestehe ich Ihnen eines zu, dass daran auch kommunale Akteure beteiligt waren, die das wollten.

(Zwischenruf Dr. Sklenar, Minister für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt: Ja, eine ganze Menge, mein Guter.)

Die waren beteiligt, aber das entbindet Sie nicht von Ihrer Verantwortung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es erfolgt gar keine Lockerung des Anschluss- und Benutzungszwanges, wie es so oftmals in der Öffentlichkeit jetzt thematisiert wird, denn der Aufgabenträger allein entscheidet, welche Grundstücke letztlich dezentral entsorgt werden und bei welchen es zentral bleibt. In diesem Verfahren - und darauf hat Frau Becker richtigerweise verwiesen - gibt es keine Mitwirkung von Bürgern. Da ist klar, für die CDU, Herr Krauße, ist der Bürger das störende Element in der Politik. Das haben Sie hier wieder deutlich gemacht, dass Sie gesagt haben, man könnte doch den Bürger nicht fragen, welches Entsorgungssystem er haben will oder ihn entscheiden lassen. Darum geht es aber nicht, es geht darum, mit den Bürgern in den Dialog zu treten,

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Wie mit Ihrer früheren Politik als Spitzel.)

um durch Transparenz Akzeptanz zu schaffen. Das ist es.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Mit aus- spitzeln, das können Sie ja gut.)

Es hat sich gezeigt, dort, wo Bürger frühzeitig in solche Entscheidungen einbezogen werden, dann stoßen diese Entscheidungen auch auf höhere Akzeptanz.

Herr Abgeordneter Kuschel, gestatten Sie eine Anfrage?

Selbstverständlich.

Bitte, Frau Stauche.

Herr Kuschel, Ihnen ist aber bekannt, dass Wasser/Abwasseraufgaben Aufgaben der Kommune sind?

Sie wissen auch, wer das wollte, dass die großen Zweckverbände aufgelöst werden und dass die kleinen entstanden sind? Sie wissen, dass es nicht Sache der Landesregierung war, sondern Sache der Kommune, ist das richtig?

(Zwischenruf Dr. Sklenar, Minister für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt: Das weiß er nicht.)

Das wissen Sie nicht mehr? Gut, ich weiß, Sie haben manchmal ein schwieriges Gedächtnis in die Vergangenheit.

Noch eine Frage...

Moment. Herr Abgeordneter Kuschel, Sie haben jetzt die eine Frage, würden Sie eine zweite beantworten?

Das waren schon zwei, ich nehme die dritte auch noch mit.

Sie können eine weitere Frage stellen.

Sie wissen aber, dass die Gemeinden schon in Verantwortung stehen und dass dort schon Bürgerversammlungen gemacht werden und dass über diese

Sachen die Gemeinderäte und Bürgermeister entscheiden? Das muss ich Ihnen, glaube ich, nicht sagen.

Ich möchte Ihnen natürlich Ihre Fragen beantworten, auch wenn Sie versucht haben, in Ihrer Frage zwei mir gleich die Antwort in den Mund zu legen.

(Unruhe CDU)

Unbestritten ist es eine Pflichtaufgabe der Gemeinden. Aber wir haben auch bewusst im Kommunalabgabengesetz gegen Ihren Widerstand bestimmte Beteiligungsmöglichkeiten der Bürger vorgeschrieben, auch im Gesetz über die kommunale Gemeinschaftsarbeit; im Gesetz über die kommunale Gemeinschaftsarbeit zum Beispiel die Möglichkeit von Verbraucherbeiräten und in § 13 des Thüringer Kommunalabgabengesetzes die Informationspflicht vor Investitionsbeginn. Das will ich Ihnen mal zitieren. Das kann ich aus dem Kopf machen, aber ich frage trotzdem die Präsidentin: Auch mit Ihren Stimmen ist geregelt worden, dass vor Investitionsbeginn die Leute zu informieren sind. Sie haben Möglichkeiten, in die Unterlagen Einblick zu nehmen, die den Ausschreibungen zugrunde gelegt werden sollen und sie können Anregungen vorbringen. Die Anregungen sind dann abzuwägen - Frau Stauche, Sie haben damit keinerlei Erfahrung, deswegen sage ich es mal -, dort, wo ordentliche Kommunalpolitiker arbeiten und wie das dann funktioniert.

(Zwischenruf Abg. Stauche, CDU: Danke schön.)

(Heiterkeit CDU)

Die Abwägung geht so, dass entweder der Vorschlag Aufnahme findet oder er begründet abgewiesen werden muss. Das ist natürlich ein Verfahren, das funktioniert vielerorts. Das Problem hier ist nur, dass bei der Entscheidung, ob zentral oder dezentral die Bürger nicht mehr beteiligt werden, sondern diese Entscheidung trifft ausschließlich der Zweckverband oder der Aufgabenträger. Der wird nicht mehr nach wirtschaftlichen oder ökologischen Kriterien entscheiden, sondern ausschließlich danach, was hat er bisher investiert, weil er seine Anlagen auslasten muss, weil das das große Problem auch der Zukunft sein wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Vertreter der CDU hat darüber hinaus nachgefragt, ob wir das System der Globalberechnung erkannt haben oder kennen.

(Zwischenruf Abg. Stauche, CDU: Wer ist denn das?)

Das ist richtig, das ist genau das Stichwort, was Sie gegeben haben. Wir wollen, dass auch dezentrale Abwasseranlagen im Rahmen der Globalberechnung in die Gesamtinvestition eines Zweckverbandes einfließen, also Anwendung des organisatorisch-rechtlichen Einrichtungsbegriffs. Da ist natürlich klar, dass die betroffenen Bürger, die an einer dezentralen Anlage angeschlossen sind, genauso wie die Bürger, die an einer zentralen Anlage angeschlossen sind, Beiträge, soweit sie der Zweckverband noch erhebt, und Gebühren bezahlen. Das ist eben der Solidargedanke, den wir favorisieren, dass in einem Verbandsgebiet dann letztlich ein einheitlicher Gebühren- und Beitragssatz gilt. Was Sie machen, ist, Sie spalten die Bürgerschaft innerhalb eines Aufgabenträgers und erzeugen damit neue Konfliktpotenziale, lehnen sich zurück und freuen sich, wie sich die Leute auf kommunaler Ebene zerfleischen. Das ist unanständig, was Sie machen. Das ist im höchsten Maße unanständig.

(Beifall DIE LINKE)

Sie drücken sich vor der Verantwortung, Sie haben den Karren an die Wand gefahren, jetzt wissen Sie nicht ein und aus, jetzt eröffnen Sie den Gemeinden, den Aufgabenträgern eine Option, die aber in der kommunalen Praxis oftmals ins Leere laufen wird, und dann spalten Sie auch noch die Bürgerschaft innerhalb eines Zweckverbandes, weil Sie hoffen, dass damit die Konflikte auf der kommunalen Ebene verbleiben und Landespolitik aus der Verantwortung herausgenommen wird. Das wird nicht funktionieren, verspreche ich Ihnen, ich werde schon dafür sorgen, dass das nicht funktioniert.

(Zwischenruf Abg. Primas, CDU: Dafür werden Sie schon sorgen?)

Dafür werde ich schon sorgen mit meiner ganzen Kraft.

(Zwischenruf Abg. Primas, CDU: Das kann ich mir vorstellen.)

Davon, das wissen Sie, habe ich viel.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der nächste Vorwurf, wir wären nicht in der Europäischen Union angekommen. Es sind hilflose Vorwürfe, aber ich möchte mich damit auch gern auseinandersetzen. Wir müssen natürlich den Bürgern Ängste vor der Europäischen Union und den Vorgaben nehmen.

(Beifall DIE LINKE)

Aber Sie instrumentalisieren vernünftige Entscheidungen der europäischen Ebene wie die Wasserrahmenrichtlinie, die ist vernünftig, die nehmen Sie, um Ängste zu schüren, und zwar Existenzängste, wenn Bürger bedroht sind durch hohe Beitrags- und Gebührenbelastungen, werden Ängste geschürt. Das heißt, wenn Sie mehr Verständnis für Europa bei den Bürgern erreichen wollen, müssen Sie die Bürger mitnehmen und auch darstellen, dass das finanzierbar ist. Nun erklären Sie mal den Leuten im Bereich der Werra, dass die letzten Schadstoffe aus dem häuslichen Abwasser herausgefiltert werden sollen, aber K + S die Werra über Jahrzehnte weiter versalzen kann.

(Unruhe CDU)