Protokoll der Sitzung vom 08.05.2009

Nicht unerwähnt will ich aber lassen, dass ich glaube, dass die Einigung, die jetzt in der Frage der Schuldenbremse vorhersehbar ist, sicherlich maßgeblich vor dem Hintergrund der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise zustande kommt. Hinzu kommt der Wunsch der beiden Hauptakteure, nämlich SPD und CDU, in der Großen Koalition gegenüber den Wählern noch vor der Bundestagswahl ein Ergebnis zu präsentieren, das zumindest die Sicherheit suggeriert, dass die Politik nicht weiter am Steigen der Staatsverschuldung interessiert ist. Vielleicht spielt dabei auch die Absicht eine Rolle, was wir in den letzten Tagen verstärkt verfolgen konnten, die Politik von der Verantwortung für die aktuellen Ereignisse freizusprechen und die Schuld irgendwelchen gierigen Bankern und den US-Banken und der US-Politik zuschieben zu können. Das blenden wir jetzt mal aus, aber, ich glaube, darin ist zumindest ein wahrer Kern.

Kernfragen allerdings, über die man in der Frage der Bund-Länder-Finanzbeziehungen dringend reden müsste, sind nach wie vor unbeantwortet. Da ist z.B. die in unserem Antrag in Punkt 1 aufgeführte Frage der Solidarität im Bundesstaat. Wie kann die Solidarität im Bundesstaat unter veränderten auch weltwirtschaftlichen Bedingungen unter größer werdenden sozialen Konflikten erhalten, sprich weiterentwickelt werden? Das ist nicht angepackt worden. Wenn man die aktuellen CDU-Papiere liest, Herr Wehner, dann deutet das darauf hin, dass Sie den Weg eines verschärften Wettbewerbs zwischen den Ländern an vielen Stellen forcieren wollen und sich damit auch vom Ziel der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse verabschieden. Nicht anders sind Ihre aktuellen Positionspapiere zu verstehen. Die Solidaritätsfrage ist also nach wie vor ungelöst.

Ungelöst ist auch die Frage einer Einführung beispielsweise einer Bundessteuerverwaltung, die ja in der Diskussion stand, um einerseits die Effizienz

zu erhöhen, um andererseits aber auch dafür zu sorgen, dass es mehr Steuergerechtigkeit in Deutschland gibt. Dies scheiterte im Wesentlichen am Widerstand der unionsgeführten Länder.

Drittes Defizit - Gemeindefinanzreform. Diese wird jedes Jahr in den Reden erwähnt, seit Jahren ist es immer für Sonntagsreden bestens geeignet, Ergebnisse zum Thema Gemeindefinanzreform in der Föderalismus-II-Kommission gibt es Null, usw. usf. Man könnte das noch beliebig fortführen.

Meine Damen und Herren, ich leite über zu dem, worauf man sich nun absehbar einigen wird, der Frage der Schuldenbremse und der damit im Zusammenhang stehenden Frühwarnsysteme, Hilfen an Notlageländer, um die Frage der Länderfusion jetzt möglicherweise nicht beantworten zu müssen. Das ist sicherlich der Komplex, auf den sich dann auch die veröffentlichte Meinung am schärfsten, am stärksten konzentrieren wird. Wir als LINKE wissen sehr wohl, dass ein Großteil der Menschen mit ihrem Sicherheitsbedürfnis zu Schulden eine Auffassung hat, die auf den ersten Blick mit unserer nicht übereinzubringen zu sein scheint. Das zeigen auch aktuelle Umfragen. Ein Großteil der Leute macht sich natürlich und zu Recht Sorgen über eine weitere Verschuldung des Staates. Das Problem dabei ist, dass über Ursachen der Verschuldung des Staates, dass über die Profiteure der Verschuldung des Staates überhaupt nicht diskutiert wird, sondern es wird nominal der Schuldenstand einzig als Kriterium einer guten oder schlechten Entwicklung genommen und daraus der Schluss gezogen, man muss verhindern, dass in Zukunft noch Schulden aufgenommen werden. Impliziert wird dabei immer, dass es die Ausgabewünsche der sozial Benachteiligten, dass es Ausgaben für die Bereiche Bildung und Kultur sind, die die Schuldenlast des Staates erhöhen, und nicht derzeit, wie wir es erleben, massiv die Staatsverschuldung ausgeweitet werden muss, um notleidende Banken und letztlich das gesamte Finanz- und Wirtschaftssystem am Laufen zu halten. Auch das, finden wir, muss kritisiert werden und es gehört in diese Debatte elementar mit hinein.

Meine Damen und Herren, man muss wirklich kein Prophet sein, wenn man in die Zukunft schaut, zu sehen, wenn sozusagen der Neustart des derzeitigen Finanz- und Wirtschaftssystems mit seiner, wie ich finde, falschen Wachstumsphilosophie gelingen sollte, wer am Ende die Notleidenden sein werden. Das werden alle sein, die auf den sogenannten weichen Faktoren im Sozial-. Bildungs- und Kulturbereich von Mitteln aus Bundeshaushalten und Landeshaushalten abhängig sind. Für die wird es dann heißen, wegen der Entwicklung der letzten Jahre ist kein Geld mehr für euch da und das wird letztlich die soziale Schieflage im Land verschärfen. Das sind ein

fach, denke ich, die elementaren Zusammenhänge und die muss man sich immer vor Augen führen, wenn man über dieses Thema diskutiert.

Die beabsichtigte Schuldenbremse im Bund soll ab 2020 gelten und sukzessive auch für die Bundesländer relevant werden. Für die Bundesländer, die jetzt in die Hilfesituation kommen werden, fünf an der Zahl, wird es obligatorische Auflagen geben, um an die Bundeshilfen zu kommen. Die werden sie nur erhalten, wenn sie ihrerseits wiederum mit verstärkten Ausgabekürzungen in den von mir vorhin schon genannten Bereichen reagieren werden. All das wird in der Tendenz weiter die Schieflagen auf die Benannten verschärfen.

Thüringen geht sogar noch weiter und will ein absolutes Neuverschuldungsverbot in der Verfassung einführen, das schon ab dem Jahr 2011 gelten soll. Trotz der Ausnahmen, die nun glücklicherweise, Frau Ministerin, über Naturkatastrophen hinausgehen, sondern vielleicht auch vor dem Eindruck der aktuellen Entwicklung, findet sich jetzt zumindest bei Ihnen auch die Möglichkeit, dass es zu wirtschaftlichen Krisen kommen kann und man dafür auch zeitlich befristet eine Neuverschuldung in Kauf nehmen kann.

(Zwischenruf Diezel, Finanzministerin)

Immer haben Sie es nicht gesagt, das gab es vor einem Jahr in Ihren Denkmodellen überhaupt noch nicht. Was Sie aber machen und was auch in der Föko II jetzt vorgesehen ist, das sind für den Fall von Schulden in Ausnahmesituationen verbindliche Tilgungspläne für die Folgejahre. Das, wenn die Frage der Einnahmen weiter ausgeblendet wird, würde aber nichts anderes heißen, als dass man dann wieder großzügig letztlich hineinspart in die nächste Krise, wenn man einmal diesen Ausnahmejoker genommen hat. Das ist das Kritikwürdige auch an den entsprechenden Tilgungsplänen.

Für Ostdeutschland, meine Damen und Herren, und für Thüringen wird das, was jetzt avisiert ist und was in Thüringen noch zugespitzt in die Thüringer Verfassung soll, noch deutlich verschärfendere Wirkungen haben, weil wir - und das wissen die Kollegen hier im Haus alle sehr gut - zunehmend noch von drei anderen Prämissen ausgehen müssen, nämlich dem Sinken des Solidarpakts bis zum Abschmelzen im Jahr 2019, der veränderten EU-Förderung ab dem Jahr 2014 - zumindest sehr wahrscheinlich - und unserer demographischen Entwicklung, wo wir bei dem Verlust an Einwohnern jährlich von 40 Mio. € allein über den Länderfinanzausgleich ausgehen. Das, was die Union noch in die Debatte der letzten Tage mit eingebracht hat, also ein mögliches Hebesatzrecht auf die Steuern für die Länder, würde uns weiter benachteiligen, weil das nichts anderes bedeuten wür

de, als dass die Länder, die einkommensstärker sind - und in der Zukunft wird das auch über Demographie erledigt -, also die einwohnerstärker sind, größere Möglichkeiten haben, diesen Steuerwettbewerb der Länder aktiv zu bestreiten und die Länder, die benachteiligter sind in diesem Wettbewerb, gnadenlos abzuhängen. Der Kampf um die Köpfe wird über diese Hebel geführt und ich befürchte, dass Edgar Moss, der ja sicherlich auch in Ihren Reihen durchaus geschätzt ist, recht hat, wenn er jetzt in einem Interview zu dem Ergebnis kommt, der Osten verarmt, vergreist und verdummt. Ich frage mich an der Stelle wirklich, ob das Ihr politisches Konzept ist bzw. - das werden Sie ja bestreiten -, was Sie dagegen tun wollen, dass sich das auf lange Sicht genauso auswirkt.

Meine Damen und Herren, was sich mit Föderalismusreform II verbindet, ist auf der finanzpolitischen Schiene nichts anderes als das, was Sie schon bei der Föderalismusreform I begonnen haben. Ich nenne nur das Thema Beamtenrecht. Hier haben wir in Thüringen schon ganz konkrete Auswirkungen im Landtag diskutiert, nämlich bei der Frage der Konkurrenz um die Lehrer im Fall Baden-Württemberg. Die langen Linien, meine Damen und Herren, sprechen tatsächlich dafür, dass die Interessen Thüringens, die ja diese Landesregierung und die Mehrheitsfraktion wahren sollen, nicht bloß in dieser Föderalismus-Kommission II, aber auch da, nicht gewahrt wurden. Ich sehe in den letzten zwei Jahren, wo unser Antrag im Haushaltsausschuss lag, keinen einzigen Ansatz neben der politischen Frage, dass die Mittel aus dem Solidarpakt II nicht angetastet werden sollen. Darüber hinaus sehe ich keinen einzigen Ansatz, der originär unseren Interessen hier in Thüringen gerecht werden kann. Im Gegenteil, aus Ihren Reihen kommen immer Forderungen, die unsere Einnahmebasis tendenziell weiter schmälern, während Sie zustimmen, wenn Bund und Bundesländer dafür sorgen, die finanzschwachen Länder immer weiter an die Kandare zu legen.

Ich will weitere Beispiele nennen, hier auch oft diskutiert. Ihre Steuersenkungskonzepte im Wesentlichen für Besserverdienende blenden aus, dass 40 Prozent der Bevölkerung in Deutschland derzeit überhaupt keine Steuern zahlen, weil sie so wenig verdienen. Das heißt, diese Debatte um Steuersenkungen hat von Anfang an vor dem Hintergrund dieser Zahlen ein klares ideologisches Gewicht. Sie wollen die Steuern vor allen Dingen für diejenigen senken, die einen wesentlich höheren Beitrag leisten könnten zur Finanzierung des Gemeinwesens. Ihre Position zur Abschaffung der Erbschaftssteuer wurde von Herrn Mohring hier vorgetragen. Die CSU macht das jetzt mit dem Vorschlag, die Erbschaftssteuer zu regionalisieren. Das geht in eine ähnliche Richtung. Die Position der CDU, Frau Ministerin

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Eindeutig ist die Position.)

- ja, die ist sehr eindeutig, Herr Mohring, so dass man jeden Tag etwas anderes von Ihren Leuten lesen kann -, zu den Steueroasen: Auf die Nachfrage im letzten Plenum haben Sie gesagt, die CDU war schon immer dagegen. Die war schon immer für die Bekämpfung von Steuerflucht. Einen Tag später ist erklärt, dass das entsprechende Gesetzgebungsverfahren im Bund nicht vorankommt, weil die CDU das blockiert und weil sie doch dann bilaterale Abkommen mit den entsprechenden Ländern haben will. Also ganz so eindeutig ist es nicht. Im Gegenteil, immer dort, wo es darum geht, im Ansatz Steuergerechtigkeit herzustellen, sind Sie in den Büschen oder sind Sie kontraproduktiv. Das paart sich meist mit Forderungen, die Einnahmebasis auch des Freistaats Thüringen weiter zu schmälern.

Meine Damen und Herren, vor dem Hintergrund dieser Fakten und dem Fakt, einseitig auf diese Schuldenbremse zu fokussieren, fördern Sie - und das ist das, was eigentlich am Ende der Kette steht und auch irgendwann zum Offenbarungseid Ihrer Politik führen wird -, dass es dazu führen wird, dass die öffentliche Hand, der Staat, handlungsunfähig wird, den sozialen Ausgleich zu gewährleisten. Und das in einer Zeit, in der die sozialen Unterschiede und auch die Chancen extrem auseinandergehen und die Menschen das auch so empfinden. Wir brauchen keinen Staat, der handlungsunfähig ist, aber genau mit Ihren politischen Vorschlägen sorgen Sie dafür. Sie sorgen weiter dafür, bezogen auf Ostdeutschland und auf Thüringen, dass Sie keinen handlungsfähigen Staat haben, um gleichwertige Lebensverhältnisse, wie vom Grundgesetz vorgesehen, in Ost und West überhaupt noch herstellen zu können, sondern Sie werden letztlich nur noch eine Politik nach Kassenlage machen können. Und die heißt letztendlich, um den großen Laden am Laufen zu halten, ist das Geld für die Menschen nicht mehr da. Das verbindet sich aus meiner Sicht ganz klar mit einem Abschied von dem, was als soziale Marktwirtschaft in der Begrifflichkeit bekannt ist. Sie versuchen, diesen Begriff weiter zu besetzen. Sie sagen nur nicht, wo das Soziale in dieser Begrifflichkeit für Sie steht, was das heute heißt. Das, was Sie jedenfalls bei Föderalismus II machen, kann diesem Etikett der sozialen Marktwirtschaft nicht entsprechen. Das bedeutet am Ende mehr Wettbewerbsföderalismus, mehr Gängelung der Bundesländer, Eingriff in die Haushaltswirtschaft der Bundesländer und damit weniger Möglichkeiten für die Bundesländer, originäre eigene landespolitische Essentials zu entwickeln.

Meine Damen und Herren, ein weiterer Kritikpunkt, der sich damit verbindet, Sie erinnern sich sicherlich alle an die auch hier im Landtag in der 3. Legisla

tur sehr intensiv behandelte Vorlage in Drucksache 3/50. Da ging es darum, wie die Landesparlamente in Fragen der Bund-Länder-Kooperation zu beteiligen sind, damit Föderalismus nicht nur eine Veranstaltung der Exekutiven wird oder bleiben wird. Wenn wir uns das Verfahren zu den beiden Anträgen hier im Thüringer Landtag ansehen, so war zumindest von der Opposition gewünscht, sehr frühzeitig zu signalisieren, das und das sind unsere inhaltlichen Angebote und Vorschläge. Sie haben keinen einzigen vorgelegt - alternativ Ihre Position. Sie haben aber zumindest der Überweisung an den Haushaltsausschuss vor zwei Jahren zugestimmt. Gut ist, dass wir regelmäßig Bericht erhalten haben über den Stand der Verhandlungen. Sehr oft war aber auch in den Beratungen der Fall, dass wir alle konstatieren mussten, es gibt nichts Neues aus der Kommission, wir beraten das beim nächsten Mal. Was damit aber nicht gelungen ist, ist, dass dieser Thüringer Landtag formuliert hat: Welche Erwartungen haben wir denn an diese Föderalismuskommission II, welches Mandat geben wir denn unserer Landesregierung, in dieser Föderalismuskommission II zu verhandeln? Wir haben ein Angebot dazu gemacht. Aber das, was die Landesregierung dann für Thüringen verhandelt - das habe ich versucht darzulegen -, hat mit den Interessen Thüringens nichts zu tun, hat auch nichts mit dem zu tun, was im Landtag an Anträgen vorlag, sondern hat ausschließlich mit dem zu tun, was die CDU parteipolitisch für durchsetzbar oder für wünschenswert hält.

Zumindest über diese Frage ist der Geist der Drucksache 3/50 in keinster Weise erfüllt und deshalb von uns zu kritisieren.

(Beifall DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, ein Zweites dazu: Die Debatte um die Schuldenbremse wird ebenso - so meine These, ich denke, da muss man auch kein Prophet sein - tendenziell dazu führen, dass Bund und Länder in ihrer Fähigkeit, zu einer aktiven Politik gegen die Auswirkungen von Krisen - wie aktuell, aber auch künftiger Krisen - zu finden, eingeschränkt werden. Das heißt, die Politik wird im Trend dazu verpflichtet sein, viel stärker noch dem Bürger zu sagen, ja, das, was ihr wollt, wäre irgendwie wünschenswert, aber unter gegebenen Rahmenbedingungen können wir es nicht finanzieren. Das stellt die Demokratiefrage auf eine ganz andere Weise, nämlich dass Bürgerinnen und Bürger sich zu Recht fragen, warum wählen wir denn dieses ganze Theater überhaupt noch, wenn ihr uns dann sowieso nur die Verwaltung des Mangels vorschlagt, und warum wählen wir überhaupt noch Landesparlamente, wenn ihr sowieso kaum noch Möglichkeiten habt, eigenständig politische Konzepte in euren Ländern durchzusetzen. Dazu gehört nun mal auch die Finanzierung.

Meine Damen und Herren, ein Drittes zum Stichwort „Demokratiedefizit“: Ich bin fest davon überzeugt - das habe ich eingangs bereits erwähnt -, dass wir bei der Frage der Staatsverschuldung nicht umhinkommen, uns sehr konkret anzuschauen, warum ist die Staatsverschuldung in den letzten Jahren so hoch gestiegen und wer sind die Profiteure dieser Entwicklung. Wenn Sie sich für unser Gesetzgebungsverfahren im Thüringer Landtag die Stellungnahme von Herrn Horn anschauen, bekommen Sie zumindest einen Hinweis, in welche Richtung die Debatte gehen könnte. Wir haben das auch im Landtag schon mehrmals zumindest benannt. Zu benennen wäre hier an dieser Stelle zum einen die Finanzierung der deutschen Einheit über die öffentliche Hand und die Sozialkassen und zum anderen die unsägliche Steuerreform des Jahres 2000/2001, die dazu geführt hat, dass bis heute die öffentlichen Kassen in Deutschland mehr als 300 Mrd. € an Einnahmeverlust haben. Nichts anderes ist die Kehrseite dieser Medaille, führt zu neuen Schulden und man kann es ganz klar sehen, dass das Ziel, die Staatsverschuldung zu begrenzen, über dieses technokratische Instrument von Schuldenbremsen nicht zu lösen ist. Stattdessen geht es aus meiner Sicht nur darum, den politischen Weg zu suchen, nämlich zu fragen, wie viele Einnahmen brauchen wir denn, um die Ausgaben in den nächsten Jahren zu finanzieren.

Meine Damen und Herren, das alles haben wir, wenn Sie unseren Antrag von vor zwei Jahren noch einmal zur Hand nehmen, in den acht Punkten versucht zu skizzieren. Alle Kernpunkte von damals - außer dem von Herrn Wehner genannten Punkt 1, „Solidarpakt II bis 2019 nicht antasten“ - sind aus meiner Sicht aktuell auf der Tagesordnung. Sie brauchen weitere politische Debatten. DIE LINKE wird dies weiter thematisieren. Wir haben deshalb auch mit Blick auf die Forderungen der Union aus den letzten Wochen hier noch mal eine Konzentration vorgeschlagen in unserem Entschließungsantrag in den drei Punkten:

1. das Modell eines kooperativen Föderalismus zu erhalten und das Ziel der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse nicht aus dem Blick zu verlieren,

2. gegen einen Hebesatz der Länder auf die Einkommens- und Körperschaftssteuer zu votieren, weil das den Interessen Thüringens nur schaden wird, an keiner Stelle nützen wird, und

3. die Einnahmen der Länderhaushalte nicht weiter zu gefährden, indem man Steuergeschenke verspricht,

(Beifall DIE LINKE)

sondern endlich eine angemessene gerechte Besteuerung entsprechend der Leistungsfähigkeit in

Deutschland herbeiführt. Das bedeutet für uns in allererster Linie, die großen Vermögen, die es wahrlich genug in Deutschland gibt, stärker zu besteuern, um die Aufgaben, die die öffentlichen Hände - also Bund, Land und Kommune - in den nächsten Jahren zu leisten haben, auch vernünftig erfüllen zu können.

In dem Sinne, werte Kollegen, bitte ich dann auch um Zustimmung zu unserem Entschließungsantrag. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE)

Für die SPD-Fraktion hat sich Abgeordneter Dr. Pidde zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, der Antrag der Linkspartei ebenso wie der Alternativantrag meiner Fraktion stammen aus dem Jahr 2007. Herr Gerstenberger hat als Berichterstatter darauf hingewiesen, dass wir wiederholt im Haushalts- und Finanzausschuss zu diesem Thema beraten haben, je nach Fortschritt der Beratungen der Föderalismuskommission. Diese hat inzwischen ihre Arbeit beendet. Das Ergebnis liegt vor. Die Landesregierung hat uns einen entsprechenden Ergebnisbericht zugeleitet. Nun geht das Ganze aber in das Gesetzgebungsverfahren und dahin gehend ist unser Änderungsantrag gerichtet, dass wir dort die Positionen, die wir von der Landesregierung erwarten, welche sie dort einbringt, auch entsprechend dargestellt haben. Es geht in die heiße Phase und wir wissen noch nicht, wie der Gesetzentwurf aussehen wird, auch wenn es die Verabredung in der Koalition gibt. Wir wissen noch nicht, wie er im Bundestag verhandelt wird, und wir wissen natürlich auch nicht, wie es im Bundesrat beraten wird. Da ist die Landesregierung unser Interessenvertreter und deshalb unser Änderungsantrag.

Wenn wir noch einmal zurückschauen auf den Antrag aus dem Jahr 2007, dann haben wir mit den Forderungen gar nicht so schlecht gelegen, wenn man sie mit den Ergebnissen der Föderalismuskommission vergleicht. Das betrifft z.B. die Erhaltung des Modells eines kooperativen Föderalismus, in dem soziale Standards und Leistungen unter Berücksichtigung des Verfassungsprinzips der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse gestaltet werden, das betrifft z.B. unsere Forderung „Hände weg vom Solidarpakt II“ - die bis Ende 2019 festgelegten Zahlungen sind ein wichtiger Einnahmeposten für alle neuen Bundesländer - und das betrifft z.B. die Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen. Im Sin

ne konsequenter Einsparungen auf der Ausgabenseite und der Schaffung notwendiger Handlungsspielräume für die öffentlichen Haushalte wurden von der Föderalismusreform zwei konkrete Maßnahmen zur Entbürokratisierung und Effizienzsteigerung erwartet. Die Föderalismuskommission hat entsprechende Effizienz- und Effektivitätsverbesserungen bei der Steuerverwaltung vorgeschlagen. Dies geschieht durch Änderungen im Finanzverwaltungsgesetz und im Einkommenssteuergesetz sowie in der Durchführungsverordnung zum Einkommenssteuergesetz.

Andere wichtige Punkte können hoffentlich im Gesetzgebungsverfahren gehalten werden. Das muss ich einfach mal so sagen. Damit meine ich die Erweiterung der Steuerautonomie der Länder, die wir strikt ablehnen. Da gibt es ja aus den unterschiedlichen Truppenteilen der CDU auch die unterschiedlichsten Positionen, wobei noch genug bayerische Querschüsse festzustellen sind.

(Beifall SPD)

Ein Steuerwettbewerb unter den Ländern führt automatisch zu ruinösen Bedingungen zulasten der neuen Bundesländer. Deshalb lehnen wir ihn strikt ab.

(Beifall SPD)

(Unruhe CDU)

Der zweite Punkt, von dem ich denke, den wir unbedingt halten sollten, ist eine konkrete und wirksame bundeseinheitliche Schuldenbegrenzung. Dabei brauchen wir die entsprechende Flexibilität, um vorübergehende Einbrüche öffentlicher Einnahmen, die konjunkturell oder durch Sondereinflüsse verursacht werden, auszugleichen. Wichtig dabei ist aber, dass die neuen Bundesländer von den vereinbarten Ausgleichszahlungen für die hochverschuldeten Länder, ich meine damit den Umsatzsteuervorwegausgleich, der diese vollziehen soll, ausgenommen werden. Was dort vereinbart worden ist, konterkariert den Aufbau Ost und die Solidarpaktzahlung.

(Beifall SPD)

Es kann nicht sein, dass die Gelder, die für den Aufbau Ost sind und hier herüberfließen, zum Schluss in den Kassen in Saarbrücken und in Kiel landen. Da erwarte ich einfach, dass die Landesregierung sich entsprechend für Thüringen einsetzt. Das sind die Dinge, die wir im Änderungsantrag formuliert haben. Ich bitte um Ihre Zustimmung.

(Beifall SPD)

Für die CDU-Fraktion hat sich Abgeordneter Wehner zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, aufgrund der Rednerfolge war es natürlich klar, dass ich es bei den einführenden Bemerkungen nicht belassen kann. Herr Huster, ich schätze Sie als einen sehr angenehmen Partner im Haushalts- und Finanzausschuss, aber wenn Sie hier ernsthaft infrage stellen, dass dieser Bundesstaat in den vergangenen zwei Jahrzehnten eines der solidarischsten Gemeinwesen war, die ich kenne, dann kann ich Sie leider nicht mehr richtig ernst nehmen. Sie kennen unsere Haushaltsdeckungsquote aus eigenen Steuereinnahmen, Sie wissen, wie wir von Zuweisungen Dritter abhängig sind und was hier an Aufbauleistung durch Geld, das wir aus den alten Bundesländern - von den Kommunen angefangen über die Länder, über den Bund - erhalten haben - bis zur Europäischen Union, die ich auch nicht vergessen möchte -, ist eine Aufbauleistung des gesamten Deutschlands, mit der sich auch Thüringen und andere neue Bundesländer teilweise Strukturen leisten, die in den alten Bundesländern so nie vorhanden waren bzw. bekannt sind. Wir haben in Thüringen eine der besten Bildungslandschaften, wir haben mit die beste Kulturlandschaft, wir haben mit die beste Kinderbetreuung. Wir haben also Zustände, die in manchem alten Bundesland als erstrebenswert gelten. Aber Sie stellen das so dar, als wenn es einen Mangel an Solidarität in diesem Gemeinwesen gäbe. Ich kann das nicht mehr nachvollziehen. Ich weiß auch nicht, was Sie mit solchen Reden erreichen wollen. Wollen Sie eine Konfrontation zwischen den alten Bundesländern und den neuen Bundesländern heraufbeschwören? Es ist ein Modell, das Sie so angehen, dass Sie versuchen, Probleme herbeizureden. Ich denke, dieser Neid, der in alten Bundesländern manchmal vielleicht zu Recht zu verzeichnen ist, wenn die in die neuen Bundesländer kommen und dann sehen, was hier in den letzten Jahren beispielsweise an Infrastruktur geschaffen worden ist, wie öffentliche Gebäude von Schulen über Sporthallen und dergleichen mehr saniert worden sind. Wenn die dann sehen, wie bei ihnen die Zustände sind. Ich kann das zumindest zum Teil nachvollziehen und ich sage ganz klar, man darf auch Solidarität nicht mit völlig daher gebrachten Forderungen, die nicht realistisch sind, überziehen. Wir müssen uns mittlerweile auch dem Wettbewerb stellen. Thüringen hat in den vergangenen Jahren dafür viel getan. In den schwierigen Jahren 2002 bis 2005, Sie haben die unsägliche Steuerreform der Jahre 2000/2001 genannt, die zu Einnahmeverlusten geführt hat,

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Da haben Sie mitgemacht im Bundesrat.)

haben wir niemanden gefunden, der bei den Einsparungen, die hier im Freistaat ca. 550 Mio. ausgemacht haben, auch nur bei einer Maßnahme an unserer Seite gestanden hätte. Im Gegenteil, Herr Kuschel, Sie sind doch das beste Beispiel dafür. Sie mobilisieren doch Menschen, wo Sie nur können, mit Lügen, mit Halbwahrheiten und mit anderen Methoden, die Ihnen nun einmal eigen sind,