Protokoll der Sitzung vom 13.08.2009

(Zwischenruf Abg. Jaschke, CDU: Aber es ist nicht die Wahrheit, was Sie sagen!)

Es ist wahr. Sie führen hier vorn, Herr Jaschke, entsprechende Beschlüsse Ihrer Partei an. Auch wir haben diese Beschlüsse. Nehmen Sie es bitte zur Kenntnis und haben Sie keine Scheuklappen davor, festzustellen, dass auch wir Geschichtsaufarbeitung betreiben.

(Beifall DIE LINKE)

Einen dritten Punkt möchte ich gern aufgreifen, den Kollege Jaschke benannt hat. Da bin ich sehr nahe bei Ihnen, das ist die Frage „Ende oder nicht Ende der Debatte“. Die Frage nach der Weiterführung des Abgeordnetengesetzes hat nichts mit dem Ende der Debatte über diese Verantwortung und die damit verbundenen Strukturen oder Träger der Verantwortung zu tun. Im Gegenteil, gerade das wollen auch wir weiterhin, dass diese öffentliche Debatte transparent und an den entsprechenden Beispielen auch fortgeführt wird. Da bin ich ganz nah bei Ihnen, den Mantel des Vergessens wollen wir nicht über diese Geschichte legen.

(Beifall DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, die Grundlage des hier zu verabschiedenden Gesetzes und die unserer Meinung nach großen verfassungsrechtlichen Bedenken lassen unsererseits keine Zustimmung zu diesem Gesetz erfolgen. Recht schönen Dank.

(Beifall DIE LINKE)

Das Wort hat der Abgeordnete Carius, CDU-Fraktion.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Frau Präsidentin, ich bin sehr verwundert darüber, dass die SPD sich offensichtlich dieser Debatte komplett entzieht. Es ist aus meiner Sicht skandalös.

(Heiterkeit DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, jetzt haben wir hier die beiden Beiträge von der Fraktion DIE LINKE gehört. Herr Blechschmidt, Sie nehmen es mir persönlich nicht übel, ich nehme Ihnen vieles persönlich ab, aber Ihren Kollegen nicht. Es war doch eine ganze Reihe von Lippenbekenntnissen, die Sie für Ihre Partei vorgetragen haben. Ihnen persönlich nehme ich es gern ab.

(Beifall CDU)

Zu den Verfahrensfragen, an denen Sie sich immer festhalten: Unser Vorgehen im Ausschuss war geschäftsordnungsmäßig und verfassungsmäßig abgesichert. Wir haben lediglich aus dem Grund, dass wir eine Sachdebatte haben wollten und Ihnen nicht den Vorwand geben wollten, sich dieser Debatte zu entziehen, darauf verzichtet, die rechtmäßig uns zustehenden Rechte in der Geschäftsordnung auch umzusetzen.

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Das ist ja ein Witz. Das glauben Sie doch selber nicht.)

Wir wollten Ihnen gern Gelegenheit geben, sich abseits von Verfahrensfragen hier zu positionieren. Die SPD-Fraktion verzichtet darauf. Das ist sehr bedauerlich.

Zur Frage der K 1-Aufnahme will ich noch mal deutlich sagen: Hier handelt es sich nicht um eine Verschärfung der gegenwärtigen Rechtslage, sondern wir sind bisher immer davon ausgegangen, auch im Einklang mit dem Stasi-Unterlagen-Gesetz, dass unser Abgeordnetenüberprüfungsgesetz die Frage der K 1 mit enthalten hat. Das ist auch in den Minderheitenvoten von einigen Verfassungsrichtern deutlich geworden. Dass das leider nicht die Mehrheit gefunden hat, müssen wir zur Kenntnis nehmen und werden deswegen an dieser Stelle genau diese Bestimmtheit in das Gesetz einführen, von der wir immer ausgegangen sind, dass sie im Gesetz bereits enthalten war.

(Beifall CDU)

Zum offenen Umgang, meine sehr verehrten Damen und Herren, mit den Biografien, zum offenen Umgang mit SED-Unrecht, Herr Hausold, dazu haben Sie viel

gesagt. Allein die Bürger sprechen eine andere Sprache, 56 Prozent von Befragten einer forsa-Umfrage sagen, Politiker mit Staatssicherheitsvergangenheit gehören nicht in Parlamente, gehören nicht in öffentliche Ämter. Deswegen geht es hier nicht nur um den offenen Umgang, sondern es geht auch darum, Konsequenzen zu ziehen. Ihre Partei zieht diese Konsequenzen nicht. Sie stellen immer wieder Stasi-Spitzel auf und sorgen dafür, dass sie sicher ins Parlament kommen. Das ist skandalös und wir verurteilen diese Entwicklung.

(Beifall CDU)

Zum offenen Umgang, meine Damen und Herren, gehört auch, dass man nicht nur das offenlegt, was offen zutage tritt nach Salamitaktik, sondern dass man alles offenlegt. Das schafften Sie in der Vergangenheit nicht. Herr Hausold, Sie fressen Kreide, kleiden sich im Schafspelz, aber Ihre Truppe bleibt nach wie vor der Wolf, vor dem wir die Wähler schützen werden.

(Unruhe DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, Sie arbeiten mit Unterstellungen, wenn Sie sagen, es geht uns um die Stigmatisierung von einzelnen Abgeordneten. Sie verwechseln hier Ursache und Wirkung, denn nicht wir schicken die Stasi-Spitzel in öffentliche Ämter und in Parlamente, sondern Sie. Wir machen dann lediglich darauf aufmerksam, dass es so ist, dass es ein skandalöser Zustand ist. Insofern muss Ursache und Wirkung noch beieinander bleiben; Sie setzen die Ursache, wir sorgen für die Wirkung.

(Beifall CDU)

Sie bekämpfen dieses Gesetz an jeder Stelle, übrigens in trauter Zweisamkeit mit der SPD-Fraktion, verweisen auf ungeeignete, unzulässige und letztlich auch völlig untaugliche Alternativen. Es ist, denke ich, deutlich geworden in der Anhörung, dass Ihre Alternative - insbesondere, Herr Kollege Höhn, Ihre Alternative einer Abgeordnetenüberprüfung nach dem Bundesrecht in der 5. Wahlperiode -, dafür zu sorgen, eine rechtliche Grundlage dafür zu schaffen, überhaupt nicht verfassungsmäßig haltbar ist.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Das ist Ihre Behauptung.)

Das ist letztlich sogar in der Anhörung bei einem Sachverständigen von der Seite der LINKEN deutlich geworden.

Ich finde es auch skandalös, meine Damen und Herren, wenn wir beim Thema Stigmatisierung sind, wie es Kollegen der LINKEN immer wieder gelingt, Täter-

und Opferrolle miteinander zu vertauschen. Dasselbe Spiel, was Sie mit Ursache und Wirkung betreiben, machen Sie mit den Opfern ebenso, indem Sie jetzt Ihre Stasi-Spitzel zu Opfern eines Systems machen. Nein, meine Damen und Herren, die Wahrheit ist anders, die Stasi-Spitzel waren die Täter. Die Stasi-Spitzel haben dafür gesorgt, dass Leute verleumdet wurden, dass sie denunziert wurden, dass sie Nachteile in ihrer persönlichen Entwicklung hatten, meine Damen und Herren. Darauf werden wir auch weiter aufmerksam machen. Es ist nicht untypisch für Ihre Truppe, aber es ist leider so, dass Sie es immer wieder machen, und wir werden da nicht müde, darauf aufmerksam zu machen.

Beschämend, meine Damen und Herren, ist das Verhalten der SPD. Sie segeln hier unter dem rot-rotgrünen Segel, haben einen Kurs eingeschlagen, der weit weg ist davon, Unrecht aufzuklären. Ich habe bereits erklärt, auch in der Berichterstattung, dass Ihre Alternativen untauglich sind, definitiv unzulässig. Sie stützen sich dabei - und da komme ich auch noch einmal zum Thema des offenen Umgangs mit Stasi-Vergangenheit - auf den Herrn Sachverständigen Bartl, meine Damen und Herren, sicher ein glänzender Jurist, sonst wäre er auch zu DDRZeiten nicht so weit gekommen. Wenn wir uns mit der Frage „offener Umgang“ beschäftigen und Sie sagen, wir wollen eine freiwillige Überprüfung und die Leute sollen natürlich alles wissen - Sie geben doch nur zu, was offen zutage getreten ist, meine Damen und Herren. Einmal ganz abgesehen davon, wenn ich hier auf Herrn Bartls persönlicher Internetseite als Abgeordneter des Sächsischen Landtags lese, da darf ich einmal kurz zitieren, Frau Präsidentin: „Und ich habe noch etliche persönliche Rechnungen mit der CDU und all jenen offen …“ etc. geht das weiter. Hier geht es nicht um Aufarbeitung und ich möchte auch darauf aufmerksam machen, dass Herr Bartl, der von 1969 bis 1971 unter dem Decknamen „Andreas Förster“ zudem inoffizieller Mitarbeiter der Staatssicherheit war, in seinem Lebenslauf als Abgeordneter mitnichten darauf verweist, dass er für die Staatssicherheit gearbeitet hat. Insofern, meine Damen und Herren, offener Umgang auf freiwilliger Basis, da werden wir nie herausbekommen, wer von Ihnen alles noch mit der Staatssicherheit zusammengearbeitet hat, wer Menschen denunziert hat und wer im Grunde nicht würdig ist, in diesem Parlament zu sitzen.

(Unruhe DIE LINKE, SPD)

Zur Frage der SPD, ich sage Ihnen nur: „Wes’ Brot ich ess, des’ Lied ich sing.“ Sie singen hier ganz offensichtlich nicht mehr das Lied von Unrechtsaufklärung,

(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: Herr Carius, die SPD ist die einzige Partei in der DDR, die keine Verantwortung getra- gen hat. Die CDU hat auch Verantwor- tung getragen. Das ist unglaublich, diese Verlogenheit hier.)

sondern Sie singen ein ganz anderes Lied, um dann unter rot-rot-grünem Segel hier in den nächsten Landtag einzuziehen. Wir werden dafür sorgen, dass Sie dabei in der Opposition sitzen. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Das Wort hat der Abgeordnete Höhn, SPD-Fraktion.

(Unruhe im Hause)

(Glocke der Präsidentin)

Das Wort hat der Abgeordnete Höhn. Sie können sich gerne alle melden und hier an das Rednerpult treten. Ich bitte um Ruhe.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

(Glocke der Präsidentin)

ich kann schon die Aufregungen in den Reihen, vor allem in meiner Fraktion, verstehen nach den Äußerungen, die der Kollege Carius eben hier von diesem Pult aus von sich gegeben hat. Ich will Ihnen einmal sagen, Herr Kollege, ich habe das bei einer anderen Gelegenheit schon einmal getan, aber, ich glaube, ständige Wiederholungen fruchten nach wie vor bei Ihnen nicht. Sie verstecken sich hinter einer Billigkeit Ihrer Argumente in einem Ausdruck von Arroganz und Schnoddrigkeit. Das zeigt, dass sich die CDU hier an dieser Stelle auf sehr, sehr dünnem argumentativen Eis bewegt.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Ich werde Ihnen das im Verlauf meiner Ausführungen noch nachweisen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich stelle fest, wir befinden uns in einer Landtagssitzung, die es nach dem Willen der letztmalig allein regierenden CDU eigentlich gar nicht geben sollte. Warum findet die denn eigentlich heute hier zu diesem Zeitpunkt statt? Hat sich das schon einmal jemand überhaupt ernsthaft gefragt? Nun, Sie werden das sicherlich verstehen, dass ich diese Antworten hier an dieser

Stelle liefern möchte. Es hat am Dienstag eine öffentliche mündliche Anhörung stattgefunden, die es auch nicht hätte geben sollen, jedenfalls nicht nach dem Willen der letztmalig allein regierenden CDU. Und jene Entscheidung, diese Anhörung abzuhalten, die sollte es so auch nicht geben, meine Damen und Herren, jedenfalls auch nicht nach dem Willen der CDU.

Aber was war denn nun die Ursache für diesen plötzlichen Sinneswandel, sowohl diese Anhörung vorgestern, am Dienstag, durchzuführen als auch die erste Lesung letzten Freitag hier in diesem Hohen Hause, die man tags zuvor im Ausschuss ja noch mit allen juristischen und geschäftsordnungsmäßigen Mitteln zu verhindern suchte? Was war denn die Ursache? Die Opposition musste - und ich sage das ganz bewusst - zum letzten Mittel greifen, um die Integrität dieses Hohen Hauses vor einer - und ich betone das ausdrücklich - allzu parteilastigen Anwendung der Geschäftsordnung zu bewahren.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Das Verfassungsgericht ruft man nicht einfach so an. Ausgerechnet - und das hat mich ganz besonders geärgert - der Gralshüter der Geschäftsordnung, also unsere eigene Arbeitsgrundlage, der Justizausschuss, war im Begriff, Oppositionsrechte dauerhaft zu beschädigen. Und das darf nicht sein, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Eines will ich auch noch einmal sagen, glauben Sie mir, meine Damen und Herren auf der Tribüne, diese Fraktion der Mehrheit hätte den Teufel getan, wenn es nicht ernsthafte Mahnungen vonseiten des Gerichts gegeben hätte, doch von ihrem hohen Ross herunterzusteigen. Nur deshalb sitzen wir heute hier, meine Damen und Herren.