Protokoll der Sitzung vom 13.08.2009

(Beifall CDU)

Aber es sei mir gestattet, eine Anmerkung zu machen, die sich aus den Debatten der letzten zwei Wochen ergeben hat. Die Oppositionsfraktionen haben wiederholt geäußert, der Verfassungsgerichtshof hätte mit seiner knappsten Mehrheit von 5 : 4 entschieden und deshalb seien sowohl der Spruch des Hofs als auch die Schlussfolgerungen, die die CDU daraus getroffen haben, zumindest zu hinterfragen. Ich frage mich auch angesichts dieses historischen Datums heute, am 13. August: Welches Demokratieverständnis bekleiden eigentlich die beiden Oppositionsfraktionen, die unterstellen, weil ein Verfassungsgericht mit 5 : 4 entscheidet, dass diese Hofentscheidung nur mit knapper Mehrheit und deshalb zumindest fraglich sei, ob sie tatsächlich einer gesetzlichen Umsetzung bedarf. Ich will ganz klar für uns sagen: Das ist ungeheuerlich, so einen Vorwurf zu äußern, dass eine 5 : 4-Entscheidung eine andere Verfassungsgerichtsnormierung bedeute als eine 9 : 0-Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs. Es bleibt der Respekt vor dem Hof und es bleibt der

Respekt vor der Thüringer Verfassung. Wenn der Verfassungsgerichtshof entschieden hat mit Mehrheit, dann gilt dieser Spruch für alle Demokraten hier in diesem Freistaat Thüringen.

(Beifall CDU)

Dann sei es mir gestattet, zum Ende auch noch einmal darauf hinzuweisen, es mag ja richtig sein, dass Sie sagen, dass nicht ausschließlich die CDU das Erbe der friedlichen Revolution hier in der Geschichte dieses Freistaats Thüringen trägt. Ich sage das auch ganz selbstbewusst, weil oben im Publikum auch viele Mitbegründer des Neuen Forum sitzen, ich selbst auch dazugehöre und viele hier in diesem Thüringer Landtag, egal in welcher Fraktion, in diesem wichtigen Wendeherbst 1989/90 einen wichtigen Beitrag zur Demokratisierung und auch zur deutschen Einheit geleistet haben. Aber ich will Sie wenigstens - nicht Ihnen persönlich, aber der langen Traditionslinie der deutschen Sozialdemokraten - an einen Schmerzpunkt Ihrer Geschichte noch einmal erinnern und deswegen einen kurzen Blick auf das Jahr 1946 richten und will Ihnen sagen: Das, was Sie heute vorführen, das Gesetz nicht in die Verlängerung zu tragen, diesen Handschlag haben Sie schon einmal gemacht. Es lässt sich leicht sagen, gemeinsam SED-Vergangenheit zu tragen und Zwangsvereinigte zu sein, heute zu sagen, wir haben keine Geschichte.

(Unruhe SPD)

Es waren Sozialdemokraten wie Otto Grotewohl und andere, die dazu beigetragen haben, dass die DDRDiktatur überhaupt erst leben konnte und dass die DDR mit ihrer SED-Herrschaft überhaupt erst ihr Stasi-Spitzelsystem begründen konnte. Sie müssen es sich zumindest anrechnen lassen, dass es Sozialdemokraten, nicht Sie persönlich, nicht die jetzige Thüringer SPD, aber es waren Sozialdemokraten, die dazu beigetragen haben, dass die DDR-Diktatur überhaupt erst existieren konnte. Es gehört zur Wahrheit unserer Geschichte dazu, dass man auch darüber spricht.

(Beifall CDU)

(Unruhe DIE LINKE, SPD)

(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: Schämen Sie sich!)

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Sie reden von Geschichte? Sie wissen doch gar nicht, was das ist.)

Aber jetzt geht es darum, dass dieser Thüringer Landtag so frei, wie er gewählt wurde, so frei, wie er zusammengesetzt ist und ich habe es in diesen

Tagen gesagt, eines der großen Freiheitsrechte der friedlichen Revolution sind freie, geheime und gleiche Wahlen gewesen, die wir errungen haben. Wir stehen wenige Tage erneut vor diesen freien, geheimen und gleichen Wahlen. Ich finde, es gehört zu diesem großen Freiheitsrecht, eines der großen Rechte aus der friedlichen Revolution des Herbstes 1989 dazu, dass wir in Klarheit und Transparenz wissen, wer wird in diesem Freistaat Thüringen in der Zukunft in den nächsten fünf Jahren Demokratie gestalten und wer hat möglicherweise in dem anderen System auch Schuld auf sich geladen. Die Thüringer Bürger, die Wähler sollten es wissen, wem sie das Vertrauen geben und die im Angesicht dieses Vertrauens dann auch das Mandat annehmen, sollen wissen, auf was sie sich einlassen. Deshalb werben wir auch ausdrücklich noch mal in Richtung der SPD-Fraktion für diese Verlängerung des Stasi-Überprüfungs-Gesetzes, damit wir mit Transparenz und mit Klarheit und mit demokratischer Aufrichtigkeit in die nächste Wahlperiode für diesen Thüringer Landtag treten können. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Es gibt eine weitere Redeanmeldung, Abgeordneter Höhn und anschließend Abgeordneter Hausold.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, der Wadenbeißer des Freistaats hat wieder zugebissen. Es war ja klar, dass der Fraktionsvorsitzende der CDU versucht, uns in einen Topf zu werfen, in den wir weder gehören noch wo wir in irgendeiner Weise einen Zweifel gelassen haben, dass wir dahin gehören.

Aber der Reihe nach: Herr Mohring, Sie haben vorhin nicht zugehört. Ich will Ihrem Gedächtnis Nachhilfe erteilen. Ich habe nicht gesagt, dass der Ministerpräsident keinen Respekt vor dem Verfassungsgericht hat walten lassen. Ich habe gesagt, dass der Respekt vor dem Verfassungsgericht durch die CDU in ihr politisches Belieben gestellt wird, das habe ich gesagt und dazu stehe ich auch, meine Damen und Herren.

(Beifall SPD)

Ich kann Ihnen das an zwei Schriftstücken belegen, wie Sie das mit dem Respekt in Bezug auf das Kommunalwahlrecht gehalten haben. Am 6. März eine Pressemitteilung - bzw. ist das hier eine dpa-Meldung auf Basis einer Pressemitteilung der Landesregierung -, dass die Landesregierung die 5-Prozent-Hürde bei Kommunalwahlen abschaffen will. Es gab ein Bun

desverfassungsgerichtsurteil, alles klar. So weit, so gut, aber wenn Ihre Argumentation in diesem Fall stimmt, dass Sie das Urteil abwarten wollten, das Urteil zur 5-Prozent-Hürde wurde mit Pressemitteilung des Verfassungsgerichtshofs am 11. April verkündet. So viel zum Respekt, Punkt eins, meine Damen und Herren.

Zum Zweiten: Ich hätte Ihnen unterstellt oder Sie unterstellen uns, dass wir an der Kritik oder an dem Urteil - im Übrigen, ich habe keine Kritik angebracht, Sie können das gern sowohl in meinem Manuskript als auch vielleicht im Protokoll nachlesen. Ich habe gesagt, die Sondervoten zu diesem Urteil sollten mehr als nur ein Fingerzeig sein,

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Bun- desrecht bricht Landesrecht.)

über den Inhalt dieses Thüringer Gesetzes nachzudenken. Das ist der Punkt und das hat mit mangelndem Respekt überhaupt nichts zu tun an dieser Stelle. Das sei Ihnen noch einmal gesagt.

(Beifall SPD)

Herr Kollege Mohring, was Sie in Bezug auf die Historie meiner Partei hier von sich gegeben haben, schämen Sie sich.

(Unruhe CDU)

(Zwischenruf Abg. Grüner, CDU: Das ist doch die Wahrheit.)

Schämen Sie sich, uns in einen solchen Kontext stellen zu wollen. Ich will Ihnen mal was sagen: Herrmann Brill würde sich im Grabe umdrehen, wenn er Ihre Rede hier gehört hätte und Sie wissen ganz genau unter welchen Umständen. Ich habe damals nicht gelebt, ich kann die Frauen und Männer nicht kritisieren dafür oder ich will es noch nicht einmal beurteilen, warum sie diesen Schritt gegangen sind. Er war aber in den wenigsten Fällen freiwilliger Natur, auch das ist Historie. Das sollten Sie wissen an dieser Stelle.

(Beifall SPD)

Es war nicht die SPD, die 40 Jahre lang ein System mitgetragen hat, dass eine menschenverachtende Grenze zum Inhalt hatte, das war die CDU als Blockpartei, meine Damen und Herren.

(Beifall SPD)

Das Wort hat jetzt Abgeordneter Hausold, Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, zunächst mal Herr Mohring, wenn Sie heute ein Gesetz eingebracht hätten ohne verfassungsrechtliche und sonstige rechtliche Bedenken, dann hätten Sie hier nicht dieses Akrobatenkunststück vorbringen müssen, das Sie noch mal sehr wortreich versucht haben darzulegen, dass alles rechtens ist und alles mit der Verfassung unbedenklich ist. Aber das haben Sie getan, weil Sie genau wissen, dass Sie auf ganz schmalem Grat hier wandeln und dass das sehr wohl sehr deutlich auch für die Zukunft anfechtungsrelevant bleibt, was Sie hier vorlegen. Das sage ich Ihnen hier noch mal: Sie behaupten - aus gutem Grund, darauf komme ich noch zurück -, dass es Ihnen wirklich um die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit geht. Aber es geht Ihnen nicht darum, das beweisen Sie auch in Ihrer Rede wieder. Es geht Ihnen darum, die CDU ins rechte Licht zu rücken und Wahlkampf auf Kosten eines sehr komplizierten Themas zu betreiben. Das ist das, was Sie heute hier vorführen, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)

Wissen Sie, Sie haben hier gesagt in Reflexion auf den Kollegen Höhn, nicht ausschließlich die CDU hat die friedliche Revolution herbeigeführt. Herr Mohring, was heißt das denn im Umkehrschluss? Heißt das, vor allem die CDU hat die friedliche Revolution in der DDR herbeigeführt?

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Über- haupt nicht.)

(Unruhe CDU)

Aber so führen Sie sich auf, meine Damen und Herren. Das nimmt Ihnen zu Recht niemand ab, meine Damen und Herren von der CDU.

(Beifall DIE LINKE)

Dafür gibt es natürlich auch Gründe, Herr Mohring und meine Damen und Herren von der CDU.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Sie wollten das Neue Forum nicht mal zulas- sen.)

Das Problem ist doch ganz einfach Folgendes: Herr Carius hat die berühmte Katze ein Stück weit aus

dem Sack gelassen. Er hat völlig politisch argumentiert, er hat die bei der CDU übliche Auseinandersetzung mit uns und mit anderen hier vorgebracht. Es ging natürlich nicht um das Gesetz hauptsächlich, sondern es geht um die politische Instrumentalisierung des Themas. Das ist seit der zweiten Rede von Herrn Carius hier völlig klar. Sie sagen dann, die CDU hat natürlich ihre entsprechenden Beschlüsse. Sie haben sich auseinandergesetzt, aber, meine Damen und Herren, Sie haben sich erstens sehr kurzatmig auseinandergesetzt, weil natürlich die Positionierung der CDU in der DDR weitaus deutlicher war, als Sie sich wirklich damit auseinandersetzen, das will ich hier noch mal sagen. Ich kann es Ihnen einfach nicht ersparen, noch 1982 stand in der Satzung der CDU hier in der DDR, ich zitiere: „Die CDU ist eine Partei des Friedens, der Demokratie und des Sozialismus. Die unverrückbaren Ausgangspunkte des politischen Denkens und Handelns der christlichen Demokraten sind Treue zum Sozialismus, vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Partei der Arbeiterklasse als der führenden Kraft der sozialistischen Gesellschaft und Freundschaft zur Sowjetunion.“ Wenn Sie das mal nehmen, meine Damen und Herren, da hätten Sie viele, viele Stunden und viele, viele Debatten mehr aufwenden müssen, um sich mit der Position Ihrer Partei, die nahtlos von der West-CDU übernommen wurde, auseinanderzusetzen.

(Unruhe CDU)

Das haben Sie lange nicht geleistet.

(Zwischenruf Abg. Carius, CDU: Sie ha- ben die Menschen vergewaltigt und jetzt verhöhnen Sie sie.)

Ich rede von der CDU, Herr Carius; ich rede nicht von den Opfern der SED-Diktatur.

(Beifall DIE LINKE)

Das sind sie nämlich vielfach nicht, meine Damen und Herren. Dazu wollen Sie sich aufschwingen und das tut den Betroffenen überhaupt nicht gut.

(Beifall DIE LINKE)