Aber ich hatte ja gesagt, es hat Gründe. Auch wir haben uns, und zwar ganz anders als Sie, mit diesen Fragen auseinandergesetzt. Wir haben aber eines getan, wir haben nicht nur uns mit der Politik auseinandergesetzt, sondern wir haben gerade auch zur Auseinandersetzung mit den einzelnen politischen Biografien
und ihrer Verantwortung in der DDR gestanden. Genau das, meine Damen und Herren von der CDU - und da nehme ich fast keinen von Ihnen aus; es gibt ein Beispiel in Ihren Reihen, wo ich das anders sehe -, haben Sie nicht getan. Sie wollen die Geschichtsaufarbeitung auf das Allgemeine, auf die DDR im Allgemeinen und auf die LINKE begrenzen und mit Ihrer Verantwortung und Ihrem persönlichen Wirken in dieser Gesellschaft DDR wollen Sie sich nicht auseinandersetzen, meine Damen und Herren. Deshalb will ich - ich habe das hier ja deutlich und an vielen Stellen schon gesagt, wie wir kritisch die Tätigkeit der Staatssicherheit bewerten und dass wir das heute nicht rechtfertigen - Ihnen auch deutlich sagen, Sie wollen die gesamte politische Debatte auf das Thema „Staatssicherheit“ reduzieren. Das wollen Sie deshalb, weil Sie zwar die allgemeine Auseinandersetzung wollen, aber sich mit Ihren persönlichen Biografien und Ihrem Wirken in der DDR nicht auseinandersetzen wollen, weil Sie so tun wollen, als wären Sie erst 1989/90 hier auf die Welt gekommen und hätten schon immer die Grundsätze des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vertreten. Aber das, meine Damen und Herren, haben Sie natürlich nicht. Sie konnten es auch gar nicht. Aber dann sollen Sie auch heute nicht behaupten, Sie hätten es getan, meine Damen und Herren.
Das ist personell hier nachvollziehbar. Mindestens neun Menschen auf der Liste der CDU zur Landtagswahl waren im politisch administrativen System der DDR natürlich tätig. Da will ich auch nicht etwa verzerren und das sage ich noch einmal deutlich: Die politische Hauptverantwortung für all das, was sich ergeben hat nach 1945, trägt die Parteiführung der SED und natürlich in gewisser Weise auch die SED als politische Gesamtpartei. Das ist nicht infrage zu stellen. Aber, Herr Althaus, verschiedene Minister aus Ihrem Kabinett, Frau Diezel, Ihr Landwirtschaftsminister Herr Sklenar, Sie alle waren in das politisch administrative System der Deutschen Demokratischen Republik einbezogen und wenn es im Schuldienst gewesen ist und wenn es als stellvertretender Schulleiter gewesen war. Deshalb ist Ihnen nicht anzukreiden, dass Sie das getan haben, aber Sie müssen doch auch mal deutlich sagen, Sie waren nicht diejenigen, die Widerstand gegen die Politik in der DDR wirklich geleistet haben.
Ich war es auch nicht und das habe ich mehrfach offen bekundet und zu meiner eigenen Verantwortung gesprochen. Aber Sie, Herr Althaus, und viele Ihrer Minister und viele Mitglieder der CDU waren es auch nicht, aber Sie tun heute so
Ich denke, insofern ist natürlich die Debatte, die wir heute hier gemeinsam führen, eine sehr wichtige Debatte. Sie wäre nicht zustande gekommen, Herr Höhn hat das berechtigterweise gesagt, wenn es nach Ihrer Mehrheitsmeinung so von Anfang an gegangen wäre, weil Sie sich auch diesen Auseinandersetzungspunkten eher gerne verschließen.
Im Übrigen, Herr Mohring, man kann über die Rolle von Otto Grotewohl nach 1945 sehr geteilter und man muss auch in Auseinandersetzung mit dem System der DDR sehr kritischer Meinung sein, was Otto Grotewohl betrifft. Aber ich muss Ihnen auch einmal ganz deutlich sagen, auch angesichts - das manche ich sonst wirklich selten - Ihrer Biografie, vor allen Dingen Ihres Alters, über einen Menschen, der als Mitglied der Sozialdemokratischen Partei wie viele Tausende und Abertausende andere auch, im antifaschistischen Widerstandskampf gestanden hat und der erst den dafür bescheidenen eigenen deutschen Beitrag mit geleistet hat, dass nach 1945 überhaupt in diesem Land unter unterschiedlichen Vorzeichen, das gestehe ich ja zu, eine politische Wende stattfinden konnte, da haben Sie überhaupt nicht das Recht, sich ein solches Urteil über solche Menschen anzumaßen, meine Damen und Herren.
Dann komme ich zu dem Punkt, in dem wir sicherlich nicht, auch nicht mit der SPD, übereinstimmen, politische Unterschiede und Positionierungen muss man aber in der Demokratie miteinander aussprechen und aushalten können. Ich habe ja nicht umsonst eingangs meines ersten Redebeitrags über die Frage der Bewährung in der Demokratie gesprochen. Da muss ich auch sagen, Bewährung in der Demokratie, dass sie dies zulässt, anders als diktatorische Regime einschließlich des DDR-Regimes ist natürlich aber auch ein Markenzeichen von Demokratie und Rechtsstaat. Es ist etwas, was in der Öffentlichkeit beachtet wird, und das sage ich hier zum Abschluss meiner Rede mit aller Ausdrücklichkeit: Frau Abgeordnete Leukefeld und Herr Abgeordneter Kuschel haben in 20 Jahren nach der friedlichen Revolution in unterschiedlichen Verantwortungen von der kommunalen Ebene innerhalb des Auseinandersetzungsprozesses und der Demokratisierung unserer Partei auf dem Weg von der SED zur Partei DIE LINKE heute und auch in diesem Thüringer Landtag um ein Vielfaches ihre Bewährung in der Demokratie nachgewiesen. Deshalb bin ich der Auffassung, wenn die Wähle
rinnen und Wähler dieses Landes, und das unterscheidet mich von Ihnen, angesichts dieser biografischen Kenntnis sich dafür entscheiden, dass diese beiden Menschen als Abgeordnete in diesem Landtag tätig sind, dann hat das sehr viel mit Demokratie zu tun, dann hat das mit den Stärken unserer Gesellschaft zu tun und dann ist das, meine Damen und Herren, eben nicht, wie Sie mit kleiner Meinung in einem kleinen Gremium meinen festzulegen, parlamentsunwürdig, sondern es ist würdig im Sinne der Demokratie und dieses Parlaments, dass diese beiden Menschen hier sitzen.
Weitere Redemeldungen vonseiten der Abgeordneten liegen mir nicht vor, vonseiten der Landesregierung ebenfalls nicht. Damit schließe ich die Aussprache und wir kommen zur Abstimmung.
Zunächst lasse ich abstimmen über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten in Drucksache 4/5445. Wer dem seine Zustimmung erteilen will, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Gegenstimmen? Danke. Stimmenenthaltungen? Damit ist dieses mehrheitlich bei einer großen Anzahl von Gegenstimmen beschlossen worden.
Ich komme zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktion der CDU in Drucksache 4/5403 in zweiter Beratung unter Berücksichtigung der Abstimmung der Beschlussempfehlung in Drucksache 4/5445. Wer für den Gesetzentwurf ist, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Gegenstimmen? Danke. Stimmenthaltungen? Keine Stimmenthaltungen. Bei einer Reihe von Gegenstimmen so beschlossen.
Damit kommen wir jetzt zur Schlussabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf seine Zustimmung geben will, bitte ich, sich von den Plätzen zu erheben. Danke schön. Gegenstimmen? Danke schön. Stimmenthaltungen? Keine. Ebenfalls bei einer Reihe von Gegenstimmen so beschlossen. Damit schließe ich diesen Tagesordnungspunkt.
Beratung des Berichts des Untersu- chungsausschusses 4/4 „Fernwasser“ - Drucksache 4/5454 - auf Verlangen der Abgeordneten Emde, Gumprecht, Dr. Krapp, Krauße, Stauche, Worm (CDU) , Gerstenberger, Kummer, Sed- lacik, Skibbe (DIE LINKE), Becker, Doht und Dr. Pidde (SPD) dazu: Unterrichtung durch die Präsi- dentin des Landtags - Drucksache 4/5437 -
Möchte der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses Dr. Krapp zunächst reden? Dann erteile ich Prof. Dr. Krapp, CDU-Fraktion, Vorsitzender des Untersuchungsausschusses, das Wort.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Thüringer Landtag hat in seiner 66. Sitzung am 13. Juli 2007 auf Antrag von Abgeordneten der Fraktionen DIE LINKE und SPD in Drucksache 4/3170 einen Untersuchungsausschuss zum Thema „Strategien und Entscheidungen zur Sicherung der Thüringer Roh- und Fernwasserversorgung und mögliche Fehlverwendungen öffentlicher Mittel durch den Freistaat Thüringen, namentlich die Landesregierung und die TFW“, eingesetzt.
Anlass der Einsetzung war der Verdacht möglicher Verschwendung öffentlicher Mittel im Zusammenhang mit nicht sachgerechten Schlussfolgerungen aus Gutachtenempfehlungen mit nicht notwendigen oder falschen Investitionsentscheidungen für die Fernwasserversorgung in Ostthüringen, mit unterlassenen Sanierungsmaßnahmen oder mit der Unterauslastung von Anlagenkapital auch in Beziehung auf andere Versorgungsregionen in Thüringen.
Als Vorsitzender des Ausschusses wurde der Abgeordnete Wieland Rose, CDU, als Stellvertreter der Abgeordnete Michael Gerstenberger, DIE LINKE, gewählt. Nach dem Tode des Kollegen Rose wurde ich am 24. Januar 2008 vom Thüringer Landtag zum Vorsitzenden des Ausschusses gewählt. Der Untersuchungsausschuss 4/4 hat sich am 10. Oktober 2007 konstituiert. Er gab sich die Kurzbezeichnung „Fernwasser“. Der Untersuchungsausschuss besteht aus sieben Mitgliedern. Aktuell sind Mitglieder für die Fraktion der CDU die Abgeordneten Christian Gumprecht, Dr. Michael Krapp, Horst Krauße und Carola Stauche, für die Fraktion DIE LINKE die Abgeordneten Thilo Kummer und Michael Gerstenberger und für die Fraktion der SPD die Abgeordnete Dagmar Becker. Als Ersatzmitglieder haben mitgewirkt und auch an den Sitzungen teilweise teilge
nommen für die Fraktion der CDU die Abgeordneten Volker Emde und Henry Worm, für die Fraktion DIE LINKE die Abgeordneten Heidrun Sedlacik und Diana Skibbe, für die Fraktion der SPD die Abgeordneten Dr. Werner Pidde und Sabine Doht.
Ich darf schon jetzt die Gelegenheit ergreifen, mich für die gute, kollegiale und fruchtbare Zusammenarbeit aller Abgeordneten und Fraktionen im Untersuchungsausschuss zu bedanken. Dies gilt insbesondere auch für meinen Stellvertreter, Herrn Abgeordneten Michael Gerstenberger, sowie für die Sprecherkollegen Frau Abgeordnete Dagmar Becker und Herrn Abgeordneten Thilo Kummer. Ein Ausdruck dieser konstruktiven Zusammenarbeit ist sicherlich auch die Tatsache, dass die Mitglieder und Ersatzmitglieder des Ausschusses heute gemeinsam diese Aussprache zum Abschlussbericht beantragt haben.
Meine Damen und Herren, der Untersuchungsausschuss hat insgesamt 19 Sitzungen durchgeführt. Dabei hat sich der Untersuchungsausschuss zunächst umfangreiche Akten von der Landesregierung vorlegen und Auskünfte zum Untersuchungsgegenstand erteilen lassen. Ich weise darauf hin, dass der Untersuchungsausschuss Aktenvorlage- und Auskunftsersuchen regelmäßig beschlossen hat. Für die Erteilung der Auskünfte und die Bereitstellung der Unterlagen danke ich an dieser Stelle den Beauftragten der Landesregierung, namentlich Herrn Ministerialrat Martin Feustel und Herrn Oberregierungsrat Markus Schlautmann vom Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt. Ebenso danke ich an dieser Stelle den Mitarbeitern der Fraktionen, Herrn Klaus Topp für die Fraktion der CDU, Frau Dr. Barbara Glaß für die Fraktion DIE LINKE und Herrn Andreas Hoffmeier für die Fraktion der SPD für die Begleitung des Verfahrens.
Der Untersuchungsausschuss hat in neun Sitzungen zur Beweisaufnahme getagt und dabei zahlreiche Urkundenbeweise erhoben sowie 13 Zeugen teils mehrfach gehört. Die Urkundenbeweise wurden durch die Landtagsverwaltung vorbereitet. Ich möchte betonen, dass der Untersuchungsausschuss im Einvernehmen mit der Landesregierung die vorgelegten Unterlagen mit zwei Ausnahmen, es handelt sich dabei um Dokumente mit privaten Daten Dritter und geringerer Bedeutung für das Untersuchungsverfahren, entsperrt hat. Sämtliche Beweise wurden in öffentlicher Sitzung erhoben.
Seitens der Verwaltung des Thüringer Landtags wurde der Untersuchungsausschuss betreut von Ministerialrat Dr. Thomas Poschmann, Richterin Andrea Barthels und Oberregierungsrätin Dr. Cindy Reimann. Auch ihnen gilt mein ausdrücklicher Dank für ihre sorgfältige und termingerechte Arbeit in einer doch recht komplexen Materie.
Meine Damen und Herren, Ihnen liegt heute der Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses mit insgesamt 384 Seiten vor. Der Abschlussbericht wurde gestern einstimmig beschlossen. Er gliedert sich in vier Teile: A - Einsetzung, Auftrag und Mitglieder, B - Verlauf und Verfahren, C - Ermittelte Tatsachen, D - Ergebnis der Untersuchung.
Ich werde mich in meiner Berichterstattung auf den wesentlichen Inhalt der beiden letztgenannten Teile in ihren Grundzügen beschränken. Im Teil C - Ermittelte Tatsachen - hat der Untersuchungsausschuss seine Ermittlungsergebnisse in einer chronologisch sachlichen Weise gegliedert. Mit dem Teil D - Ergebnis der Untersuchung - liegen Ihnen, meine Damen und Herren Abgeordneten, die Ergebnisse der Auswertung zu den im Einsetzungsbeschluss gestellten Fragen vor. Insgesamt enthält der Abschlussbericht einen gewichtigen Beitrag zur Darstellung der Geschichte der Thüringer Fern- und Rohwasserversorgung ausgehend von der Entscheidung des Landtags auf Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD zum Weiterbau der Talsperre Leibis im Jahr 1995 über die Gründung der Thüringer Fernwasserversorgung als Zusammenschluss der staatlichen Talsperrenverwaltung mit dem Fernwasserzweckverband Nord- und Ostthüringen im Jahre 2003 bis hin zu weiteren konzeptionellen Überlegungen, diese Anstalt zur sicheren und qualitativ ausreichenden Versorgung, insbesondere Ostthüringens mit Fernwasser.
Dabei lagen Schwerpunkte der Beratung bei der Überprüfung der Arbeit des Verwaltungsrats der TFW und seinem Wirksamwerden in der Durchsetzung konzeptioneller Grundsatzentscheidungen, dem Verhalten des Freistaats als einem Träger der TFW und als Fördermittelgeber für wasserwirtschaftliche Investitionen, der Ausleuchtung der inhaltlichen Folgen der verschiedenen Versorgungskonzeptionen, insbesondere für das Talsperrensystem Weida-Zeulenroda und seiner alternativen touristischen Nutzung wie betriebswirtschaftlichen Fragen der TFW, insbesondere ihrer Binnenfinanzierungskraft und Abschreibungspolitik sowie der Entwicklung der Roh- und Fernwasserpreise und der Abgabemengen. Dazu gehört auch der Anschluss von Altenburg an die Fernwasserversorgung.
Diese Fragen hat der Untersuchungsausschuss vor allem an den Entscheidungen des Verwaltungsrats zur Versorgungskonzeption für Ostthüringen im Jahre 2004 und ihrer späteren Nichtdurchsetzung infolge eines Ausbleibens der ursprünglich wohl in Aussicht genommenen Förderung und geänderter wasserwirtschaftlicher Rahmendaten in Ostthüringen festgemacht. Hinsichtlich des Themenkomplexes der Entscheidung zum Weiterbau der Talsperre LeibisLichte hat der Untersuchungsausschuss festgestellt,
dass der Entscheidung umfangreiche Gutachten und Prognosen zum Trinkwasserbedarf sowie Kostenüberlegungen, gestützt auch auf Abfragen seitens der kommunalen Fernwasserzweckverbände, zugrunde lagen. Dabei haben sich die vorliegenden Gutachten mit Bedarfsrechnungen ausführlich auseinandergesetzt und waren von einer Regional- und Wirtschaftspolitik gekennzeichnet, die ihre Gesamtausrichtung auf Wachstums- und Anziehungseffekte setzte. Die Prognosen haben sich im Ergebnis aus heutiger Sicht nicht bestätigt. Im Rahmen der dem Untersuchungsausschuss möglichen tatsächlichen Feststellung haben sich aus damaliger Sicht keine Anhaltspunkte für abweichende Annahmen ergeben.
Der Untersuchungsausschuss hat festgestellt, dass im Zuge der Entscheidung zum Weiterbau der Talsperre Leibis Rohrnetzverluste und Eigenbedarf in Bezug auf Fernwasserleitungen für eine Annahme erhöhter Bedarfe keine Rolle gespielt haben und die Landesregierung keine Kenntnis über eventuelle Verluste in lokalen Netzen hatte. Ebenso ist nicht bekannt geworden, dass Sonderspülungen Einfluss auf die errechneten Trinkwasserbedarfe hatten.
Im Jahre 2003 wurde die Thüringer Fernwasserversorgung - ich hatte es schon mehrfach mit dem Kürzel TFW bezeichnet - als Anstalt des öffentlichen Rechts mit dem Freistaat Thüringen und dem Fernwasserzweckverband Nord- und Ostthüringen als Träger gegründet. Der Fernwasser- und Zweckverband Südthüringen ist aus eigenem Entschluss nicht beigetreten. Beide Träger brachten Vermögensanteile in die neue Anstalt ein. Die erste dem Untersuchungsausschuss insoweit gestellte Frage betrifft die Arbeitsweise der Organe der Thüringer Fernwasserversorgung einschließlich ihrer rechtlichen Grundlagen. Organe der TFW sind die Anstalts- und Gewährträgerversammlungen, der Verwaltungsrat und die Geschäftsführung. In der Anstalts- und Gewährträgerversammlung nehmen die dorthin entsandten Vertreter der Träger ihre Aufgaben jeweils einheitlich wahr. Auf Vorschlag der Träger werden von der Anstalts- und Gewährträgerversammlung die Mitglieder des Verwaltungsrats bestellt. Die Landesregierung hat aus dieser Bestellung durch ein Organ der TFW eine besondere Unabhängigkeit der Mitglieder des Verwaltungsrats gefolgert.
Der Verwaltungsrat hat Aufgaben für besondere Geschäfte, die in der Satzung bzw. im Gesetz über die Thüringer Fernwasserversorgung ausdrücklich genannt sind. Darüber hinaus kann er in grundlegenden Fragen der Geschäftsführung als drittes Organ der TFW Weisungen erteilen oder Richtlinien für die Geschäftstätigkeit der TFW vorgeben. Der Geschäftsführung selbst obliegt die Führung der Geschäfte in eigener Verantwortung unter Bindung an Recht und Gesetz sowie pflichtgemäßer Beachtung
der Beschlüsse des Verwaltungsrats und der Anstalts- und Gewährträgerversammlung. Die nähere Arbeitsweise von Geschäftsführung und Verwaltungsrat ist durch Geschäftsordnung geregelt, die grundsätzlich einen ordnungsgemäßen Geschäftsgang sichern.
Zur Frage des Einsetzungsbeschlusses, inwieweit es innerhalb der Landesregierung oder Landesverwaltung eine Praxis der Formulierung, Koordinierung und Wahrnehmung der Befugnisse des Freistaats Thüringen in den Gremien der TFW gab und auf welchen Grundlagen dies fußte und mit welchem Inhalt und in welcher Weise eine eventuelle Einflussnahme erfolgte, hat der Untersuchungsausschuss die Auffassung der Landesregierung zur Kenntnis genommen, dass die Landesregierung davon ausging, dass die Mitglieder des Verwaltungsrats über ein persönliches und unabhängiges Mandat verfügten und dem Freistaat als Träger nicht direkt verantwortlich seien. In der Praxis sei eine Koordinierung und vorherige Abstimmung auch der auf Vorschlag des Freistaats von der Anstalts- und Gewährträgerversammlung bestellten Vertreter des Freistaats im Verwaltungsrat nicht erfolgt.
Der Untersuchungsausschuss hat diese Auffassung ausführlich erörtert und bewertet. Er weist darauf hin, dass es im Hinblick auf die Gründung der TFW grundsätzlich vertretbar und sachgerecht erscheint, für die gemeinsame Erledigung staatlicher und kommunaler Aufgaben besondere Rahmenbedingungen zu schaffen und insoweit auch die rechtliche Unabhängigkeit der Organe der TFW abzusichern. Allerdings bestehe als Minimalvoraussetzung die Verpflichtung des Freistaats, wesentliche Interessen des Landes in der Anstalt - neben der Aufgabenerledigung betrifft das auch den sorgfältigen Umgang mit eingesetzten öffentlichen Mitteln - zu sichern. Darüber hinaus muss der Freistaat Thüringen als Träger widersprüchliches Verhalten vermeiden.
Insoweit hat der Untersuchungsausschuss einzelne Vorgänge auf ihre Bedeutungen geprüft, insbesondere die Versagung einer generellen Förderzusage in Form eines öffentlich-rechtlichen Vertrags zur Durchführung von Investitionen, deren Planung im Verwaltungsrat auf Veranlassung bzw. Empfehlung entsandter Vertreter des Freistaats zustande gekommen waren.
Der Untersuchungsausschuss empfiehlt, auch vor dem Hintergrund der nachfolgenden parlamentarischen Kontrollmöglichkeit, zukünftig die Wahrung der besonderen Interessen des Freistaats bei wichtigen Entscheidungen, insbesondere durch vorherige Abstimmung und Koordination in dem zuständigen Ministerium vorzubereiten bzw. zu optimieren.
Ungeachtet dieses allgemeinen Hinweises hat der Untersuchungsausschuss in den konkret betrachteten Vorgängen in ausführlicher Erörterung keine Beispiele für eine Verletzung der Interessen des Freistaats durch unzureichende Koordination und Vorabstimmung mit den soeben bezeichneten Folgen gesehen.
Der Verwaltungsrat hat sich in seiner Sitzung am 17. September 2004 zwar auf Hinweis eines vom Freistaat entsandten Verwaltungsratsmitglieds, zugleich zuständiger Abteilungsleiter im Ministerium, für die besonders aufwendige Vorzugslösung gemäß der Fichtner-1-Studie ausgesprochen. Diese generelle konzeptionelle Festlegung ist später durch die Geschäftsführung im Hinblick auf die nicht realisierte Fördererwartung und sodann die geänderten wasserwirtschaftlichen Absatzzahlen nicht realisiert worden. Der damals zuständige Staatssekretär im Ministerium hat als Vorsitzender des Verwaltungsrats die Übernahme der Kosten für die notwendige Sanierung der Talsperre Weida durch das Land befürwortet, dies aber später wohl anders als in seiner amtlichen Tätigkeit gesehen. In beiden Fällen ist allerdings darauf hinzuweisen, dass gerade im Hinblick auf die von der Landesregierung in Anspruch genommene Unabhängigkeit der Aufsichtsratsmandate ein rechtlich relevanter Vertrauenstatbestand nicht geschaffen wurde und auch nicht gesehen worden ist. Darüber hinaus ist zwischen einem möglichen Förderinteresse aus fachlicher Sicht und der jeweiligen Förderfähigkeit einzelner Maßnahmen auch unter dem Gesichtspunkt haushalterischer Notwendigkeiten zu unterscheiden. Schließlich hat der Untersuchungsausschuss keine Feststellungen dahin gehend getroffen, inwieweit nach der konkreten Versorgungslage in Ostthüringen bzw. des Sachstands in Weida eine Verhinderung der Beschlussfassung im Verwaltungsrat entsprechend den Beschlussvorschlägen durch den Freistaat rechtlich im eigenen Interesse geboten war.
Der oben genannte Beschluss des Verwaltungsrats wurde in der Folge nur unzureichend umgesetzt. Insbesondere wurden die einzelnen Investitionsmaßnahmen in den Wirtschaftsplan 2005 und die Mittelfristige Finanzplanung von der Geschäftsführung nicht übernommen und in dieser Form dem Verwaltungsrat zur Beschlussfassung vorgelegt.
Die Erarbeitung eines Wirtschaftsplans erfolgte erst ein Jahr später. Weiterhin unterblieben Investitionsmaßnahmen, soweit sie nicht variantenneutral erfolgen konnten. Die TWA Zeigerheim wurde begrenzt und variantenneutral ausgebaut. Es erfolgte eine Trassenvoranfrage beim Thüringer Landesverwaltungsamt, ohne kostenintensive Planungsschritte einzuleiten.
Meine Damen und Herren, der Untersuchungsausschuss hat sich intensiv mit der Frage auseinandergesetzt, inwieweit diese Umsetzung des Verwaltungsratsbeschlusses im Rahmen der TFW möglich war. Er weist darauf hin, dass der Verwaltungsrat über die von mir eben beschriebene Umsetzung des Beschlusses informiert und diese hingenommen hat. Ferner stand der Beschluss des Verwaltungsrats als Endpunkt der Befassung mit einer Versorgungskonzeption für Ostthüringen und als Richtlinie für die Geschäftstätigkeit der TFW von vornherein unter dem Vorbehalt der Finanzierbarkeit. So weit hat der Untersuchungsausschuss auch die Eigenständigkeit der Geschäftsführung in Erledigung der Aufgaben der TFW berücksichtigt.
Darüber hinaus hatte der Untersuchungsausschuss zu prüfen, in welcher Art und Weise im Verwaltungsrat und der Anstalts- und Gewährträgerversammlung den Organen jeweils zustehende Kontroll- und Informationsrechte in der Praxis wahrgenommen wurden oder in welcher Weise die Berichterstattung der Geschäftsführung an die anderen Organe in der Praxis erfolgte. Dabei war insbesondere auch der Beitrag der Praxis des Informationsaustausches zur sachgerechten Wahrnehmung der jeweiligen Zuständigkeiten zu betrachten.
Der Untersuchungsausschuss hat sich neben der Feststellung der rechtlichen Grundlagen insbesondere exemplarisch dem Informationsaustausch anhand der Feststellung der Ordnungsmäßigkeit des Jahresabschlusses 2003 durch die Anstalts- und Gewährträgerversammlung sowie die Zurverfügungstellung der Gutachten an den Verwaltungsrat befasst. Dabei war die Mitwirkung von Verwaltungsrat und Anstalts- und Gewährträgerversammlung bei der Prüfung und Genehmigung des Jahresabschlusses 2003 nicht zu beanstanden.