Protokoll der Sitzung vom 17.03.2005

Gerichte solche Pflegeeinrichtungen, die nicht in die Pflegeplanung aufgenommen worden sind, in unzulässiger Weise. Ich hatte vorhin bereits ausführlich dazu Stellung bezogen.

Für den Bereich der häuslichen Pflege bleiben weiterhin die Landkreise und kreisfreien Städte verantwortlich. Sie haben, wie bisher auch, zu gewährleisten, dass ein leistungsfähiges Angebot an häuslicher Pflege zur Verfügung steht. Wie Sie wissen, wird die notwendige Pflege und Betreuung überwiegend von den Angehörigen im häuslichen Bereich erbracht. Die Angehörigen werden von zurzeit 375 ambulanten Pflegediensten unterstützt, die von den Pflegekassen zugelassen sind. Alle zugelassenen Pflegedienste sollen nach den Vorstellungen der Landesregierung künftig förderfähig sein. Eine Begrenzung der Förderung auf Pflegedienste, die als bedarfsgerechte im örtlichen Pflegeplan aufgenommen sind, wird es nunmehr nicht mehr geben. Die Einschränkung über die Förderung soll in der Verantwortung der Landkreise und kreisfreien Städte stehen. Landesrechtliche Vorgaben zur Planung und Förderung ambulanter Pflegedienste sieht der Gesetzentwurf nunmehr nicht vor.

Zur stationären Pflege: Die Verantwortung für die Planung und Förderung der Pflegeheime, aber auch der Kurzzeit- und Tagespflegeeinrichtungen, obliegt wie bisher dem Land. Pflegekassen haben mit 224 Pflegeheimen einschließlich Kurzzeitpflegeeinrichtungen, die über etwa 18.400 Plätze verfügen, Versorgungsverträge nach dem Elften Buch des Sozialgesetzbuchs abgeschlossen. Davon wurden bisher etwa 15.000 Plätze durch das Land gefördert. Die etwa 3.400 Bewohner der übrigen 40 nicht geförderten Heime müssen die notwendigen Investitionskosten zurzeit auch selbst tragen. Genauso, wie ich es bereits für den Bereich der häuslichen Pflege dargestellt habe, wird künftig auch die Förderung der Heime nicht mehr davon abhängig sein, ob ein Heim als bedarfsgerecht in die Pflegeplanung aufgenommen wurde oder auch nicht. Damit haben grundsätzlich alle von den Pflegekassen zugelassenen Heime die Möglichkeit, für Sanierungs- oder Neubaumaßnahmen öffentliche Fördermittel zu erhalten. Gleiches gilt für die Einrichtungen der Tagesund Nachtpflege, und ich denke, ich brauche hier nicht zu ergänzen, dass das immer nur nach Maßgabe des Haushalts möglich ist.

(Zwischenruf Abg. Künast, SPD: Da haben Sie aber auch 4 Mio.  %.

Als Konsequenz der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts hebt der Gesetzentwurf daher die bestehenden Rechtsansprüche der stationären Pflegeeinrichtungen auf die so genannte laufende Investitionsförderung auf. Der bisherige Kapitaldienst,

Nutzungsentgelt und Pauschalförderung, soll nicht fortgeführt werden. Sie belasten den Landeshaushalt im Moment jährlich etwa mit 11 Mio.  #  müssen die Bewohner auf den davon betroffenen Pflegeplätzen die notwendigen Investitionskosten in den umlagefähigen Kosten nach § 82 Abs. 3 SGB XI angemessen mittragen. Die künftigen finanziellen Mehrbelastungen für den einzelnen Heimbewohner hängen davon ab, in welchem Umfang seine Einrichtung zuvor aus öffentlichen Mitteln gefördert wurde. Betroffen sind vor allem 4.800 Heimbewohner, deren Einrichtungen zurzeit eine umfassende Kapitaldienst- oder Nutzungsentgeltförderung erhalten. Für die Umlage wurde aber eine Übergangsregelung getroffen, wie ich bereits vorhin angeführt habe. Diese Belastungen sind, so meinen wir, keinem der heutigen Heimbewohner zumutbar. Sie sind beim Einzug in das Heim von deutlich geringeren Heimkosten ausgegangen und haben daher entsprechende Dispositionen getroffen. Zugunsten dieser Heimbewohner enthält § 4 der Gesetzesvorlage daher eine Besitzstandsregelung. Das bedeutet, dass die heutigen Heimbewohner vor erheblichen finanziellen Mehrbelastungen durch Ausgleichsbeträge geschützt werden sollen. Künftige Bewohner der heute noch geförderten Heime müssen dagegen die nötigen Investitionsaufwendungen durch die Umlagen angemessen mittragen. Dasselbe galt übrigens immer schon für Bewohner von Heimen, die noch nie öffentlich gefördert worden sind.

Um im Wettbewerb der Pflegeeinrichtungen bestehen zu können, werden die nicht mehr geförderten Heime, so denken wir, alle Anstrengungen unternehmen, um ihre Investitionsaufwendungen sowie Pacht- und Mietbelastungen zu reduzieren. Sie werden mit den Kreditgebern verhandeln, um die Darlehensbelastung zeitlich zu strecken und so die monatlichen Darlehensbelastungen zu verringern. Außerdem stehen teilweise hinter dem Verpächter eines Heimes auf der einen Seite und der Trägergesellschaft der Pächter auf der anderen Seite dieselben natürlichen Personen und auch das eröffnet Verhandlungsspielräume. In welchem Umfang sich also die Investitonsbelastungen für die neu in die betreffenden Heime einziehenden Bewohner langfristig erhöhen werden, lässt sich gegenwärtig nicht berechnen. Reicht das Renteneinkommen eines Pflegebedürftigen nicht aus, um die höheren Heimkosten zu tragen, und kann auch kein nennenswertes Vermögen eingesetzt werden, so besteht für die Betroffenen ein Rechtsanspruch auf Hilfe zur Pflege nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch. Jedenfalls muss kein Pflegebedürftiger aus rein finanziellen Gründen auf den erforderlichen Heimaufenthalt verzichten.

Durch eine Revisionsklausel wird zum 31.12.2009 überprüft, inwieweit Kommunen dadurch Mehrbe

lastungen entstehen und wie diese nachgewiesenen Mehraufwendungen angemessen ausgeglichen werden können. Der lange Zeitpunkt wurde gewählt, weil erst dann mit einer vollständigen Neubelegung der Pflegeheime zu rechnen ist.

Meine Damen und Herren, das Sonderinvestitionsprogramm nach Artikel 52 des Pflege-Versicherungsgesetzes, wonach bis zum Jahr 2006 über 10.000 Heime vollständig saniert oder neu gebaut sein werden, wird durch diese Gesetzesänderung nicht beeinträchtigt. Das Volumen für dieses Programm beträgt insgesamt 664 Mio.    Pflegeversicherung allein 80 Prozent trägt und 20 Prozent - das hatte ich vorhin bereits ausgeführt - auf Landesseite hälftig, aus direktem Landeszuschuss 10 Prozent und 10 Prozent aus dem Kommunalen Finanzausgleich, aufgebracht werden. Da auch diese Heime bald mit Ersatzinvestitionsleistungen konfrontiert sind, wird der Abstand zwischen nach Artikel 42 geförderten Heimen und nicht geförderten Heimen zukünftig immer kleiner.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das vorgelegte Gesetz schafft eine Grundlage, um auch in Zukunft eine Pflege zu gewährleisten, die den Grundsätzen der Pflegequalität, gleichzeitig aber auch der wirtschaftlichen und pflegerischen Versorgung in Thüringen gerecht wird. Ich bitte Sie daher um Unterstützung des vorgelegten Entwurfs. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Ich eröffne die Aussprache. Als erste Rednerin hat sich für die PDS-Fraktion Frau Abgeordnete Thierbach zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wir befinden uns in der ersten Lesung zu einem Gesetzentwurf, der da heißt "Erstes Gesetz zur Änderung des Thüringer Gesetzes zur Ausführung des PflegeVersicherungsgesetzes". Die eben gehörte Rede vom Minister war technokratisch, die war durch finanzwirtschaftliche Akzente geprägt, sie ist aber nicht davon ausgegangen, dass ca. 20.000 zu Pflegende in Heimen leben, ca. 60.000 in der ambulanten Pflege, und genau um diese Menschen geht es und nicht um die Einsparung von 60 Mio.   wann jährlich vielleicht auf das Land zukommen und gegenwärtig um 5,6 Mio.   / Mio. 0 schon gekürzt wurden. Der Ansatz für das Einführen eines solchen Gesetzes ist einfach unterschiedlich bei PDS-Fraktion und Landesregierung. Genau darin besteht auch das Problem, das ich bereits in der ersten Lesung begründen möchte, warum wir noch nicht mal

für eine Ausschussüberweisung dieses Gesetzentwurfs sind.

(Zwischenruf Abg. Schröter, CDU: Das kritisieren Sie doch sonst immer.)

Das passiert mir in meiner 14-jährigen Landtagszugehörigkeit das erste Mal und ich will Ihnen auch begründen warum. Herr Minister selbst hat erwähnt, dass es schon zwei Versuche gab, diesen Gesetzentwurf mit diesem Duktus, nicht mit demselben Wortlaut, in den Landtag einzubringen, aber zu der Zeit gab es Ablehnung durch Träger, Ablehnung durch Heimbeiräte, Ablehnung durch die Liga der Freien Wohlfahrtspflege, Ablehnung durch die privaten Berufsverbände, Ablehnung durch CDU-Abgeordnete und Ablehnung durch SPD und PDS - und das Ganze war vor Wahlen. Es gab einen in der CDU, der war konsequent, das war der ehemalige Staatssekretär. Er hat seinem Produkt, das ich zwar ablehne, geglaubt und hat den Hut genommen. Der war konsequent zu seinem Gesetzentwurf. Die jetzige Regierung ist, obwohl sie keine andere ist, nämlich eine CDU-Regierung, nicht konsequent im Verhältnis zu ihrem Verhalten, warum ein Staatssekretär schon mal gegangen ist. Derjenige, der den Gesetzentwurf vorgelegt hat, der hätte auch schon wieder gehen müssen, weil er nämlich dem Inhalt nach etwas tut, was durch die Landesregierung eingesehen war, dass es falsch war.

Nun möchte ich Ihnen auch direkt in Ihrem Gesetzentwurf nachweisen, was nämlich nicht klappt. Natürlich ist der Ausgangspunkt das Pflege-Versicherungsgesetz oder wie es andere SGB XI benennen. Was ist in dem Gesetz alles nicht beachtet? Einmal ist nämlich nicht beachtet, dass durch die Deckelung der Leistungen, die der zu Pflegende aus der Pflegeversicherung erhält, keine bedarfsgerechte Finanzierung der Leistungen durch das Solidarprinzip in der Pflegeversicherung erreicht wird. Dadurch kommt schon der erste Kostenfaktor für diejenigen, die in den Heimen leben, zustande, und seit 1996 hat sich dieses im SGB XI nicht verändert. Es ist aber auch ein Weiteres nicht beachtet worden, und zwar die demographische Entwicklung. Die ist nicht im Bundesgesetz beachtet worden und die ist auch nicht beachtet worden im Land Thüringen, nicht in den vorhergehenden Versuchen und auch nicht in diesem Gesetzentwurf. Sie haben Ihr Vorhaben, dass dieses Gesetz um jeden Preis durchgehen muss, als CDURegierung mit der CDU-Mehrheit eigentlich mit dem Haushalt schon beschlossen. Sie haben bereits die Mittel für den Kapitaldienst und die Nutzungsentgelte gestrichen. Deswegen haben Sie jetzt entweder eine souveräne CDU-Fraktion, die tatsächlich ihre Auffassung aus der letzten Legislatur wieder aufleben lässt und sagt, wir wollen so eine Art Gesetz nicht dann haben Sie ein Haushaltsproblem, war ja schon

zum 01.07. gestrichen. Oder aber Sie haben als Fraktion ein Problem, wenn Sie diesen Gesetzentwurf jetzt doch durchgehen lassen wollen, meine Damen und Herren und Kollegen aus der CDU-Fraktion, dass Sie jetzt etwas tun, was Sie den Menschen in vielen Veranstaltungen auch in Heimen versprochen hatten, nicht zu tun. Das ist ein Problem.

(Zwischenruf Abg. Seela, CDU: Es gibt auch ein Gerichtsurteil jetzt.)

Herr Seela, genau an Sie habe ich gedacht: Hut ab, wie Sie sich in Jena gegen die ersten zwei Gesetzentwürfe verhalten haben. Aber worin besteht denn die Änderung Ihrer Meinung und jetzt Ihres Einwurfs? Jetzt folgen Sie den fiskalischen Gründen und nicht mehr den humanen Betreuungen in einem Pflegeheim. Das ist Ihr Problem jetzt.

(Beifall bei der PDS)

Es wird konkret bedeuten, dass in 56 Einrichtungen also Pflegeheimen - mit 4.700 Bewohnern - Pflegebedürftigen - diesen Plätzen zukünftig die Finanzierung entzogen wird. Das bedeutet, wer nach dem 01.07. auf einen dieser 4.700 Plätze oder in eine der 56 Einrichtungen einzieht, wird im Monat 300 bis 450  ' ,""  schon durch die gedeckelte Pflegeversicherung..., bezahlen, zusätzlich zu den Unterbringungskosten oder was oft als Heimkosten genannt ist. Herr Minister, da hat niemand mietfrei gewohnt, auch nicht in Artikel-52-Heimen, denn die Unterbringungskosten sind etwas anderes als die 2,56 "%* vestitionszuschuss zu zahlen waren. Darin hatten Sie auch noch einen Fehler, denn die Miete setzte sich aus etwas ganz anderem zusammen, und zwar durch die Normalbetriebskosten und die tatsächlich umlegbaren Kosten. Deswegen hießen sie standardgemäß Hotelkosten, weil nämlich jeder Bürger wohnt, auch der Pflegebedürftige.

Wir haben ein weiteres Problem, das ist die Ungleichbehandlung nicht des Betons, nicht der Häuser, nicht der Träger, sondern jetzt zementieren Sie eine Ungleichbehandlung von zu Pflegenden. Sie machen in einem Heim für die gleiche Leistung bei zwei Menschen eine Ungleichbehandlung mit diesem Gesetzentwurf auf. Wir glauben, dass dies ein neues juristisches Problem werden wird.

(Beifall Abg. Leukefeld, PDS)

Es ist traurig, dass eine Landesregierung eine Gleichbehandlung von zu Pflegenden am Ende über Juristerei bewiesen bekommt. Es müsste im Denken der Landesregierung sein, dass sie jeden zu Pflegenden gleich behandelt.

Es gibt einen weiteren großen Grund, warum wir sagen, dieser Gesetzentwurf sollte von der Landesregierung zurückgezogen werden, nämlich der offensichtliche Widerspruch zu § 9 des Sozialgesetzbuchs XI direkt. Dort ist geregelt, dass das Land für die Investitionen zuständig ist. Dort steht nicht, "das kann ich mir aussuchen". Dort steht auch nicht, dass es den Kommunen in einer Soll-Leistung Aufgaben zudiktiert und sich selbst aus der Verpflichtung nimmt, wie Sie ja nachgewiesen haben anhand Ihrer Kostenberechnung, dass es zukünftig pro Jahr 60 Mio.  "'  *"-  mal: Wollen Sie diese 60 Mio.  " legen auf Pflegeheimbewohner, denn wer soll es denn bezahlen? Wer soll denn derjenige sein, der das Geld hat? Und wenn wir jetzt die Umlage von 5,6 Mio.        1     stand, ausmachen, 11 - 17    2  kommt dann heraus, wenn ich 60 Mio. %  Heime. Ich glaube, dann bekommen wir den guten Qualitätsvorsprung, den wir jetzt im Lande Thüringen tatsächlich in der Pflegelandschaft haben, der wird dann über das Geld regiert. Der wird ganz anders geregelt, weil es sich nämlich niemand mehr leisten kann. Die Renten sind nicht in dem Maße wachsend, wie die Pflege teuer wird. Am Ende diktieren Sie es den Kommunen, denn das ist richtig, in der Interpretation des Urteils des Bundesverfassungsgerichts, dass man niemandem, egal, ob in einem geförderten oder in einem frei finanzierten Pflegeheim, der dort wohnt, praktisch verweigern kann, dass, wenn er selber kein Vermögen mehr hat, dieses aus der Sozialhilfe zu bekommen. Das ist eine richtige Interpretation. Nehmen Sie sich aber aus den Kosten für Invesitionen heraus, delegieren Sie genau diese Kosten, die dann in der Sozialhilfe wieder erscheinen, den Kommunen, und das ist das Unglaubwürdige auch an diesem Gesetzentwurf.

(Beifall bei der PDS)

Ich möchte noch einige inhaltliche Aspekte dieses Gesetzentwurfs, warum man es auch nicht überweisen sollte, zusätzlich benennen. Zu § 3, Pflegeplanung. Da scheint es auf den ersten Blick irgendwie in Ordnung zu sein, auch in Bezug auf die neue Rechtsprechung. Aber schaut man sich dann tiefer dieses Gesetz an, dann fehlt vollständig die demographische Entwicklung in Thüringen, dann bleiben Sie auf dem Niveau der letzten Pflegeplanung hängen, dann bleiben Sie auf dem Stand von 1998 und da habe ich jetzt nicht gesagt, der stationären Pflegeplanung, sondern da habe ich gesagt, Ihr Gesetz gibt keine Auskunft über eine neue Pflegeplanung im ambulanten, stationären, im teilstationären Bereich. Sie wollen gar keine Planung mehr in diesem Bereich. Das sagt es aus, was Sie vorhin hier dargestellt haben.

Die Rolle des Landespflegeausschusses in Bezug auf die Landespflegeplanung ist nach meiner und der Auffassung meiner Fraktion äußert nebulös, was Sie dort geregelt haben im Gesetzentwurf. Es macht den Eindruck, als wenn Sie verschleiern wollen, dass Sie gar keine Planung mehr machen wollen. Was wollen Sie denn, wenn Sie keinen Landespflegeplan machen, was soll denn dann dieses Gremium. Das Gremium sagt dann zusätzlich "man müsste, man könnte, man sollte..." Regelungskompetenz, Empfehlungskompetenz hat es keines mehr. Deswegen, auch an dieser Stelle wäre einiges besser möglich.

Zu § 4 - Förderung der ambulanten Pflegeeinrichtungen: Der bisher anerkannte Grundsatz "ambulante Pflege vor stationärer Pflege" wird durch die Aufhebung des Rechtsanspruchs der ambulanten Pflegedienste auf Förderung infrage gestellt, vehement. Die Pflegedienste, wo sollen die die Investitionskosten hernehmen? Wir haben doch jetzt schon die Probleme, dass sie für die tatsächliche Ersetzung ihrer Mittel, die sie für die ambulante Pflege brauchen, gar nicht wissen, wo sie sie hernehmen. Wie will ich in der Fläche ohne Auto Pflege ambulant leisten? Wie will ich in einem Flächenkreis als privater kleiner Pflegedienstanbieter - woher denn? Sie wollen nichts fördern, Sie stellen es infrage und dann aber die Aufgabe an denjenigen, der am Ende der Kette steht, delegieren und dieses auch noch im Verhältnis zu denen, die überhaupt nicht wehrhaft sein können, weil sie nämlich pflegebedürftig sind. Das nenne ich auch unmoralisch.

(Beifall bei der PDS)

Was am Ende Ihres Gesetzes auch als Ergebnis herauskommt, dass nämlich dieser von Ihnen so sehr favorisierte Wettbewerb im Pflegebereich, dieser Wettbewerb wird ein fiskalischer Wettbewerb, über das, was der zu Pflegende in der Lage ist aufzubringen oder die Familienangehörigen. Genau auch dieser Ansatz widerspricht vollständig dem PflegeVersicherungsgesetz SGB XI, weil dort geregelt ist, dass der Wettbewerb über die Qualität zu erfolgen hat. Und die Qualität, die kann ich nicht kaufen, wenn ich die Investitionen bezahlen muss. Wir sollten dafür eintreten, für Qualitätsmanagement, dass die Qualitätskriterien, dass wir die Bedarfsdeckung genau an dieser Stelle überprüfen und dass damit die Pflegeversicherung und auch das Thüringer Ausführungsgesetz novelliert wird und nicht über das Geld die Qualität nivellieren. Das kommt am Ende heraus. Diesen Prozess hatten wir bereits, nämlich dann die bestimmte physiotherapeutische Leistung, die die Pflegeversicherung nicht bezahlt, nämlich der Träger entweder vorhält und damit auf die Inanspruchnahme durch den zu Pflegenden überträgt oder diese Angebote zur ganz normalen Mobilitätshilfe, zum

ganz normalen Mobilitätstraining, die Ergotherapie fliegt weg. Genau das wäre dann aber der Qualitätsstandard, den wir nicht wollen, weil damit nämlich ältere Menschen schneller demobilisiert werden, anstatt dass ihre Fähigkeiten weiter ausgebaut werden. Das machen Sie über Ihren Wettbewerb des Geldes.

Ich möchte am Ende Ihnen auch noch einiges mit auf den Weg geben. Ich habe angedeutet, dass der § 9 Pflege-Versicherungsgesetz die Investitionsförderung von den Ländern verlangt und dass der vorliegende Gesetzentwurf dies nicht beachtet. Darüber könnte man im Ausschuss reden. Ich habe Ihnen aber angekündigt, dass ich meiner Fraktion nicht empfehle, diesen an den Ausschuss zu überweisen. Warum nicht? Die schriftlichen Stellungnahmen zum Referentenentwurf - also bevor dieser Gesetzentwurf in den Landtag kam - will ich gar nicht kritisieren, dass sie wieder in einem viel zu engen Zeitkorridor abverlangt wurden, da will ich auch nicht kritisieren, dass der Erörterungstermin genau drei Tage danach lag, ich will also gar nicht den Umgang mit denen, die die Fachkenntnis haben, kritisieren, sondern ich möchte Ihnen sagen, dass der Gesetzentwurf und der Referentenentwurf sich überhaupt nicht unterscheiden, aber der Referentenentwurf bereits abgelehnt wurde von der AWO, der Caritas, dem Paritätischen Wohlfahrtsverband in Thüringen, dem Deutschen Roten Kreuz, der Diakonie. Welche großen Träger, die für die Landesregierung als Aufgabenträger erscheinen, gibt es denn noch? Denn auch der Verband Privater Sozialer Dienste e.V. hat schon den Referentenentwurf abgelehnt. Sie versuchen also mit der CDU-Fraktionsmehrheit einen Gesetzentwurf durchzubringen, der rechtlich bedenklich ist und der auch noch von denen, die die Leistungserbringer nach Pflege-Versicherungsgesetz Sozialgesetzbuch XI sind, durchzupauken gegen deren Willen. Warum kommen Sie nicht auf die Idee, die Angebote genau dieser Träger aufzunehmen und mit denen tatsächlich gemeinsam Lösungen für die Entwicklung der Pflegelandschaft im Lande Thüringen zu erarbeiten, die von den Trägern, von den Pflegevertretern, praktisch auch den Heimbewohnern damit, von den Kassen, die tatsächlich dort akzeptiert werden? Warum machen Sie es sich so schwer und gehen nicht in den Novellierungsbedarf bei der Pflegeversicherung, den es tatsächlich gibt, nämlich im demographischen Bereich, in der Finanzierung der ambulanten und stationären, in der Entwicklung neuer Wohnformen, in der Entwicklung ganz anderer Strukturen im ambulanten Bereich und machen das mit denen gemeinsam? Nein, Sie bringen in den Landtag einen Gesetzentwurf ein, der als Referentenentwurf schon abgelehnt wurde. Aus dem Grunde, da wir nach wie vor an die fachliche Kompetenz all derer, die ich jetzt hier auch aufgeführt habe, glauben, und ich davon überzeugt bin, denn die sind diejeni

gen, die die Arbeit vor Ort machen, meine Damen und Herren der Landesregierung, ziehen Sie den Gesetzentwurf zurück. Setzen Sie sich mit den mehrfach angebotenen, durch die Liga der Freien Wohlfahrtsverbände angebotenen Runden hin und erarbeiten Sie einen neuen Gesetzentwurf für den tatsächlichen Novellierungsbedarf neu und dann können wir auch im Ausschuss darüber diskutieren. Danke.

(Beifall bei der PDS)

Für die SPD-Fraktion hat sich Frau Abgeordnete Künast zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, in den letzten Monaten ist die demographische Entwicklung in Thüringen und deren Folge, unsere alternde Gesellschaft, in den Blickpunkt der öffentlichen Debatte geraten. Diese Diskussion ist in Thüringen sehr stark mit dem Jenaer Professor Peter Sedlacek verbunden, dessen Thesen man sicherlich nicht in allen Punkten folgen muss, aber zwei Dinge sind eindeutig. Erstens, der Anteil alter Menschen in Thüringen im Verhältnis zu denen im Erwerbsleben oder noch nicht im Erwerbsleben stehenden Thüringer wird erheblich zunehmen. Zweitens, die zum Glück weiter steigende Lebenserwartung geht einher mit einem zunehmenden ambulanten und stationären Pflege- und Betreuungsaufwand. Wir alle wissen spätestens seit dieser Diskussion, dass die Entwicklung für die nächsten Jahrzehnte zunächst unumkehrbar ist. Es wäre also nur logisch, wenn in diesem Hause und durch diese Landesregierung Überlegungen angestellt würden, wie dem sich schnell steigernden Bedarf an Pflege und Betreuung qualitativ und quantitativ entsprochen werden könnte.

Meine Damen und Herren, es wird dabei um "mehr und um besser" gehen. Die Landesregierung als Verfasser des Gesetzentwurfs aber will offenbar weniger Förderung und schlechtere Betreuung und sie will heraus aus der Mitverantwortung für die Pflegeversicherung, meine Damen und Herren von der CDU, heraus aus der Mitverantwortung, für die die Länder bei der Verabschiedung des Pflege-Versicherungsgesetzes im Bundesrat gestritten haben. Die Länder wollten mitbestimmen, allen voran Bayern, und es gehört nicht viel Phantasie dazu, um sich vorzustellen, wie der Freistaat dann Bayern nacheiferte. Die Länder wollten mitbestimmen über Art und Umfang des pflegerischen Angebots in ihren Regionen und sie sicherten zu, sich deshalb an der investiven Förderung zu beteiligen. Übrigens, Herr Minister Zeh, so viel investive Förderung hat das Land Thüringen noch

nicht getan. Und auch beim Artikel 52, die 80 Prozent kommen nicht aus den Pflegekassen, sondern das waren Bundesmittel und ich war froh, dass diese Mittel geflossen sind.

Nun scheint seit der Vorlage dieses Gesetzentwurfs all das nicht mehr zu gelten. Nach Ihrem ersten gescheiterten Entwurf, Frau Thierbach hat das vorhin noch mal ausgiebig dargestellt, zur Veränderung des Thüringer Ausführungsgesetzes im Pflege-Versicherungsgesetz vor der Wahl ging die Landesregierung von einem weiteren Bedarf von ca. 3.000 Pflegeplätzen aus. Dann warf ja der damalige Staatssekretär die Flinte in das Korn, und nun - nach der Wahl scheinen die damaligen Bedarfe gar keine Rolle mehr zu spielen. Stattdessen wird mit einem einzigen Satz in der Drucksache 4/721 klargestellt, um was es nämlich tatsächlich geht. Dort heißt es, ich erlaube mir zu zitieren: "Gleichzeitig soll sichergestellt werden, dass die Förderung des Landes besser an die Möglichkeiten des Landeshaushalts angepasst wird." Es geht also um Einsparung, um nichts anderes.

Meine Damen und Herren, die Landesregierung und die tragende Partei verwechseln hier etwas in der politischen Aufgabenstellung. Es ist nicht der Job einer Landesregierung, die Förderung eines offenkundigen Bedarfs an die Möglichkeiten von Landeshaushalten anzupassen. Nein, ich denke, es ist der Job einer Landesregierung, innerhalb des Landeshaushalts die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass eine bedarfsgerechte ambulante und stationäre Pflege für alle Pflegebedürftigen in guter Qualität angeboten wird.

(Beifall bei der SPD)

Nicht der Landeshaushalt, sondern die alten und pflegebedürftigen Menschen sind der Ausgangspunkt.

Meine Damen und Herren, mit der Vorlage dieses Gesetzentwurfs verabschiedet sich unserer Meinung nach die Landesregierung aus ihrer Verantwortung für die pflegebedürftigen Menschen. Schauen Sie sich die Erläuterungen zu den Kosten des Gesetzentwurfs an. Die lassen keinen anderen Schluss mehr zu. Eines hätten Sie allerdings noch klarer herausstellen sollen: Dieses Gesetz führt nicht nur zu einer Verringerung der bisher geleisteten Zuschüsse an die Träger der Pflegeeinrichtungen, nein, es führt vor allen Dingen zu einer zunehmenden Belastung für pflegebedürftige Menschen in Thüringen. Das ist der Kern des Gesetzes und ist das Gegenteil davon, was Sie ansonsten in Sonntagsreden unter dem Begriff "Altern in Würde" einfordern. Mit diesen Gesetzentwürfen wird ein Beitrag dazu geleistet, pflegebedürftige Menschen in Armut zu treiben, ihre Ersparnisse aufzubrauchen und wenn dies alles nicht

reicht, die Kommunen als Sozialhilfeträger zu belasten.

(Beifall Abg. Taubert)

Weil Sie wissen, dass die Eigenmittel der Pflegebedürftigen oft nicht lange reichen, ist dieser Gesetzentwurf gleichzeitig ein Gesetzwurf in der Tradition des vor wenigen Wochen verabschiedeten Landeshaushalts. Erneut geht es darum, die Kommunen zu belasten und allein zu lassen. Schließlich und endlich, meine Damen und Herren von der Landesregierung, wird zum wiederholten Male dokumentiert, welchen Vertrauensschutz auch die Träger der Einrichtungen bei Ihnen genießen. Wer im Vertrauen auf diese Landesregierung als Träger eines Pflegeheims eine Finanzierung bisher darauf aufgebaut hat, langfristig eine entsprechende Kapitaldienst- oder Nutzungsentgeltförderung zu erhalten, für den endet dieses Finanzierungskonzept am 01.07. dieses Jahres. Dann erhält er nur noch für die bisherigen Bewohner einen Aufwendungszuschuss und kann zusehen, wie er die weitere Finanzierung absichert, nämlich durch Umlegen auf die Pflegebedürftigen, die neu hinzukommen. Wenn diese Landesregierung fair mit den Trägern umgeht, dann müsste sie auch zukünftig einen trägerbezogenen und nicht nur bewohnerbezogenen Zuschuss geben. Und hier schließt sich der Kreis, denn dem Träger wird nichts anderes übrig bleiben, als die ihm aufgebürdeten finanziellen Risiken auf die Bewohner und in vielen Fällen auch an die Kommunen umzulegen. Der einzige Lichtblick, den ich sehe in dem Gesetzentwurf, ist die Revisionsklausel. Das Hinausschieben des Revisionszeitpunkts allerdings auf den 31. Dezember 2009 bedeutet gleichzeitig, dass die Landesregierung innerhalb dieser Legislaturperiode sich auch dieser Verantwortung entledigt: Nach der Wahl schauen wir dann mal. Wenn Sie so weitermachen, dann laufen Sie Gefahr, in 2009 aber keinen örtlichen Träger der Sozialhilfe mehr zu haben. Einen derartig langfristigen Termin für die eventuelle Korrektur eines von der Landesregierung jetzt mit Sicherheit verursachten kommunalen Schadens zu setzen, das ist einfach unverfroren.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend sagen: Der vorliegende Gesetzentwurf belastet pflegebedürftige Menschen, er belastet deren Familien, er belastet die Kommunen und er stürzt die Träger in wirtschaftliche Risiken. Weil Politik für pflegebedürftige Menschen auch immer Familienpolitik ist, ist dieser Gesetzentwurf auch familienfeindlich. Ich hoffe deshalb, dass im Rahmen der weiteren Diskussion in den Fachausschüssen - und ich schließe mich nicht an, dass das Gesetz heute beschlossen oder nicht beschlossen werden soll, weil ich weiß, dass die Mehrheit dieses Parlaments hier, wenn wir heute dieses Gesetz beschließen würden -, dieses

auch beschlossen würde. Darum hoffe ich, dass wir es in den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit geben, dass wir dort auch eine Anhörung, und zwar eine mündliche Anhörung, mit den Experten haben und dass dann auch die CDU-Fraktion mit uns gemeinsam noch Änderungen vorschlagen wird. Denn wenn dieser Gesetzentwurf so realisiert wird, dann ist dies eine weitere sozialpolitische Bankrotterklärung der von der CDU getragenen Landesregierung. Ich befürchte, Frau Thierbach hat es schon gesagt, dass mit der Kürzung von 4 Mio. 3 deshaushalt erst der Auftakt ist für das, was nach diesem Gesetzentwurf noch an Kürzungen kommen wird. Die Kolleginnen und Kollegen Sozialpolitiker und Kommunalpolitiker in der CDU kann ich darum nur bitten, ihren Einfluss im Interesse der betroffenen Menschen und der Kommunen dann auch mit geltend zu machen. Ich danke Ihnen.