Sie geben das Geld, meine Damen und Herren, mit vollen Händen aus, aber bei den Einnahmen zeigen Sie sich als Gesamtpartei, als CDU mit neoliberalen Konzepten und verteilen Steuergeschenke an die Wohlhabenden. Wer viel hat, muss aber auch viel schultern, unter anderem durch die Wiedereinführung - das wären unsere Vorschläge - von Vermögenssteuer, durch die Veränderung der Erbschaftssteuer und durch die Beibehaltung des Spitzensteuersatzes.
Da sage ich, der europäische Mittelstandard wäre das Mindeste, was wir erreichen sollten, wenigstens der europäische Mittelstandard. Wer die öffentlichen Haushalte sanieren will, muss sich eben auch deutlich zur Einnahmenseite äußern. Dazu haben Sie kein Wort gesagt.
Meine Damen und Herren, wir brauchen gesamtstaatlich und für Thüringen einen Aufbruch zu neuen Ufern. Wir brauchen den Mut für einen Aufbruch Ost, einen Neuanfang für den Osten, für Thüringen. Der Aufbau Ost schlicht als Nachbau West ist gescheitert.
Sie, Herr Ministerpräsident, sprechen heute wieder von einem Angleichungsprozess an den Westen. Wir aber brauchen vor allem
1. eine Stabilisierung der wirtschaftlichen und sozialen Lage, um überhaupt die blockierten Leistungspotenziale hier in Thüringen, die Erfahrungen der Menschen hier zu aktivieren;
2. Innovation und Bildung, denn nur dadurch gewinnt der Osten wieder und mit dem Osten ganz Deutschland;
3. eine neue Phase der Beteiligung der Ostdeutschen in und an der politischen Meinungsbildung gegen die Trennung in Ost und West für einen gemeinsamen Aufbruch und daraus entstanden eine Entscheidungsfindung für ganz Deutschland. Eigene Möglichkeiten und Fähigkeiten nutzen, eigene Kräfte ausschöpfen, darauf kommt es an.
Wir brauchen eine Vision, wie sich Thüringen bis zum Jahr 2050 entwickeln soll. Ich habe vorhin den Begriff des Masterplans benutzt. Gemeint ist ein übergreifendes Konzept der künftigen Entwicklung, das von einem breiten gesellschaftlichen Konsens getragen werden muss. Thüringen sollte, ja muss zum Innovationslabor für ganz Deutschland werden. Ein Wettbewerb für Demokratie und Verwaltungsabbau,
Herr Ministerpräsident, die Probleme, die wir in Deutschland haben, sind tief gehender als es auf den ersten Blick aussieht. Sie sind nicht nur strukturell, sondern unsere Gesellschaft ist auch im Denken noch stark im 19. Jahrhundert verhaftet und sie handelt oft auch so. Exemplarisch sei genannt: Viele Passagen unseres Bürgerlichen Gesetzbuches stammen noch aus dem verflossenen Kaiserreich. Damals wie heute werden nach preußischem Vorbild Staatsdiener als hoheitlich Tätige verbeamtet. In einer modernen Demokratie ist das Volk der Souverän und eine im Staatsdienst stehende Person hat Diener des Volkes zu sein und nicht umgekehrt.
Die Teilung in Arbeiter, Angestellte und Beamte ist anachronistisch. Dagegen setzen wir das Konzept eines modernen, einheitlichen Dienstrechts.
Oder denken Sie an das Schulsystem seit 1990. Es geht in seinem Kern jetzt wieder auf die klassische Trennung in geistig und/oder handwerklich begabte Kinder zurück. Ein weiteres Synonym für diese rückwärts gewandt gerichtete Auffassung schwang auch heute hier in der Regierungserklärung wieder mit.
Der Traum von der Industriegesellschaft, die die Arbeitsplätze bringt, dieser Traum hat sich schon vor der politischen Wende in Westdeutschland 1989 erledigt. Dennoch will man auf dieser Basis Politik machen. Das kann nicht nur, sondern das muss ins Auge gehen.
Was wir mehr als nötig brauchen, ist ein neues Denken für ein neues Jahrtausend. Es ist ja zu begrüßen, dass Sie, Herr Ministerpräsident, die Elektronik im Internetzeitalter für die Verwaltung entdeckt haben, aber wir müssen endlich aufhören, die Landespolitik vorrangig durch Wahlarithmetik, Parteitaktik, Rechnen in Legislaturperioden und durch zahlreiche Tabus dominieren zu lassen. Am Anfang muss eine schonungslose Analyse stehen. Mit dem Schönreden muss endlich Schluss sein.
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, eine ehrliche Betrachtung der Realität habe ich in Ihren Ausführungen vermisst, doch die Menschen in Thüringen haben ein Recht darauf zu wissen, wie die Situation in Thüringen ist. Natürlich brachten die letzten 15 Jahre persönliche Freiheiten und auch eine ganze Reihe von erstaunlichen positiven Erfolgen, das verdient unsere Anerkennung, doch müssen wir auch die zahlreichen verpassten Chancen und die Fehlentscheidungen zur Sprache bringen. Es ist unsere Verantwortung und muss auch unser Anspruch sein, kommenden Generationen keinen hoch verschuldeten Staat zu hinterlassen. Es sind fünf zentrale Punkte, die unser zukünftiges Handeln beschreiben müssen. Es geht um Arbeitsplätze, es geht um Bildung im ganzheitlichen Sinne und Kultur, es geht um Sozialpolitik und eine menschenwürdige Grundsicherung, es geht um leistungsfähige Kommunalpolitik und es geht um Demokratie, um bürgernahe Po
Kommen wir zum ersten Punkt - Arbeitsplätze: Jeder weiß, die Situation auf dem Arbeitsmarkt ist katastrophal. Genauso sieht es aber auch bei den Löhnen hier in Thüringen aus. Seitens der Thüringer Landesregierung werden die geringen Löhne als Standortvorteil gepriesen. Hätten sich allerdings Billiglöhne rentiert, müssten doch die Investoren hier Schlange stehen.
Das Lohndumping hat zu ungebrochener Abwanderung von Personen im erwerbsfähigen Alter geführt. Das ist die Kehrseite der Medaille. Da es oft qualifizierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind, die gehen, gehen dem Land zunehmend die Fachleute aus. Eine Änderung der Situation erfordert die Schaffung einer bedeutenden Anzahl von Arbeitsplätzen, von einem gesamten Komplex volkswirtschaftlicher Maßnahmen. Im Zentrum müssen die Verkürzung der Lebensarbeitszeit, öffentliche Investitionsprogramme und ein öffentlich geförderter Beschäftigungssektor stehen. Eine Abkehr von der veralteten Förderpraxis ist überfällig. Anstatt Großkonzerne im üppigen Maß für eine Hand voll Arbeitsplätze zu subventionieren, wäre es richtig, Maßnahmen für die hiesigen Unternehmer zu treffen und diese wirksam und nachhaltig zu fördern.
Ein Mittelstandsprogramm würde mit Sicherheit mehr Arbeitsplätze schaffen. Dazu gehört auch, aus Mitteln der leistungsgebundenen Reserve des Europäischen Strukturfonds den revolvierenden TAB-Fond weiter und deutlicher zu erhöhen, um die Eigenkapitalausstattung zu verbessern. Also muss unser Ziel die radikale Änderung der Rahmenbedingungen sein. Wir müssen alle Kräfte darauf verwenden, damit ein investorenfreundliches Klima für Unternehmen, vor allem für die vorhandenen, geschaffen und die Investitionstätigkeit der Kommunen deutlich und nachhaltig verbessert wird, damit Arbeit in Unternehmen und Betrieben entsteht, damit eigenes Einkommen durch sinnhafte Tätigkeit erworben werden kann, damit gemeinwohlorientierte Arbeit im Non-Profit-Sektor geleistet und existenzsichernd entlohnt wird. Wir müssen Investorenlotsen in die Verwaltung bringen. Sie kosten nicht mehr Geld, sondern nur Mut für anderes Verwaltungshandeln. Das würde nachhaltig das Klima verbessern.
Dazu käme dann eine Infrastrukturoffensive, die auch weiche Standortfaktoren umfasst, das Bekenntnis zum öffentlichen Beschäftigungssektor, die wirksame Gestaltung einer effizienten Sozialpauschale und endlich eine Bundesratsinitiative zur Wandlung von bezahlten Überstunden in Arbeitsplätze. Aber sorgen Sie endlich dafür, dass die Fördermittel des Bundes, die vorhanden sind, kofinanziert werden können. Mit Ihrer Mittelblockade im Haushalt sparen Sie nun mehrfach an der völlig falschen Stelle.
Im Tourismus können wir aus eigener Kraft relativ rasch Arbeitsplätze schaffen. Die Grundvoraussetzungen für den Fremdenverkehr sind in Thüringen exzellent. Wir verfügen über eine großartige, abwechslungsreiche Naturlandschaft. Den Reichtum an Kunst- und Kulturschätzen rühmen nicht nur die Experten. Darüber hinaus gibt es auch unsere Traditionen. So war beispielsweise schon vor über 100 Jahren nicht nur der Rennsteig Ziel von vielen Wanderfreunden. Ähnliches trifft auf den Wintersport zu. Was uns bislang ernsthaft fehlt, ist ein in sich geschlossenes und auf alle Stärken Thüringens abgestimmtes Konzept. Die Verantwortlichen in der Regierung haben sich jedoch bislang mehr durch Dilettantismus als durch überlegtes Handeln ausgezeichnet.
Ein Beispiel ist die verpasste Lucas-Cranach-Ausstellung, die dann mit den Thüringer Kunstwerken außerhalb des Landes stattgefunden hat. Wenn wir aktuell bleiben wollen, spricht die verspätete Verzahnung von der Landesgartenschau und der Residenzschau nicht gerade für sorgfältige Planung. Mit der in Thüringen sehr spezifischen Kleinstaaterei im Denken und im Handeln muss endlich Schluss sein.
Denkmalschutz und Denkmalpflege sind eben nicht lästig. Sie sind Innovator für Investitionen zur Stärkung von Mittelstand und Magnet für Tourismus. Ernährungsindustrie, Produktion hochwertiger Rohstoffe und Lebensmittel sind wichtige Vorteile Thüringens. Lassen Sie uns all dies positiv vernetzen. Ein entwickelter Flusstaltourismus an der ganzen Werra, den man sich z.B. an der Lahn oder an der Altmühl anschauen könnte, muss kleinstaatliches Denken überwinden. Kunst, Kultur, Denkmale und Natur, aber auch ländlicher Raum, Landwirtschaft, Forst - all das gehört zusammen gedacht und komplex entwickelt. Hier liegen die Chancen für Arbeitslose in Thüringen, die dort massenhaft Arbeit finden können und Arbeit finden müssen.
Sehr geehrte Damen und Herren, ich komme zum Bereich Bildung: Bildung ist das Schlüsselwort für die Zukunft. Es ist mehr als Schule, Hochschule oder Weiterbildung. Es geht um Menschenrechte und um Kultur. Bildung ist ein zutiefst humanistisches Gut und beginnt mit der Geburt.
Wie sieht die schulische Realität in Thüringen aus? Konstanter Unterrichtsausfall von 5 bis 7 Prozent; Mangel an Fachlehrerinnen und Fachlehrern; reduzierte Finanzhaushalte; weniger Lehrstellen als im Vorjahr trotz des von der Landesregierung gepriesenen Ausbildungspakts. So geht es unserer Jugend in Thüringen. Wir als PDS wollen keine Einheitsschule, auch wenn es uns oft vorgehalten wird. Wir wollen Wettbewerb unter selbständigen, selbst bestimmten Schulstandorten bei zentralen einheitlichen Leistungskontrollen. Acht Jahre zusammen auf unterschiedlichen Wegen, Leistungsstarke stärken und Leistungsschwache fördern, das ist unser Ziel.
Aber, meine Damen und Herren, Ämter einfach umzubenennen, ohne tatsächlich an die Ämterstruktur zu gehen, das ist Oberflächenkosmetik. Deswegen sagen wir, Schulamt und Schulverwaltungsamt sind zusammenzulegen und den Schulstandorten ist mehr Selbstentscheidung zu überlassen. Lehrer, Eltern und Schüler müssen mehr Freiräume erhalten, um längeres gemeinsames Lernen zu entwickeln und vor Ort selber zu gestalten. Das wäre ein mutiges Zukunftskonzept, meine Damen und Herren. Das kostet nicht mehr Geld, das kostet nur Mut, um endlich anders zu handeln.
Die Landesregierung sollte die Umsetzung der Empfehlungen der Enquetekommission sofort in Angriff nehmen. Ein Mitglied der Enquetekommission steht nun dem zuständigen Ministerium vor. Allerdings ist es eines Ministers unwürdig, sich mit diskriminierenden Äußerungen zu älteren Lehrkräften profilieren zu wollen.
Sehr geehrte Damen und Herren, die Studierenden unseres Landes zählen zu unserer Zukunft. Die Zahl der Studierenden stieg seit 1990/91 um das Dreifache. Seit 1993 existiert aber an den Hochschulen ein unveränderter Personalbestand bzw. Stellenabbau. Die Folge: schlechtere Betreuungsverhältnisse, überfüllte Hörsäle und überfüllte Seminarräume. Beim so genannten Hochschulpakt wurde von Anfang an ein
völlig falscher Eindruck erweckt, der Eindruck, die Hochschulen blieben von Einsparungen verschont. Dieser Eindruck war falsch. In der Realität wurde der Forschungsfonds, von dem die Hochschulen bislang erheblich partizipierten, stark gekürzt. Außerdem wurden weder die Inflationsrate noch die Kosten für die Tarifabschlüsse in den Finanzbeträgen berücksichtigt. Zudem wird mit dem Modell der Mittelverteilung der Spielraum zusätzlich eingeschränkt. Hier neue Akzente zu setzen wäre dringend notwendig. Wir fordern Mut für eine Zukunftsinvestition und mehr Autonomie, mehr Freiraum für neue Ideen an den Thüringer Hochschulen.