Protokoll der Sitzung vom 16.09.2005

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die CDU will Wachstum schaffen. Wir glauben, dass dafür zunächst und im Besonderen die Binnennachfrage gestärkt werden muss.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Die Mehrwertsteuererhöhung ist dafür der falsche Weg, das sagte ich bereits. Es wurde auch in der Debatte von einem SPD-Kollegen bereits darauf hingewiesen, dass insbesondere noch völlig unklar ist, welchen Anteil denn die zumindest unionsgeführten Länder für ihre Länderhaushalte beanspruchen. Da gibt es ja nun im Wesentlichen zwei Möglichkeiten: Entweder es bleibt bei den zwei Prozentpunkten Steigerung der Mehrwertsteuer und die Kofinanzierung lässt sich über die Frage der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung lösen oder es soll etwas in den Ländern ankommen, dann hätte ich nur die Möglichkeit, theoretisch die Mehrwertsteuer um mehr als zwei Prozentpunkte anzuheben. Oder ich kann genau das, Frau Diezel, worauf Sie hoffen, nicht in dem Maße durchführen. In jedem Fall sind Sie in einem, denke ich, argumentativen Dilemma, was man nachvollziehen kann. Klar nachvollziehbar ist aber auch - und das ist der Widerspruch zu dem, was Sie in Ihrer steuerpolitischen Konzeption vorgestellt haben -, dass die von Ihnen angestrebte Senkung des Spitzensteuersatzes um weitere 3 Prozentpunkte sicher mit in etwa 100 Mio. € auch im Thüringer Landeshaushalt zu Buche schlagen wird.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Das ist auch die Kritik gewesen, die wir an der letzten Stufe der Steuerreform formuliert haben, nämlich die Senkung des Spitzensteuersatzes zum 01.01.2005. Die kann ich in etwa berechnen und da weiß ich, was im Landeshaushalt an Mindereinnahmen da ist. Wenn man auf der einen Seite die Mindereinnahmen beklagt und auf der anderen Seite eine Steuerpolitik macht, die genau zu diesen Mindereinnahmen auch in den Länderhaushalten führt, ist die Glaubwürdigkeit meines Erachtens in Frage gestellt.

Meine Damen und Herren, wir haben das ja oft genug im Hause deutlich gemacht, ich will das kurz benennen. Ich denke, dass wir wirklich über Alternativen nachdenken müssen und weniger über die Frage, da 1 Prozentpunkt hoch und auf der anderen Seite 1 Prozentpunkt runter. Es muss über wirkliche Alternativen nachgedacht werden. Dazu gehört natürlich eine veränderte Steuerpolitik, dazu gehört unserer Meinung nach die tatsächliche Besteuerung großer Vermögen. Ich denke, dass wir gestern in Beantwortung der Anfrage auch vernehmen konnten, dass die Reichensteuer zumindest für Thüringen nicht das geeignetste Instrument dazu wäre, weil das Aufkommen zu wenig sinnvoll ist. Wir denken über eine verstärkte Besteuerung insbesondere im Bereich der Kapitalgesellschaften, der Börsenspekulationen nach, hier Einnahmen für den Staat zu erschließen,

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

die im Wesentlichen noch unproduktiv dahindümpeln, die im Wesentlichen spekulativ eingesetzt werden und die so wieder sinnvollerweise in den volkswirtschaftlichen Kreislauf eingeführt werden könnten.

Wir meinen zweitens, dass die Stärkung der Nachfrage nötig ist - ich bin fest davon überzeugt -, wir brauchen Maßnahmen im bundesweiten Rahmen für ein kräftiges Konjunkturprogramm. Ich denke, dass man zunächst mit diesen Maßnahmen beginnen müsste. Flankiert in so ein öffentliches Konjunkturprogramm sollte man dann darüber nachdenken, die Mehrwertsteuer für so genannte arbeitsintensive Dienstleistungen, also dort, wo insbesondere die Kleineinkommen sehr angedockt sind, wo insbesondere Handwerk und Mittelstand angedockt sind, zu senken. Dafür gibt es in der EU zahlreiche Erfahrungen. Ich habe das hier in diesem Hause schon mehrmals bedauert, dass Deutschland als eines der wenigen Länder nicht an dem EU-Modell-Projekt teilgenommen hat. Die Franzosen haben das mit großem Erfolg gemacht. Ich will an die Demonstrationen der französischen Köche vor einigen Jahren in Paris vor der Deutschen Botschaft mit Transparenten „Deutsche, lasst uns Arbeitsplätze schaffen!“ erinnern. Deutschland, also auch der Bundesfinanzminister, hat sich vehement gegen eine Beteiligung Deutschlands an diesem EU-Modell-Projekt ausgesprochen. Ich finde das schade. Unsere Diskussion über die Senkung der Mehrwertsteuer für so genannte arbeitsintensive Dienstleistungen wäre sicherlich dadurch befruchtet und befördert worden.

Meine Damen und Herren, ich will zum Abschluss versuchen, einen kleinen historischen Abriss zu geben über die Frage der Mehrwertsteuererhöhungen, und ich finde das durchaus auch für unsere Diskussion interessant. Die Umsatzsteuern, so wie wir sie heute kennen, gibt es seit dem 01.01.1968 und damals galten zunächst 10 Prozent. Ich lasse die ermäßigten Sätze hier aus Zeitgründen mal weg. Im Jahr 1968 gab es eine große Koalition, die diese Mehrwertsteuer auf 11 Prozent erhöht hatte. Dem schloss sich später eine SPD/FDP-Regierung an, die erhöhte auf 12 Prozent. 1979 erhöhte dieselbe Koalition, SPD/FDP, auf 13 Prozent. Dann begann die Ära Kohl mit Gelb/Schwarz. 1983, gleich mit Machtübernahme erfolgte die Erhöhung auf 14 Prozent, 1993 Erhöhung auf 15 Prozent und 1998 eine Erhöhung auf 16 Prozent. In der Ära Schröder/Fischer gab es keine Erhöhung der Mehrwertsteuer. Wenn ich das zusammenfasse, kann man sagen und feststellen, dass die Mehrwertsteuer seit ihrem Bestehen in der jetzigen Form sechsmal erhöht wurde. In der daraus resultierenden ewigen Bestenliste folgt, dass Platz drei mit insgesamt drei Beteiligungen die Kollegen der SPD belegen. Der Platz zwei in dieser Reihenfolge geht an die Kollegen der Mittelfraktion, nämlich an die CDU/CSU mit insgesamt vier Mehrwert

steuererhöhungen. Ich finde es schon erstaunlich, dass Platz eins mit insgesamt fünf Erhöhungen der Mehrwertsteuer die FDP belegt.

(Unruhe bei der CDU)

Insoweit finde ich das auch ganz spannend, weil das nun zu Ihren Aussagen auf Ihren Wahlplakaten „Steuern runter, Arbeit rauf“ in gewisser Weise im Widerspruch steht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind der Auffassung, dass wir tatsächlich eine Erhöhung der Steuereinnahmen in Deutschland brauchen, aber wir meinen, dass ein erster Schlüssel dazu eine wirklich gerechtere Steuerpolitik in Deutschland wäre und die Mehrwertsteuererhöhung dafür der falsche Weg ist. Ich möchte mich für die Aufmerksamkeit bedanken.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Das Wort hat der Abgeordnete Mohring, CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wir haben unseren Antrag „Auswirkungen auf Senkungen von Lohnnebenkosten auf die wirtschaftliche Entwicklung des Freistaats Thüringen“ deshalb auf die Tagesordnung gerufen, damit wir auch tatsächlich, wenn wir eine Debatte führen, wie sich verschiedene Parteien die Entwicklung des Bundes nach dem Sonntag vorstellen, ein Gegengewicht zu dem Antrag der SPD-Fraktion „Auswirkungen einer möglichen Mehrwertsteuererhöhung auf den Freistaat Thüringen“ schaffen. Unabhängig davon will ich sagen, dass wir überrascht sind, dass dieser Punkt trotzdem noch auf der Tagesordnung steht, weil der Abgeordnete Pidde, der sich ja selber auch zu Wort gemeldet hat, erklärt hat, dass in seiner Kleinen Anfrage Nummer 4/448 die Landesregierung mit Drucksache 4/1157 auch schon geantwortet hat. Es erstaunt mich schon, welch parlamentarisches Verständnis auch der Abgeordnete Pidde hat, dass er einerseits die Regierung beschäftigt mit der Kleinen Anfrage

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Be- schäftigt, nennen Sie das.)

und ihm die Antworten nicht ausreichen und dann auch noch einmal dieselbe Debatte führen muss, um dieselben Antworten noch einmal mündlich zu hören. Das überrascht, zeigt aber auch - da gebe ich den Kollegen Vorrednern gern Recht -, was das An

sinnen des eigentlichen SPD-Antrags war. Ich will dazu gern auch Aufklärung leisten. Da hat ja der Abgeordnete Matschie, SPD-Fraktionsvorsitzender, in einem Zwischenruf eben gesagt, wir sollen ein Stück über Thüringen hinaus schauen, sollen auch andere Zeitungen lesen, sollen das Handelsblatt lesen und sollen „Economist“ lesen. Da steht doch in der neuesten Ausgabe Folgendes - die ist offensichtlich auf SPD-Veranstaltungen noch nicht verteilt worden, so wie in den letzten Wochen, sonst würde nämlich Folgendes dort nachzulesen sein, dass genau dieses Wirtschaftsmagazin in seiner neuesten Ausgabe den Deutschen empfohlen hat, bei der Bundestagswahl am kommenden Sonntag für die Union und für Angela Merkel als Kanzlerin zu stimmen. Das weltweit führende Magazin begründet seine Entscheidung damit, dass nur eine schwarzgelbe Koalition unter Führung einer Kanzlerin Merkel die notwendigen Reformen in Deutschland durchsetzen könne. Hört, hört!

(Beifall bei der CDU)

Dann sagt das Magazin weiter, was wir auf Empfehlung der SPD ja lesen sollen: Die Regierung Schröder sei dagegen mit einer Bilanz von 5 Millionen Arbeitslosen weit über der Marke, an der sich Schröder selbst habe messen lassen wollen. Weiter heißt es dort in dem Magazin: Zudem sei Deutschlands Wachstum geringer als das aller EU-Staaten. Und zur Erinnerung sei gesagt, erst vor wenigen Wochen hatte Schröder selbst einen Artikel des „Economist“ zu eigenen Wahlkampfzwecken genutzt. Wir empfehlen daher, tatsächlich auch die neuesten Ausgaben zu lesen, weil dann eines deutlich wird: Dass es 5 Millionen Arbeitslose gibt in Deutschland, dass jeden Tag 1.000 Jobs verloren gehen in Deutschland, dass 40.000 Firmen jedes Jahr pleite gehen, hat eine Ursache, und die Ursache ist bei Rotgrün in Berlin zu suchen.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb, meine Damen und Herren, genau deshalb hat sich die Union zum Programm gemacht, das zu schauen und das auf den Weg zu bringen, was Arbeit schafft, Soziales, was Arbeit schafft, und deshalb hat in unserem Programm Arbeit Vorrang. Wenn man dieses Grundprinzip verwirklicht, dann kommt man zu der Entscheidung, dass man zuallererst den Menschen helfen muss, die in sozialversicherungspflichtigen Jobs stehen, und denen ihre Arbeit entlasten muss. Am Ende steht auch deswegen zur Folge, dass nur das gerecht ist, wenn vom Lohn mehr übrig bleibt, wenn die Leute netto mehr im Portemonnaie haben. Und deshalb unser Ziel, die Arbeitslosenbeiträge von 6,5 auf 4,5 Prozent abzusenken, da wir es ungerecht finden, dass die 26 Millionen Menschen, die in Arbeit stehen, allein dazu die Kassen des Sozialstaates füllen müssen, wovon 80 Millio

nen Deutsche leben; das ist ungerecht. Deshalb wollen wir die, die Arbeit haben, mit mehr netto im Portemonnaie entlasten und alle Deutschen, die von den Sozialkassen des Staates leben, belasten durch ihre eigene individuelle Kaufkraft über eine Mehrwertsteuererhöhung und dadurch eine Kompensation schaffen. Das finden wir gerecht und das ist zukunftsweisend, weil es die entlastet, die Arbeit haben. Im Übrigen sei auch auf „Spiegel online“ vom gestrigen Tage verwiesen. Auch dort sind die Wirtschaftsforscher des Instituts der Deutschen Wirtschaft genannt und die sagen eindeutig, Wirtschaftsforscher fordern von einer künftigen Bundesregierung einen konsequenten Reformkurs. Nur damit könne sich das Wirtschaftswachstum in den nächsten vier Jahren auf durchschnittlich 2 Prozent erhöhen, nachdem die Zuwachsrate in der vergangenen Legislaturperiode lediglich bei 0,5 Prozent lag. Und deswegen heißt es dort weiter: „Danach schlägt das Institut als so genannte Initialzündung vor, bereits zu Beginn des nächsten Jahres den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung und die Unternehmenssteuer zu senken und im Gegenzug die Mehrwertsteuer um 2 Prozentpunkte zu erhöhen.“ Damit bestätigt genau dieses Institut das, was wir vorhaben, auf der einen Seite Arbeit entlasten und auf der anderen Seite aber alle Deutschen heranziehen bei der Füllung der Sozialkassen, damit das, was der Wohlfahrtsstaat Deutschland versprochen hat, auch solidarisch geleistet und gerecht aufgeteilt werden kann. Dafür steht unser Programm und das finden wir wichtig und richtig, dass wir auf diesem Weg weiterarbeiten. Ich will Ihnen eigentlich nur so viel sagen, ohne die Debatte in Größenordnungen auszudehnen: Wir finden es wichtig, in diesen Bereichen konsequent zu sein, konsequent auch das umzusetzen, was wir im Steuerrecht vorhaben, das, was die Finanzministerin ausführlich erläutert hat, nämlich Eingangssteuersatz abzusenken, Spitzensteuersatz abzusenken und zwei Lenkungswirkungen zu erfüllen, bei denen, die im Niedriglohnbereich Steuern zahlen müssen, mehr Kaufkraft zu sichern und bei denen, die im Spitzensteuerbereich, bei denen es gar nicht um Kaufkraft geht, dort Entlastungen herbeizuführen, damit neues Geld auch in Investitionen und damit neues Geld auch in die Schaffung von Arbeitsplätzen investiert werden kann. Wir brauchen das, weil in den letzten sieben Jahren in Deutschland 1,2 Millionen sozialversicherungspflichtige Jobs verlorengegangen sind. Die Menschen brauchen wieder Arbeit, die Menschen brauchen Zukunft, die Menschen brauchen Hoffnung und sie bekommen die Hoffnung nur, wenn sie auch Arbeit haben, denn sie haben die Hoffnung auf Dauer nur, wenn sie auch sehen, dass sich Arbeit lohnt und deshalb auch mehr lohnt, als wenn man von den Sozialkassen des Staates alleine lebt.

(Beifall bei der CDU)

Und deshalb, meine Damen und Herren, macht es auch Sinn, gerade bei dem Bereich der Lohnnebenkosten Beiträge abzusenken. Wir haben das einmal nur am Beispiel für Thüringen ausgerechnet, damit Sie auch sehen, welche Entlastungswirkung da entsteht. Auf Arbeitgeberseite und auf Arbeitnehmerseite bewirken die 2 Prozent Absenkung der Beiträge für die Arbeitslosenversicherung ein Mehr an 350 Mio. €., 350 Mio. € in Thüringen mehr an Kaufkraft und an Mitteln für Investitionen und Schaffung von Arbeitsplätzen. Selbst für den Freistaat Thüringen wirkt sich dieses Programm gut aus und angesichts der Finanzlage nicht ohne Wert, weil wir auch nicht nur verbeamtete Bedienste in der Landesverwaltung haben, sondern auch jede Menge Arbeiter und Angestellte. Allein die Absenkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung in dem Bereich bringt uns noch einmal im Landeshaushalt eine Entlastung von jährlich 12 Mio. €. Auch das ist nicht unbeachtlich, weil uns das hilft, erstens den Haushalt weiter zu konsolidieren und zweitens, auch diese Mittel verstärkt in der Wirtschaft einzusetzen, um auch Kofinanzierungen abzusichern und damit auch neue Investitionen anzukurbeln. Ich sage Ihnen hier an dieser Stelle, wir wollen doch schauen, wenn am Sonntag Schwarzgelb die Mehrheit hat, dann bin ich gern bereit, dass wir in einem Jahr erneut die Debatte führen und dann auch schauen, welche Erfolge Schwarzgelb erzielt hat. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen von Abgeordneten vor. Herr Kuschel.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, was hier der Generalsekretär der LandesCDU verkündet hat, erzeugt bei mir einige Nachfragen und vielleicht kann er sie mir beantworten oder die Finanzministerin, weil es auch einmal hilfreich ist, wenn man einen Erkenntniszuwachs dort erhält. Also, Sie haben zu Recht formuliert, durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer und gleichzeitige Reduzierung der Beiträge für die Arbeitslosenversicherung wird Nachfrage organisiert bzw. die Arbeitskosten werden reduziert. Jetzt habe ich mich selbst einmal aus Quellen, die Sie verwendet haben, sachkundig gemacht. Die Experten sagen: Durch die 2-prozentige Erhöhung der Mehrwertsteuer, das sind ja keine 2 Prozent, das sind ja 6 Prozent, die Mehrwertsteuer wird um 6 Prozent insgesamt erhöht; indem Sie die 16 Prozent zu 18 Prozent ins Verhältnis setzen, ist das eine 6-prozentige Steigerung. Also es wird um 6 Prozent erhöht; gemessen am Aufkommen der 16 Prozent, wenn sie dann 18 Prozent

sind; sind das 6 Prozent Steigerung. Das ist nur Rechnen, das hat nichts mit Mathematik zu tun.

(Heiterkeit bei der CDU)

Aber dadurch steigen die Preise um 0,9 Prozent. Durch die Wirkung verringerter Mehrwertsteuersatz ist das insbesondere verursacht und weil zu den Lebenshaltungskosten auch umsatzsteuerfreie Leistungen gehören wie Mieten usw. Deshalb wird eine Preissteigerung nur um 0,9 Prozent prognostiziert.

(Zwischenruf Reinholz, Minister für Wirt- schaft, Technologie und Arbeit: Ja, eben.)

Das heißt, für die, die alle lohnabhängig sind, wird das fast ein Nullspiel, weil im Gegenzug 1 Prozent höheres Netto entsteht durch die Reduzierung der 2 Prozent Arbeitslosenversicherung. Bis dahin kann ich dem folgen. Jetzt geht es um den Arbeitgeber. Da hat Herr Mohring gesagt, um 350 Mio. € würde der entlastet,

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Für die in Thüringen, habe ich gesagt.)

in Thüringen, jawohl, 350 Mio. € in Thüringen. Jetzt habe ich ausgerechnet, also der Arbeitgeber wird bei seinen Gesamtlohnkosten um 1 Prozent auch entlastet. Die durchschnittliche Lohnquote in Thüringen beträgt 20 Prozent in den Unternehmen. Das heißt, wenn ich das jetzt hochrechne auf die Produktkosten, ergibt sich für den Unternehmer eine Kostenersparnis von 0,2 Prozent gemessen an seinen Gesamtkosten. Und jetzt, Herr Mohring, müssen Sie mir mal erläutern, ob ein Unternehmer wegen einer Kostenreduktion von 0,2 Prozent tatsächlich dadurch zusätzliche Arbeitsplätze schafft. Ein Unternehmer schafft nur dann Arbeitsplätze, wenn er seine Produkte los wird, also, wenn Nachfrage da ist. Ihre 2-prozentige Erhöhung der Umsatzsteuer führt aber dazu, dass eine öffentliche Nachfrage der Kommunen, des Landes auch verteuert wird. Wie der Landeshaushalt aussieht, wissen wir, die Kommunalhaushalte analog. Das heißt, 2 Prozent heißt weniger zum Schluss, weniger öffentliche Nachfrage. Ich habe also insofern Zweifel, wie aus geringerer öffentlicher Nachfrage, gleich bleibender privater Nachfrage und einer Kostenreduzierung für die Unternehmen in Höhe von 0,2 Prozent tatsächlich ein Schub für diese Volkswirtschaft entstehen soll. Aber vielleicht können Sie das noch mal erläutern. Die Lohnkosten, haben Sie gesagt, müssen reduziert werden. Jetzt habe ich vor einigen Wochen die Information bekommen, im Osten liegen die Lohnkosten pro Stunde bei 17 €, in den alten Bundesländern bei 27 €. Das heißt, wenn die These stimmt, dass man nur Lohnkosten reduzieren muss, damit

die Wirtschaft anspringt und Wachstum entsteht, müssten wir hier im Osten …

(Zwischenruf Dr. Sklenar, Minister für Landwirtschaft Naturschutz und Umwelt: Nicht nur.)

Herr Mohring hat gesagt, das ist das Konzept der CDU und dadurch wird alles gut. So hab ich das vernommen.

(Zwischenruf Dr. Sklenar, Minister für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt: Sie müssen richtig zuhören.)

Also warum haben wir in Thüringen dann keine Vollbeschäftigung? Und warum ist in Bayern und BadenWürttemberg, die 27 € pro Stunde haben, offenbar ein anderes Wachstum zu verzeichnen als in Thüringen? Vielleicht haben Sie dazu eine Erklärung.

Ein letzter Hinweis: Sie haben zu Recht darauf verwiesen, dass nur 26 Millionen Bürger in die Sozialversicherungssysteme einzahlen. Wir machen Ihnen aber ein anderes Angebot und sagen, es ist der falsche Weg, hier über die Mehrwertsteuererhöhung einen größeren Anteil an Bevölkerung zu beteiligen, sondern wir sagen, es müssen mehr als 26 Millionen in die sozialen Sicherungssysteme einzahlen, und unterstützen deshalb das Konzept der Bürgerversicherung unter Berücksichtigung aller Einkommensarten, wenn es darum geht, Beiträge zu den Sozialversicherungssystemen zu leisten. Danke.

Das Wort hat der Abgeordnete Mike Mohring, CDUFraktion.

Meine Damen und Herren, da will ich ja gerne noch mal zur Aufklärung beitragen. Das ist halt genau der Fall, wenn man einen Tagesordnungspunkt aufruft und auch wie in der ganzen Wahlkampfzeit durchlebt, mit einem Baustein eines gesamten Programms meint, Politik machen zu können. Da gehört es natürlich dazu, wenn man darüber schaut, wie Arbeitnehmer vor allen Dingen in Deutschland entlastet werden sollen, dass man alle Elemente erwähnt, die zur Entlastung beitragen. Da ist es erstens die Senkung der Arbeitslosenbeiträge von 6,5 auf 4,5 Prozent. Aber damit ist noch nicht Schluss, sondern wir führen ja mit einem neuen Steuerrecht auch einen Grundfreibetrag von 8.000 € für jeden Bürger ein, vom Baby bis zum Rentner. Das heißt ja, wie Birgit Diezel vorhin auch schon erklärt hat - da muss man halt auch zuhören - dass eine vierköpfige Familie mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern,

dass bei einem Familieneinkommen bis 38.200 € künftig überhaupt gar keine Steuern mehr zahlen muss. Das bedeudet im Verhältnis zum jetzt gültigen Steuerrecht an diesem heutigen Tage eine Entlastung für eine solche Familie von 5.100 € pro Jahr. Die kommen zu der Entlastung bei der Senkung von Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung von 2 Prozent hinzu. Dann ein drittes Element, was wir einführen wollen, nämlich auch eine Kinderkomponente bei den Rentenbeiträgen, dass wir sagen, für alle Kinder, die geboren werden, sinkt der monatliche Rentenbeitrag um 50 €. Das heißt, bei einem Einkommen von 1.000 € und bei einem durchschnittlichen Rentenbeitrag in dieser Höhe von 100 € heißt das, dass bei zwei Kindern eine Mutter die Erziehungsleistung derart angerechnet bekommt, dass sie 0 € Rentenbeitrag zahlen muss, weil die Erziehungsleistungen den Rentenbeitrag ersetzen. Auch das ist eine Entlastung, die für mehr netto im Portemonnaie bei den Arbeitnehmern sorgt.

Herr Abgeordneter Mohring, der Abgeordnete Kuschel möchte Ihnen noch eine Frage stellen. Gestatten Sie das?

Wenn es ihm hilft.

(Heiterkeit bei der CDU)

Herr Kuschel, Sie können Ihre Frage stellen, wenn es Ihnen hilft.

Das wird Ihre Antwort zeigen, Herr Mohring, also ob es zur Erhellung beiträgt. Sie haben noch mal betont, dass eine Familie mit zwei Kindern erst ab 38.000 € Jahreseinkommen in die Steuerprogression kommt. Würden Sie mir zustimmen, dass Sie dabei die Kinderfreibeträge berücksichtigt haben? Sie müssten jetzt aber erklären, dass für diesen Fall diese Familie kein Kindergeld bekommt. Oder wollen Sie einen Paradigmenwechsel, dass Sie jetzt sagen, Kinderfreibeträge und Kindergeld soll bei Ihrem Konzept künftig parallel gezahlt werden, also nicht mehr als Optionsleistung, sondern parallel. Wenn es bei der jetzigen Optionsleistung bleibt, würde diese Familie 3.000 € Steuern bezahlen müssen, weil sie dafür noch das Kindergeld erhält. Das müssten Sie jetzt noch mal erklären, ob es bei dieser Option bleiben soll - Kindergeld oder Kinderfreibetrag - oder ob Sie das parallel zahlen wollen. Dann würde Ihre Rechnung stimmen, ansonsten nicht.