Ähnlich konsterniert war die politische Öffentlichkeit, als der Bundesgerichtshof die Straffreiheit der Parole, ich zitiere: „Ruhm und Ehre der Waffen-SS“ feststellte. Nicht Wenige, die auf dieses Urteil mit Gerichtsschelte reagierten. Aber selbst wenn das Gericht eine andere Entscheidung hätte treffen können, bleibt die Frage, ob diese Instanz der richtige Adressat für das berechtigte Unbehagen war. Der ehemalige Bundesrichter Wolfgang Neskowitsch hat schon damals im Anschluss an dieses Urteil deutlich gemacht: Kritik an Justiz und Richtern hilft uns nicht weiter. Die Bundesrepublik braucht ein grundlegendes Bekenntnis gegen Nationalsozialismus und Neofaschismus und dies, meine Damen und Herren, mit Verfassungsrang.
innern und zu mahnen, ist eine grundlegende Aufgabe der gesamten Gesellschaft, insbesondere der Politik. Aus der Verantwortung, für die Unwiederholbarkeit solcher Verbrechen zu sorgen, erwächst eine gesamtgesellschaftliche Pflicht und diese Pflicht soll mit der antifaschistischen Klausel verfassungsrechtlichen Ausdruck finden.
Sehr geehrte Damen und Herren, das Erstarken rechtsextremistischer, antisemitischer und neofaschistischer Kräfte in unserem Land stellt einen Angriff auf die Werte und Grundprinzipien einer demokratischen, freiheitlichen und der Menschenwürde verpflichteten Grundordnung dar. Unverhohlen wird durch alte und Neofaschisten gegen das Demokratie-, Gleichheits- und Freiheitsgebot der Verfassung gehetzt und verstoßen. Dieser Gefährdung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung kann wirkungsvoll nicht allein mittels anlassbezogener Intervention und repressiven Vorgehens staatlicher Organe begegnet werden. Voraussetzung für eine erfolgversprechende gesellschaftliche Auseinandersetzung ist das allgemeine und gesellschaftliche Bekenntnis des Staates und seiner Organe zur Ächtung derartiger Bestrebungen und Handlungen.
Die Verfassung des Freistaats Thüringen genießt als Rechtsgrundlage des gesellschaftlichen und staatlichen Lebens hohe Autorität. Neben tagtäglichem bürgerschaftlichem Handeln, klaren Bekenntnissen und Konzepten der Politik ist auch eine verfassungsrechtliche Konsequenz nötig. Die vorgesehene Verfassungsänderung soll ein deutliches Zeichen setzen. Der als Staatszielbestimmung einzufügende Abschnitt 3 in Artikel 1 zu Menschenwürde, Gleichheit und Freiheit lautet: „Die Wiederbelebung oder Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts, die Verherrlichung des nationalsozialistischen Herrschaftssystems und rassistische, fremdenfeindliche oder antisemitische Aktivitäten nicht zuzulassen, ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt und Verantwortung aller.“
Die von uns vorgeschlagene Änderung der Thüringer Verfassung, jede Handlung in Richtung Wiederbelebung nationalsozialistischen Gedankenguts generell für verfassungswidrig zu erklären, eben weil Faschismus die stete Verletzung der Menschenwürde zur Regel macht, entspricht auch der antifaschistischen Ausrichtung des Grundgesetzes. Sie wäre ein deutliches Zeichen des Freistaats gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus und Neofaschismus. Eine solche Klausel könnte merkliche Konsequenzen zeigen. Sie könnte u.a. dazu beitragen, dass Polizei und Behörden gegen faschistische Aktivitäten stärker als bisher vorgehen können. Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, nach § 56 der Geschäftsordnung ist die erste Beratung eines Gesetzes so zu führen, dass über die Grundsätze zu sprechen ist, also in der gebotenen Kürze. Die Linkspartei.PDS hat in die heutige Plenarsitzung einen Antrag zur Änderung der Verfassung des Freistaats Thüringen eingebracht. Er soll in den Teil Grundrechte, Staatsziele und Ordnung des Gemeinschaftslebens eine antifaschistische Klausel als Staatsziel eintragen und damit eine grundsätzliche Verpflichtung des Freistaats Thüringen formulieren.
Um etwaigen Auslegungen der nachfolgenden Ausführungen vorzubeugen: Die CDU-Fraktion ist gegen nationalsozialistisches Gedankengut, Verherrlichung der NS-Herrschaft, Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus.
Die gesamte Gesellschaft muss sich dieser Aufgabe im jeweiligen Wirkungsbereich und mit den geeigneten Mitteln mit notwendiger Konsequenz stellen. Die Verfassung des Freistaats Thüringen geht darauf im ersten Satz, also in Absatz 1 der Präambel ein und das ist mein erster Punkt.
Ich zitiere auszugsweise: „In dem Bewusstsein … der leidvollen Erfahrungen mit überstandenen Diktaturen … gibt sich das Volk des Freistaats Thüringen in freier Selbstbestimmung und auch in Verantwortung vor Gott diese Verfassung.“ Ich habe selbst als Mitglied des Verfassungsausschusses gearbeitet und erinnere mich sehr genau, dass man beide Diktaturen, das NS-Regime und die der DDR, gemeint hat. Gemeint sind also rechte wie linke Diktaturen.
Die Verfassung ist ein hohes Gut. Sie muss allgemeingültig sein und so speziell wie nötig, nicht so speziell wie möglich. Ihr wichtigster Punkt jedoch ist die freiheitlich-demokratische Grundordnung, die sie durch ihre eigenen Regelungen sichert.
Zweiter Punkt - dieser Punkt schließt sich nahtlos an - eine historische Würdigung des Antrags: Die Ver
fassung des Freistaats Thüringen ist entgegen dem Verfahren anderer neuer Bundesländer aus den Verfassungsentwürfen aller vier Fraktionen entstanden. In einem langen und mühsamen Prozess wurde ein Entwurf erarbeitet, der durch das Parlament mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit verabschiedet wurde. An dieser Abstimmung hat sich die damalige PDS-Fraktion nicht beteiligt. In der feierlichen Sitzung auf der Wartburg zog diese Fraktion aus dem Palais aus. Offensichtlich wollte man nicht Ja sagen und hat sich vor dem Nein gedrückt. Selbst eine Enthaltung kam nicht zustande, dafür ein öffentlicher Eklat.
Dritter Punkt - die politische Würdigung des Antrags: Es erzeugt schon einen faden Beigeschmack, wenn heute, einen Tag nach den Gedenkveranstaltungen auch in diesem Haus zur Pogromnacht, dieser Antrag zu beraten ist. Man könnte meinen - und die anfänglichen Ausführungen unterstützen das -, dieses Datum sei geschmacklos instrumentalisiert oder sogar versuchsweise nötigend gewählt worden.
Ich sage dies deshalb, weil der fast wortgleiche Antrag der PDS-Fraktion im Sächsischen Landtag zur Sächsischen Verfassung bereits am 12. Mai dieses Jahres gestellt wurde. Interessanterweise ist die weitere Bearbeitung des Antrags dort auf Wunsch des Antragstellers, d.h. der sächsischen PDS-Fraktion, von der Tagesordnung des Ausschusses in Dresden am 07.11. genommen worden. Die Zuhörer mögen sich ihr eigenes Urteil bilden.
(Zwischenruf Abg. Thierbach, Die Links- partei.PDS: Welchen Antrag hat denn die NPD in Sachsen eingebracht? Vielleicht weiß man das.)
Vierter Punkt - rechtliche Würdigung: Da ist zuerst die Frage zu beantworten, ob der Antrag geeignet ist, eine Erweiterung der jetzigen Rechtslage zu erzeugen. Antwort: Nein, er verkürzt die bestehende Regelungen vom Kampf gegen Extremismus auf Kampf gegen Rechtsextremismus. Dann ist die Frage zu beantworten, ob die jetzige Rechtslage ausreichend ist, dem Anliegen des Antrags zu entsprechen. Antwort: Ja, denn die jetzige Regelung der Verfassung des Freistaats Thüringen und des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland sichern dieses Anliegen. Die Ordnung des Grundgesetzes und
die darin gesetzten Schranken, die auch in der Verfassung unseres Freistaats zu finden sind, machen die freiheitlich-demokratische Grundordnung zur wehrhaften Demokratie.
Bleibt schließlich die Frage zu beantworten: Ist der Antrag zulässig? Die Antwort findet sich in Artikel 83 Abs. 3 der Verfassung Thüringens. Ich zitiere hier wörtlich aus der Verfassung: „Eine Änderung dieser Verfassung, durch welche die in den Artikeln 1,“ - das betrifft also die Grundrechte, Staatsziele und Ordnung des Gemeinschaftslebens - „44 Abs. 1,“ - der Text lautet: ‚Der Freistaat Thüringen ist ein Land der Bundesrepublik Deutschland. Er ist ein demokratischer, sozialer und dem Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen verpflichteter Rechtsstaat.’ - „Artikeln 45 und 47 Abs. 4 „ - der Text lautet: ‚Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.’ - „niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig.“ Das ist Verfassungstext. Und von daher lehnen wir eine Ausschussüberweisung der Drucksache 4/1309 Ihrer Fraktion ab. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, da wir hier eine Verfassungsfrage diskutieren, erlaube ich mir, für die SPD etwas grundsätzlicher zu werden. Die Grundwerte der SPD sind Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität. Freiheit heißt für uns freie Rede, Versammlungsfreiheit, freie Meinungsäußerung, bürgerliche Grundfreiheiten. Freiheit ist aber auch die Freiheit von Not, von Hunger, von Existenzangst. Unter Gerechtigkeit verstehen wir, Menschen müssen unabhängig von ihrer Herkunft, ihrem Geschlecht und ihrer Hautfarbe die gleichen Chancen auf Bildung und Entwicklung haben. Unser Ziel ist es, national und international die Kluft zwischen Arm und Reich zu schließen. Solidarität ist für uns die Kraft, die Veränderung schafft. Solidarität heißt zusammenstehen und Gesellschaft weiterzuentwickeln, gerechter gestalten zu können. Die SPD ist seit Beginn auch eine internationale Partei. Die wachsende Schere zwischen Arm und Reich kann nur durch die Kraft der Solidarität geschlossen werden.
Meine Damen und Herren, jedes Mitglied der SPD bekennt sich grundsätzlich zu diesen Werten. Mehrfach in der deutschen Geschichte wurden wir des
halb verfolgt, verhaftet, ermordet. 1878 wurden wir mit dem Sozialistengesetz unter Bismarck zu vaterlandslosen Gesellen abgestempelt. In den 20erJahren gingen viele Sozialdemokraten als Erste in die Antihitlerbewegung. 1933 stimmten einzig Sozialdemokraten gegen Hitlers Ermächtigungsgesetz. Tausende gingen deshalb für ihre Grundwerte ins KZ oder ins Exil. Andere bildeten Widerstandsgruppen gegen Hitler und bekämpften ihn.
1946 wird die SPD mit der KPD zwangsvereinigt. Mehr als 5.000 Sozialdemokraten werden verhaftet, Tausende müssen flüchten.
Meine Damen und Herren, mit dem Exkurs in die Geschichte der SPD möchte ich eines noch einmal verdeutlichen: Wir Sozialdemokraten sind Antifaschisten. Nicht nur mit dem Munde, nicht nur rhetorisch, zu jeder Zeit der deutschen Geschichte sind wir für unsere Werte eingestanden, trotz Verfolgung, trotz Lebensgefahr. Aber wir sind „nicht nur“ Antifaschisten. Wir lehnen jede undemokratische Gesellschaftsform, jede totalitäre Gesellschaftsform oder Einstellung ab. Ob Faschismus, ob Kommunismus, ob den Kalifenstaat, ob Sekten in der Form von Scientology, all das trifft auf unseren energischen Widerstand.
Ich sage das so pointiert, weil ich mitunter hier im Haus das Gefühl habe, dass Einzelne uns insgesamt in einen Wettbewerb darüber treiben wollen, wer hier der beste Antifaschist ist. Ich sage: Wir Sozialdemokraten machen einen solchen Wettbewerb nicht mit, dieser Wettbewerb ist dämlich und kleinkariert.
Die demokratischen Kräfte in Thüringen zu bündeln, egal welcher Partei oder Vereinigung sie angehören, das ist das politische Ziel der Sozialdemokraten.
Es hat nicht der Bundestagswahl bedurft, um zu erkennen, dass gegenwärtig dem demokratischen Rechtsstaat in Deutschland und auch in Thüringen am meisten Gefahr von Neofaschisten und Nationalsozialisten droht. Ich habe die Befürchtung, dass der Thüringen-Monitor das morgen noch mal bestätigen wird. Sie erstarken seit Jahren; sie organisieren sich besser; sie lügen immer unverschämter; sie wollen die Möglichkeiten des demokratischen Rechtsstaats nutzen, um ihn abzuschaffen. Die Thüringer SPD hat durch ihr Handeln hier im Landtag, aber auch außerhalb klar gemacht, wo sie steht. Wir lehnen den Rechtsradikalismus, egal in welcher Form, ab.
Bleibt also die Frage: Muss oder soll der Antifaschismus in die Thüringer Verfassung? Ich behaupte, er steht schon drin. Ich will für den einen oder anderen, der das nicht so oft tut, und ich tue es ja auch nicht so oft, aber ganz einfach mal ein paar Stellen aus unserer Landesverfassung zitieren: „In dem Bewusstsein... der leidvollen Erfahrungen mit überstandenen Diktaturen und des Erfolges der friedlichen Veränderungen im Herbst 1989... gibt sich das Volk des Freistaats Thüringen in freier Selbstbestimmung und auch in Verantwortung vor Gott diese Verfassung.“ Und ohne die Artikel zu nennen, will ich weiter durchzitieren: „Thüringen bekennt sich zu den unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder staatlichen Gemeinschaft, zum Frieden und zur Gerechtigkeit.“ „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“ „Niemand darf wegen seiner Herkunft, seiner Abstammung... oder seiner sexuellen Orientierung bevorzugt oder benachteiligt werden.“ „Die Freiheit der Person ist unverletzlich.“ „Menschen mit Behinderung stehen unter dem besonderen Schutz des Freistaats.“ „Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich misshandelt werden.“ „Jeder hat das Recht auf die Entfaltung seiner Persönlichkeit.“ „Jeder Bürger genießt Freizügigkeit.“ „Jeder hat das Recht auf Achtung und Schutz seiner Persönlichkeit und seines privaten Lebensbereiches“. „Jeder hat das Recht auf Mitgestaltung des politischen Lebens im Freistaat.“ Meine Damen und Herren, dies ist auch zutiefst alles antifaschistisch. Es richtet sich gegen jede Form der Diktatur, es richtet sich gegen alle Bestrebungen, aus dem Freistaat einen Staat, egal welcher, totalitärer Prägung zu machen. Auch weil das so ist, haben wir der Thüringer Verfassung auf der Wartburg zugestimmt. Ich glaube, auch die 70 Prozent Zustimmung aus der Thüringer Bevölkerung kommt mit daher, weil das so ist.
Meine Damen und Herren, nichtsdestotrotz, wir sind bereit, mit Ihnen unter diesen Gesichtspunkten Ihren Antrag im Ausschuss zu diskutieren. Ich sage Ihnen aber auch, wozu wir nicht bereit sind, nämlich mit Ihnen zu streiten, welche totalitäre Staatsform oder welche Diktatur die schlimmere ist. Wir lehnen sie, egal in welcher Art, prinzipiell ab.
Ich will zum Abschluss auch hier in diesem Haus ganz offen über meine Probleme in dieser Diskussion sprechen. Ich halte die Linie der Thüringer CDU bei der Bekämpfung des Rechtsradikalismus für falsch.
Ich wünschte mir dort ein energischeres, ein konsequenteres Vorgehen, ob in der Prävention oder bei der Ahndung. Ich muss teilweise schon schmunzeln
über Ihren pawlowschen Reflex, wenn wir hier über Neonazis diskutieren, dass Sie aufspringen und im gleichen Atemzug über die gleiche Bedrohung von extremen Linken referieren. Das ist falsch; ich halte das für falsch. Übrigens, auch die Bemerkung sei mir gestattet, wir haben in den letzten Tagen gelernt, Menschen, die mit Flaschen oder anderen Gegenständen werfen, sind nicht immer linksextreme Spinner.
Also, ich halte Ihre Linie für falsch. Ich kann Sie nicht verstehen. Aber - und jetzt muss ich in Anführungsstrichen oder in Klammern setzen, leider - Sie haben wenigstens eine Linie. Das gibt mir die Möglichkeit mit Ihnen über dieses Thema zu diskutieren und zu streiten.