Protokoll der Sitzung vom 11.11.2005

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Als Nächster hat das Wort Abgeordneter Dr. Pidde, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wenn wir über Pensionslasten reden wollen, dann müssen wir natürlich auch über die Verbeamtungspraxis in Thüringen sprechen. Frau Ministerin, wenn Sie hier von einer erfolgreichen Personalpolitik der Landesregierung sprechen, da lachen die Hühner, selbst bei Vogelgrippe.

(Beifall bei der SPD)

Über Jahre hat die Thüringer Landesregierung in diesem Fall nicht gehandelt. Sie haben die Entwicklung entweder verschlafen oder bewusst nicht angepackt. Sie haben nach den gleichen Grundsätzen gehandelt wie in anderen Politikbereichen, entweder nach dem Prinzip Hoffnung oder „nach uns die Sintflut“. Die Fehler der alten Bundesländer wurden wiederholt. Sie haben für kurzfristige geringe Einsparungen hohe Kosten in die Zukunft geschoben.

(Beifall bei der SPD)

Die dadurch gewonnenen finanziellen Spielräume sind schon aufgefressen, sie sind verkonsumiert und Sie haben die Gelder gebraucht, um von Ihren Defiziten bei Verwaltungs- und Behördenreform in den vergangenen Jahren abzulenken und diese zu verschleiern.

Meine Damen und Herren, in der zweiten Wahlperiode in der großen Koalition haben wir sehr viel über die Zahl der Verbeamtungen diskutiert. Die SPD sagte, nur für hoheitliche Aufgaben. Die Diskussion wurde geführt: Was sind denn hoheitliche Aufgaben? Sie haben heute, Frau Ministerin, über die Kernbe

reiche gesprochen. Unstrittig sind Justiz, Polizei. Die CDU hat sich durchgesetzt und die Schuldirektoren und ihre Stellvertreter verbeamtet. Und ich sage, auch als Erfolg unserer Hartnäckigkeit kam es dann dazu, dass 1999 ein Thüringer Pensionsfonds eingerichtet worden ist.

(Zwischenruf Diezel, Finanzministerin: Das ist Bundesgesetzgebung. Reden Sie nicht solches Zeug.)

Da lassen Sie mich doch erst einmal erzählen. Dieses Gesetz ging insbesondere zurück auf den Versorgungsbericht der Bundesregierung aus dem Jahr 1996, in dem ein riesiger Handlungsbedarf im Bereich der Pensionslastenvorsorge konstatiert wurde. Gemeinsam beschlossen Bund und Länder deshalb die Ergänzung des Bundesbesoldungsgesetzes um den § 14 a, wonach das Besoldungsniveau und das Niveau der Beamtenversorgung bis zum 31. Dezember 2013 um insgesamt 3 Prozent gesenkt werden sollte. Diese Einsparung fließt in ein Sondervermögen und wird dort angespart und zinsgünstig angelegt. Mit der Verabschiedung des Pensionsfondsgesetzes in Thüringen wurde endlich eine Grundlage für eine nachhaltige Betrachtungsweise der auflaufenden Beamtenpensionen geschaffen, nicht mehr und auch nicht weniger. Bei der Verabschiedung des Gesetzes bestand seitens der SPD die Hoffnung, dass dies erst der Anfang der notwendigen Rücklagenbildung sei, denn schon damals war insbesondere den Finanzpolitikern klar, dass die geringen Zuführungen zum Sondervermögen in Zukunft nur die Spitze zukünftiger Belastungen abdecken können. Deshalb lässt das Gesetz ja auch zusätzliche Zuführungen aus dem Landeshaushalt zu. Leider hat sich die Hoffnung bis heute nicht bestätigt, dass es gelingt, zusätzliches Landesgeld für die Vorsorge für zukünftige Pensionslasten dem Fonds zuzuführen.

Meine Damen und Herren, bis 1999 war die Pensionslastenproblematik im Griff. Es war lösbar, das Problem. In der 3. Legislaturperiode dann, unter Alleinregierung der CDU, wurde die Verbeamtungspraxis in unverantwortlicher Weise ausgeweitet, exzessiv und unkritisch. Alle Lehrer wurden verbeamtet, die es wollten und bei denen es möglich war. Die Verbeamtung wurde in nie gekanntem Umfang als Einsparinstrument zulasten zukünftiger Generationen angewandt. Alle Warnungen wurden in den Wind geschlagen, Sie stellten sich an wie ein bockiges Kind.

Meine Damen und Herren, der mahnende Zeigefinger war da. Die Geschichte hat einen ganz langen Bart, länger noch als beim Rumpelstilzchen. Im Jahr 1995 beschäftigte sich der Thüringer Landtag wohl das erste Mal ernsthaft mit dieser Thematik, da bis dato kaum Pensionslasten angefallen waren. So

setzte die SPD-Fraktion in der großen Koalition im Rahmen des Entschließungsantrags zum Haushalt 1995 durch, dass die Landesregierung die Vor- und Nachteile der Einrichtung von Pensionsrückstellungen für Landesbeamte prüfen musste und dem Haushalts- und Finanzausschuss einen Bericht vorzulegen hatte. Dieser Bericht fiel schon damals recht ernüchternd aus. Darin heißt es - ich zitiere: „Angesichts der hohen jährlichen Neuverschuldung zur Deckung aller etatisierten Ausgaben erscheint eine Rücklagenbildung zur Finanzierung zukünftiger Pensionslasten derzeit wirtschaftlich nicht angezeigt. Wenn es in künftigen Haushaltsjahren gelingt, die sonstigen Haushaltsausgaben in erheblich größerem Maße den Einnahmen anzunähern, dass eine jährliche Neuverschuldung nicht mehr in einem erheblichen Umfang erforderlich ist, sollte eine Rücklagenbildung für künftige Pensionslasten erneut erwogen werden.“

Infolge dieses Berichts wurde in der Entschließung zum Haushaltssicherungsgesetz 1997 auf Verlangen der SPD von der Landesregierung ein Konzept gefordert, wie langfristig die Zahlung zukünftig anfallender Pensionslasten im Haushalt sichergestellt werden soll. Auf Antrag der SPD-Fraktion beschäftigte sich der Haushalts- und Finanzausschuss am 2. Oktober 1997 mit diesem Bericht. Schon damals wurde durch die SPD die mangelnde Aussagefähigkeit des in Zuständigkeit des Finanzministeriums erstellten Berichts kritisiert. Gleichzeitig wurde von uns darauf gedrungen, die Pensionslasten im Haushalt und in der Mittelfristigen Finanzplanung transparenter darzustellen. So geschehen in der 63. Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses am 19.02.1998. Man kann das in alten Protokollen nachlesen.

Leider hatten diese Bemühungen jedoch keinen nachhaltigen Erfolg, denn sucht man heute aussagefähige Passagen zu den zukünftigen Pensionslasten des Freistaats Thüringen in der Mittelfristigen Finanzplanung, dann sucht man vergebens. An Mahnungen hat es weiß Gott nicht gefehlt.

Meine Damen und Herren, die Pensionslasten stehen hinter uns wie ein Monster, wie ein schwarzes gefährliches Monster. Es ist zurzeit erst mannsgroß - 1 Prozent der Personalkosten sagt die Finanzministerin. Im vorläufigen Jahresabschluss 2004 sind 27,7 Mio. € für Pensionen ausgewiesen. Das ist nicht so groß, da haben Sie vollkommen Recht, aber durch die kritische Finanzsituation, in die Sie Thüringen manövriert haben, steht die Sonne niedrig und dadurch wirft das kleine Monster lange Schatten.

(Beifall bei der SPD)

Die CDU hat es gut angefüttert durch ihre Verbeamtungspraxis und jetzt wächst es rasant an und in

wenigen Jahren wird es riesengroß hinter uns stehen und würgt uns mit zunehmender Kraft.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, die SPD sieht in zweierlei Richtung Handlungsbedarf: Zum einen in Transparenz und zum anderen in Vorsorge. Für Transparenz hat Ihr heutiger Bericht nicht gesorgt. Sie haben hingewiesen auf die Schwierigkeiten, die Prognosen machen, und auf die Schwankungspreise, das wissen wir doch alles. Sie haben uns auch Beamtenschelte unterstellt. Das will ich strikt zurückweisen. Als SPD sind wir stolz auf die Thüringer Beamten, aber wir sind gegen eine fahrlässige Haushaltspolitik der Landesregierung.

(Beifall bei der SPD)

Bei Ihrer Sachdarstellung im vorgetragenen Bericht bleibt eine Reihe von Fragen offen: Wie sollen die prognostizierten Steigerungen bei den Pensionslasten vom Land in Zukunft geschultert werden? Welche Möglichkeiten werden gesehen, diese Entwicklung weiter abzumildern? Welche Konsequenzen werden für die Zukunft im Hinblick auf die Verbeamtungspraxis gezogen, damit nicht noch weitere Lasten in die Zukunft verschoben werden? Das alles sind Fragen, die heute nicht beantwortet wurden.

Meine Damen und Herren, die SPD-Fraktion möchte zur Transparenz, dass turnusmäßig ein Pensionslastenbericht vorgelegt wird. Der turnusmäßige Bericht soll eine wiederkehrende, kontinuierliche Auseinandersetzung des Thüringer Landtags mit dieser Form der indirekten Verschuldung sicherstellen. Wir halten dies für besonders wichtig. Der Alternativantrag, der von der CDU-Fraktion hier vorgelegt worden ist, ist aus zweierlei Gründen halbherzig und vollkommen unzureichend.

Zum einen fordern Sie, was die Thüringer Landesregierung eigentlich bereits vor Jahren versprochen hat, die Darstellung der Pensionslastenverpflichtung und deren Entwicklung in der Mittelfristigen Finanzplanung. Zweitens fordern Sie von der Landesregierung die Entwicklung dieser Lasten in zukünftigen Mittelfristigen Finanzplanungen im jeweiligen Finanzplanungszeitraum darzustellen. Allein diese Formulierung zeigt, dass Sie nach wie vor, so wie es der Kollege Huster hier gesagt hat, in Wahlperioden denken. Wenn man aber einen Baum pflanzt, dann darf man sich nicht damit zufrieden geben und daran erfreuen, dass er im ersten Frühling auch austreibt. Ein großer starker Baum ist wichtig für unsere Kinder und Enkel und nicht nur, dass Sie hier in Zeiträumen für die nächsten drei Jahre denken. Die Brisanz der Situation wird nämlich erst deutlich, wenn man den Blick auch mal 10, 20 und 30 Jahre in die Zukunft

lenkt. Dies und nichts anderes fordern wir in unserem Antrag.

Lassen Sie mich noch kurz zum zweiten Punkt kommen - zur Vorsorge: Auf der Basis des geforderten Berichts, nämlich dem Umgang mit den Pensionslasten, sollten wir die Diskussion führen über Sonderzuführungen zum Pensionslastenfonds, über Rückstellungen zum Beispiel für jede zukünftige Verbeamtung. Dazu brauchen wir aber nicht ein paar lapidare Darstellungen, sondern einen ordentlichen, umfangreichen Pensionslastenbericht, der Antwort auf die angesprochenen Fragen gibt. Deshalb bitte ich um Zustimmung zum Antrag der SPD-Fraktion. Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat der Abgeordnete Mohring, CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich bin zunächst Birgit Diezel als Finanzministerin dankbar für den Sofortbericht, der ausführlich die Situation der Pensionslasten geschildert hat. Aber ich bin auch dankbar, das will ich auch sagen, für Punkt 1 des Antrags der SPD, dass sie aufgefordert hat, hier im Landtag darüber zu berichten, wie der Sachstand ist. Ich will auch gar nicht großartig ausführen, weil auch die Position, die die Finanzministerin in ihrem Sofortbericht genannt hat, mit unserer Fraktionsmeinung übereinstimmt. Aber ich will zwei Dinge anmerken, warum wir uns zu dem Alternativantrag entschieden haben und nicht zum Punkt 2 des Antrags bei der SPD-Fraktion. Erstens wollen wir gerne in der jährlichen Fortschreibung in der Mittelfristigen Finanzplanung, die unsere ganzen Einnahme- und Ausgabeerwartungen und auch alle Belastungen schildert, auch den Bestandteil der Pensionslasten aufnehmen. Und da sie jährlich fortgeschrieben wird, für den jeweiligen Planungszeitraum der Mittelfristigen Finanzplanung auch immer jährlich sich verlängert und wir dadurch einen Gesamtüberblick bekommen, wie sich unsere finanzielle Belastung darstellt. Wir wollen es vor allem deshalb tun mit dem Alternativantrag in der Mittelfristigen Finanzplanung, weil es natürlich mit Blick auf 2020 oder möglicherweise auch weiter hinaus unterschiedliche Erwartungshaltungen gibt und auch Berechnungen, wie sich denn die Pensionslastenentwicklung darstellen wird. Die Finanzministerin hat zu Recht auf die Sitzung am 18. Januar 2002 im Haushalts- und Finanzausschuss verwiesen. Damals ist im Bericht davon ausgegangen worden, dass wir bis zum Jahr 2017 ca. 266 Mio. € an Pensionslasten zu leisten haben.

Eine Studie der Stiftung Marktwirtschaft vom Juni in diesem Jahr spricht dagegen schon von einer Pensionsbelastung bis zum Jahr 2020 von 470 Mio. €. Daran sieht man schon, wie groß die Spanne ist, und das liegt nicht zuletzt daran, dass sich natürlich die Frage „Rentenrecht“ und alles Weitere entwickelt, dass natürlich die Eintrittsstufen unterschiedlich sind, wie viel Leute verbeamtet werden, wie lange sie verbeamtet sind. Wenn ich an die aktuelle Entwicklung denke, dass das Renteneintrittsalter möglicherweise nach oben gesetzt wird, wird das natürlich auch mittel- und kurzfristig Auswirkungen haben auf Pensionierungsgrenzen und damit sich auch andere Entwicklungen darstellen. Das muss man natürlich mit berücksichtigen und wir meinen, man kann es sachgerechter, spezifischer und vor allen Dingen genauer in der Mittelfristigen Finanzplanung darstellen. Deshalb unser Alternativantrag in der Drucksache 4/1337.

Ich will noch auf ein Letztes hinweisen. Natürlich kommen wir nicht umhin, die Pensionslasten, die zu leisten sind, auch tatsächlich zu leisten. Das stellt ja niemand in Abrede. Wenn ich dann diesen Versprecher richtig deute, wir sind ja nicht nur den SPD-Beamten, sondern allen Beamten in Thüringen dankbar, aber das war nur ein Versprecher, deswegen will ich es für das Protokoll nur klarstellen. Deswegen haben die auch alle Anspruch auf ihre Pension, das will gar niemand bestreiten. Aber es macht schon einen Unterschied, wenn man das auch mal haushaltspolitisch betrachtet, ob ich jetzt unbedingt darauf dränge - wir sind nicht zufrieden damit, wie sich die Einnahmesituation darstellt, die Verschuldungssituation. Das muss man alles nicht wiederholen, dazu haben wir oft genug gesprochen, wir werden im Dezember dazu sprechen. Aber finanzpolitisch muss man schon beachten, verlange ich jetzt die Auffüllung eines Pensionsfonds möglicherweise über weitere Kredite, wo die Erträge aus dem Pensionsfonds viel geringer sind als die zusätzlichen Schulden, die ich aufnehmen muss. Da haben wir natürlich auch schon ein Stück Verantwortung, in die Zukunft zu schauen und das nicht außer Acht zu lassen. Das würde schon große Unterschiede ausmachen, diese Belastung bei den Krediten noch weiter aufzulegen. Deshalb, denke ich, Schritt für Schritt, und deswegen war es gut, den Sofortbericht zu verlangen, der auch gleich gegeben wurde. Künftig werden wir uns jährlich in der Mittelfristigen Finanzplanung mit den Pensionslasten beschäftigen. Deshalb der Bericht - Erledigung. Vielen Dank dafür. Wir bitten um Zustimmung zum Alternativantrag und der Beratung auch dann fortdauernd zur Mittelfristigen Finanzplanung. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit beende ich die Aussprache. Ich gehe davon aus, dass das Berichtsersuchen zu den Nummern 1 des Antrags und des Alternativantrags erfüllt ist, oder erhebt sich da Widerspruch? Es erhebt sich kein Widerspruch, also ist das Berichtsersuchen erfüllt.

Wir kommen damit zur Abstimmung über Nummer 2 des Antrags der Fraktion der SPD in Drucksache 4/1318. Wird Ausschussüberweisung zu Nummer 2 des Antrags beantragt? Das ist nicht der Fall. Damit kommen wir direkt zur Abstimmung über Nummer 2 des Antrags der Fraktion der SPD in Drucksache 4/1318. Wer ist für diesen Antrag, den bitte ich um das Handzeichen? Wer ist gegen diesen Antrag, den bitte ich auch um das Handzeichen? Wer enthält sich der Stimme? Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Wir kommen damit zur Abstimmung über Nummer 2 des Alternativantrags der Fraktion der CDU, der Ihnen in Drucksache 4/1337 vorliegt. Wird hier Ausschussüberweisung beantragt? Das ist nicht der Fall. Damit stimmen wir direkt über den Antrag ab. Es erfolgt die Abstimmung über Nummer 2 des Alternativantrags der Fraktion der CDU in Drucksache 4/1337. Wer ist für diesen Alternativantrag, den bitte ich um das Handzeichen? Wer ist gegen diesen Antrag? Wer enthält sich der Stimme? Es ist keine Stimmenthaltung. Damit ist dieser Alternativantrag angenommen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, ich möchte noch folgenden Hinweis geben: Der Ausschuss für Naturschutz und Umwelt tagt fünf Minuten nach Ende des Plenums im Raum 302.

Ansonsten schließe ich jetzt diese Sitzung am heutigen Freitag. Ich wünsche Ihnen ein schönes und gutes Wochenende und möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass die nächsten Plenarsitzungen am 8. und 9. Dezember dieses Jahres stattfinden. Auf Wiedersehen.

E n d e d e r S i t z u n g: 15.08 Uhr