Protokoll der Sitzung vom 22.12.2005

(Beifall bei der SPD)

und dass Bund und Länder auf wesentliche Steuereinnahmen verzichten mussten.

Der dritte Punkt: Sie haben trotz dieser deutlich sichtbaren Verschuldung weitere zusätzliche Leistungen beschlossen. Sie haben im vergangenen Jahr beschlossen, die Wasserbeiträge abzuschaffen. Und Sie nehmen dabei in Kauf, dass dieser Beschluss zum Bereich Wasser und Abwasser 1 Mrd. € neue Schulden produziert angesichts einer ohnehin schon desaströsen Haushaltslage. Sie haben in der letzten Landtagssitzung hier in diesem Haus eine Familienoffensive beschlossen, bei der Sie eine neue Leistung für Eltern beschlossen haben, die diese Leistung nicht gefordert haben, weil sie ein ordentliches Einkommen haben, die ohne diese Leistung bisher ausgekommen sind. Ich habe ja nichts dagegen, wenn wir Geld übrig haben, solche zusätzlichen Leistungen zu beschließen. Aber Sie haben das getan in einer Situation, in der der Haushalt hoch verschuldet ist, in der die Situation dramatisch ist, wie Ihr finanzpolitischer Sprecher gestern deutlich gemacht hat.

(Beifall bei der SPD)

Ich nenne Ihnen einen vierten Grund. Sie haben auch in einer schwierigen Haushaltssituation für fragwürdige Ausgaben immer wieder Geld gehabt. Ich frage noch mal: Ist es wirklich notwendig, dass man ein Fünfsternehotel mit Steuermitteln subventioniert? Ist das angesichts der Haushaltssituation wirklich notwendig?

(Beifall bei der SPD)

War es in diesem Zusammenhang notwendig, einen Mietvertrag für die Spielbank zu machen, für den die Steuerzahler einige 100.000 € auf den Tisch blättern müssen? Es kann ja sein, wie Sie gestern gesagt haben, dass jetzt, wo die Spielbank da drin ist, auch ein Gewinn reinkommt, aber trotzdem war das ein unnötiger Verlust.

(Zwischenruf Abg. Dr. Pidde, SPD: So ist es.)

Und man hatte die denkbar schlechteste Verhandlungsposition, die man sich nur ausdenken kann, weil Sie frühzeitig einen Mietvertrag geschlossen haben und hinterher einen Mieter suchen mussten.

(Beifall bei der SPD)

Oder bei den Fluglinien. Halten Sie das wirklich für so notwendig? Es gibt neben Thüringen nur noch zwei Bundesländer, die sich diesen Luxus leisten, Fluglinien zu subventionieren, und Sie wollen da 2007 noch einmal was obendrauf legen. Ist das an

gesichts der dramatischen Haushaltslage wirklich notwendig? Wir haben gerade den Verkehrsetat diskutiert. Wir haben ja kaum noch das Geld, um die Schlaglöcher in Thüringen wieder zu schließen. Aber das Geld, ein eigenes Verkehrsministerium extra dafür einzurichten und einen Verkehrsminister einzusetzen, das haben wir ganz offensichtlich.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Da gab es einen schönen Artikel neulich in der TA, da wurde die Aufgabenbeschreibung des Verkehrsministers, wenn ich mich richtig erinnere, ungefähr so vorgenommen: Fröhlich sein und singen. Er darf Bänder durchschneiden bei Investitionen, die der Bund gemacht hat, und auch das nur, wenn es der Ministerpräsident nicht selber tut.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Lade den Matschie mit ein zum Bänderdurch- schneiden!)

(Unruhe bei der CDU)

Für alle solche Dinge ist offensichtlich Geld da, aber an anderen Stellen fehlt das Geld. Was könnte helfen in dieser Haushaltssituation? Helfen könnte eine Verwaltungs- und Gebietsreform, aber der Ministerpräsident weigert sich hartnäckig, eine solche in Angriff zu nehmen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Aber, Herr Althaus, ich prophezeihe Ihnen eines: Mit der Weigerung, eine Verwaltungs- und Gebietsreform zu machen, wird es Ihnen genauso gehen wie mit der Weigerung, die Eigenheimzulage abzuschaffen. Sie werden von der Realität eingeholt und überholt werden.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Was könnte noch helfen, neben einer durchgreifenden Verwaltungs- und Gebietsreform? Helfen könnte, alle Förderungsprogramme wirklich auf den Prüfstand zu setzen. Ein erster Ansatz dazu ist in dem Entschließungsantrag gemacht, den die CDU-Fraktion auf den Tisch gelegt hat, aber die Landesregierung ist bisher in dieser Frage untätig geblieben.

Ich stelle auch die Frage: Was schadet dem Land in einer solchen Situation? Ich glaube, es schadet dem Land tatsächlich, wenn es Kürzungen bei den Kindergärten gibt, denn wer soll denn das fehlende Geld aufbringen, wenn nicht die Eltern oder die Kommunen, die selber nichts mehr in der Kasse haben? Was schadet dem Land? Es schadet dem Land, wenn die Forschungsförderung zurückgefahren wird. Das hilft uns nicht, sondern verschlechtert die Situa

tion. Es schadet dem Land, wenn soziale Beratungsstrukturen zerstört werden und am Ende wird es möglicherweise sogar teurer. Der Chef der Diakonie Mitteldeutschland, Eberhard Grüneberg, hat das gestern einer Zeitung gegenüber gesagt, ich zitiere ihn: „Es ist sehr schwer einzusehen, dass in einer Zeit, in der die Menschen eher mehr Rat und Hilfe brauchen, genau diese Beratungsdienste aus Geldmangel eingeschränkt werden müssen. Staatliche Hilfe, die später einsetze, komme das Land in der Regel sehr viel teuer.“ Auf diese Weise wird das Sparen im Landeshaushalt letztendlich nur zur Kostenverlagerung, nämlich zur Kostenverlagerung dann vielleicht hin zur Krankenversicherung oder hin zu Kosten, die den Kommunen entstehen, oder Kosten, die dem Bund entstehen. Eins bleibt doch am Ende dabei immer gleich: Die Zeche zahlen die Bürger, denn irgendjemand muss die Kosten aufbringen. Wer nicht in Prävention investiert, der wird später den Schaden teuer bezahlen müssen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Die Tragik bei dieser Geschichte ist doch, dass Sie mit all diesen Einschnitten, die viel Schaden anrichten in Thüringen, nicht wirklich die Haushaltsprobleme lösen können. Sie können mit diesen kleinen Summen, die hier zusammenkommen, den Haushalt überhaupt nicht sanieren. Ich vermute, dass Sie ein bisschen darauf setzen, dass sich die Haushaltslage etwas entspannt durch die Steuerbeschlüsse der Koalition in Berlin. Da kommt sicherlich einige Entspannung ab 2007, das mag sein. Aber Sie wissen doch genauso gut wie ich, dass das allein nicht ausreicht.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Richtig.)

Weniger als 50 Prozent der Ausgaben, die wir tätigen, nehmen wir an eigenen Steuern ein, weniger als 50 Prozent. Das ist unser strukturelles Problem.

(Zwischenruf Richwien, Staatssekretär: Wenigstens das hat er erkannt.)

Der Mittelfristige Finanzplan, den uns das Finanzministerium vorgelegt hat, zeigt in der Analyse auch, wie sich die Einnahmesituation weiter verschärft; er zeigt das sehr deutlich auf. Aber im Fazit gibt es ein paar interessante Sätze, die auch andeuten, was man tun kann. Ich will Sie Ihnen mal zitieren, weil ich wirklich spannend finde, was Sie da schreiben. Da geht es um die Auseinandersetzung insbesondere mit den sinkenden Einnahmen und der demografischen Entwicklung. Da schreiben Sie: „Die Verwaltung muss sich zum einen auf weniger Nutzer ihrer Leistungen einstellen, zum anderen muss sie sich bewusst sein, dass sie künftig von weniger Steuerzahlern getragen wird. Mit der Behördenstruk

turreform hat die Thüringer Landesregierung erste Anpassungen an die Bevölkerungsentwicklung vorgenommen. Die Modernisierung der Verwaltung, auch und gerade zur Gestaltung des demografischen Wandels, muss jedoch weiterhin auf der Tagesordnung bleiben.“ Und dann: „Eine Anpassung der Verwaltung in Struktur und Größe an die veränderten gesellschaftlichen Umstände ist zwingend.“ Wenn ich das mal übersetze, dann heißt das doch nichts anderes, als dass Ihre Beamten hier aufgeschrieben haben, wir kommen um eine Verwaltungs- und Gebietsreform nicht herum, Frau Finanzministerin.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Nichts anderes steht hier im Fazit der mittelfristigen Finanzplanung.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Jetzt müssen Sie nur noch rauskriegen, wer das geschrieben hat.)

Unsere sächsischen Nachbarn haben vorgestern in einem Kabinettsbeschluss den Fahrplan für eine Verwaltungs- und Gebietsreform beschlossen. Sie streben mit dieser Verwaltungs- und Gebietsreform Einsparungen bei Personal- und Sachkosten in einer Größenordnung von 20 Prozent an, Einsparungen in der Größenordnung von 20 Prozent durch eine vernünftige Verwaltungs- und Gebietsreform. Nun mag es sein, dass die Sachsen ein bisschen übertreiben und vielleicht die 20 Prozent nicht erreichen, aber selbst wenn sie einen deutlichen Teil dieser Einsparungen erreichen könnten, dann ist das doch genau das, was wir hier auch in Thüringen brauchen, Einsparungen in einer solchen Größenordnung durch eine vernünftige Verwaltungs- und Gebietsreform.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Werte Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion und in der Landesregierung, da wir wenige Tage vor Weihnachten sind, möchte ich Ihnen noch einmal die Botschaft in Erinnerung rufen, die der Engel den Hirten verkündet hat.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Denk dran, du bist nicht auf der Kanzel.)

Der hat zu den Hirten gesagt: „Fürchtet euch nicht!“ Das möchte ich auch Ihnen zurufen: Fürchtet euch nicht, packt endlich eine Verwaltungs- und Gebietsreform an, packt Strukturreformen an, die die Finanzen dieses Landes wieder ins Gleichgewicht bringen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Das Wort hat die Abgeordnete Lieberknecht, CDUFraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, hinter uns liegt wahrlich ein gewaltiges Stück Arbeit, allein die Debatten gestern und heute, aber seit Oktober zweieinhalb Monate im Thüringer Landtag. Als Vorsitzende meiner Fraktion möchte ich allen Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion zunächst einmal danken, die sich in mühevoller Arbeit sowohl über die großen Linien des Haushalts Gedanken gemacht haben als auch in Detailarbeit wirklich die kleinsten Bereiche und bis 1.000 € hinunter durchdekliniert haben. Das war ein gewaltiges Stück Arbeit und zuvor auch schon bei der Landesregierung. Ihr habt euch ausgetauscht, im Kabinett euch so geeinigt und auch die Vorabstimmungen so getroffen, dass in der Tat dieser Haushalt bei all dem, was wir natürlich auch gern anders gehabt hätten, aber von der Fraktion im Wesentlichen ja so durchgestimmt worden ist, wie ihr es vorgelegt habt von der Landesregierung. Dafür ein ganz herzliches Dankeschön. Auch dass wir uns furchtlos, Herr Matschie, den aktuellen Diskussionen gestellt haben, nicht den Fragen irgendwann einmal, die uns für den Haushalt 2006/2007 ja überhaupt nichts gebracht hätten. Selbst wenn man einer Gebiets- und Verwaltungsreform Effizienzgewinne unterstellt - was hätte es für den aktuellen Haushalt bedeutet, den wir jetzt verhandeln? Es geht nicht um einen Haushalt irgendwann,

(Zwischenruf Abg. Dr. Schubert, SPD: Dann machen wir den nächsten Schritt irgendwann.)

sondern jetzt 2006/2007 und da waren aktuelle Entscheidungen zu treffen, schmerzhafte Entscheidungen, intensive Diskussionsprozesse zu führen. Dass wir dies furchtlos, weil eben auch ohne Alternative, gemacht haben, dafür danke ich ganz herzlich. Ich will ganz deutlich sagen, die Rahmenbedingungen sind ja nun wirklich oft genug genannt worden, ich will die hier nicht noch mal wiederholen, zumal auch in allen Einzelplänen ja bis ins Detail hinein diskutiert worden ist. Ich stelle für meine Fraktion fest - und die Landesregierung hat das ja auch betont: Wir verabschieden einen verfassungsgemäßen Haushalt und das ist unser Kriterium.

(Beifall bei der CDU)

Dabei stehen wir, Herr Kollege Gerstenberger, auch nicht vor einem Scherbenhaufen. Wer das behauptet, das ist eine Ignoranz im Blick auf die Leistun

gen, die seit 15 Jahren in diesem Freistaat erbracht werden. Es ist so, wir sind Spitze nach wie vor. Es gibt die ganzen Erhebungen, die ganzen Umfragen, natürlich das Spitzenduo an Dynamik, auch an Dynamik in der Wirtschaftskraft. Die aktuellen Zahlen, wir haben in diesen Tagen den Mittelstandsbericht wieder vorgelegt bekommen, da heißt es - Thüringen, eine Spitzenstelle neben Sachsen - zu Sachsen und Thüringen „die Spitzenländer der neuen Länder“ und da ändert ihr Schlechtreden, so muss man es bezeichnen, auch nichts dran.

(Heiterkeit bei der SPD)

(Beifall bei der CDU)

Die blanke und leider immer wieder vordergründige Polemik hilft niemandem in diesem Land und niemandem in diesem Haus, sie ist verantwortungslos. Nun haben wir es ja leider auch mit Kolleginnen und Kollegen hier im Haus zu tun, die wollen Verantwortung gar nicht übernehmen. Das haben wir gemerkt in den Diskussionen in Berlin zum Deutschen Bundestag im Wahlkampf in diesem Jahr. Alles das gehört dazu, keine Alternative, keine Zukunft, die damit für Thüringen gestaltbar wäre.

Lieber Herr Kollege Matschie, ein bisschen Aufklärung würde ich Ihnen ja auch gern geben in Dialektik. Es passt nämlich sehr gut zusammen, die Dialektik, die darin besteht, dass die Finanzministerin Birgit Diezel natürlich Recht hat in allen Positionen, auch von Seiten der Fraktion getragen, aber der Kollege Mohring natürlich genauso Recht hat. So stehen auch wir vor einem Haushalt, der auch uns alles andere als befriedigt. Das ist doch völlig klar. Aber trotzdem stimmen wir diesem Haushalt zu, weil: Was wäre denn die Alternative? Die Alternative wäre wirklich Verantwortungslosigkeit, Flucht in irgendwelche Wolkenkuckucksheime und das machen und wollen wir nicht.