Protokoll der Sitzung vom 30.03.2006

(Unruhe bei der SPD)

Ja, das müssen Sie ertragen, wenn ich den Präsidenten des Zentralverbandes des deutschen Baugewerbes zitiere.

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: „Ertra- gen“ ist das richtige Wort.)

Der ruinöse Wettbewerb hat seine Ursachen auch in der Einführung der Ich-AGs, der Ein-Euro-Jobs und der Abschaffung der Meisterpflicht in einigen Baugewerken. Damit hat die Schröder-Regierung den Betrieben zusätzliche Knüppel zwischen die Beine geworfen. Die Arbeitsmarktreformen hätten genau das Gegenteil ihrer ursprünglichen Intention bewirkt und massiv Arbeitsplätze abgebaut. 80 Prozent der neuen Betriebe, beispielsweise im Bereich der Fliesenleger, verfügen überhaupt über keine Qualifikation mehr und verdrängen mit ihren niedrigen Preisen sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse. Die Ein-Euro-Jobs und die arbeitsfähigen Langzeitarbeitslosen werden zunehmend von Kommunen statt Fachbetrieben eingesetzt, etwa zur dringenden Renovierung von Schulen und Krankenhäusern. Zum anderen müsse der Gesetzgeber konsequent gegen diese Ein-Mann-Betriebe vorgehen, denn sie unterliegen weder dem Entsendegesetz noch den Regeln zum Mindestlohn und verdrängen in zunehmendem Maße reguläre Beschäftigungsverhältnisse. Also als Konsequenz: Das, was sich jetzt die große Koalition auch vorgenommen hat, die Abschaffung der Zusatzjobs und der Ich-AGs und die Wiedereinführung - das ist jetzt noch nicht vorgenommen, aber das sage ich mal - der Meisterpflicht und die Vergabe öffentlicher Aufträge nur an Firmen, die beispielsweise Mindestlohn zahlen, also zu regulären Lohnkosten anbieten.

Ich bin, Herr Pilger, etwas erstaunt, ich habe in der Presse gelesen, dass Sie in der letzten Woche zu diesem Vergabegesetz einen Termin anberaumt haben, zu dem Sie die Presseleute eingeladen haben. Erstmal muss ich deutlich sagen - und da das in der „OTZ“ sogar mit Anführungsstrichen steht, ich nehme an, das ist dann ein wörtliches Zitat und Sie haben es in etwa jetzt auch vorgetragen: Sogar eine Aussprache über die Gesetze ist von den Abgeordneten der Mehrheitsfraktion zurückgewiesen worden, empörte sich Walter Pilger. Also wissen Sie, der Kollege Heym hat hier ausführlich vorgetragen, dass wir uns in fünf Sitzungen mit beiden Gesetzen beschäftigt haben. Frau Kollegin Leukefeld hat mit so einem kleinen Unterton das Jubiläum „Dreivierteljahr“ vorgestellt. Also wissen Sie, wenn man so etwas sagt, dass wir die Aussprache sogar verweigert haben, da muss ich sagen, Sie sagen nicht die Wahrheit, Sie lügen, Sie lügen eindeutig, wenn in fünf Sitzungen über das Gesetz gesprochen wurde mit Aussprache und Anhörung.

(Beifall bei der CDU)

Dann können Sie nicht sagen, sogar die Aussprache über das Gesetz ist abgelehnt worden. Bei aller Freundschaft, aber ich komme noch weiter zu diesem Termin, insbesondere weil ich Herrn Kollegen Matschie noch etwas zu der Frage Niedersachsen sagen will. Entgegen meiner Vermutung aus der Einbringung im letzten Jahr, hat sich doch zur Betrachtung von 2000 einiges geändert - ich komme noch dazu -, bei der Anhörung beispielsweise zwei Punkte, die ich jetzt benennen will. Wir hatten vom Vertreter der Initiative gegen Lohndumping, Herrn Furgol, Beispiele gehört, wo besonders deutlich ist, wie das Lohndumping wirkt und wie schlimm das alles ist. Ein Beispiel aus dem Saale-Orla-Kreis - vielleicht erinnern Sie sich noch daran, Herr Pilger, wenn Sie das gelesen haben -, dort war die Frage der Abfallentsorgung, der Abfallwirtschaft in einer Ausschreibung versucht worden neu zu stellen, eine Firma SITA hat den Entsorgungsauftrag verloren, und den Zuschlag hat eine andere Firma bekommen. Da wäre dieses Verfahren ganz kritikwürdig gewesen; ich erinnere nur daran. Wenn ich mich recht entsinne, ist das ein Landrat, der Ihrer Partei angehört. Wenn das so was ganz Schlimmes ist, sollten Sie vielleicht zunächst erst mal mit ihm das Gespräch führen.

Eine zweite Sache, die ich sehr aufmerksam vernommen habe: Der Vertreter der IG BAU, Kollege Remus, hat entgegen Ihrer Behauptung deutlich gesagt, die Vergaberichtlinie greift. Die Frage des Mindestlohns, die in unserer Richtlinie auch notiert worden ist, greift, denn er hat gesagt, man hat sich bei der Kalkulation darauf eingepegelt, dass man kaum noch unter den Mindestlohn geht. Also, meine Damen und Herren, wenn wir schon Anhörungen machen, dann dürfen Sie nicht die unangenehmen Dinge ausblenden und sich nur bruchstückhaft die Aussagen herausgreifen, die Sie wollen. Wenn der Vertreter von der IG BAU bestätigt, dass der Mindestlohn greift, so wie wir mit unserer Richtlinie sowohl für die Einrichtung des Landes als auch durch den Initiativantrag der Fraktion von damals für die Einrichtung der Gemeinden, Städte und Landkreise erreicht haben, wenn das dort bestätigt wird, dann müssen Sie das hier nicht so schlechtreden und sagen, das hat keinen Erfolg. Also in der Kalkulation findet der … ja, es gibt Ausnahmen, Herr Pilger, das haben Sie ja auch deutlich von mir gehört, indem Unternehmen an den Markt treten, Ich-AGs und Scheinselbständigkeit, die sich natürlich nach nichts richten. Ich will Sie nur fragen: Wie stellen Sie sich das eigentlich vor, wenn Sie sehr deutlich sagen, die nicht nach Tarif Zahlenden auszuschließen? Sie haben die Zahlen hier genannt, in der Anhörung auch zu vernehmen. Von den gut 17.000 Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen, die noch im Hauptgewerbe beschäftigt sind, sind in etwa 2.000, die in tariftreu zahlenden Betrieben tätig

sind. Dann wollen Sie per Gesetz die anderen 15.000 sofort erst mal ausschließen, weil die nicht dabei sind. Sie haben auch die Zahl mit den 75 Prozent genannt. Ich nenne Ihnen auch die Zahl der Handwerksbetriebe, die wir gestern gehört haben, es sind über 30.000 Betriebe mit 136.000 Beschäftigten. Auch die würden Sie im Grunde genommen bei strenger Auslegung von dem Wettbewerb ausschließen.

Nun haben Sie zu Ihrer Presseveranstaltung Unterstützung - habe ich gelesen - herbeigeholt, eine Frau, die einen freundlichen Namen hat, weil es der einer Stadt in Nordthüringen ist, eine Frau Heiligenstadt, die Ihnen helfen sollte, wie schön das Vergabegesetz in Niedersachsen ist. Ich muss nur sagen, möglicherweise hat sie Ihnen nur die Hälfte verraten, deshalb sind Sie darauf reingefallen. Ich habe es mir gerade noch mal herausgesucht, das Vergabegesetz in Niedersachen ist im letzten Jahr geändert worden. Die SPD-Fraktion, Ihre Kollegen dort sagen, das Vergabegesetz wurde faktisch abgeschafft, abgeschafft! Es muss ja eine Ursache geben, warum CDU und FDP in Niedersachsen dieses Gesetz geändert haben und dass Ihre Kollegen, die dort in der Opposition sind, ganz aufgeregt schreien und sagen, das Vergabegesetz ist faktisch abgeschafft. Diese Harmonie, die Sie uns hier dargestellt haben, gibt es in Niedersachsen nicht, sondern man hat sehr wohl darauf reagiert. Ich stütze mich auf meine Feststellung, dass ich sage, in den Ländern, die entgegen einer Rechtsauffassung, die ich vertrete, Vergabegesetze gemacht haben, rudert man wieder zurück. In Niedersachsen wurde es geändert, Nordrhein-Westfalen ist gerade dabei, das Gesetz außer Kraft zu setzen.

Ich will aber auch noch sagen, Herr Kollege Matschie, warum Niedersachsen. Ich habe mich mit einem Unternehmer unterhalten, also mit mehreren, die in Niedersachsen auch arbeiten. Von dort bekomme ich sehr deutlich die Argumentation, warum ich sage, das Gesetz in Niedersachsen hatte bisher eine Abschottungsfunktion. Das Gesetz in Niedersachsen lässt zu, dass die entsprechenden Unterlagen geprüft werden können, also Einsicht in Arbeitsverträge und die Geschäftsunterlagen und all die Dinge, die im Übrigen auf der Baustelle vor Ort vorgehalten werden müssen. Wissen Sie, was der Unternehmer sagt? Es ist eine Kann-Bestimmung. Und wissen Sie, welche Unternehmen geprüft werden? Die Thüringer Unternehmen werden geprüft, und zwar in einer Art und Weise, die ich ganz vorsichtig als Schikane bezeichnen will. Das ist genau die Wirkung, die von dem Gesetz ausgeht, wenn schon ein Auswärtiger bei uns einen Auftrag bekommt, dann werden die aber mit dem Gesetz so prüfen, dass er sich beim nächsten Mal überlegt, ob er noch mal vor Ort kommt. Und in der Nachbarschaft arbeiten die Firmen - Herr Ostermann nannte gestern die wunderschönen Firmen - Firma Samstag und Schwarz. Und darüber geht jeder hinweg. Wenn Sie

es nicht glauben, dann schauen Sie noch mal nach. In einer Pressemitteilung habe ich gerade gelesen, beim Bau der Strafvollzugsanstalt in Niedersachsen, die dann angezeigt wurde durch solche Betriebe - öffentlicher Auftrag - arbeiteten polnische Arbeiter zum Stundenlohn von 3,80 €. Und niemand hat sich aufgeregt, es wurde nicht kontrolliert von der niedersächsischen Behörde, sondern die konnten ungestört arbeiten, während Thüringer Unternehmen überprüft worden sind. Das ist die Wirkung des Vergabegesetzes, die in Niedersachsen beabsichtigt worden ist, und das haben CDU und FDP jetzt auch gehört, das wissen sie jetzt auch.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, also ganz deutlich, warum ich sage,

(Unruhe in der SPD)

das ist ein alter Hut, den Sie uns bringen, und Ihr Beispiel Niedersachsen sagt sehr deutlich, wozu das Vergabegesetz dort eigentlich genommen wurde, und zwar als Abschottungsfunktion gegenüber anderen Bewerbern.

Ich wundere mich, Herr Kollege Pilger, warum Sie uns Antworten von vorgestern geben wollen. Ich meine, mit der Zeit müssten Sie mitbekommen haben, dass sich durch das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung eine Entwicklung angedeutet hat, die seit dem 23. Januar auch in Kraft ist, die nach meinem Dafürhalten in die Frage der Vergabe, insbesondere der Abwicklung der Vergabe, also der technischen Umsetzung, eine neue Qualität bringen wird, die nennt man Präqualifikation. Das heißt, seit dem 23. Januar 2006 ist diese Frage jetzt freigegeben, dass durch die Präqualifikation besonders geeignete Unternehmen bei der Vergabe bevorzugt werden. Das hat einmal den Vorteil, dass Kosten und Zeit beim Nachweis der Eignung von Unternehmen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge gespart werden, und zum Zweiten, dass mit diesen Verfahren wesentliche Teile der im Vergaberecht derzeit für jeden einzelnen Auftrag geforderten Eignungsnachweise, also Fachkunde, Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit, das ist der § 8 der VOB oder VOL, durch eine Präqualifikation ersetzt werden soll. Dieses Verfahren entlastet die Unternehmen von der Vorlage der diversen Eignungsnachweise und das bringt erhebliche Vorteile für Auftraggeber und Auftragnehmer mit sich. Der Auftragnehmer hat von dem kostenintensiven Nachweis einzelner Eignungskriterien abzuweichen anhand der vielen Dokumente, aber Auftraggeber können bei präqualifizierten Bietern auf die von der Präqualifikationsstelle geprüften Eignungsnachweise vertrauen und sich gegebenenfalls zusätzlich einen Einblick in die Beurteilung der

Eignung verschaffen. Zugleich sind sie hiermit in der Lage, bei der Vergabe des Einzelauftrags endlich eine echte Wirkung der Angebote von den Bietern vorzunehmen, die als geeignet in die engere Wahl kommen. Schon im Vorfeld könnte also viel stärker als bisher die Spreu vom Weizen getrennt werden und die Auftraggeber endlich wieder einmal die Zeit haben, ihrer Verpflichtung zum Durchlaufen aller Wertungsstufen der VOB nachzukommen. Dieser Effizienzgewinn auf Seiten der Auftraggeber bedeutet, dass endlich für die Vergabe besonders relevante Fragen wie die Auskömmlichkeit des angebotenen Preises oder auch die Fachkunde eines Unternehmens für den konkreten Auftrag in den Vordergrund rücken.

Dieses System kann also insoweit einen wirksamen Beitrag zur Bekämpfung des ruinösen Wettbewerbs am Baumarkt darstellen, meine Damen und Herren. Das ist meines Erachtens der Weg, denn die Schwierigkeiten, die wir bei der Vergabe betrachten, entstehen in der Ausführung der bestehenden Richtlinie, in der Ausführung der Vergabeordnung und mit dieser Präqualifikation ist meines Erachtens ein Instrument gefunden worden, welches geeignete Unternehmen besonders bevorzugt. Ich habe seit langem immer wieder offen gesagt - und auch das ist in dem Beitrag sehr deutlich geworden, den Sie angesprochen haben -, eine Belegschaft, die ordentlich entlohnt wird, ist Garant dafür, dass Qualität geleistet wird. Unternehmen, die ihren Belegschaften kein Geld oder nur Hungerlöhne geben, können überhaupt nicht sicher sein. Mancher Auftraggeber ist ja erst aufgewacht, wenn die Arbeit abgeliefert worden ist und er sieht, mit welchen Mängeln er es zu tun hat, und er hat es bitter bereut, dass er in Frage der Bequemlichkeit nur auf die unterste Zeile des Angebots geschaut hat, den Preis, weil das relativ einfach war zu begründen. Also von Ihrem, dem Minister Ihrer Partei, von Tiefensee angeschoben und, ich denke, jetzt auch an die Umsetzung. Vielleicht sollten Sie Herrn Tiefensee hier nicht so sehr zum Wahlkampf rumlaufen lassen oder in Thüringen Sanktionen anordnen, sondern Sie laden ihn mal in die Fraktion ein, dass er Ihnen das Verfahren erklären kann, damit Sie wissen, wie sich inzwischen die Zeit doch weiterentwickelt hat an dieser Stelle.

(Beifall bei der CDU)

Nun hat die Linkspartei.PDS bei ihrem Gesetzestext noch eine zusätzliche Sache hineingebaut, weil Sie sagen, okay, der Standortvorteil Thüringen mit den Niedriglöhnen - das haben Sie, Herr Pilger, im Übrigen auch gesagt - ist nicht in Ordnung und außerdem müsste man mit Mindestlöhnen hier versuchen, Abhilfe zu schaffen. Ich bin froh, dass ich mir noch mal in der Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung angesehen habe, wie die verglei

chende Analyse zu den Länderarbeitsmärkten derzeit dargestellt wird. Die regionale Beschäftigungsentwicklung in diesen Länderarbeitsmärkten wird entsprechend dieser Studie zurückgeführt auf die allgemeinen Einflussfaktoren wie Strukturen von Branchen, Betriebsgrößen, Qualifikation der Beschäftigten sowie auch das regionale Lohnniveau. Die Studie sagt sehr deutlich, dass die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung innerhalb der neuen Bundesländer im Durchschnitt um 2,5 Prozent zurückgegangen ist. Da macht Thüringen eine Ausnahme. Sie ist nur um 1,9 Prozent zurückgegangen, während sie in Sachsen-Anhalt um 3,9 Prozent zurückgegangen ist. Nun hören Sie, was das Institut - das ist nicht meine Aussage, sondern des Instituts, auf das Sie sich auch oftmals beziehen - für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung deutlich gesagt hat: In Thüringen gehen die stärksten Impulse vom Lohneffekt aus. Also das, was Sie immer behaupten, dieser Niedriglohn schadet uns im Wesentlichen, das lässt sich in dieser Konsequenz nicht klar sagen. Zumindest das, was wir deutlich sagen, der niedrige Lohn in Thüringen hat auch Einfluss auf den Beschäftigtenstatus, auf den Beschäftigtenimpuls, ist deutlich durch diese Studie des IAB gesagt worden.

Ich will jetzt noch etwas zu dem Mindestlohn sagen, weil, so kann ich das nicht stehen lassen, als ob die CDU dagegen wäre, sondern wir haben auch mit dem Kombilohn nichts Neues gemacht.

(Unruhe bei der Linkspartei.PDS)

Wissen Sie, wir haben den Mindestlohn am Bau; wir haben im Grunde genommen quasi den Mindestlohn mit dem ALG II plus die Dinge, die sie vielleicht noch mit Schwarzarbeit dazuverdienen können. Wir haben in der Anhörung gehört, dass Sie das Existenzminimum für diejenigen fixieren wollen, die keine Arbeit haben und die Arbeit haben, da war Herr Schäfer ziemlich ins Rudern gekommen, als wir ihn danach befragt haben, meine Damen und Herren. Also, das ist erst einmal nicht der Fall. Aber gerade die Kolleginnen und Kollegen von der Linkspartei.PDS, sie haben ja in weiteren Anträgen den Strauß Ihrer Wünsche ausgeweitet. Sie wollen einen Mindestlohn von 1.500 €, Sie wollen 430 € für alle, Sie wollen 1.000 € Freistellungsgrenze, also im Grunde genommen wollen Sie nur Geldgeschenke verteilen und den Leuten auch nicht sagen, wie es erarbeitet wird.

(Beifall bei der CDU)

Wissen Sie,

(Zwischenruf Abg. Thierbach, Die Links- partei.PDS: Falsch.)

natürlich, und wenn Sie nicht mehr weiterkommen und wir sagen: „Wo soll denn das Geld herkommen?“, da sagen Sie: „Fasst den Reichen in die Tasche.“ Das ist eine tolle Logik, die hier aus den Reihen kommt.

Aber noch einmal zu dem Mindestlohn: Ich meine, das ist sehr deutlich, Lohnfindung ist ein sehr sensibler Prozess. Das ist einmal die Frage, was ist betriebswirtschaftlich günstig? Und das Zweite ist die Frage von auskömmlichen Löhnen. Nach dem Gesetz der Knappheit werden Löhne manchmal auch so sein, dass Menschen nicht genug verdienen, um davon auskömmlich zu leben. Es ist hier von Tarifverträgen im Reinigungsgewerbe, bei den Friseuren oder im Dienstleistungsbereich selbst die Rede. Da muss man sich schon wundern, wie das zustande kommt. Und wir erfahren, dass in diesen Fragen dann der Sozialstaat hilft, und zwar auf dem Weg des Lohnersatzes, also durch Sozialhilfe, durch Arbeitslosengeld oder Frührente, garantiert er...

Herr Kretschmer, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, selbstverständlich, Frau Leukefeld.

Herr Kretschmer, ich wollte Sie gern fragen: Wie stehen Sie denn zu der These „Arbeit muss sich lohnen“?

Da bin ich jetzt gerade dabei, ja.

Vielleicht könnten Sie mir das doch noch einmal erklären unter dem Gesichtspunkt, dass immer weniger Lohn gezahlt wird - Sie sagen, davon kann man manchmal nicht leben, dann kann ich mir nicht vorstellen, dass Sie diese These „Arbeit muss sich lohnen“ bejahen.

Doch, Sie ahnten offensichtlich, an welcher Stelle ich gerade in meiner Vorbereitung für die Ausführungen bin. Ich komme gerade dazu.

Arbeit muss sich lohnen. Wir haben also Löhne, die von der tariflichen Vereinbarung her nicht auskömmlich sind. Ich sage gerade, in der Regel wird dann der Sozialstaat helfen, indem ein soziokulturelles Existenzminimum existiert, ich sage einmal, dieser quasi

Mindestlohn. Wenn einem der Markt kein ausreichendes Einkommen für die eigene Arbeit bieten kann, dann kann man ein solches Einkommen auch ohne Arbeit vom Staat bekommen. Das mag von der Politik gut gemeint sein, doch das ist im hohen Maße für die Massenarbeitslosigkeit verantwortlich. Der Grund ist simpel dafür: Die Lohnersatzzahlungen sind Löhne für Nichtstun, die einen Mindestlohnanspruch gegen die Marktwirtschaft aufbauen und den die privaten Arbeitgeber immer seltener befriedigen können. Die Arbeitgeber sind keine Altruisten, sie stellen Arbeiter nur ein, wenn der Überschuss der von ihnen erwirtschafteten Erträge über seine Lohnkosten nicht kleiner ist als der entsprechende Überschuss, den ein ausländischer Arbeiter oder ein Roboter erzeugen könnte. Jetzt komme ich wieder auf Ihre Frage: Die Leute sind nicht dumm, sie arbeiten nur, wenn sie dabei mehr als nur den Lohnersatz verdienen. Daher sind Arbeiter, die nicht produktiv genug sind, um einen Lohn über die Lohnersatzzahlungen zu rechtfertigen, von Arbeitslosigkeit bedroht. Für diese Arbeitslosigkeit im Niedriglohnbereich gibt es - so will ich es mal nennen - dieses doppelte Sozialstaatdilemma, das ist

1. dieses Anreizsystem. Das System der sozialen Grundsicherung erzeugt selbst einen großen Teil der Härtefälle, für die es geschaffen wurde. Die soziale Grundsicherung liegt über dem Einkommen, das eine wachsende Zahl von gering Qualifizierten mit eigener Arbeit erwirtschaften kann. Die soziale Grundsicherung erhält nur, wer nicht arbeitet, d.h., wir subventionieren Untätigkeit, und zwar dauerhaft.

2. Das Sozialversicherungssystem stellt zu hohe Ansprüche an die Produktivität durch falsche Abgrenzung der Solidargemeinschaft. Nicht jeder, der arbeiten will und kann, kann ein Nettoeinkommen über dem Grundsicherungsniveau und zusätzlich noch 42 Prozent Sozialabgaben erwirtschaften. Die Arbeitskosten sind hoch.

Frau Leukefeld, so hat Herr Richter wirklich Recht. Wenn Sie das Problem angehen wollen, müssen Sie hier angreifen, weil ich nicht jeden, der arbeiten will, an eine hoch qualifizierte Maschine stellen kann oder in ein Entwicklungsbüro mit Ingenieurniveau hinstellen kann. Dieses Problem ist bekannt und wir merken das mit einer zunehmend heftiger werdenden Niedriglohnkonkurrenz. Wenn unser Arbeitsmarkt flexibel wäre, würde er dem zunehmenden Druck nachgeben können, die Beschäftigung der gering Qualifizierten bei fallenden Löhnen zu erhalten. Aber angesichts der Tatsache, dass die Löhne aufgrund der Lohnkonkurrenz des Sozialstaats starr sind, ist eben ein Anstieg der Massenarbeitslosigkeit die Folge, die wir beobachten. Die Politiker, manche Politiker reagieren auf diesen Niedriglohndruck, indem sie das Lohnsystem noch starrer machen oder

beispielsweise einen gesetzlichen Mindestlohn einführen wollen.

Bloß, meine Damen und Herren, diese Maßnahmen verschlimmern die Situation noch. Denn die Spezialisierung, das beobachten wir, auf kapitalintensive und arbeitsparende Sektoren wird verstärkt und noch mehr Kapital fließt aus unserem Land und noch mehr Menschen aus dem Ausland im Niedriglohnsektor drängen auf den Arbeitsmarkt unseres Landes. Das heißt, wenn er arbeiten soll, zu welchem Lohn auch immer, auf eine Stelle, die es für ihn gibt und der Staat zahlt zu diesem Lohn im Bedarfsfall ein zweites staatliches Einkommen hinzu, dann ist das eine wesentlich bessere Lösung als Lohn oder Geld für nichts hinzuzugeben. Da bin ich bei unserem Kombilohnmodell angelangt. Das ist nicht neu, sondern das ist oftmals von uns benannt worden. Es ist auch in Modellen probiert worden. Aber es hat bisher nie dazu geführt, dass man es angehen wollte. Deshalb bin ich froh, dass man sagt, ja, wir fangen jetzt an, über die Frage Kombilohn und möglicherweise auch Mindestlohn in dieser Definition zu reden. Das heißt, wenn es Lohngruppen gibt, die für 3,50 €, 4,00 € zur Arbeit gehen, dann ist es doch ein gutes Modell, 2,00 € draufzulegen und damit eine auskömmliche Lohngestaltung zu erreichen, ist allemal besser als das, was in Hartz IV und ALG II, wo auch viel Geld in die Hand genommen worden ist, also Geld für die Frage Arbeit zu geben als Geld für das zu Hause bleiben ausgegeben. Im Übrigen kommt das den Leuten hier - zumindest, die ich kenne - entgegen. Denn in diesem Bericht - jetzt ist Herr Pilger weg - war zum Beispiel die Friseuse, die deutlich sagte, sie will arbeiten. Ich denke, wenn man mit diesem Modell auch einen auskömmlichen Lohn erzielen kann, dann soll man es angehen und ich bin froh, dass es die Überlegung gibt. Die SPD warnt vor Schnellschüssen, was die Frage Mindestlohn ist. Herr Müntefering und der Vorsitzende der IG BCE, also Herr Schmoldt, sagt auch, Mindestlohn gesetzlich nicht. Aber, ich denke, das Modell Kombilohn bzw. Lohnzusatzleistung durch den Staat, um damit auskömmliche Preise zu bringen, ist der richtige Weg, obwohl Sie das so abtun.

Zum Schluss will ich nicht verhehlen, dass in meiner Fraktion auch ein Rechtsbewusstsein ist, welches sich in der Ablehnung des Gesetzes artikuliert. Das Tariftreuegesetz ist nach unserer Auffassung weder mit dem deutschen Verfassungsrecht noch mit EURecht vereinbar. Denn das Ziel, Bauaufträge und Dienstleistungen nur noch an solche Unternehmen zu vergeben, die sich bei Angebotsabgabe verpflichten, nach Tarif zu entlohnen, ist ein Verstoß, weil wir feststellen, dass ich mit diesem Gesetz einen großen Teil von Unternehmen, die - aus welchen Gründen auch immer - tarifvertraglichen Regelungen bisher nicht unterworfen sind, im Rahmen der öffentli

chen Auftragsvergabe zum Quasimitglied einer Tarifvertragspartei bestimme. Durch solch einen Zwang würde der Artikel 9 Abs. 3 des Grundgesetzes das den betreffenden Unternehmen gewährte Grundrecht der negativen Koalitionsfreiheit verletzen. Diese Auffassung, meine Damen und Herren, ist nicht nur meine Auffassung, sondern das ist die Auffassung des Bundesgerichtshofs, den er im Januar 2000 schon in Bezug auf das Tariftreuegesetz des Landes Berlin vertreten hat. Dieses wird derzeit vom Bundesverfassungsgerichtshof überprüft. Neben dem Verstoß gegen das Recht des einzelnen Unternehmens, einer Koalition fernzubleiben, stellt der Inhalt Ihrer Gesetzesvorhaben auch eine Verletzung der vom Grundgesetz gewährleisteten Wettbewerbsfreiheit und Wettbewerbsgleichheit dar. Also, da Sie das Thema Antidiskriminierung immer einmal hochziehen, das wäre ein glatter Fall von Diskriminierung, indem Sie sie von dem Wettbewerb ausschließen. Deshalb dürften die geplanten Regelungen auch mit dem europäischen Recht, mit der Dienstleistungsfreiheit und den Vorgaben der EU-Vergaberichtlinien nicht vereinbar sein.

Schließlich, meine Damen und Herren, gebietet es der Respekt des Gesetzgebers vor dem Bundesverfassungsgericht, dessen Urteil über das Berliner Tariftreuegesetz abzuwarten und über eine landesgesetzliche Regelung erst im Lichte der Entscheidung aus Karlruhe zu entscheiden. Das ist zumindest die Meinung meiner Fraktion, dass wir an dieser Stelle diese rechtlichen Dinge berücksichtigen.

Zu dem Entschließungsantrag hatte ich, wie gesagt, schon am Anfang gesagt, die CDU steht dafür, gegen ruinösen Wettbewerb aufzutreten, gegen Lohndumping und für auskömmliche Preise. In der Kontinuität des Entschließungsantrags aus dem Jahr 2000 ermuntern wir die Landesregierung, dort auch weiter, beispielsweise mit der Vergaberichtlinie, zu arbeiten und in der Diskussion, die im Bund jetzt ansteht, was die Frage Kombilohn/Mindestlohn angeht, genauso unter der Maßgabe weiterzuarbeiten. Deshalb noch einmal aus den formalen und inhaltlichen Bedenken, die ich Ihnen vorgetragen habe, aber auch aus den rechtlichen Dingen, sind die beiden Gesetze abzulehnen. Es sind Antworten von vorgestern; wir haben bessere Antworten. Ich habe sie Ihnen aus dem Bundesbauministerium vorgetragen, die uns dabei weiterhelfen. Zum Zweiten, wenn Sie das können, bitte ich Sie, unserer Beschlussempfehlung zuzustimmen. Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Bitte, Frau Abgeordnete Leukefeld.

Also, Herr Kretschmer, jetzt musste ich doch noch einmal vorkommen. Sie haben nun mehrere Windungen sozusagen vollzogen. Ich hatte zwischendurch den Eindruck, Sie werfen alles in einen großen Topf und rühren einmal herum und bringen alles auch ein bisschen durcheinander. Ich glaube, der Hauptpunkt liegt darin, dass sich die Thüringer CDU - Ihre Fraktion - immer den Forderungen nach Mindestlohn verweigert hat, das brauchen wir nicht. Jetzt kommen Sie eigentlich in Kollision mit der öffentlichen Debatte und mit Ihrer eigenen Führung, die das durchaus für sinnvoll und für notwendig erachtet, und eigentlich streiten wir uns gerade bloß noch um die Höhe. Ich denke, Sie werden nicht umhinkommen - der Weg ist schon da, wir müssen den jetzt noch gemeinsam gehen.

Ich will noch einmal sagen, ich glaube, eine gemeinsame Plattform gibt es, die heißt: Von Arbeit muss man leben können und Arbeit muss sich lohnen! Das sagen Sie ja immer.