Protokoll der Sitzung vom 04.05.2006

Gesundheitsziele für Thüringen Antrag der Fraktion der Linkspar- tei.PDS - Drucksache 4/1799 -

Wünscht die Fraktion der Linkspartei.PDS das Wort zur Begründung? Frau Thierbach, bitte.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, mit diesem Antrag „Gesundheitsziele für Thüringen“ greifen wir erneut Empfehlungen der Enquetekommission aus der letzten Legislatur auf. Und zwar finden Sie in dem Bericht der Enquetekommission in der Empfehlung 44 die Empfehlung der gesamten Kommission, die Landesregierung aufzufordern, Gesundheitsziele für das Land Thüringen zu formulieren. Wir sind der Meinung, diese Empfehlung 44 mussten wir aufgreifen, weil nämlich Gesundheitsförderung, Gesundheitsvorsorge jetzt und in den nächsten Jahren von immer größerer Bedeutung werden. Wie wichtig Gesundheitsziele sind - und da, hoffe ich, kommt keiner auf die Idee, dass das PDS-nah ist -, zeigt sich in der eindringlichen Studie der FelixBurda-Stiftung.

(Zwischenruf Abg. Wehner, CDU: Ge- sundheitsförderung ist bestimmt nicht PDS-nah. Deshalb war in der DDR die Lebenserwartung so gering.)

Ich habe Sie nicht verstanden, wiederholen Sie es bitte.

(Zwischenruf Abg. Wehner, CDU: Ge- sundheitsförderung ist bestimmt nicht PDS-nah. Deshalb war in der DDR die Lebenserwartung so gering.)

Ich könnte nur darüber lachen, weil ich glaube, das ist wieder wie das Rauschen im Wald, wenn irgendwo ein Wind säuselt.

Frau Thierbach, begründen Sie bitte Ihren Antrag.

Ich begründe meinen Antrag. Sie mögen bitte erst hinhören und dann wieder urteilen.

Auf der Grundlage der Burda-Stiftung hat kein geringerer als Bundesminister Seehofer letztendlich ein Plädoyer für die Prävention in Deutschland immer wieder gefordert und sich auch dafür eingesetzt. Klar, er ist Ernährungs-, Landwirtschafts- und Verbraucherschutzminister, das sind alles wichtige Bereiche, um eine wirksame Ansatzprävention tatsächlich zu erreichen. Prävention bietet die Voraussetzung für den Einzelnen als auch für die Gesellschaft, weil Prävention Arbeitsunfähigkeit, Frühverrentung, Pflegebedürftigkeit verhindern oder hinauszögern kann und weil Prävention langfristig eine Entlastung des Sozialsystems herbeiführen kann. Voraussetzung ist aber, dass tatsächlich eine Präventionsgesundheitspolitik gemacht wird und dass wirklich diese Gesundheitsziele auch definiert werden, und dies in einem, nicht wie in der letzten Legislatur existierenden Gesetz, sondern in einem Gesetz „Gesundheits- und Präventionskonzept“, in einem letztendlich übergreifenden Ressort, das dann von den Beteiligten akzeptiert werden kann. Prävention muss als gesamtgesellschaftliche Aufgabe begriffen werden und sie sollte Bestandteil von Bildungspolitik sein. Nicht DDR, aber Grönemeyer - Dietrich Grönemeyer und andere namhafte Mediziner fordern, dass das Fach „Gesundheitserziehung“ an den Schulen einzuführen wäre - ich sage wieder, das gab es sogar mal -, und letztendlich eine rasche Einführung auch eines Präventionsprogramms zur Eindämmung von Übergewicht und Diabetes bei Kindern und Jugendlichen. Ein wichtiger Grund für ein Präventionsgesetz ist darin zu sehen, dass wir uns weder gesundheitspolitisch noch volkswirtschaftlich einen ungebremsten Anstieg von kostenintensiven chronischen Krankheiten leisten können, leisten können nicht nur im Sinne der Betriebswirtschaftlichkeit, sondern auch im Sinne von Lebensqualität. Wir sehen den Handlungsbedarf bei Schuleingangsuntersuchungen. Wir sehen dort ein großes Evaluationspotenzial. Wir wollen wissen, mit welchen Untersuchungsergebnissen da letztendlich gearbeitet wird. Welche zeitnahen Auswirkungen gibt es und welche Vergleichbarkeit? Welche Maßnahmen werden tatsächlich für die Prävention aus Schuleingangsuntersuchungen abgeleitet? Leider gibt es für die Schuleingangsuntersuchungen weder überregional einheitliche Qualitätsstandards noch flächendeckendes Angebot. Eine Ursache dafür sehen wir in einem Personalabbau im öffentlichen Gesundheitsdienst. Ich frage ganz einfach: Wer kennt nicht die Probleme der Amtsärzte bei der Besetzung der Ge

sundheitsämter? All diese Fragen möchten wir beantwortet bekommen. Wir möchten auch den Bericht dazu hören, wie das Land die Prävention tatsächlich regeln will. Wir wollen nicht nur eine Reaktion auf bestimmte Erscheinungen, die in der Gesundheitspolitik dann zu vertreten sind, sondern wir wollen eine Prävention der Krankheitsentwicklung. Danke.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Die Landesregierung erstattet Sofortbericht. Für die Landesregierung erteile ich das Wort Herrn Minister Dr. Zeh.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, im Namen der Landesregierung gebe ich zum Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS folgenden Sofortbericht:

Die gesundheitliche Situation der Thüringer Bevölkerung - das will ich gleich zu Anfang betonen - war wohl noch nie in der Geschichte so gut wie heute. Um das zu erkennen, muss man gar nicht in Jahrhunderten denken, sondern nur einige Jahrzehnte oder auch nur die letzten 15 Jahre zurückblicken. Als Beispiel will ich nur Folgendes angeben: Die Lebenserwartung war noch vor wenigen Jahrzehnten deutlich niedriger. Im Jahre 1990 lag die mittlere Lebenserwartung bei Männern bei 70 Jahren, heute im Jahre 2005, also im letzten Jahr statistisch gesehen, liegt die Lebenserwartung bei 74,8 Jahren; sie ist also in den letzten 15 Jahren um fast 5 Jahre gestiegen. Bei Frauen lag sie 1990 bei 76,8 Jahren und liegt heute bei 81,0 Jahren.

Meldepflichtige Erkrankungen, wie sie es vor Jahrzehnten noch gab, beispielsweise Tuberkulose, sind dagegen früher häufiger vorgekommen; diese sind heutzutage so gut wie nicht mehr vorhanden, wenn ich mal davon absehe, dass aus dem Osten zurzeit eine Tuberkuloseerkrankung registriert wird, die mit heutigen Maßnahmen nicht mehr so ohne Weiteres bekämpft werden kann. Die Nahrungsversorgung war noch lange Jahre nach dem Krieg unzureichend. Wenn wir heute also über Gesundheitsziele für Thüringen sprechen, dann tun wir das auf einem sehr hohen Niveau, denn die elementaren Ziele sind weitgehend verwirklicht worden. Heute geht es neben den speziellen Berufskrankheiten vor allem um die so genannten Zivilisationskrankheiten. Sie beruhen meistens auf Bewegungsarmut, Ernährungsfehlern, dem Konsum schädlicher Substanzen, wie Nikotin, und nicht zuletzt auf psychischen Belastun

gen. Es handelt sich, das macht diese Aufzählung deutlich, nicht immer, aber häufig um gesundheitliche Probleme, die durchaus vermeidbar wären, um Gesundheitsstörungen, die die Menschen nicht schicksalhaft erleiden, sondern die sie sich oftmals durch ungesunde Lebensweise selbst zufügen. Das ist umso bedauerlicher, als die Folgen schwerwiegend sind. So sind gerade Herz-Kreislauf-Erkrankungen die Todesursache Nummer 1 - eine typische Zivilisationskrankheit. Angesichts dieser Situation muss die Thüringer Gesundheitspolitik mehrgleisig angelegt sein. Zum einen bedarf es einer möglichst guten Prävention. Die Landesregierung hat hier bereits viel getan.

Der Antrag erwähnt zu Recht die Thüringer Gesundheitswoche. Sie existiert seit 1993 und ist, wenn Sie so wollen, ein Musterbeispiel für flächendeckende Präventionsarbeit. Das Spektrum der jeweiligen Themen ist bereits ein Abbild der wichtigsten Grundgesundheitsziele, die wir in Thüringen verfolgen. Die Spannweite reicht von „Gesund in der Familie“, 1993 war das das Motto, über „Alte und neue Infektionskrankheiten“ im Jahre 1997, bis hin zu „Seelischer Gesundheit im Alltag“ im Jahre 2001.

Zur Prävention muss eine optimale medizinische Versorgung treten. Wir wollen, dass in Thüringen eine erstklassige Behandlung der Menschen durch Gesundheitseinrichtungen gewährleistet bleibt. Die Sicherstellung der Versorgung im Krankheitsfall, der Ausbau des Gesundheitsschutzes und die Anpassung des gesamten Gesundheitswesens an den wissenschaftlichen Fortschritt - das sind und bleiben die wichtigsten gesundheitspolitischen Ziele der Landesregierung. Wir wollen, dass jeder Bürger unseres Landes in vertretbarer Entfernung optimale Leistungen des Gesundheitswesens erhält, die er zur Wiederherstellung seiner Gesundheit benötigt. Diese wesentlichen Ziele verfolgt die Landesregierung bereits seit 1991. Und seither hat sich das Thüringer Gesundheitswesen rasant entwickelt. Die Sanierung und der Neubau von Krankenhäusern, wofür im Übrigen ca. 2,6 Mrd. € investiert wurden, die medizinisch technische Ausstattung von Arztpraxen, die Versorgung mit Arzneimitteln, die medizinische Forschung und Ausbildung - das alles sind Pluspunkte unseres Thüringer Gesundheitswesens.

Unser Gesundheitswesen basiert auf vielen verantwortlichen Institutionen, Organisationen und Einzelpersonen. Deshalb hat die Landesregierung stets den regelmäßigen Dialog mit den Ärzten, den Vertretern der Medizinischen Fachberufe des öffentlichen Gesundheitsdienstes sowie der Krankenkassen, der Krankenhäuser und der Apotheken gesucht. Die Landesregierung wird das auch weiterhin tun, denn Gesundheitsziele können und sollen nicht von oben verordnet werden. Sie müssen in enger Abstimmung mit Experten und Verantwortlichen vor Ort entwickelt

und immer wieder neuen Herausforderungen angepasst werden. Als Beispiel dafür ist die Durchführung einer ersten Kindergesundheitskonferenz im Dezember 2004 zu nennen. Hier ging es beispielsweise um die Kinder- und Jugendgesundheit. Diese Konferenz diente zunächst dem fächerübergreifenden Informations- und Erfahrungsaustausch zur weiteren Verbesserung der Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Gleichzeitig wurden jedoch auch Schwerpunkte für die zukünftige Arbeit formuliert. Das sind im Einzelnen die weitere Senkung der Frühgeburtlichkeit, die Sicherstellung einer lückenlosen Früherkennung von angeborenen Stoffwechsel- und Hormonstörungen bei allen Neugeborenen durch den Aufbau eines entsprechenden Vorsorgezentrums, der Aufbau eines flächendeckenden einheitlichen Neugeborenenhörscreenings, die weitere Senkung der Fälle des plötzlichen Säuglingstods, die weitere Verbesserung des Impfschutzes für alle Thüringer Kinder und Jugendlichen, das frühzeitige Erkennen von gesundheitlichen Störungen im Kindes- und Jugendalter durch regelmäßige ärztliche und zahnärztliche Vorsorgeuntersuchungen durch den öffentlichen Gesundheitsdienst und die weitere Senkung von Vergiftungsunfällen im Kindesalter. Auch wenn die genannten Schwerpunkte sich überwiegend auf Kinder und Jugendliche beziehen, greifen diese Ziele weit darüber hinaus. Die Grundlage für die Gesundheit der Erwachsenen wird bereits im Kindesalter und in der Jugend gelegt. Als Beispiele nenne ich die Problembereiche Übergewicht und Tabak- bzw. Alkoholmissbrauch. Hier ist das Land seit Jahren durch eine Vielzahl von Aktionen tätig. Als Beispiel nenne ich die bereits 1992 gestartete Aktion „Gesundes Schulfrühstück“, den Schülerwettbewerb „Be smart - don’t start“ gegen das Rauchen und die 2004 angelaufene Kampagne „Gesund leben - Jemand dagegen?“. Kinder, die frühzeitig lernen, eigenverantwortlich mit ihrer Gesundheit umzugehen, werden dies auch als Erwachsene tun.

Jetzt einige Anmerkungen zur Gesundheitsförderung und Prävention, wie ich es bereits eingangs erwähnt hatte. Dieser Bereich ist besonders wichtig, zumal Präventionsziele immer auch Gesundheitsziele sind. Gesundheitspolitik besteht eben nicht nur aus der Diagnose und der Therapie von Krankheiten. Alle Verantwortlichen müssen daran interessiert sein, dass Krankheiten von vornherein möglichst verhindert werden, soweit es eben insgesamt auch möglich ist. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an das Gesetz zur Stärkung der gesundheitlichen Prävention. Dieses Gesetz ist aufgrund des Regierungswechsels der Diskontinuität anheim gefallen. Im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD vom 11. November 2005 wird neuerlich ein Präventionsgesetz zur Verbesserung der Kooperation und Koordination sowie der Qualität präventiver Maßnahmen in Aussicht gestellt. Dazu sollen, wie es im Koalitionsver

trag heißt, die Aktionen an Präventionszielen ausgerichtet werden. Mit anderen Worten, es geht auch darum, einen möglichst breiten Konsens aller Leistungserbringer und Koordinierungspartner im Gesundheitswesen zu erreichen und in gemeinsamen Zielen auch zu bündeln.

Wir haben damit begonnen, einen Katalog mit den wichtigsten Aufgabenfeldern im Bereich der Prävention zu erstellen. Dieser Katalog enthält spezifische Aufgaben für alle Lebensphasen, und zwar gegliedert nach verschiedenen Altersgruppen. Insoweit haben wir uns auf ein mögliches Präventionsgesetz bereits entsprechend vorbereitet. Dazu gehört im Kindesalter beispielsweise eine hohe Durchimpfungsrate, insbesondere durch die Förderung der Impfmotivation. Dazu gehören Maßnahmen zur Förderung von Bewegung und gesunder Ernährung, und zwar für alle Altersgruppen. Dazu gehören Maßnahmen zur besseren Nutzung von Vorsorgeuntersuchungen durch ältere Menschen. Der Maßnahmenkatalog ist eine gute Basis und er kann sicherlich für die Beratung und Fortentwicklung von Gesundheitszielen mit unseren Partnern dienen und, wie ich bereits sagte, für ein Präventionsgesetz eine gute Voraussetzung bieten. Vor allen Dingen ist eine wichtige Voraussetzung für die weitere Entwicklung von Gesundheitsförderung und Prävention das Erkennen von möglichen Angebotslücken. Zu diesem Zweck hat die Landesregierung die methodischen und inhaltlichen Vorbereitungen getroffen, um eine Bestandserhebung von Angeboten der Gesundheitsförderung in Thüringen durchzuführen. Der weitere Ausbau der Gesundheitsförderung in Thüringen ist nicht nur eine materielle oder finanzielle Frage, sondern insbesondere eine Strukturfrage. Es gilt, unser Gesundheitswesen in Thüringen so effizient und wirtschaftlich wie möglich zu organisieren. Einen zentralen Platz innerhalb dieser Strukturen wird der öffentliche Gesundheitsdienst einnehmen. Im Jahr 2004 hat die Landesregierung Fachempfehlungen zur Umsetzung von Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention im öffentlichen Gesundheitsdienst des Freistaats Thüringen erarbeitet. Dies hier einzeln alles aufzuzählen, würde den Rahmen sprengen; die Fachempfehlungen können auch nachgelesen werden. Auf diese Weise haben wir die Gesundheitsförderung auf die Tagesordnung der Diskussion mit den Gesundheitsämtern gesetzt. Damit bereiten wir u.a. den ideellen Boden für ein modernes Verständnis von Gesundheitsförderung, und zwar ämterübergreifend. Auch hier gilt: Die Gesundheitsförderung ist ein Querschnittsthema.

Abschließend möchte ich noch einmal an den Bericht der Landesregierung aus dem Jahr 2003 erinnern. Er war überschrieben mit „Situation und Entwicklung der Suchtprävention - Suchtkrankenhilfe und Drogenbekämpfung in Thüringen“. Dieser wis

senschaftliche Bericht stellt auch heute noch die Basis unserer Arbeit in diesem Bereich dar. Auch dort können Sie allgemeine und spezielle Gesundheitszielvorstellungen nachlesen. Ich will nur einige Beispiele hier aufführen. Das sind die Verbesserung und Differenzierung der Eingliederungshilfe für die Betroffenen, die bessere Vernetzung suchtpräventiver und gesundheitsfördernder Angebote auf kommunaler Ebene.

Zum Ausblick möchte ich noch Folgendes sagen: Die Entwicklung unseres Gesundheitswesens ist sehr dynamisch. Denken Sie an die medizinischen Fortschritte der letzten Jahre, denken Sie an gesundheitspolitische Diskussionen in Deutschland und Europa gegenwärtig. So wurde Anfang April dieses Jahres auf Bundesebene als neues zusätzliches Ziel vereinbart, depressiven Erkrankungen stärker entgegenzuwirken. Ich begrüße diesen gemeinsamen Willen der Beteiligten, an Verbesserungen zu arbeiten und die vorhandenen Kräfte in diesem Bereich zu bündeln. Auch bei uns in Thüringen sind zahlreiche Bürger von der Diagnose „Depression“ betroffen. Alle Akteure unseres Gesundheitswesens müssen dabei eng zusammenarbeiten, wenn es um die Entwicklung und Umsetzung von Gesundheitszielen geht. Vor diesem Hintergrund wird die Landesregierung Ende dieses Jahres - also im November/Dezember 2006 - eine landesweite Gesundheitskonferenz einberufen. Eingeladen werden sollen alle Beteiligten im Gesundheitswesen. Im Rahmen dieses Treffens sollen die allgemeinen Gesundheitsziele erörtert und mögliche neue Prioritäten gesetzt werden. Bereits jetzt lade ich auch die Fraktionen des Thüringer Landtags sehr herzlich dazu ein, sich an dieser Diskussion aktiv zu beteiligen. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Mir liegen Redemeldungen von allen drei Fraktionen vor, also gehe ich davon aus, dass alle drei Fraktionen die Aussprache zum Sofortbericht wünschen. Ich erteile das Wort der Abgeordneten Taubert, SPDFraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, Herr Zeh hat ja berichtet und ich werte es als eine zögerliche Umsetzung der Empfehlungen der...

(Glocke der Präsidentin)

Abgeordnete Taubert, ich bitte Sie, einen Moment Ihre Rede zu unterbrechen. Ich bitte den Abgeordneten Bärwolff sich etwas überzuziehen oder das T-Shirt auszuziehen. Ich erteile Ihnen hiermit eine Rüge.

Ich hoffe, das ist nicht gegen mich gerichtet gewesen.

(Zwischenruf Abg. Bärwolff, Die Links- partei.PDS: Nein. Ich hätte gern einen Ordnungsruf.)

(Unruhe bei der CDU)

Bitte, Frau Abgeordnete Taubert, fahren Sie fort.

Danke schön, Frau Präsidentin. Ich denke, das, was vorgetragen wurde als Sofortbericht, zeigt, dass die Empfehlung der Enquetekommission sehr zögerlich zum Ausdruck gekommen ist, denn die Empfehlung 44 heißt: „Die Landesregierung wird aufgefordert, Gesundheitsziele zu formulieren...“, dann geht es im Text weiter. Obwohl bereits seit Ende 2000 unter dem Dach der Gesellschaft für Versicherungswirtschaft und Versicherungsgestaltung, der GVG, gemeinsam mit Verantwortlichen aus Politik, des Bundes, der Länder und Kommunen, aus den Selbstverwaltungsorganisationen der Kostenträger, der privaten Krankenversicherungen, der Patientenorganisationen nationale Gesundheitsziele entwickelt werden, ist hier in Thüringen offenbar wenig oder nichts geschehen, und dies, obwohl in der Enquetekommission zur Wahrung des menschlichen Lebens in Grenzsituationen dieser entsprechende Auftrag gegeben wurde. Da stellt sich für uns zunächst die Frage, ob und inwieweit das Land Thüringen in das von mir genannte bundesweite Forum „Gesundheitsziele Deutschland“ eingebunden ist. Zumindest im Ausschuss und im Steuerungskreis konnte ich keinen Vertreter Thüringens erkennen, aber vielleicht bestehen ja enge Kontakte zu den anderen Ländervertretern. Es wäre schon interessant zu erfahren, welche Anregungen Thüringen gegeben hat und welche Anregungen des Forums die Landesregierung umsetzen möchte. Wenn es dort zum Beispiel um Maßnahmen zur Bekämpfung von Diabetes, von Brustkrebs, der Reduzierung des Tabakkonsums, des gesünderen Aufwachsens, der Stärkung der Patientensouveränität und der Erhöhung gesundheitlicher Kompetenz geht, dann muss die Frage erlaubt sein,

inwieweit die offenbar seit Jahren auf Bundesebene geführten Diskussionen zu Konsequenzen auch in Thüringen führen. Denn wenn wir gemeinsam von einem langfristig messbaren Erfolg bei der Entwicklung eines landesweit verbreiteten Gesundheitsbewusstseins reden und dies erreichen wollen, dann muss durch viele Akteure eine Art landesweite Bewegung auch entfacht werden.

Lassen Sie mich anhand eines Beispiels den Stellenwert der Gesundheitsziele nennen: Jahr für Jahr hören wir erneut von den Ergebnissen der Eingangsuntersuchungen der Kinder zum Zeitpunkt der Einschulung, über die Zunahme von Gesundheitsstörungen und Entwicklungsverzögerungen. Immer wieder wird zum Beispiel über falsches Ernährungsverhalten, Übergewicht und Störungen der Motorik berichtet. Und immer wieder verschwinden diese Berichte nach den Eingangsuntersuchungen offenbar in den Schubläden der Ministerien. Dabei braucht es einen starken politischen Willen, um dieses landesweite Bewusstsein, das ich erwähnt habe, zu entwickeln.

Angesprochen fühlt sich in der Landesregierung wohl niemand so recht, zumindest sind keine nennenswerten Konsequenzen und Maßnahmen zu erkennen. Ich meine damit Maßnahmen positiver Art, denn Konsequenzen negativer Art sind sehr wohl zu erkennen. Angesichts eines offenkundig zunehmenden gesundheitlichen Problems und zunehmender Armut von Kindern wurden zum Beispiel die Zuschüsse zum Essengeld in Schulen gekürzt. Wir haben in den letzten Tagen aus der Presse erfahren, dass infolge die Essenversorgung der Schüler immer stärker eingeschränkt wird. Das wird wohl kaum zur Steigerung der Gesundheit unserer Kinder beitragen. Dringend notwendig sind also auch in Thüringen funktionierende Netzwerke zur Motivierung von Bürgerinnen und Bürgern, für die eigene Gesundheit alles nur Mögliche zu tun.

Mit der berühmten Offensive der Landesregierung gegen Familien verschlechtert sich die Personalsituation in den Kindereinrichtungen. Auch dies wird nicht dazu beitragen, gesundheitliche Störungen im frühkindlichen Alter einschließlich der dazu notwendigen Elterneinbeziehung und Elternberatung besser als bisher anzugehen. Aus dem Bereich des Schulsports sind mir ebenfalls keine Dinge bekannt, dass Landesinitiativen ergriffen wurden, um nennenswert das Problem der mangelnden Motorik erfolgreich aufzugreifen.

Ich führe diese Negativbeispiele deshalb an, weil wir beim Vorliegen von Gesundheitszielen natürlich auch Aussagen treffen müssten, wie jede Institution in ihrem Zuständigkeitsbereich für Abhilfe und Verbesserung sorgen kann. Dann würden auch die

Hausaufgaben für die Landesregierung klar. Deshalb ist es gut, dass die Linkspartei.PDS mit ihrem Antrag an eine Empfehlung der Enquetekommission erinnert, die nun ebenfalls schon einige Zeit zurückliegt. In diesem Zusammenhang lassen Sie mich bemerken: Wir haben das Empfinden, dass zunehmend Empfehlungen von Enquetekommissionen ad acta gelegt werden und keine Handlungsempfehlungen für die Landesregierung sind.

(Beifall bei der SPD)

Vielleicht wäre es angebracht, dass die Landesregierung einmal mitteilt, von welchen Empfehlungen sie sich mittlerweile klammheimlich verabschiedet hat, obwohl sie zum Zeitpunkt der Erarbeitung weitestgehend im Konsens formuliert wurden.

Die Kürzungen der Beratungsangebote im gesundheitlichen Bereich in den vergangenen zwei Jahren konterkarieren ebenso die Empfehlungen der diesem Antrag zugrunde liegenden Enquetekommission. Die massiven Kürzungen im Bereich der Kindertagesstättenförderung konterkarieren die Empfehlungen der Enquetekommission „Erziehung und Bildung“. Deshalb noch einmal: Es ist gut, dass mit diesem Antrag die Landesregierung zur Klarstellung ihrer Arbeitshaltung - ich will mal sagen - motiviert wird. Offensichtlich brauchen Sie ja das Rad nicht neu zu erfinden, sondern können sich in die auf Bundesebene seit längerem stattfindenden Diskussionen einklinken und die Vorhaben auf Thüringen angepasst übertragen. Ich empfehle ganz einfach mal zu schauen, sowohl Niedersachsen als auch NRW, als auch Sachsen haben Gesundheitsziele formuliert, ganz klar, und ich denke, da kann man durchaus noch lernen. Ich danke.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat die Abgeordnete Dr. Fuchs, Die Linkspartei.PDS:

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Herr Minister Zeh, Sie fingen mit dem Satz an: „Die Gesundheitssituation der Thüringer Bevölkerung war noch nie so gut wie heute.“ Wir teilen Ihre Meinung absolut, das ist auch gut so. Wir möchten auch mit der Beantragung unserer Berichterstattung auf keinen Fall absprechen, was von Seiten des Landes in Thüringen diesbezüglich getan worden ist. Wir möchten die Entwicklung und Bemühungen in keiner Weise diskreditieren, sondern, im Gegenteil, wir wollen weiter perspektivisch daran arbeiten, dass Sie diesen Satz ein paar Jahre später auch noch sagen

können. Ich finde es gut, dass Sie in Ihrem Bericht gesagt hatten, dass Sie der Gesundheitsförderung einen besonderen Stellenwert zukommen lassen wollen. Ich finde es sehr, sehr gut, das freut mich besonders, dass Sie den öffentlichen Gesundheitsdienst stärken wollen, dass Sie ihm einen zentralen Platz einräumen wollen. Wir unterstützen natürlich auch Ihr Projekt, eine landesweite Gesundheitskonferenz durchzuführen, sie zu qualifizieren. Wir werden daran teilnehmen; Sie haben uns eingeladen.

Das ist alles richtig und gut, Herr Minister Zeh, aber das, was die Enquetekommission im Jahr 2002 immer eingefordert hat, Gesundheitsziele, die sind eben noch nicht formuliert und sie sind bis heute noch nicht formuliert worden. Sie sagen nur, es wäre gut, wenn man das machen würde. Wir hatten schon irgendwo die Hoffnung, denn Ihr Vorgänger im Amt, der 2002 Ihre Funktion ausführte, formulierte einmal - ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin: „... den zur Erarbeitung von Gesundheitszielen notwendigen Diskussionsprozess in Thüringen einzuleiten“. Nach mehr als drei Jahren hatten wir schon gehofft, dass dieser Diskussionsprozess so weit qualifiziert ist, dass auch Ergebnisse vorliegen.