Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, der Antrag der Fraktion der CDU greift ein wichtiges Thema auf, das in Anbetracht unserer gesellschaftlichen und demografischen Entwicklung weiter an Bedeutung gewinnen wird. Ich finde es zudem auch wichtig, dass man neben der gesellschaftspolitischen Komponente des Themas insbesondere über familienfreundliche Maßnahmen
vor dem Hintergrund der Entwicklung der Wirtschaft, der Möglichkeiten Fachkräfte zu gewinnen und der Gestaltung der Arbeitsplätze diskutiert. Die Vereinbarkeit von Familienleben und beruflicher Tätigkeit stellt Unternehmen und Erwerbstätige vor neue Herausforderungen. Eine familienfreundliche Gestaltung der Lebens- und Arbeitsbedingungen und somit auch der konkreten Arbeitsplätze wird immer wichtiger, wenn man gute Fachkräfte halten und gewinnen will. Immer mehr Arbeitnehmer gerade im höher qualifizierten Bereich sehen flexible Arbeitszeiten als ein wichtiges Kriterium bei der Jobsuche, damit sie Familie und Beruf besser vereinbaren können. Eine ausgewogene Balance zwischen Berufs- und Privatleben ist zu einem bedeutenden Wirtschafts- und Standortfaktor geworden und hat einen entscheidenden Einfluss auf die Zukunftsfähigkeit und die ökonomischen Wachstumschancen von Unternehmen und Regionen. Dies gilt in besonderem Maße für Regionen, die auf ihr Humankapital angewiesen sind und deren Basis für die wirtschaftliche Entwicklung Technologie und Innovation ist. Von den Unternehmen wird Familienfreundlichkeit zunehmend als Standortvorteil erfasst, was ich ausdrücklich begrüße.
Meine Damen und Herren, Sie haben der Presse entnehmen können, dass der Präsident der IHK Erfurt, Herr Nils Lund Chrestensen, von Frau Bundesministerin Ursula von der Leyen zum Regionalbotschafter für das neue Programm „Erfolgsfaktor Familie - Unternehmen gewinnen“ in Thüringen bestellt wurde. Es ist sehr positiv zu werten, dass Kammern und Wirtschaftverbände das Thema aufgreifen und diese Entwicklung befördern wollen. Auch der Verband der Thüringer Wirtschaft engagiert sich seit Jahren bereits auf diesem Feld. Das Bildungswerk der Thüringer Wirtschaft ist insbesondere hier aktiv. Die Gestaltung der Arbeitsplätze und der Arbeitszeit ist vorrangig eine unternehmerische Aufgabe bzw. Sache der Tarifparteien. Die Unternehmen sind aufgefordert, sich zielgerichtet und aktiv an Lösungen für ihre Beschäftigten zu beteiligen und Arbeitszeitbedingungen anzubieten, mit denen Eltern ihre familiären und beruflichen Pflichten zusammenführen können. Zudem sollte dies stärker als Aspekt der Tarifverhandlungen Berücksichtigung finden. Die Gestaltung der Arbeitszeit in den Betrieben hat bereits eine sehr hohe Flexibilität erreicht; nur noch 15 Prozent der abhängig Beschäftigten arbeiten unter Bedingungen des früheren Normalarbeitszeitstandards, also von morgens früh bis nachmittags; 85 Prozent dagegen sind in irgendeiner Form in flexibler Arbeitszeit tätig. Dazu gehören, wie wir alle wissen, Gleitzeit, Teilzeitarbeit oder auch Arbeitszeitkonten. In der betrieblichen Praxis vieler Unternehmen haben Jahres- und Lebensarbeitszeitkonten, Jobsharing, zeitautonome Arbeitsgestaltung und Altersteilzeit die herkömmliche Arbeitszeit bereits ersetzt. Auch immer mehr kleine und mittlere Unternehmen erkennen zu
nehmend die Chancen flexibler Lösungen. Als gut und ausbaufähige Instrumente haben sich Arbeitszeitkonten in unterschiedlichsten Formen und die Teilzeitarbeit entwickelt. Ich weiß, dass dies in der Unternehmensstruktur Thüringens nicht ganz einfach ist; über 90 Prozent unserer Unternehmen haben weniger als 20 Beschäftigte, was die Flexibilität in der Gestaltung von Arbeitsorganisation und Arbeitszeit natürlich einschränkt. Trotzdem stellt man sich den Herausforderungen und entwickelt gute Ansätze, um gemeinsam mit den Beschäftigten betriebliche und familiäre Anforderungen besser unter einen Hut zu bekommen.
Zur Unterstützung der Thüringer Wirtschaft leistet das TMWTA auch im Bereich der Förderprogramme über den Europäischen Sozialfonds einen umfangreichen Beitrag. Insgesamt 7 Prozent der verfügbaren ESFMittel des Operationellen Programms 2000 bis 2006, das sind rd. 60 Mio. €, werden für spezifische Projekte zur Verwirklichung der Chancengleichheit zwischen Frau und Mann im Berufsleben eingesetzt. In diesem Kontext wird in vielen dieser Projekte direkt oder indirekt eine familienfreundliche Gestaltung von Beschäftigungen mit unterstützt. Bereits seit Juli 2002 gibt es das auch im CDU-Antrag genannte Programm Wiedereinstieg, welches Modellprojekte für Berufsrückkehrer und Berufsrückkehrerinnen nach der Familien- bzw. Pflegephase fördert. Ich gehe davon aus, dass dieses Programm auch in der neuen ESFFörderperiode fortgeführt wird.
Besonders zu erwähnen sind die 2005 im Rahmen des Programms gestarteten Projekte „Weiterbildung für Frauen und Männer in der Elternteilzeit“, die sich an Frauen und Männer richten, die in ungekündigten Arbeitsverhältnissen stehen und die Elternzeit ununterbrochen und länger als ein Jahr in Anspruch nehmen. Die Teilnehmer nutzen dabei ihre Elternzeit, um sich fachliche und soziale Kompetenzen anzueignen, die nach Rückkehr in das Beschäftigungsverhältnis genutzt werden können. Die Projekte verringern damit nicht nur potenzielle Ein- und Austrittsbarrieren für Interessenten an der Elternteilzeit, sondern leisten durch konsequente Nutzung lebenszyklusbedingter Qualifikationspotenziale und Zeiträume auch einen Beitrag zur Etablierung des lebenslangen Lernens. Die vom TMWTA aus Mitteln des ESF im Jahr 2005 geförderte Broschüre „Wettbewerbsfähigkeit steigern durch familienfreundliche Arbeitsplätze - kooperative Personalpolitik als Chance“ zeigt Handlungsoptionen und Gestaltungsmöglichkeiten für Unternehmen sowie für lokale Netzwerke zur Verwirklichung einer familienfreundlichen Personal- und Beschäftigungspolitik auf. Die Broschüre wurde vom Bildungswerk der Thüringer Wirtschaft und dem RKW entwickelt, sie basiert auf Praxisbeispielen aus Thüringer Unternehmen und regionalspezifischen Netzwerkideen, die in vier Workshops in ausgewählten
Regionen durchgeführt wurden. Durch die Veröffentlichung soll ein Beitrag zu einer besseren Balance von Arbeits- und Familienleben und zur Stärkung der Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit von Thüringer Unternehmen und Regionen geleistet werden. Im Rahmen der so genannten TAEM-Wettbewerbe, das sind die Thüringer ESF-Aktionen mit Modellcharakter, wurden im letzten Jahr Projektideen für die „Förderung der Chancengleichheit zwischen Frauen und Männern im Sinne der Gender-Mainstreaming-Politik“ ausgelobt. Wesentliches Ziel des Ideenwettbewerbs war die Entwicklung innovativer Ansätze, beispielsweise zur Förderung des Gender-MainstreamingKonzepts im betrieblichen Kontext zur Stabilisierung von Führungskräften, für familienfreundliche Arbeitsbedingungen oder zur Unterstützung weiblicher Nachwuchskräfte auf dem Weg zur Führungskraft.
Im Ergebnis des Ideenwettbewerbs wurden die folgenden vier Modellprojekte, nämlich „Selbständig - aber nicht allein“, „Serviceagentur Familie und Beruf“, „Genderorientierte Personalarbeit in KMU“ sowie „Beschäftigungspotenziale erschließen durch familienfreundliche Personalkonzepte“, ausgewählt und auch bewilligt.
Das TMWTA hat in der Sitzung des Gleichstellungsausschusses des Thüringer Landtags am 2. Februar 2006 darüber berichtet und im Nachgang auch Beschreibungen dieser Projekte zugeleitet. Diese müssten demzufolge den Fraktionen vorliegen.
Diese Modellprojekte haben insgesamt innovative Ansätze für familienfreundliche Arbeitsplätze zum Ziel. Die Ergebnisse werden in geeigneter Weise der Wirtschaft präsentiert und fließen in die Planungen der Förderinstrumente für die Förderperiode 2007 bis 2013 des Europäischen Sozialfonds ein.
Für die Wirtschaft und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer spielen insbesondere aber auch die Rahmenbedingungen für die Schaffung familienfreundlicher Arbeitsplätze, besonders die Kinderbetreuung, eine große Rolle. So kann ich für Thüringen auf das Kindertageseinrichtungsgesetz verweisen, mit dem das Rechtsanspruchsalter auf zwei Jahre abgesenkt wurde. Bundesweit - ich erinnere daran - besteht ein Rechtsanspruch erst ab drei Jahren. Des Weiteren ist nach dem Gesetz für Kinder unter zwei Jahren ein bedarfsgerechtes Angebot vorzuhalten. Die Betreuung in Kindertagespflege und Kindertageseinrichtungen sind in Thüringen gleichgestellt. Damit erhalten die Eltern die Wahlmöglichkeit und sind somit in der Lage, ihren individuellen Anforderungen gerecht zu werden. Außerdem haben die Eltern das Recht, den Ort der Kinderbetreuung selbst zu wählen. Das bedeutet, dass Eltern ihre Kinder zum Beispiel auch am Arbeitsort in einer Kindertageseinrichtung anmelden können, was aus Sicht der
Landesregierung ein sehr wichtiger Aspekt für eine familienfreundliche Arbeitsplatzgestaltung ist. Weitere Flexibilität in der Kinderbetreuung wird dadurch ermöglicht, dass gesetzlich keine Öffnungs- und Schließzeiten einer Kindertageseinrichtung vorgegeben sind, allerdings unter der Bedingung, dass das Kindeswohl berücksichtigt ist.
Die Wirtschaft hat außerdem die Möglichkeit, die Förderung für die Bildung von Betriebskindergärten in Anspruch zu nehmen. Ein Beispiel dafür ist die Klinik in Eisenberg; eine Klinik in Altenburg wird folgen. Ich hoffe, dass dies zumindest bei den größeren Unternehmen in Thüringen Schule machen wird. Je nach Situation und Bedarf des Unternehmens sind verschiedene Maßnahmen zur Erhöhung der Familienfreundlichkeit möglich. Die Spannbreite der Aktivitäten in der betrieblichen Praxis reicht von einzelnen Maßnahmen bis hin zu umfassenden Konzepten und Maßnahmekatalogen, die neben betriebsinternen auch das Unternehmensumfeld gestaltende Maßnahmen einschließen.
Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung und dem sich daraus ergebenden zukünftigen Fachkräftebedarf sind familienfreundliche Arbeitsplätze in Verbindung mit familienfreundlichen Standortfaktoren nicht zu unterschätzende Argumente für junge, gut ausgebildete Fachkräfte, insbesondere für Frauen. In Thüringen wird speziell diese Thematik bereits seit mehreren Jahren analysiert und die Ergebnisse werden in entsprechenden Maßnahmen und Projekten umgesetzt. Neben der aktiven Beteiligung am bundesweiten Mädchentechniktag bzw. dem Girls' Day sind Maßnahmen zur Berufsvorbereitung, insbesondere für Mädchen und junge Frauen, ein Schwerpunkt der Berufsbildungspolitik der Landesregierung.
Mit den Fördermaßnahmen für die Aus- und Weiterbildung geht es uns vorrangig darum, die Wirtschaft flankierend bei der Deckung des Fachkräf
tebedarfs zu unterstützen. Das TMWTA hat vor wenigen Tagen den Auftrag vergeben, die Thüringer Fachkräftestudie, die erstmals 2002 aufgelegt wurde, zu aktualisieren und anhand der neuesten Daten dann fortzuschreiben. Die Studie wird auch Empfehlungen enthalten, welche Maßnahmen verstärkt oder neu ergriffen werden müssen, um die Fachkräftesicherung weiter zu unterstützen. Vorrangig ist aber die Wirtschaft selbst gefordert, da es sich hier nicht um originäre öffentliche Aufgaben handelt, sondern nur um flankierende Hilfen gehen kann. Dies gilt besonders auch für die Gestaltung von Arbeitsplätzen und Arbeitszeit, um diese familienfreundlich auszurichten. Wichtig ist es, dass sich alle Verantwortlichen gemeinsam dem Thema stellen und das Thema insbesondere auch den gebührenden Stellenwert erhält. Herzlichen Dank.
Herr Minister, finden Sie, dass der Vorschlag von Herrn Ministerpräsidenten Althaus, die allgemeine Arbeitszeit, also die Grundarbeitszeit, auf 42 Stunden zu erhöhen, als familienfördernde Maßnahme gewertet werden könnte?
Ich glaube, Frau Scheringer-Wright, die Frage ist ein bisschen zu kurz und daneben gegriffen. Es geht darum, Arbeitszeit zu gestalten in Thüringen. Familienfreundlichkeit ist sicher auch ein Begriff dessen, wie man mit Arbeitszeit umgeht. Ich habe ja vorhin schon ausgeführt, dass eigentlich nur noch 15 Prozent der abhängig Beschäftigten in der Normalarbeitszeit arbeiten und der Rest sich im Wesentlichen in Arbeitszeitkonten bzw. im Teilzeitbereich bewegt, und das halte ich für den entscheidenden Punkt. Auch eine 42-Stunden-Arbeitswoche kann ich in Arbeitszeitkonten, Gleit- und auch in Teilzeitarbeit leisten.
Als nächste Rednerin während der Aussprache rufe ich für die Fraktion der Linkspartei.PDS Frau Abgeordnete Dr. Kaschuba auf.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, der Antrag der CDU-Fraktion „Familienfreundliche Arbeitsplätze in der Thüringer Wirtschaft unterstützen“ kommt so daher, als hätten sich die CDU oder die Landesregierung jetzt die Siebenmeilenstiefel angezogen, um Familienpolitik zu einem zentralen Thema auch in Thüringen zu machen. Allerdings hat sie sich vorher schon mit kleineren Stiefelchen in der Familienoffensive so weit verheddert, dass die Bürgerinnen und Bürger im gesamten Land dagegen intervenieren. Das möchte ich voranstellen.
Gleichzeitig möchte ich dem Herrn Chrestensen von hier aus gratulieren, dass er zum Regionalbotschafter für Thüringen für Unternehmenspolitik ernannt wurde. Ich wünsche ihm auch Erfolg in dieser Arbeit.
Auf einen Punkt möchte ich noch eingehen: Der Minister hatte eben gesagt, ein wichtiger Wachstumsfaktor ist das Humankapital. Wenn ich mir Ihren Antrag insgesamt ansehe, da ist die Begründung für eine familienfreundliche Politik vor allem im demografischen Wandel zu suchen, in der Wirtschaft oder im Fachkräftemangel. Ich finde das eigentlich sehr schlimm, dass Familienfreundlichkeit von Politikern mit den Begriffen der Soziologen belegt wird, dass über Menschen im gebärfähigen Alter gesprochen wird und dass alles ausgerichtet ist auf eine Stabilisierung der Wirtschaft und des Marktes und nicht darüber gesprochen wird, dass Familie und Familienfreundlichkeit Zukunft darstellen kann, dass sie mit Lebensfreude und Lebenssinn verbunden ist und viel weitreichender angelegt sein muss. Gleichzeitig möchte ich meine Meinung dazu äußern. Ich glaube, Ihr Antrag ist auch ein wenig eine akklamative Unterstützung der Politik der Bundesfamilienministerin. Die hat erst einmal Schwung in die Debatte gebracht, das muss man sagen. Die hat das Thema erst einmal richtig aufgerufen. Wenn ich Sie daran erinnern darf, Ihr ehemaliger Ministerpräsident, der hier geäußert hat, dass die ungesunde Erwerbstätigkeit der Frauen im Osten zur hohen Arbeitslosigkeit führt, dann muss ich sagen, da hat sich auch bei der CDU offensichtlich etwas im Familienbild geändert.
Gleichzeitig wird es aber mit einer Wertediskussion verbunden. Es wird gleichzeitig eine Wertediskussion aufgerufen, die ausschließlich abhebt auf ein abendländisch zentriertes Weltbild und das in einer offenen Gesellschaft. Ich halte eine Wertediskussion für nötig, aber ich glaube, sie muss viel weitreichender sein und über diesen vorgegebenen Wertekanon
Ich denke, das sollten wir alle mal bedenken. Wissen Sie, es ist weiterhin so, dass in Gesellschaften, die von technologischen und sozialen Umbrüchen sehr stark betroffen sind, das ist historisch immer so gewesen, der Wunsch nach Individualität, nach Geborgenheit, nach Behütetsein und auch nach einem tradierten Familienbild wächst. Ich erinnere da nur an die deutsche Romantik. Ich kann es auch verstehen, wenn Familien auseinander getrieben werden auf der Suche nach Arbeit, auf der Suche nach Existenzsicherung, dass es zu Konflikten in einer Gesellschaft kommt. Ich glaube, das Problem muss man anfassen, muss man diskutieren und da müssen auch Familienbilder diskutiert werden.
Zurück zu Ihrem Antrag: Die in Ihrem Antrag gestellten Forderungen - der Minister hat sie noch einmal beschrieben, er hat auch einige Aktivitäten beschrieben - zeigen eigentlich nur, dass dem Land die qualifizierten Fachkräfte ausgehen, Arbeitsplätze fehlen. Wenn Sie die Augen offen halten, fahren jedes Wochenende Züge voller junger Menschen in Richtung Westen und jedes Wochenende sind die Autobahnen voll mit Autos, in denen ein Mensch sitzt auf der Fahrt in die alten Bundesländer, um seine Arbeitskraft an den Markt zu bringen und wieder Mittel mit nach Hause zu bringen, mit denen er seine Familie hier ernähren kann. Das führt natürlich auch wieder zu großen Veränderungen in den Strukturen.
Wenn wir nach den Ursachen sehen, dann sehen wir sie zu allererst natürlich auch in einer sehr fehlgeschlagenen Politik der CDU-Landesregierung. Sie haben auf Billiglohnkonzepte gesetzt.
Wie die 40 Jahre ausgegangen sind, das wissen wir. Wir haben unseren Teil zu dieser Aufarbeitung der 40 Jahre geleistet und wir sind ja auch immer noch dabei. Aber Sie haben jetzt schon 16 Jahre regiert und für diese 16 Jahre müssen auch Sie die Verantwortung übernehmen, das will ich Ihnen nur sagen.
Ich würde Ihnen vorschlagen, Sie sollten einmal über unsere Vorschläge diskutieren, die wir auch bundesweit machen über einen gesetzlichen Mindestlohn. Damit würden Sie zum Beispiel verhindern, dass Frauen - und das sind sehr, sehr viele Frauen, die sieben bis acht Stunden täglich arbeiten - mit 400 € nach Hause gehen. Das würden Sie damit verhindern. Sie würden damit auch die Unternehmen stärken.
Gestern hat dimap eine Umfrage veröffentlicht, was sich denn Menschen wünschen, um Familien gründen zu können und arbeiten zu können. Sie wünschen sich zuallererst die Möglichkeit der Ganztagsbetreuung von Kindern, kostenfreie Kita-Betreuung und erst an dritter Stelle kommt auch noch ein Elterngeld oder Ähnliches. Dann möchte ich Ihnen noch sagen: Was die Politik der Bundesregierung anbelangt, da könnten Sie sich ja mal stark machen. Wenn das Elterngeld jetzt so finanziert wird, dass ausgerechnet Harz IV-Empfängerinnen nur noch 14 Monate Elterngeld beziehen und nicht mehr 24 Monate, dann werden die Harz IV-Empfängerinnen zur Sparbüchse der Nation gemacht, damit sich das überhaupt rechnet. Es war immer so, dass viele Menschen versuchen mussten, Arbeit und Familie unter einen Hut zu bringen, das war aber selten so schwierig wie heute. Das akzeptiere ich, das akzeptiere ich auch an Ihrem Antrag. Strukturelle Veränderungen in der Gesellschaft machen solche Dinge sehr schwer. Wir haben gerade hier in den neuen Ländern auch wirtschaftliche Verwerfungen, die Familien auseinander brechen, die ein Schutzpotenzial waren, wenn man arbeiten gehen wollte und Arbeitsplätze in Anspruch nehmen wollte.
Wir sind der Auffassung, dass die Landesregierung zuerst einmal Rahmenbedingungen schaffen muss, Anreize schaffen und Förderprogramme auflegen muss, um Familie und Arbeit miteinander verbinden zu können, um die Förderprogramme umzusetzen. Sie haben darüber gesprochen, welche Förderprogramme Sie aufgelegt haben; letztlich sind aber auch für diese Förderprogramme, die über den ESF gefördert wurden, die Fördermittel nicht vollständig ausgeschöpft worden, weil es an der Kofinanzierung gemangelt hat. Darüber sollten Sie schon ganz ehrlich sprechen.
Die CDU-Fraktion hat natürlich in ihrer Auffassung über die Vereinbarkeit von Beruf und Familie auch betrachtet, oder wir betrachten auch, wie die CDUFraktion hier mit ihrer eigenen Politik bisher umgegangen ist. Ich will Ihnen Ihre Taten und Werke noch einmal darstellen.
Mit dem Thüringer Erziehungsgeld unterstützen Sie das längere Ausscheiden von Müttern aus dem Berufsleben.
Sie kürzen die Zuschüsse für den Kita-Bereich um ca. 50 Mio. €, so dass das gute Thüringer Kindertagesstättennetz auf Dauer an Zugänglichkeit und Verlässlichkeit verlieren wird. Sie wissen genau,
dass sie das umlegen auf die Kommunen und letztlich auch auf die Eltern. Sie wissen, zu welchen heftigen Diskussionen das führt. Sie haben keinerlei gesetzliche Vorgaben erlassen, denen zufolge sich die Wirtschaft auch an Familienfreundlichkeit orientieren muss. Sie unternehmen keine Aktivitäten, um Familienfreundlichkeit in den Unternehmen zu fördern, außer den Broschüren, die Sie eben benannt haben, und den Ideen, die entwickelt worden sind. In Thüringen gibt es keinerlei Zertifizierungssysteme, um familienfreundliche Unternehmen auszuzeichnen, wie es zum Beispiel über die Hertie-Stiftung geschieht, und Sie tun selbst nichts dafür, den öffentlichen Dienst frauen- und familienfreundlicher zu gestalten. In anderen Bundesländern sieht das anders aus, Sie könnten sich an Hamburg und Niedersachsen orientieren. Was wir allerdings zuallererst brauchen, sind Arbeitsplätze. Wir können hier sehr viel reden über Familienfreundlichkeit in der Wirtschaft; die Grundvoraussetzung sind Arbeitsplätze. Derzeit, im März, fehlen nach amtlicher Statistik fast 217.000 Arbeitsplätze, davon wären nahezu 100.000 für Frauen notwendig. Thüringer Frauen bekommen ein Viertel weniger Geld als im bundesdeutschen Durchschnitt gezahlt wird und sie arbeiten zwei Stunden länger. Das müssen Sie einfach zur Kenntnis nehmen. Hinsichtlich der demografischen Entwicklung darf nicht vergessen werden, dass Frauen eigentlich Arbeitsplätze wollen, aber sie lassen sich heute deutlich seltener auf eine Mutterschaft ein, wenn sie für sich selbst keine berufliche Perspektive sehen, und mit einem Einkommen von 400 € ist das auch schwierig. Dazu kommt noch, dass Kinder offiziell als Armutsrisiko gelten. Frauen mit Kindern oder Frauen ohne Kinder, die aber noch welche bekommen könnten, werden seltener eingestellt; kranke Kinder, die betreut werden müssen, gelten als Produktivitätsrisiko. Männer, die sich um Kinder kümmern, müssen mit Unverständnis und Karriereeinbrüchen rechnen.