Protokoll der Sitzung vom 09.06.2006

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch auf ein paar inhaltliche Fakten eingehen, die auch gegen die Kommunalisierung sprechen. Bereits heute ist immer wieder zu hören, dass es aufgrund einer großen Anzahl von bewilligten Altersteilzeitregelungen

zu verlängerten Bearbeitungszeiten von Anträgen kommt. Nach letzten offiziellen Angaben wurden 253 Anträge auf Altersteilzeit mit Datum vom August 2005 bewilligt. Diese Zahl wird sich - davon gehe ich aus - in den letzten Monaten noch erhöht haben. Gleichzeitig wird aber genau in dem Verantwortungsbereich des Thüringer Ministeriums für Soziales, Familie und Gesundheit kein Auszubildender eingestellt. Dies ist kein verantwortungsbewusstes Vorgehen und das schlägt sich in einigen Jahren natürlich auch in der Qualität der Arbeit der Ämter nieder. Es kommt zu Kettenreaktionen: fehlendes Personal, dadurch bedingt lange Bearbeitungszeiten, Verdruss und Bürgerunfreundlichkeit. Bereits heute gibt es nicht ausreichend Ärzte in den Versorgungsämtern, die den so genannten ärztlichen Dienst - also die Begutachtung in den Bereichen des Schwerbehindertenrechts, des sozialen Entschädigungsrechts und des Bundesversorgungsgesetzes - durchführen. Personalmangel ist auch hier an der Tagesordnung. Sollte es zu einer Kommunalisierung für diesen Bereich kommen, wie sollte dann die Verteilung des Personals auf 23 Kommunen erfolgen? Auch hier werden dann Mehrkosten entstehen. Falls es zu einer Kommunalisierung kommt, wäre eine einheitliche - das sagte ich schon - Begutachtung nicht mehr zu gewährleisten. Auf die Frage an die Landesregierung zur Kostenersparnis wurde immer und überall die Aussage getroffen, dass man im Moment noch nichts sagen könne, ob und in welcher Höhe dies anstünde. Das zeugt von planlosem Handeln und purem Aktionismus.

Ähnliche Ausführungen könnte ich zum Integrationsamt sowie zum Entschädigungsrecht machen. Die Fraktion der Linkspartei.PDS fordert Sie auf: Hände weg von diesem Vorhaben!

Die Fraktion fordert Sie darüber hinaus auf, gemeinsam mit den Personalräten und den Betroffenen über eine Strukturreform nachzudenken mit den Zielen: regionale Standorte ggf. als Außenstelle zu führen, eine weitere Zentralisierung zukünftiger allgemeiner Verwaltungsaufgaben, Aufgaben mit geringen oder rückläufigen Fallzahlen zu konzentrieren im Zivildienstgesetz, im sozialen Entschädigungsrecht oder in der Kriegsopferversorgung, kleine Struktureinheiten vermeiden, zentrale EDV-Verfahren nutzen, Synergieeffekte bei ähnlich gelagerten Verwaltungsverfahren - wie Anträge von Opfern von Gewalt, Feststellungsverfahren, Schwerbehindertenrecht - nutzen, Beratung und Antragsannahme von Bürgern möglichst ortsnah zu lassen und zu gestalten. Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Das Wort hat der Abgeordnete Pilger, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, damit seitens der CDU nicht wieder ausdrücklich darauf hingewiesen werden muss: Mir ist bewusst, dass dieses Thema schon wiederholt in den parlamentarischen Gremien des Thüringer Landtags behandelt wurde, hier im Plenum zuletzt in der Sitzung Anfang März und im Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit im April.

Aufgrund der Verweigerungshaltung der Landesregierung und den völlig unbefriedigenden Auskünften erzwingen Sie, dass wir uns immer wieder mit dem Thema befassen müssen. Das liegt nicht an der Opposition, es liegt schlicht und einfach daran, dass die Regierung fast zwei Jahre nach der Ankündigung der Verwaltungsreform

(Beifall bei der SPD)

im Bereich der Sozial- und Versorgungsverwaltung immer noch nicht in der Lage ist, ein plausibles Umsetzungskonzept vorzulegen.

(Beifall bei der SPD)

Und es liegt daran, dass die Landesregierung erst recht nicht in der Lage ist, zu erklären, welche nachweislichen Einsparungen erzielt werden.

Ich darf nur noch einmal in Erinnerung rufen: Am 9. September 2004 hat der Ministerpräsident die Auflösung des Landesamts für Soziales und Familie, des Landesjugendamts, der Versorgungsämter und der Ämter für Arbeitsschutz angekündigt. Bis November 2004 sollte das Umsetzungskonzept vorliegen. Seitdem hat die Präsidentschaft des Landesamts für Soziales und Familie zweimal gewechselt - das ist doch kein Umsetzungskonzept. Es war unschwer zu erkennen, dass die wesentlichen Gründe für die ungeplanten Wechsel in einem völlig unbefriedigenden Umgang der Landesregierung mit ihrer Mittelbehörde und mit den Mitarbeitern liegen. Und bevor gestandene Beamte so etwas relativ deutlich artikulieren, muss schon viel passiert sein.

Kaum verkündet, musste selbst der Ministerpräsident zur Kenntnis nehmen, dass ein bundesgesetzlich geregeltes Landesjugendamt nicht einfach von Thüringer Gnaden aufzulösen ist. Es wurde als Westamt unter erheblichem Verlust von Fachpersonal in das Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit einverleibt. Schon jetzt wage ich die Prognose: Für die Probleme bei der Umsetzung des Kindertagesstät

tengesetzes wird sich ein prima Sündenbock anbieten.

In der letzten Plenardebatte entzog sich der Sozialminister schon mit Hinweis auf die Zuständigkeit des Landesjugendamts beim Landesjugendförderplan seiner Informationspflicht. Das wird erst der Beginn gewesen sein.

Meine Damen und Herren, wegen der beim Landesamt für Soziales und Familie verbliebenen Fachbehörden gab es mehrfach Ankündigungen über Verhandlungen mit den kommunalen Spitzenverbänden. Immer verliefen die Verhandlungen angeblich kooperativ, sind aber bis heute wohl noch nicht abgeschlossen. Eineinhalb Jahre Verhandlungen und kein erkennbares Ergebnis - da stimmt doch was nicht.

Zu meiner Kleinen Anfrage in der Drucksache 4/1936 hat die Landesregierung Anfang Mai erklärt, dass Alternativmodelle zum Organisationsvorschlag des Ministeriums für Soziales, Familie und Gesundheit mit den kommunalen Spitzenverbänden erörtert worden wären. Allerdings sei die ressortübergreifende Prüfung noch nicht abgeschlossen. Wo bitte ist denn der Organisationsvorschlag der Landesregierung und was sind das für Alternativmodelle? Zur Aufklärung des Parlaments hätten Sie doch heute genügend Anlass gehabt, aber still ruht der See. Dieser Landtag hat ein Recht darauf, derart gravierende Änderungen in der Struktur und im Aufgabenbereich der Landesverwaltung zu erfahren, und zwar nicht nur als Ankündigungen oder bereits vollzogene Tatsachen.

Meine Damen und Herren, trotz der Ankündigung des Ministerpräsidenten, im November 2004 ein Umsetzungskonzept vorzulegen, ist mir bis heute trotz wiederholter Anfragen kein schlüssiger Organisationsvorschlag des Ministeriums für Soziales, Familie und Gesundheit bekannt. Stattdessen geht es immer wieder um Stückwerk und um Vertröstungen. Es ist doch absurd, wenn in der April-Sitzung des Ausschusses für Soziales, Familie und Gesundheit durch Staatssekretär Illert mitgeteilt wird, dass schwierige sachliche Probleme zu lösen seien, weil die Übertragung der Aufgaben durchaus auch starke verfassungsrechtliche Aspekte aufwerfe. Da staunt der interessierte Zuhörer und wundert sich. Fast zwei Jahre wird an der Umsetzung der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten ohne erkennbares schlüssiges Ergebnis herumgewerkelt, dann endlich wird festgestellt, dass schwierige sachliche Probleme mit Rechtsfolgen zu lösen sind. Ja, hat das denn dem Ministerpräsidenten vor zwei Jahren niemand mitgeteilt? Hat ihm denn niemand mitgeteilt, dass bundesgesetzliche und verfassungsrechtliche Regelungen auch in Thüringen gelten? War die Regierungserklärung etwa der Vorläufer der Offensive gegen die Familien und wurde sie damals irgendwo im stillen Kämmerlein der

Staatskanzlei ohne Beteiligung des Fachressorts ausgearbeitet?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn diese Irrungen und Wirrungen schon für uns im Thüringer Landtag sehr ärgerlich sind, was muss das erst für die betroffenen Mitarbeiter bedeuten? Im September 2004 werden sie überfallartig von der Nachricht überrascht, dass die eigene Behörde aufgelöst werden soll. Wenn so etwas in Privatunternehmen geschieht, dann erfolgen regelmäßig Appelle an die unternehmerische Verantwortung, hier aber erfolgt Verkündung.

Nicht genug damit! Mit viel Engagement erarbeiten die Mitarbeiter anschließend, trotz der Hiobsbotschaft, ein eigenes Konzept, bringen ihre Fachlichkeit ein und wollen Veränderung. Bis heute erfahren sie überwiegend Ignoranz. Im Protokoll des Sozialausschusses heißt das, das Mitarbeiterkonzept sei fachlich interessant, nur folge es nicht oder nur in kleinen Teilen dem Auftrag der Regierungserklärung. Bedeutet das etwa, dass der Auftrag und dementsprechend die Regierungserklärung nicht an fachlichen Anforderungen ausgerichtet ist? Wie auch immer, die Mitarbeiter leben nun schon fast zwei Jahre in ständiger Verunsicherung, jetzt mit dem dritten Behördenleiter. Und uns versucht man in diesem Haus weiszumachen, das sei völlig normal und folgenlos.

Anlässlich des Besuchs unseres Fraktionsvorsitzenden im Landesamt vor einigen Wochen war doch die Unzufriedenheit und die Verunsicherung deutlich zu spüren. Wenn Staatssekretär Illert nun im Sozialausschuss zum Besten gibt, dass wegen des Wechsels an der Spitze des LASF kein Bruch in der Arbeit erfolge, und wenn in der Beantwortung meiner Kleinen Anfrage die Zusammenarbeit mit den Personalvertretungen als vertrauensvoll beschrieben wird, dann, meine Damen und Herren, hat das mit der Realität wenig bis nichts zu tun. Wenn aber dazu noch die Fragen zu Kosteneinsparungen im Sozialausschuss dahin gehend beantwortet werden, dass diese erst nach der erfolgten Aufgabenverteilung zwischen Land und Kommunen beantwortet werden können, dann, liebe Kolleginnen und Kollegen, frage ich mich spätestens: Was bitte ist denn der Sinn und Zweck dieses angerichteten Chaos?

(Beifall bei der SPD)

Bis heute ist nicht ersichtlich, dass dieses Stückwerk in irgendeiner Form zur qualitativen Verbesserung der zu erbringenden Dienstleistung geführt hätte oder führen wird, ganz im Gegenteil, die Mitarbeiter sind demotiviert. Bis heute wird immer und immer wieder die Personalvertretung bestenfalls als Feigenblatt für eine Pseudomitbestimmung genutzt, nicht aber das Fachwissen und die Kompetenz der

Mitarbeiter. Wer auch nur ein wenig von Personalentwicklung versteht, der ahnt, wie demotivierend der zweimalige Wechsel an der Spitze der Behörde für die verbleibenden Mitarbeiter ist, und der ahnt, welche Qualitätsverluste mit einem derartigen Leitungsstil verbunden sind. Mitarbeiter frustriert, Nutzen unwahrscheinlich, Kosteneinsparung unklar - jede Unternehmensleitung würde bei dem Ergebnis gefeuert.

Nun noch ein Wort zu Ihnen, Herr Mohring - ach, er ist nicht da, ist raus. Herr Mohring als dem Spezialisten in der Partei für die erfolgreiche Führung von Organisation - er hat in der Plenardebatte vom 03.03. dieses Jahres auf die Notwendigkeit von Mittelbehörden hingewiesen, er hat damals die Beschränkung der Ministerien auf leitende Aufgaben betont und Befürchtungen geäußert, dass die Ministerien beim Wegfall von Mittelbehörden Speck ansetzen würden.

Meine Damen und Herren, wenn ich derartige Aussagen am Umgang des Ministeriums oder der Ministerien mit der Mittelbehörde Landesamt für Soziales und Familien messe, dann weiß ich wirklich nicht, was dieses seit dem Herbst 2004 angerichtete Chaos mit leitenden Aufgaben zu tun hat. Wenn ministerielle Leitung allerdings darin besteht, den Mitarbeitern einen langen Leidensweg zuzumuten, dann war die Politik der Landesregierung in den vergangenen fast zwei Jahren sehr, sehr erfolgreich. Und ich ahne, dass am Ende dieses Leidensweges Ministerien durchaus Speck angesetzt haben. Speck soll ja bekanntlich dickfällig und unempfindlich gegenüber Kritik machen, genauso dickfällig verhält sich die Landesregierung, die bis heute das Parlament und die Mitarbeiter im Ungewissen lässt.

Alles, was seit September 2004 geschehen ist, ist das Gegenteil moderner Personalentwicklung. Es hat nichts zu tun mit der Verbesserung von Dienstleistungen, sondern reiht sich ein in die Politik des Sozialabbaus dieser Landesregierung, Sozialabbau gegenüber den betroffenen Bürgern, die ebenso wie die Mitarbeiter im Unklaren gelassen werden, wer an welchem Ort denn zukünftig für ihre Beratung, ihre Sorgen und ihre Antragsbearbeitung zuständig ist. Und es ist ein weiteres Beispiel dafür, mit welcher Überheblichkeit mit den Kommunen umgegangen wird. Das ist leicht daran zu erkennen, wie erstaunt diese Landesregierung ist, wenn Landkreise und kreisfreie Städte eine eigene Meinung haben und sich dem Willen der Landesregierung nicht beugen. Es ist aber auch ein Beispiel dafür, dass diese Landesregierung spätestens seit der laufenden Legislaturperiode wesentliche Grundregeln der politischen und fachlichen Kommunikation missachtet. Stattdessen wird versucht, in landgräflicher Manier von oben herab mit den Mitarbeitern, der Bevölkerung und diesen Parlamenten umzugehen.

Meine Damen und Herren, dieser Politik- und Führungsstil ist machtbesessen und ignorant. Er führt zur inneren Kündigung der betroffenen Landesbediensteten und zur Schädigung demokratischer Gepflogenheiten und politischer Kultur. Weder dieses Land noch seine Behörden gehören der CDU. Das sollten Sie nach dem 21. Mai verstanden haben.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb kann ich Ihnen versprechen, auch wenn diese Landesregierung heute nicht bereit ist, die Karten auf den Tisch zu legen, wir werden weiter an dem Thema bleiben. Steter Tropfen höhlt den Stein und führt vielleicht hier und da zur Besinnung. Es ist nämlich das Recht des Parlaments, der Mitarbeiter und der Bürger endlich zu erfahren, was diese Landesregierung vorhat und welche Konsequenzen dies für alle Betroffenen hat. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Das Wort hat der Abgeordnete Panse, CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, von der SPD-Fraktion war heute ein Sachstandsbericht zum Stand der Behördenstrukturreform gefordert gewesen. Es ist, denke ich, üblich und auch legitim, dass man so ein umfangreiches Berichtsersuchen, wie es hier vorgetragen wurde, auch in der gegebenen Frist beantwortet. Insofern sind wir als CDU-Fraktion durchaus damit einverstanden, dass die Landesregierung das auch in der entsprechenden Intensität vorbereitet und vorträgt. Ich kann daran noch kein unübliches parlamentarisches Verfahren erkennen, Herr Kollege Pilger. Insofern überrascht mich auch Ihre Polemik, die Sie an dieser Stelle hier hineinbringen. Nicht überrascht mich allerdings, dass Frau Kollegin Jung traurig darüber ist, dass wir hier nicht in aller Öffentlichkeit über dieses Thema diskutieren.

(Zwischenruf Abg. Ehrlich-Strathausen, SPD: Sie überraschen mich auch.)

Frau Kollegen Jung, Sie hätten sich vielleicht mit dem Kollegen Pilger vorher mal abstimmen sollen, dann hätten Sie vielleicht auch aus den Protokollen des Ausschusses für Soziales, Familie und Gesundheit hier zitieren können, dann hätten Sie in aller Öffentlichkeit auch dieses Thema diskutieren können. Ich weiß, dass das gar nicht geht. Ich sage Ihnen aber auch die Begründung. Herr Pilger weiß es aber offensichtlich nicht. Nein, ich sage Ihnen aber auch, es hat

schon seinen Grund, dass wir uns in den Fachausschüssen über dieses Thema verständigen, sowohl im Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit als auch im Landesjugendhilfeausschuss, wo dieses Thema wiederholt auf der Tagesordnung stand, weil wir genau dort über den Fluss und über die Entwicklung der Konzepte miteinander reden, weil wir hier eben nicht im Parlament eine breite Debatte wollen, die zusätzlich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verunsichert. Insofern finde ich das auch unredlich, Frau Kollegen Jung, wenn Sie sich hier vorn hinstellen und sagen, es wäre makaber, was wir hier tun, und wir würden die Mitarbeiter verunsichern. Das ist mitnichten so. Es ist ein Diskussionsprozess, der läuft, ein Diskussionsprozess, der auch seinen Abschluss finden wird, aber der auch Zeit braucht, und, ich denke, es soll auch zu einer vernünftigen Lösung kommen.

Frau Kollegin Jung, selbstverständlich hat niemand die Arbeit und die Leistung in den Versorgungsämtern, der Versorgungsverwaltung insgesamt in Frage gestellt. Wir wissen, dass dort auch eine gute Arbeit geleistet wird, aber wir haben uns bei der Regierungserklärung vor zwei Jahren auch über die Frage der Straffung von Strukturen verständigt. Wir haben auch bei der Regierungserklärung damals gehört, dass wir eine Behördenstrukturreform wollen, die den Namen verdient, die auch effektiver Sachen gestalten kann, und das ist kein Widerspruch. Auch Ihre Anmahnung, dass die Bürgernähe der drei Versorgungsämter doch ein tolles Beispiel wäre, da kann ich Ihnen nur sagen, ich habe keine Zweifel daran, dass das auch mit 23 verschiedenen Bereichen genauso bürgernah gestaltet werden kann. Wir haben in der Vergangenheit jedes Mal, wenn es um die Übertragung von Aufgaben auf die kommunale Ebene ging, diese Debatte gehabt. Wir haben es beim Landeserziehungsgeld vor einigen Jahren gehabt und ich sage Ihnen, es funktioniert auch, wenn Bürgernähe zu einer besseren Transparenz und zu einer besseren Nähe führt. Insofern bin ich da ganz optimistisch.

Sie haben aber, Frau Jung, mit Ihrer Rede eigentlich deutlich gemacht, dass es Ihnen in Wirklichkeit gar nicht um einen Sachstandsbericht ging, Ihnen ging es darum deutlich zu machen, dass Sie die Kommunalisierung aufhalten wollen. Sie haben das mit so blumigen Worten wie „Hände weg von diesem Vorhaben“ umrahmt. Letztendlich geht es Ihnen nicht darum, mit uns darüber zu diskutieren, wie dieser Prozess weitergeht oder zu Ende gehen wird, sondern Ihnen geht es darum deutlich zu machen, dass Sie das so nicht wollten. Das ist im politischen Streit legitim, aber dann beklagen sich nicht, dass wir hier an dieser Stelle Ihnen keinen umfänglichen Sachstandsbericht geben können oder geben wollen.

(Unruhe bei der Linkspartei.PDS)

Herr Kollege Pilger, es passt genau in das Bild, wenn Sie die Verweigerungshaltung der Landesregierung beklagen, sage ich Ihnen, dann haben Sie nicht aufmerksam die Diskussion im Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit verfolgt. Wir haben im Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit sehr intensiv diskutiert. Wir haben im Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit - im Übrigen zweimal auf Antrag der Linkspartei.PDS - über dieses Thema sehr intensiv gesprochen und festgestellt, dass die Landesregierung uns sehr wohl auf dem laufenden Stand halten wird und auch immer wieder darüber informieren wird. Das können Sie, wenn Sie aufmerksam die Protokolle des Ausschusses für Soziales, Familie und Gesundheit studieren, durchaus immer noch nachlesen.

Lassen Sie mich vielleicht ein paar Sätze grundsätzlich zur Arbeit der Versorgungsverwaltung insgesamt sagen bzw. zur Sozialverwaltung. Es betrifft in der Tat mit dem Landesamt für Soziales, Familie und Gesundheit, mit den drei Versorgungsämtern in Erfurt, Gera und Suhl insgesamt fast 900 Mitarbeiter und es ist legitim, dass unter diesen 900 Mitarbeitern zunächst eine Unsicherheit bestand und auch Zukunftsängste bestehen. Ich sage ganz deutlich für die CDU-Fraktion, wir nehmen die Zukunftsängste durchaus ernst, aber wir wollen sie nicht schüren. Wir wollen gemeinsam akzeptable Lösungen finden im Interesse aller Betroffenen. Ich glaube, das ist der Prozess, der momentan läuft. Dazu gibt es die Gespräche von Seiten des Sozialministeriums mit Personalräten. Dazu gab es auch eine frühzeitige Information. So ist es uns auch im Sozialausschuss kundgetan worden.

Es werden in den Bereichen der Sozialverwaltung und Versorgungsverwaltung wichtige Aufgaben wahrgenommen. Herr Pilger sprach das mit dem Landesjugendamt an. Wir haben die Heimaufsicht, wir haben natürlich Blindengeld, Blindenhilfe, Schwerbehindertenfeststellungsverfahren, alles Sachen, die dort eine Rolle spielen, wichtige Sachen, wichtige Aufgaben, die aber auch in Zukunft erfüllt werden. Dass dieser Prozess der Umstrukturierung ein Stückchen Zeit braucht, ist, denke ich, verständlich. Insofern ist der Hinweis zwar hilfreich von Ihnen, Herr Kollege Pilger, dass Ministerpräsident Dieter Althaus am 9. September 2004 bereits die Auflösung des LASF und der Versorgungsämter angekündigt hat, aber ich sage auch deutlich, das war damals in der Regierungsklärung eine Ankündigung für die Aufgaben in der jetzt bestehenden Legislaturperiode. Das war nichts, wo gesagt wurde, das wird innerhalb der nächsten Monate radikal umgesetzt, sondern das war eine Ankündigung dessen, was wir in dieser Legislaturperiode gemeinsam mit der Landesregierung ge

stalten wollen. Insofern bitte ich Sie doch einfach, akzeptieren Sie, dass es da einen Beratungspfad gibt, der durchaus auch in Ruhe und in sachlicher Auseinandersetzung sowohl mit der kommunalen Seite als auch mit den betroffenen Mitarbeitern geführt werden muss. Dieser Prozess läuft und deswegen hat Minister Zeh zu Recht darauf hingewiesen, dass es gar nicht möglich ist, heute hier einen abschließenden Bericht vorzulegen, und es auch nicht möglich ist, jetzt über die finanziellen Auswirkungen im Detail zu berichten, weil vieles von diesen Sachen natürlich Verhandlungsgegenstand ist, Verhandlungsgegenstand auch mit der kommunalen Seite.

Wir haben uns im März 2005, wir haben uns im Januar 2006 und wir haben uns auch im März und April dieses Jahres mehrfach über diese Themen im Sozialausschuss verständigt. Wir haben uns insbesondere intensiv auch im Jugendhilfeausschuss mit der Frage der Eigenständigkeit des Landesjugendamtes gemäß SGB VIII auseinandergesetzt. Sie haben das angesprochen, Herr Kollege Pilger, aber wir haben auch immer deutlich gemacht, dass wir mit dem jetzt eigenständigen Referat in der Abteilung 3 im Sozialministerium durchaus diese Funktion gewährt sehen, dass wir da in der Tat das ehemalige Landesjugendamt in dieser Form dann auch in der Lage und arbeitsfähig sehen. Ich glaube, da geht es überhaupt nicht darum, irgendwelche Schuldzuweisungen auch für die Zukunft jetzt schon einmal vorzubereiten.

Wir haben im Sozialausschuss ausführliche Informationen auch zu den Arbeitsschutzaufgaben, zur Blindenhilfe und zum Schwerbehindertenrecht bekommen; wir haben uns auch über die Heimaufsicht verständigt. Frau Kollegin Jung, Sie wissen das, Sie waren bei diesen Beratungen ja genauso dabei. Wir haben auch erfahren, dass die Beratung mit den Personalräten läuft, dass die Personalräte das Konzept, den Programmentwurf letztendlich vom Sozialministerium zur Stellungnahme bekommen haben und dass die Personalräte dazu auch Stellung bezogen haben. Es ist legitim, dass sie eine andere Auffassung darüber haben. Ich glaube, es ist sehr oft so, dass Mitarbeiter, wenn es um ihren eigenen Arbeitsplatz geht, ein Stückchen verunsichert sind. Herr Pilger, das ist aber auch in der freien Wirtschaft so. Auch da sind Mitarbeiter in dem Moment, wenn es zu Umstrukturierungen in ihrem Unternehmen kommt, zunächst verunsichert und auch da suchen Personalräte gemeinsam mit der Geschäftsleitung nach akzeptablen Lösungen. Diese akzeptablen Lösungen, sage ich, soll es auch geben.

Sie haben in Ihrem Antragstext in Punkt 4 nach der Position der kommunalen Spitzenverbände gefragt. Ja, wir wissen, die kommunalen Spitzenverbände standen diesem ganzen Vorhaben zunächst sehr ab

lehnend gegenüber. Sie waren skeptisch, wie das mit der Aufgabenübertragung funktionieren kann. Sie haben darauf gedrängt und dafür habe ich sehr viel Verständnis, dass es eine angemessene Kostenerstattung im Rahmen des Konnexitätsprinizips geben soll, und sie haben auch darauf gedrängt, dass es einen vernünftigen und geordneten Personalübergang geben soll einschließlich der Fachlichkeit, die dazu nötig ist. Ich glaube, das sind alles Punkte, die auch mit den kommunalen Spitzenverbänden weiter besprochen werden, besprochen werden müssen, aber wir alle wissen hier im Raum, die kommunalen Spitzenverbände sortieren sich gerade neu, stellen sich gerade nach den Kommunalwahlen neu auf, auch mit ihrer Verhandlungsmannschaft, auch mit ihren jeweiligen Vertretern. Insofern, denke ich, ist auch da etwas Geduld noch gefragt im Diskussionsprozess.

Sie fragen in Ihrem Punkt 3 nach den finanziellen Auswirkungen. Ich habe gesagt, das wird erst möglich sein, wenn dieses gesamte Projekt zum Abschluss gebracht ist. Erst dann werden wir genau wissen, welches Personal wohin geht, welche Kostenerstattung erfolgt. Insofern ist dieser Punkt 3 auch jetzt nicht zu beziffern und zu benennen. Was aber sehr wohl zu benennen ist - und das hatte ich vorhin schon deutlich gemacht -, ist die Möglichkeit von verbesserten Dienstleistungen, nach denen Sie in Ihrem Punkt 6 fragen. Verbesserte Dienstleistungen sehen wir durchaus. Wir sehen durch die Dezentralisierung von Aufgaben, durch eine stärkere Bürgernähe durchaus die Chance für verbesserte Dienstleistungen. Das kommt, denke ich, sehr stark den Bürgern entgegen.

Sie haben in Ihrer Antragsbegründung letztlich geschrieben, es sei nicht schlüssig nachzuvollziehen, welche Aufgaben künftig von welcher Behörde geleistet werden sollen. Das stimmt so nicht, Herr Pilger, wir haben darüber gesprochen. Die Landesregierung hat darüber informiert. Wir haben auch letztendlich gesagt, welche Aufgaben in welchem Umfang auf die kommunale Ebene verlagert werden sollen, welche Aufgaben weiter eigenständig erfüllt werden sollen und welche Aufgaben letztendlich auch im Sozialministerium oder im Landesverwaltungsamt angegliedert werden können. Das haben wir sehr wohl im Ausschuss besprochen. Ich denke schon, wir sollten dies auch in dieser bewährten Form weiter tun. Wir möchten - und das spreche ich ganz deutlich für die CDU-Fraktion an - die Betroffenen nicht weiter verunsichern. Wir möchten aber auch ein schlüssiges Konzept gemeinsam miteinander im Sozialausschuss besprechen können, ohne dass wir damit gleich jeden Zwischenstand in der Öffentlichkeit ausbreiten müssen. Wir möchten deswegen darum bitten, dass der Antrag der SPD-Fraktion im Sozialausschuss weiterberaten werden kann. Sehr wohl habe ich auch die Ankündigung des Ministers ge