Protokoll der Sitzung vom 04.07.2006

Frau Landtagspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, der Landtag befasst sich heute erneut mit dem Thema Föderalismusreform - ein Thema, zu dem die Fraktion der Linkspartei.PDS einen Antrag mit dem Titel „Drohende Kleinstaaterei verhindern - Föderalismusreform korrigieren“ vorgelegt hat. Ich bin der Auffassung, wenn wir schon über dieses wichtige Reformpaket debattieren - und ich halte es für richtig, dass wir das tun -, dann sollten wir uns um Sachlichkeit bemühen. Etikettierungen wie „Drohende Kleinstaaterei“ werden dem Ziel und der Bedeutung der geplanten Föderalismusreform nicht gerecht. Deshalb hat die CDU auch einen Alternativantrag eingereicht, die SPD-Landtagsfraktion mit dem Antrag vom heutigen Tage ebenfalls.

Doch zunächst zu den einzelnen Punkten im Antrag der Linkspartei.PDS, die sich vielfach mit den Fragen überschneiden, die die sozialdemokratische Fraktion bereits in ihrem Antrag vom 22. März 2006 gestellt hat. Dazu habe ich in der Sitzung am 31. März 2006 ausführlich Stellung genommen. Mit ihrem Antrag hat die Fraktion der Linkspartei.PDS die Landesregierung aufgefordert, über die Ergebnisse der Expertenanhörung zur Föderalismusreform zu berichten und eine Bewertung aus Thüringer Sicht vorzunehmen. Damit komme ich zugleich auch der Bitte des Landtags nach, vor der abschließenden Beratung im Bundesrat am kommenden Freitag einen Sachstandsbericht über die Föderalismusreform abzugeben. In diesem Zusammenhang verweise ich auf die Drucksache 4/1632 vom 27. Januar 2006.

Zu 1: Bundestag und Bundesrat haben am 2. Juni 2006 die Anhörungen zur Föderalismusreform beendet, insgesamt siebenmal sind der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags und der Ausschuss für Innere Angelegenheiten des Bundesrats

zu gemeinsamen Sitzungen zusammengekommen, um die Stellungnahmen der mehr als 100 Experten entgegenzunehmen und Fragen zu stellen. Auf der Tagesordnung standen die Themen: Neuordnung der Zustimmungsrechte und Gesetzgebungskompetenzen, Bau und Verkehr, Europatauglichkeit, Justiz, Inneres, Umwelt, Landwirtschaft, Bildung, Forschung, Hochschulen, Finanzen, Haushalt, Wirtschaft, Soziales, Kultur und Hauptstadt Berlin. Die Sachverständigen haben die geplante Reform überwiegend als Schritt in die richtige Richtung begrüßt. Gleichwohl gab es, was nicht überraschend war, im Detail zahlreiche Änderungswünsche. Unsere abweichenden Positionen, wie zum Beispiel zum Beamtenrecht oder zur Hochschulbauförderung, haben wir im Bundesrat und in der Öffentlichkeit wiederholt zum Ausdruck gebracht und sind Ihnen bekannt. Auch beim Strafvollzug wäre uns eine andere Lösung lieber gewesen. Das ändert jedoch nichts an der Richtigkeit und Notwendigkeit des Gesamtpakets, das die Ministerpräsidenten in ihrer Konferenz am 22. Juni 2006 nach einer Reihe von Detailänderungen und Präzisierungen gebilligt haben.

Zu 2: Der Grundsatz, gleichwertige Lebensverhältnisse im gesamten Bundesgebiet herzustellen, wird durch die Verfassungsreform nicht beeinträchtigt, im Gegenteil, insbesondere durch die Zusagen zum Solidarpakt II kommt die Politik dieser Forderung nach. Ich weise auch darauf hin, dass „gleichwertig“ nicht „gleich machen“ bedeuten kann; wer versucht, alle regionalen Unterschiede einzuebnen, wird nur eines erreichen, und zwar den überschuldeten Subventionsstaat. Bundespräsident Horst Köhler hat Recht; er sagte: „Worauf es ankommt, ist, den Menschen Freiräume für ihre Ideen und Initiativen zu schaffen.“ Die Unterstellung der Linkspartei.PDS, dass mit dem Reformvorhaben Grundrechte eingeschränkt und Qualitätsstandards abgebaut würden, weise ich entschieden zurück. Es ist meines Erachtens falsch, zu behaupten, durch die bloße Verlagerung von Gesetzgebungskompetenzen vom Bund auf die Länder würden verfassungsrechtlich garantierte Grundrechte eingeschränkt. Zur Erinnerung: Thüringen ist eines von 16 Ländern im gebildeten Bundesstaat mit zwei staatlichen Ebenen. Die Länder sind nicht weniger demokratisch legitimiert als der Bund.

Meine Damen, meine Herren, ich denke, es zeugt von einer - zurückhaltend formuliert - distanzierten Einstellung zum föderal strukturierten Bundesstaat, wenn dem Wettbewerb generell misstraut und noch immer zentralstaatliche Lösungen angestrebt werden. Demgegenüber ist die Thüringer Landesregierung überzeugt, dass Wettbewerb zu fairen Bedingungen und nicht zu weniger, sondern zu mehr Qualität und zu mehr Leistung im bundesweiten und internationalen Vergleich führt.

Zu 3 a: Das so genannte Kooperationsverbot im Bereich der Hochschulfinanzierung, das auch schon nach dem ursprünglichen Entwurf keine generelle Anwendung gefunden hätte, ist weiter gelockert worden. Bund und Länder können auch künftig gemeinsam Wissenschaft und Forschung fördern, sofern alle Länder zustimmen. Die Aufnahme des Begriffs „Wissenschaft“ ermöglicht dem Bund direkt, Lehrer- und Dozentenstellen an Hochschulen zu finanzieren. Bei den Finanzhilfen ist jetzt klargestellt, dass auch künftig Bund-Länder-Programme im Bereich der Hochschullehre möglich sind.

Zu 3 b - ich wiederhole meine Ausführungen vom 31. März 2006 -: Beim Beamtenrecht haben wir uns für die Beibehaltung eines bundesweit einheitlichen Rahmens für das Dienst-, Besoldungs- und Versorgungsrecht ausgesprochen, aus gutem Grund, um länderübergreifende Qualitäts- und Leistungsstandards zu sichern und einen Wettbewerb, den die kleinen und finanzschwachen Länder nicht gewinnen würden, zu verhindern.

Zu 3 c: Die Mehrzahl der Länder hat sich dafür ausgesprochen, die Zuständigkeit für den Strafvollzug auf die Länder zu verlagern. Selbstverständlich sind die Länder an die Vorgaben des Grundgesetzes und der Rechtsprechung genauso gebunden wie der Bund. Eine Zersplitterung des Strafvollzugs ist deshalb nicht zu befürchten. Thüringen wird diese neue Regelungskompetenz verantwortlich wahrnehmen und die Qualität des deutschen Strafvollzugs erhalten. Dazu gehört auch ein bestimmtes Maß an Einheitlichkeit, das aber ohne die Koordinierung zwischen den Ländern sichergestellt werden wird. Ich gebe auch zu bedenken, dass nach dem In-Kraft-Treten der Föderalismusreform der bundeseinheitliche Rechtsbestand für den Strafvollzug zunächst fortbesteht. Das hiesige Parlament hat es dann selbst in der Hand, von diesem Rechtsbestand abzuweichen oder nicht. Das Notariat verbleibt in der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes; eine Regelung, mit der der Freistaat Thüringen gut leben kann.

Zu 3 d: Der internationale Terror nimmt keine Rücksicht auf bundesstaatliche Strukturen und Ländergrenzen. Deshalb ist es wichtig und richtig, dass der Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz erhält, wenn es um die Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus geht. Eine Beeinträchtigung der originären Landespolizeiarbeit ist von dieser Regelung nicht zu befürchten.

Stichwort „Versammlungsrecht“: Ich gehe davon aus, dass der Landtag durchaus in der Lage ist, Vorgaben der Rechtsprechung zu berücksichtigen und umzusetzen.

Zu 3 e: Die Länder haben erst dann ein Abweichungsrecht, wenn ein noch zu erlassendes Umweltgesetzbuch des Bundes in Kraft tritt. Für die Felder, auf denen die Länder vom Bundesrecht abweichen dürfen, ist vereinbart worden, dass Bundesgesetze frühestens sechs Monate nach ihrer Verkündung in Kraft treten, in Eilfällen auch schon früher, wenn der Bundesrat mit einfacher Mehrheit zustimmt. Die Länder werden sich, wenn es so weit ist, vor allem auf die Umsetzung landesspezifischer Besonderheiten konzentrieren.

Im Übrigen ist das Umweltrecht in weiten Teilen an Vorgaben aus Brüssel und damit auch an gewisse Standards gebunden.

Zu 3 f: Ich bin sicher, der Thüringer Landtag wird auch die neue Gesetzgebungskompetenz im Bereich des Heimrechts verantwortlich wahrnehmen.

Meine Damen, meine Herren, diese wenigen Beispiele zeigen, von einer drohenden Kleinstaaterei, wie der Antrag der Linkspartei.PDS suggeriert, kann nicht die Rede sein. Vielmehr geht es darum, die bundesstaatliche Ordnung zu modernisieren und in einer zweiten Stufe die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern weiterzuentwickeln. Es geht darum, die Zuständigkeiten von Bund und Ländern zu entflechten, damit für die Menschen erkennbar wird, welche staatliche Ebene handelt und verantwortlich ist. Es geht darum, die Entscheidungsprozesse in Deutschland zu beschleunigen. Deshalb wird der Anteil der Gesetze, die zustimmungspflichtig sind, um etwa die Hälfte reduziert. Das ursprüngliche Verhältnis wird wieder hergestellt.

Meine Damen, meine Herren, die Ministerpräsidenten der Länder haben am 22. Juni 2006 vereinbart, dass Vertreter der Länder, des Deutschen Bundestags und der Bundesregierung zügig Gespräche über das weitere Verfahren aufnehmen. Die Themenpalette ist breit. Sie reicht von Vermeidung bzw. Bewältigung von Haushaltsrisiken über Aufgabenkritik und Entbürokratisierung bis hin zu Möglichkeiten verstärkter Zusammenarbeit über Ländergrenzen hinweg.

Eine weitere Konferenz noch vor der Sommerpause dient der Feinabstimmung, bevor die eigentlichen Gespräche mit dem Bund beginnen. Ohne Zweifel werden das nicht minder schwierige Verhandlungen. Gefordert ist die Bereitschaft aller Beteiligten, Strukturen zu entwickeln, die die Leistungsfähigkeit des Staates insgesamt erhöhen. Dabei ist es unser Ziel, dass auch die zweite Stufe der Föderalismusreform zu einem Erfolg wird, ein Erfolg, der allerdings die Erfüllung wichtiger Kriterien voraussetzt, die in dem Antrag der CDU-Fraktion deutlich werden.

Erstens: Mit dem Zuwachs an Länderkompetenzen muss auch eine aufgabenadäquate Finanzausstattung verbunden sein.

Zweitens: Auf die teilungsbedingte Sondersituation Thüringens und der anderen jungen Länder ist Rücksicht zu nehmen.

Drittens: Die bis 2019 geltenden Regelungen zum Solidarpakt II und zum Bund-Länder-Finanzausgleich dürfen deshalb nicht zur Disposition stehen.

Zusammengefasst stelle ich fest: Die erste Stufe der Föderalismusreform ist ein guter Kompromiss im Interesse des Bundes und der Länder. Die Vorteile liegen auf der Hand: mehr Bürgernähe und Transparenz, eine stärkere Orientierung an regionalen Besonderheiten, ein offener Wettbewerb um die beste Politik. Der Deutsche Bundestag hat das umfangreiche Gesetzespaket am vergangenen Freitag mit einer Zweidrittelmehrheit verabschiedet. Ich bin zuversichtlich, auch der Bundesrat wird seiner gesamtstaatlichen Verantwortung gerecht werden und diese Schlüsselreform mit den Stimmen Thüringens am kommenden Freitag verabschieden. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Mir liegen Redemeldungen von den Fraktionen der Linkspartei.PDS und der CDU-Fraktion vor. Ich gehe davon aus, dass diese Fraktionen damit auch gleichzeitig die Aussprache zum Sofortbericht wünschen, und eröffne hiermit die Aussprache zu den Nummern 2 und 3 des Antrags der Fraktion der Linkspartei.PDS und den Nummern 1, 2 und 4 des Alternativantrags der Fraktion der CDU und zu den Nummern I. 2 und 3 sowie II des Alternativantrags der Fraktion der SPD. Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem Abgeordneten Bergemann, CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, eines der wichtigsten Projekte des Koalitionsvertrags zwischen CDU/CSU und SPD ist am letzten Freitag im Bundestag mit Zweidrittelmehrheit verabschiedet worden. Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir auch am kommenden Freitag in der Länderkammer diese Zustimmung erreichen werden. Wir haben hier im Parlament in den letzten drei Jahren sehr häufig im Plenum über die Modernisierung bundesstaatlicher Ordnung oder Föderalismusreform gesprochen. Nun haben wir heute einen Antrag „Drohende Kleinstaaterei verhindern - Föderalismusreform korrigieren“ vorliegen. In Berlin ist Freitag die

Entscheidung gefallen. Hier in Thüringen haben wir eigentlich sehr intensiv vor drei Monaten zu diesem Thema gesprochen. Die vierzehntägige Anhörung ist durch, der Bundestag hat zugestimmt. Nun sei es drum, wir werden auch heute noch einmal über dieses Thema sprechen. Ich nehme es gleich vorweg, wenn man heute in einer Thüringer Tageszeitung gelesen hat, dass die PDS der Landesregierung noch ein Votum für Freitag in die Länderkammer mit auf den Weg geben will, dieses Votum Ihres Antrags kann es natürlich nicht sein, denn ich sage es schon hier einmal, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden Ihren Antrag ablehnen, denn

(Beifall bei der CDU)

Ihr Antrag birgt nicht das, was der Koalitionsvertrag ausgehandelt hat und was unsere Position ist.

(Zwischenruf Abg. Hauboldt, Die Links- partei.PDS: Das haben wir nicht anders erwartet.)

Auch aus folgendem Grund: Sie greifen immer ein paar wenige Punkte heraus und das läuft alles ein bisschen auf den Zentralstaat, Zentralismus hin, das ist Ihre große Linie auch im 16. Jahr der deutschen Einheit. Wir setzen nicht auf mehr Zentralismus, im Gegenteil, wir setzen auf einen gesunden und einen fairen Wettbewerbsföderalismus, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Wir wissen doch alle ganz genau, dass sich insbesondere im europäischen und auch im globalen Rahmen die Bundesrepublik dramatisch verändert hat. Wir stehen in Deutschland oder Thüringen nicht allein da, sondern wir stehen in einem weltweiten Wettbewerb. Das ist inhaltlich ziemlich deutlich geworden, wenn man sich die Mühe macht und noch einmal die Debatte vom 31. März dieses Jahres hier im Hause nachliest, da ist sehr intensiv auch unsere Position vertreten. Nun ist es so, wie es ist. Vor eineinhalb Jahren etwa - es war im Dezember 2004 - sind die Herren Stoiber und Müntefering mit ihrem Papier nicht zum Erfolg gekommen. Jetzt hat am Freitag im Bundestag die große Koalition gezeigt, dass doch Politik noch etwas bewegen kann. Das darf man sicher an der Stelle auch mal sagen, denn in dieser Koalitionsvereinbarung kam deutlich zum Ausdruck, dass beide gewillt waren, dieses Thema - eines der wichtigsten Themen seit Jahrzehnten - voranzubringen. Ich bin davon überzeugt, dass in dieser Reform die Zwänge, die das Grundgesetz dem Bundesstaat auferlegt hat, an entscheidenden Stellen gelockert werden, natürlich auf der einen Seite beim Bund, aber auch bei den Ländern wird es mehr Handlungsspielraum geben. Sie wissen, dass

seit der Gründung der Bundesrepublik natürlich die Länder zuerst ihre Eigenständigkeit erreicht hatten, und daher besitzen sie auch gemäß Artikel 30 Grundgesetz grundsätzlich alle staatlichen Befugnisse. Die Erfüllung staatlicher Aufgaben ist daher auch zuerst allerdings Aufgabe der Länder.

Zweitens besitzen die Länder nach Artikel 70 Grundgesetz auch eine umfassende Gesetzgebungskompetenz. Dass das nicht immer so ist und war, weiß jeder. Die zustimmungspflichtigen Bundesgesetze in der Länderkammer von fast 60 Prozent zeigen, dieses Verhältnis muss sich auflösen. Und dass die Reform überfällig war, ist klar. Wenn auch DIE LINKE. am Freitag im Deutschen Bundestag noch mal versucht hat, dieses Reformpaket an die Ausschüsse zurückzuüberweisen, so glaube ich doch, wir haben eine Verantwortung, denn alle hier im Haus und auch die Menschen, die auch in der Kommunalpolitik zu Hause sind, haben immer gefragt, warum so lange Entscheidungswege, warum Blockaden in der Politik oder das Einkaufen von Ländern in der Kammer - alles Beispiele, die man hinterlegen kann. Für die Bürgerinnen und Bürger war nicht mehr erkennbar, wer entscheidet was, wer ist wofür verantwortlich und warum dauert es eigentlich so lange?

Weil ich gerade dabei bin, meine sehr geehrten Damen und Herren von der PDS, wenn man mal am Freitag ein Stück diese Debatte verfolgt hat, dort hat unser ehemaliger Kollege Ramelow das Wort zweimal ergriffen. Es war schon erstaunlich, geantwortet haben ihm dann Herr Kröning und Herr Stünker von der SPD-Fraktion. Herr Kröning hat gesagt: „Nun mal zu dem Lautsprecher Herrn Ramelow - Herr Ramelow, bei den entscheidenden Sitzungen, als es um die Themen ging im Rechtsausschuss, sind Sie einmal dagewesen, haben ein Statement abgegeben und dann wurden Sie nicht mehr gesehen. In der Abschlussberatung des Rechtsausschusses, die über zweieinhalb Stunden ging, war es das Gleiche.“ Es ist das, was wir auch in den Ausschüssen bei uns erleben, Fragenkataloge von oben bis unten. Jede Menge Fragen werden gestellt, aber es gibt anhand dieser Fragen nicht einen einzigen konkreten Vorschlag - da haben wir das Problem -, wie das insgesamt zu lösen ist. Da kann man sich immer einzelne Punkte herausgreifen. Das geht uns hier genauso. Das ist die Realität, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Natürlich ist klar, da, wo Licht ist, ist auch immer ein Stück Schatten. Das ist ein Kompromiss, das wissen wir. Da müssen einzelne Fragen natürlich zurückstehen und daran darf ein solches Projekt nicht scheitern. Der Kompromiss gefällt nicht jedem, weil er auch einen so großen Bereich umfasst. Aber ich glaube schon, dass am Freitag die sehr gut er

reichte Zweitdrittelmehrheit genau gewusst hat, worauf es ankommt. Minister Wucherpfennig hat ja vorhin ziemlich eindeutig - noch mal auch nachzulesen vor drei Monaten - die Position der Landesregierung klar gemacht. Er hat zu den Punkten 2 und 3 Ihres Antrags sich klar positioniert. In dieser Form gab es ja auch einen Antrag der SPD-Fraktion im März, wo wir detailliert auf all diese Probleme eingegangen sind. Punkt 2 Ihres Antrags, das verstehe ich nicht ganz, weil Sie auch hier wieder, was Sie natürlich schon immer in den letzten Jahren getan haben, annehmen, dass nach der Expertenanhörung durch die Föderalismusreform im Ergebnis die Lebensverhältnisse unterlaufen werden, Grundrechte sollen eingeschränkt werden und die Qualitätsstandards sollen abgebaut werden. Warum das so sein soll, zum heutigen Tag das festzustellen, bleibt wahrscheinlich Ihr eigenes Geheimnis, denn Gleichwertigkeit bedeutet tatsächlich nicht Gleichmacherei. Was Gleichmacherei bedeutet, das haben wir jahrzehntelang hier erlebt

(Beifall bei der CDU)

in der ehemaligen DDR. Das wissen Sie ganz genau. Auch heute hat und wird es regionale Unterschiede geben. Es hat ein Nord-Süd-Gefälle schon immer gegeben. Das liegt doch aber bei weitem nicht daran, dass jetzt die bundesstaatliche Reform durchgezogen wird. Das ist doch nicht der Punkt, sondern wir wissen genau, wir werden in Zukunft auch als Landesgesetzgeber, wenn wir mehr Rechte haben, die so nutzen, dass wir natürlich auch verantwortungsvoll damit umgehen. Ganz klar, der Strafvollzug war in der Diskussion oder auch die ganze Frage Ladenschluss, was uns jetzt die Gelegenheit gibt, schneller zu reagieren.

(Beifall bei der CDU)

Wer hat das vor der Fußballweltmeisterschaft miterlebt, diesen Streit und die Bedenken, die hinten dranhängen, dürfen wir das, dürfen wir das nicht. Also das sind genau die Punkte, die uns bisher immer an vielen Stellen gehindert haben. Ministerpräsident Althaus hat auch sehr intensiv in dieser Plenarsitzung - die 37. war es, glaube ich - noch einmal darauf hingewiesen, dass die Landesregierung natürlich manchen Punkt gern anders geregelt gesehen hätte, wo es um die Zuständigkeit beim Strafvollzug ging, aber auch um Fragen der Laufbahn, des Besoldungs- und des Versorgungsrechts bei Landesbeamten. Aber es ist immer darauf hingewiesen worden, auch an dem Punkt gerade, wie schwierig möglicherweise der Wettbewerb zwischen armen und reichen Ländern um qualifizierte Bewerber sein wird. Ich erinnere mich an eine dieser Debatten, in der ich hier von dieser Stelle schon einmal erklärt habe, Thüringen wollte gern in dieser Arbeitsgruppe

intensiv mitarbeiten. Da gab es ein ganz klares abweichendes Votum dazu. Es ist uns nicht gelungen, in dieser Arbeitsgruppe mitzutun, weil natürlich andere Länder das Problem entweder zu spät erkannt oder es anders gesehen haben. Da, denke ich, muss man vielleicht doch einmal ein Wort dazu verlieren bezüglich der Anhörung.

Herr Minister hat ja vorhin ziemlich deutlich gemacht, in welchen Bereichen und worüber gesprochen worden ist. Wir haben im letzten Justizausschuss auch einen Antrag zu diesem Thema eingebracht, worüber wir sehr lange und intensiv uns ausgetauscht haben. Dass man da auch manche Enttäuschung hinnehmen muss, ist völlig klar, und auch dass da nicht alles so gelaufen ist - selbst die über 100 Experten, die ja Kritiken angemeldet haben, die Bedenken und Hinweise gegeben haben -, das ist richtig. Aber sie haben unisono unterem Strich Ja gesagt zu dieser Reform. Durch diese Anhörungen hat es im Grundsatz tatsächlich keine anderen Erkenntnisse gegeben als in den letzten drei Jahren, wenn man es aufmerksam verfolgt hat. Die Kritikpunkte oder die schwierigen Fälle sind genau die gewesen, die sich auch in dieser Anhörung widergespiegelt haben. Dann wird immer beklagt, man konnte da nicht teilhaben und nicht mitmachen. Ich finde, Sie haben schon im Vorfeld dieser Anhörung auf den Internetseiten nachlesen können, was jeder Sachverständige dort sagt, welche Widersprüche oder Meinungen er dazu hat, es war in der Öffentlichkeit ziemlich deutlich und ziemlich klar nachzuvollziehen.

Noch einmal zu der Kleinstaaterei, weil ja immer der Eindruck erweckt wird, jetzt wird es an jeder Stelle 16 Länderrechte geben. Ich glaube nicht, dass alle, auch wir, die wir hier im Saal gemeinsam sitzen, wenn wir den Gestaltungsspielraum haben, nicht verantwortungsvoll damit umgehen werden. Wir haben bisher mit den Länderkollegen geredet, die Regierung hat mit Regierungen geredet, die Fachminister in ihren Fachministerkonferenzen haben miteinander Kontakte und geredet. Ich glaube schon, davon kann man ausgehen, dass man da auch verantwortungsbewusst in den Punkten miteinander zu einem Ziel kommen wird und nicht 16 detaillierte Regelungen da sind, die man so zersplittert dann sehen kann. Sie wollen ja auch ein positives Signal mitgeben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dann würde ich schon sagen, dass - wenn Sie das tun wollen - Sie unserem Alternativantrag zustimmen, denn der unterstützt die Reform, bietet aber vor allem auch die Gelegenheit, in Zukunft in den Ausschüssen oder auch hier im Plenum mit der Landesregierung über eventuelle Aufgabenverlagerungen und auch ihre Gestaltungsmöglichkeiten in die Diskussion zu kommen und in diesen einzelnen Punkten darüber zu

streiten und nach den besten Lösungen zu suchen.

Ein zweiter wichtiger Punkt, der auch angesprochen worden ist, der natürlich die Folge dieser ersten Föderalismusreform ist, ist nun die zweite Phase, die Reform der Finanzverfassung. Die muss mit Ruhe und Besonnenheit angegangen werden, aber sie muss kommen, damit auch klar ist, wer die Musik bestellt, bezahlt - völlig klar. Die Interessen Thüringens und der anderen Länder sind dabei auch genau zu bedenken. Das darf ich vielleicht an der Stelle noch einmal sagen. Ja, das heißt natürlich schon, dass die bis 2019 geltende Regelung zum Solidarpakt, die Bund-Länder-Finanzausgleichsproblematik dabei überhaupt nicht zur Disposition stehen darf.

(Zwischenruf Abg. Dr. Scheringer-Wright, Die Linkspartei.PDS: Da warten Sie ein- mal ab bei den Bayern.)

Das werden wir natürlich, dafür gibt es ja die Länderkammer, Frau Kollegin Scheringer, und auch die Ministerpräsidenten haben sich dazu bekannt. Es ist ja nicht so, dass man dort von vornherein völlig andere Wege geht. Das wird schwer. Das ist doch völlig klar, dass der Verteilungskampf größer wird. Aber trotzdem bin ich der Meinung, dieser Schritt muss kommen, sonst macht ja die Reform dann auf lange Sicht auch keinen Sinn.

(Beifall bei der CDU)

Man darf an der Stelle vielleicht noch einmal erwähnen, dass die finanzpolitischen Sprecher der CDU-Landtagsfraktionen ein sehr gutes Papier erstellt haben.