Protokoll der Sitzung vom 13.07.2006

Also was ist die Aufgabe für uns? Bei aller Situation, die vor uns steht, ist mit den Trägern, die für den ÖPNV verantwortlich sind, auch den genannten einzubinden. Die Vernetzung, die wir bisher hatten, und die Abtaktung sind nicht mehr genügend. Die Dinge sind uns aus der Hand geglitten. Das heißt für mich ganz konkret - und die Initiative ist ja durch den Staatssekretär und durch den Minister aufgegriffen worden -, mit allen, die Verantwortung tragen, zu reden, sie aufzufordern, Vorschläge zu machen und die Vorschläge in ein gemeinsames Konzept einzubauen. In erster Linie ist jeder Träger für seine konzeptionelle Arbeit zuständig. Am Ende muss auch jeder die Anteile zahlen. Ich denke, wenn wir so herangehen, haben wir Reserven gehoben -

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

danke -, haben wir Reserven, diese Dinge zu erschließen und zu kompensieren. Wie es in den nächsten Jahren weitergeht, können wir heute nicht beantworten. Ich hoffe nur, dass die Dynamisierung fortgesetzt wird.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat der Abgeordnete Gerstenberger, Die Linkspartei.PDS.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, man hat sich geeinigt, wie mein Kollege Benno Lemke hier schon dargestellt hat, weniger Regionalisierungsmittel für die einzelnen Bundesländer bereitzustellen. Das bedeutet also für Thüringen bis 2009 nahezu 72 Mio. € an Regionalisierungsmitteln weniger. Das heißt, wir müssen vor dem Hintergrund steigender Spritpreise, steigender Gaskosten, steigender Stromkosten mit wesentlich weniger Geld als bisher den öffentlichen Personennahverkehr in Thüringen organisieren. Herr Lemke hat darauf verwiesen, dass die Streichung der Mittel allein im öffentlichen schienenbezogenen Personennahverkehr dazu führen würde, dass 2,2 Mio. Fahrkilometer weniger bestellt werden könnten. Das bedeutet Streckenausdünnung und Streckenstilllegung und das Gleiche gilt für den ÖPNV. Wenn dann von Ministeriumsseite laut OTZ vom 8. Juli festgestellt wird, dass nicht mehr jeder Ortsteil und jeder Ort über den öffentlichen Personennahverkehr angefahren werden soll und angefahren werden kann, macht das die geplante Entwicklung deutlich. Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen, Gleichwertigkeit in den Wohnumfeldern, das dürfte dann ein Märchen für die Zukunft sein, was von Landesregierungsseite von Anfang an nicht gewollt wird, wenn man diesen Weg beschreitet. Es ist halt einfacher, meine Damen und Herren, einer solchen Mittelreduzierung auf Bundesebene zuzustimmen, aber man muss auch bereit sein, Herr Minister, in Thüringen die Konsequenzen, die sich daraus ergeben, zu tragen. Ich glaube, das wird schon bedeutend schwieriger.

Wenn das Ministerium fordert, dass man einen fairen Kompromiss aufstellen möge, bei dem jeder seinen Beitrag leistet, dann heißt das für mich auch, Herr Minister, darüber zu reden, welche Änderungen im ÖPNV-Gesetz des Freistaats Thüringen notwendig sind, um über dieses Gesetz zu regeln, in welcher Höhe sich das Land am Ausgleich der Mittelreduzierungen beteiligt. Man kann nicht auf der einen Seite die Forderung gegenüber den Nahverkehrsbetrieben aufmachen und auf der anderen Seite gleichzeitig sagen, aber das Land, meine Damen und Herren, ist nicht dabei. Das ist kein fairer Umgang und dazu erwarten wir als Linkspartei.PDS eine klare Position der Landesregierung, dass eine Beteiligung des Landes am Ausgleich der Reduzierung, der Kürzungen ab 2007 erfolgt.

Gleichzeitig stehen noch andere Fragen mit auf dem Prüfstand. Es geht auch um Glaubwürdigkeit politischer Arbeit und um Schwerpunktsetzungen. In dem Zusammenhang möchte ich auf Folgendes verweisen: In Thüringen existiert eine InnoRegio-Region, ein InnoRegio-Projekt „barrierefreie Modellregion“ im

Verbund Naturpark Thüringer Wald e.V. und dort soll modellhaft entwickelt werden, wie in einer Region mit Behinderten und durch Behinderte Attraktivität hergestellt werden kann, wie Urlaub gestaltet werden kann und die Region insgesamt erlebbarer wird. Eine gute, eine kluge Idee und im Rahmen ihrer Umsetzung sind bereits viele positive Entwicklungen in der Region angestoßen worden. Nichtsdestotrotz, meine Damen und Herren, erlässt das Thüringer Landesverwaltungsamt eben für die Partner in dieser Modellregion im Verkehrsbereich Bescheide, in denen ihnen mitgeteilt wird, dass die Zuschüsse laut Gesetz zur Rehabilitation und Teilnahme behinderter Menschen von Landesseite innerhalb von zwei Jahren um nahezu 30 Prozent gekürzt werden, und das teilweise rückwirkend zum vergangenen Jahr. Das heißt, was wir auf der einen Seite aufbauen, reißen wir auf der anderen Seite aus rein fiskalischen Überlegungen sofort wieder ein. Das heißt aber auch, dass wir auf der einen Seite mit besonderem Mitteleinsatz daran arbeiten, für Behinderte in der Region attraktive Angebote zu entwickeln, und auf der anderen Seite werden die Mittel für eben diesen Zweck den Unternehmen wieder entzogen, und das sogar rückwirkend. In Unternehmen, die teilweise sogar den Jahresabschluss für das vergangene Jahr schon fertig hatten, kommen dann die Bescheide, in denen man ihnen sagt, aber vom letzten Jahr habt ihr Geld zurückzuzahlen, und das nicht nur bei den Behindertenleistungen, das findet auch statt, Herr Minister, bei den ÖPNV-Leistungen. Das heißt, das Land lebt auf Pump bei seinen Verkehrsunternehmen und das halte ich für einen mehr als bedenklichen Zustand. Wir brauchen deshalb, um die Verunsicherung, die dadurch in den Verkehrsunternehmen entsteht und die durch die Mittelreduzierung letztendlich auch entstanden ist, zu beseitigen, im Freistaat eine klare Aussage, wer von den Streichungen betroffen ist.

Abgeordneter Gerstenberger, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Frau Präsidentin, ich bin beim letzten Satz. Wir brauchen jetzt diese klare Aussage, wer von den Streichungen betroffen ist und welche Ausgleichsleistungen von Landesseite für die Unternehmen bereitgestellt werden und wie korrigiert wird. Und wir brauchen eine klare Aussage, Herr Minister, wie im Frühherbst das ÖPNV-Gesetz durch Ihr Haus geändert wird unter Beibehaltung der Angebotsorientierung, und nichts anderes.

Abgeordneter Gerstenberger, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Danke schön.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Wer wünscht weiterhin das Wort? Herr Minister Trautvetter, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Ausgangslage ist bekannt, das Haushaltsbegleitgesetz ist verabschiedet, nun kann man sich trefflich darüber streiten, sind die angekündigten 500 Mio. ein kleiner Erfolg oder ein großer Erfolg - ein Erfolg ist es allemal.

(Zwischenruf Abg. Lemke, Die Linkspar- tei.PDS: Wo steht das denn? Das ist nichts weiter als eine Ansage, die keinen Wert hat.)

Ja, entschuldigen Sie mal, Herr Lemke. Horchen Sie doch mal zu.

(Glocke der Präsidentin)

Sie können doch nicht von mir eine Aussage verlangen - bin ich doch gar nicht befugt dazu -, wann der Bundesgesetzgeber,

(Zwischenruf Abg. Lemke, Die Linkspar- tei.PDS: Alle wissen es.)

Bundesregierung und Bundestag gesetzlich aktiv werden.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Abgeordneter Lemke, es sind keine Zwischenfragen zulässig.

Natürlich sind das Ankündigungen. Es ist auch angekündigt, dass das Gesetz kommen wird. Aber bewerten wir doch nicht etwas schon im Vorfeld negativ, bevor wir überhaupt wissen, wie es schriftlich notiert

ist und dann in der Öffentlichkeit dargestellt worden ist. Ein Teilerfolg ist es allemal. Wir hätten uns mehr gewünscht, gebe ich gerne zu. Herr Lemke, ich verstehe auch eine Sache nicht, warum Sie immer von Zweckentfremdung der Mittel reden.

(Zwischenruf Abg. Lemke, Die Linkspar- tei.PDS: Das mache ich nicht.)

(Glocke der Präsidentin)

Ja, aber stoßen Sie doch bitte nicht in dieses unlautere Horn ständig mit hinein. Als das Gesetz beschlossen worden ist 1996, sind 1997 gerade wegen der Verknüpfung Schienennahverkehr und Straßennahverkehr die Regionalisierungsmittel um 1,7 Mrd. € GVFG-Mittel aufgestockt worden - um 1,7 Mrd. €. Mehr als 20 Prozent der Regionalisierungsmittel stammen überhaupt nicht aus Bundesmitteln, die dem Schienennahverkehr zuzuordnen sind, sondern stammen aus den den Ländern und den Kommunen zustehenden GVFG-Mitteln, gerade wegen der Verknüpfung des Schienenpersonennahverkehrs und des Straßenpersonennahverkehrs.

(Zwischenruf Abg. Wetzel, CDU: Die wir aber alle wollten.)

Wir haben doch eine Menge erreicht in Thüringen. Wir haben das Ganze sinnvoll und wirkungsvoll umgesetzt. Es ist genannt worden ein integraler Taktfahrplan mit dem Schwerpunkt Vertaktung und Verknüpfung der einzelnen Linien. Die Ergebnisse können sich sehen lassen. Sicherlich können wir uns auf den Lorbeeren nicht ausruhen. Die Sparentscheidungen des Bundes zwingen uns zum Umdenken. Es ist ja richtigerweise gesagt worden, dass wir das im Jahre 2006 ohne Probleme hinbekommen. Die 4 Mio., die einzusparen sind durch Wegfall der Dynamisierung und auch durch zurückfließende Mittel, durch Verspätungen und Ähnliches, können nahezu vollständig kompensiert werden. Über die 22 Mio. weniger Mittel nächstes Jahr muss man intensiv nachdenken.

Auch eines verstehe ich bei der Linkspartei.PDS überhaupt nicht mehr, warum ihr so konzernfreundlich für die DB AG seid?

(Zwischenruf Abg. Lemke, Die Linkspar- tei.PDS: Sie haben doch den Vertrag mit der DB gemacht, doch nicht wir.)

Sie kennen doch das Konzernergebnis, was der Herr Mehdorn verkündet hat. Und Sie wissen, dass 50 Prozent des Konzernergebnisses aus dem Ertrag DB Regio kommt. Wenn jetzt gekürzt wird, ist es denn wirklich Aufgabe dessen, der die Verträge macht, ist es wirklich Aufgabe von uns, aus Steuer

mitteln ein solches Entgelt zu bezahlen, was dann sofort über die Konzernumlage in das Konzernergebnis hineinfließt, oder sollte man nicht auch mal über andere Vorschläge nachdenken, eventuell 50 Cent des Entgelts zu kürzen? Das würde ungefähr schon 50 Prozent des Einsparvolumens ausmachen. Nein, Sie reden sofort vom ersten Tag an, es müssen 2,2 Mio. Zugkilometer abbestellt werden. Woher nehmen Sie denn die Erkenntnis?

(Zwischenruf Abg. Wolf, Die Linkspar- tei.PDS: Weil wir rechnen können.)

Aber woher nehmen Sie denn die Erkenntnis, dass das der einzige Vorschlag ist, mit den Kürzungen der Regionalisierungsmittel umzugehen?

(Glocke der Präsidentin)

Ich bitte um Ruhe, Herr Lemke.

Deswegen lassen wir uns etwas Zeit. Wir haben am 4. Juli 2006 mit den Geschäftsführern der Thüringer Eisenbahnunternehmen, mit Vertretern des Landkreistages, des Gemeinde- und Städtebundes ein erstes Sondierungsgespräch über die weitere Gestaltung des Schienenpersonennahverkehrs durchgeführt. Wir erwarten bis Ende der Sommerpause, Anfang September, die Vorschläge aller Beteiligten an diesem Gespräch. Wir werden danach in ein zweites Gespräch einsteigen. Wir werden uns für die nötige Diskussion zu den Vorschlägen angemessene Zeit nehmen und dann versuchen, dass wir im Herbst mit einem einvernehmlichen Vorschlag aus den Gesprächen herausgehen, um einen anspruchsvollen, einen hoch effektiven, verknüpften ÖPNV auf der Schiene und auf der Straße insgesamt in Zukunft umzusetzen.

Ich sage Ihnen auch ganz ehrlich, wir haben Effektivitätspotenziale, das wissen Sie auch. Ich sage ganz deutlich, wenn zwischen Gotha und Friedrichroda drei subventionierte Nahverkehrssysteme fahren, die Firma Steinbrück mit dem Bus, die Thüringer Waldbahn und DB Regio über Fröttstedt, da müssen Sie mir sagen, ob es wirklich sinnvoll ist, auf dieser Strecke drei subventionierte Nahverkehrssysteme fahren zu lassen, oder ob man nicht Synergieeffekte zwischen diesen drei Systemen erreichen kann, ohne die Qualität der Leistung einzuschränken. Das ist unsere Aufgabe in den nächsten Wochen und Monaten, nicht über Einsparungen und Kürzungen in den Leistungen nachzudenken, sondern über Effektivitätspotenziale, über Synergieeffekte, damit wir für die Bürger einen qualitätshochwertigen Nahverkehr auch

in Zukunft gewährleisten. Viel wichtiger wäre für uns, dass wir planbare Aussagen bekommen, dass der Bund sich entscheidet, nicht nur in Legislaturperioden zu denken, sondern dass der Bund eine klare Entscheidung trifft, wie sehen die Regionalisierungsmittel für die nächsten 10, 15 Jahre aus, damit man investieren kann und damit über langfristige Verträge die Investitionen der entsprechenden Unternehmen auch refinanzierbar sind.

Das Wort hat Abgeordneter Lemke, Linkspartei.PDS.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, der Minister mit seinen Ausführungen hat mich doch noch einmal hier nach vorn getrieben.

(Zwischenruf Trautvetter, Minister für Bau und Verkehr: Das muss ja nicht sein.)

Doch, doch, das tun Sie schon. Was werfen Sie uns vor? Sie wollen von uns hören, welche der drei Möglichkeiten eingespart werden sollen. Nein, Sie müssen uns sagen, was Sie nicht mehr wollen. So herum läuft das hier in dem Land.

(Zwischenruf Trautvetter, Minister für Bau und Verkehr: Das werde ich auch ma- chen.)

Wollen Sie die Thüringer Waldbahn nicht mehr, dann müssen Sie es sagen, dass Sie eine touristische Attraktivität hier in Thüringen nicht mehr wollen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Wenn Sie von Parallelverkehr auf der Strecke reden, dann sollten Sie sich einmal in Ihrem Haus erklären lassen, was Parallelverkehr ist. Ganze 2 km auf der ganzen Strecke kann man als Parallelverkehr betrachten - nur so viel dazu. Es gibt diesen Parallelverkehr da gar nicht.

Herr Minister, hören Sie doch einmal auf mit der Mär, immer davon zu erzählen, die Aufgabenträger sind selber Schuld. Die Verträge mit den Aufgabenträgern im Schienenpersonennahverkehr hat Ihr Haus abgeschlossen. Und wenn Sie die DB Regio mit einem Zehnjahresvertrag ausstatten, dann wundern Sie sich doch nicht, wenn Sie dann an die Konditionen gebunden sind, und erzählen Sie hier doch mal bitte Wahrheiten.