Protokoll der Sitzung vom 13.07.2006

Herr Minister, hören Sie doch einmal auf mit der Mär, immer davon zu erzählen, die Aufgabenträger sind selber Schuld. Die Verträge mit den Aufgabenträgern im Schienenpersonennahverkehr hat Ihr Haus abgeschlossen. Und wenn Sie die DB Regio mit einem Zehnjahresvertrag ausstatten, dann wundern Sie sich doch nicht, wenn Sie dann an die Konditionen gebunden sind, und erzählen Sie hier doch mal bitte Wahrheiten.

(Zwischenruf Trautvetter, Minister für Bau und Verkehr: Ich bin doch nicht gebun- den, entschuldigen Sie mal bitte.)

In den Verträgen, die Sie ausgehandelt haben, steht drin: Kommt die Dynamisierung nicht, ist das kein Problem. Aber gleichzeitig steht drin, dass die Aufgabenträger ein Recht haben auf den Ausgleich von Inflation. Bitte schön, wie wollen Sie denn das regulieren? Jetzt müssen Sie, weil Sie das nicht mehr leisten können aufgrund weniger Mittel, mit denen neue Verträge aushandeln. Da bin ich mal gespannt, was dabei herauskommt.

(Zwischenruf Trautvetter, Minister für Bau und Verkehr: Da kommt etwas Gutes heraus.)

Aber sagen Sie doch nicht immer, es ist alles gut, wir haben alles geregelt. Sie haben gar nichts geregelt; nichts ist geregelt in diesem Land in Bezug auf Nahverkehr. Sie machen Verträge, die Sie selber knebeln, und werfen es dann denen vor, die dieses natürlich gern gemacht haben und dankbar angenommen haben. Natürlich will ich lieber einen ZehnJahres-Vertrag als DB Regio, das ist gut und bringt Planungssicherheit. Sie stellen sich hier hin und beschimpfen die DB. Aber Ihr Haus hat diesen Vertrag geschlossen. Vielen Dank.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Bitte, Herr Minister Trautvetter.

Herr Lemke, ich kann nicht erkennen, dass Verträge für den Schienenpersonennahverkehr mit DB Regio, die es der DB Regio ermöglichen, dreistellige Millionensummen in den Konzerngewinn abzuführen, Knebelverträge sind. Da kann DB Regio mit den Entgelten aber hervorragend und sehr gut leben. Es ist nicht Aufgabe, Haushaltsmittel des Bundes und der Länder in ein Verkehrssystem hineinzugeben, was dann in einem zukünftig börsennotierten Unternehmen an der Börse über den Konzerngewinn an die Kapitaleigner ausgeschüttet wird. Das kann doch wirklich nicht Aufgabe des Haushaltsgesetzgebers sein, so etwas in Zukunft so zu gestalten.

(Zwischenruf Abg. Lemke, Die Linkspar- tei.PDS: Ja, dann machen Sie es.)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich beende die Aktuelle Stunde und rufe auf den Tagesordnungspunkt 7

Ehrenamtliche Richter und Schöffen in Thüringen Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 4/2008 -

Wünscht die Fraktion der CDU das Wort zur Begründung? Das ist nicht der Fall. Dann erstattet für die Landesregierung Minister Schliemann den Sofortbericht. Bitte, Herr Minister Schliemann.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, gelegentlich ist ein Minister für eine Anfrage natürlich auch einmal dankbar, besonders aus der sozusagen eigenen Fraktion, auch wenn ich ihr nicht angehöre.

(Heiterkeit bei der Linkspartei.PDS)

Richter, ehrenamtliche Richter, Schöffen in Thüringen: Das Ehrenamt, dieses richterliche Ehrenamt, hat bei uns eine so große Bedeutung, dass wir als eines der wenigen Bundesländer dieses Ehrenamt sogar in unsere Verfassung aufgenommen haben. Artikel 86 Abs. 3 beschreibt unmissverständlich: „An der Rechtsprechung wirken Frauen und Männer aus dem Volk mit.“ Mit anderen Worten: Hier in Thüringen erfüllen ehrenamtliche Richter nicht nur Aufträge aus einfachem Recht, meist einfachem Bundesrecht, sondern auch aus der Thüringer Landesverfassung. Die Mitwirkung ehrenamtlicher Richter in der Rechtsprechung hat ganz generell zur Folge, dass die Transparenz gefördert wird und dass ein Stück weit auch - jedenfalls ist das meine Sicht der Dinge - die Akzeptanz der Gesellschaft steigt, juristische Judikate, die nicht immer verständlich sind, doch mit etwas mehr Gelassenheit hinzunehmen. Mit anderen Worten: Ehrenamtliche Richter haben insoweit auch eine gewisse Mittlerrolle, auch wenn ihre Aufgabe nicht darin besteht, die Urteile hinterher zu erläutern - dafür gibt es Schrifttum und anderes.

Aber dieses ehrenamtliche Richteramt ist ein Amt auch mit teilweise sehr hohem Aufwand und nicht nur Aufwand, sondern auch sehr hoher, manchmal seelischer Belastung. Begleiten Sie mal als ehrenamtlicher Richter etwa einen Prozess, bei dem der Anklagevorwurf „Mord“ lautet oder „Kindesmisshandlung“ oder Ähnliches. Auch das tun ehrenamtliche Richter. Deswegen habe ich vor den Damen und Herren, die bei uns ehrenamtlich richterlich tätig sind, ganz großen Respekt. Wie viele sind es bei uns et

wa? 4.060 - das ist eine äußerst hohe Zahl. Gut 2.000 davon sind in der ordentlichen Gerichtsbarkeit, 900 in der Arbeitsgerichtsbarkeit, 600 in der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 500 in der Sozialgerichtsbarkeit und etwa 60 in der Finanzgerichtsbarkeit tätig. Mit anderen Worten, ehrenamtliche Richter gibt es in allen Gerichtsbarkeiten und ihre legislatorische Grundlage beruht auf 18 verschiedenen gesetzlichen Normierungen. Mit anderen Worten, das Amt der ehrenamtlichen Richter ist überhaupt nicht einheitlich, sondern weit gespreizt.

Die Bürgerinnen und Bürger im Freistaat Thüringen haben sich in den letzten Jahren konstant in großer Menge gemeldet, um solch ein Amt antreten zu dürfen. Manchmal waren die Anmeldungen so hoch, dass wir den ein oder anderen auch zurückweisen mussten. Am Anfang hatten wir da Schwierigkeiten, aber diese Anfangsschwierigkeiten sind vorbei. Heute haben wir mehr geeignete Personen als Plätze nötig sind. Die ehrenamtlichen Richter können sich, auch darauf richtet sich die Anfrage, über unterschiedliche Medien und Möglichkeiten darüber informieren, welche Aufgaben hat ein ehrenamtlicher Richter a) generell und b) speziell. Wir geben Broschüren heraus als Thüringer Justizministerium und Informationsblätter, so z.B. über das Schöffenamt in der ordentlichen Justiz oder die ehrenamtlichen Richter in der Verwaltungs-, Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit. Diese Broschüren sind bei den Gerichten erhältlich und natürlich auch bei mir im Haus.

Zudem ist die Presse immer wieder erfreulich aktiv und begleitet die rituellen regelmäßigen Wahlen ehrenamtlicher Richter in erfreulicher Deutlichkeit und Häufigkeit, so zuletzt für die Schöffen in der Wahlzeit vom 1. Januar 2005 bis 31. Dezember für diese Amtsperiode, die wir aufgestellt haben.

Die Informationen über das ehrenamtliche Richteramt werden aber auch in vielen Fällen von vorschlagsberechtigten Einrichtungen, Verbänden, Organisationen selbst vorgenommen. Es gibt auch inzwischen - ein kleines Pflänzlein, aber doch - Eigenorganisationen ehrenamtlicher Richter, die auch schon ein Stück weit Öffentlichkeitsarbeit leisten.

Dreh- und Angelpunkt für die Frage, wie bereitet man ehrenamtliche Richter vor oder gibt es während der Amtszeit Weiterbildungen oder Qualifikationen, ist immer, welches Ehrenamt eines Richters ist hier angesprochen. Die verschiedenen Einsatzgebiete gebieten es auch, unterschiedlich mit diesen Dingen umzugehen.

Bei den Schöffen beispielsweise wird auf deren Lebenserfahrung und ihren von juristischen Fachkenntnissen möglichst unbeeinflussten, wertenden Sachverstand abgestellt. Da verbietet es sich fast von

selbst, die Schöffen über etwa komplexe Regeln des Strafrechts zu unterrichten. Sie sollen sozusagen laienhaft, das ist wichtig, werten.

Andere ehrenamtliche richterliche Tätigkeiten erfordern speziellere Kenntnisse und Fähigkeiten. In der Arbeitsgerichtsbarkeit zum Beispiel sollen die ehrenamtlichen Richter die besondere Berufserfahrung, sei es als Arbeitnehmer, sei es als Arbeitgeber, einbringen, also auch kein Thema für Schulungen, sondern ein Thema, ihren eigenen Erfahrungsschatz einzubringen. Gleichwohl werden alle ehrenamtlichen Richter vorbereitet. So finden zu Beginn der Schöffenperiode an allen Amts- und Landgerichten Einführungsgespräche oder Einführungsveranstaltungen unter Leitung der jeweiligen Vorsitzenden der Kammern oder der Schöffen- oder Jugendschöffengerichte statt. Daneben gibt es dann eine erste Informationsbroschüre über das Schöffenamt. Weiterbildungsangebote von Vereinen, die während der laufenden Wahlperiode eingehen, werden in den Beratungszimmern ausgelegt, sind also leicht zugänglich.

Wieder andere, etwa die ehrenamtlichen Richter in den Kammern für Handelssachen, die ehrenamtlichen Handelsrichter, werden anders angesprochen. Dort gibt es einen Bundesverband der Richter für Handelssachen. Er organisiert regelmäßig Fortbildungsveranstaltungen. In der Finanzgerichtsbarkeit erhalten ehrenamtliche Richter vor Beginn ihrer Tätigkeit eine eintägige Schulung über den Gang des Verfahrens, aber nicht so sehr über das materielle Recht, sondern über die Verfahrensfragen und damit auch über ihre eigene Stellung in dem Verfahren.

In der Arbeits- und Verwaltungsgerichtsbarkeit gibt es neben der schriftlichen Information dann in aller Regel ein Einführungsgespräch über die Rechte und Pflichten eines ehrenamtlichen Richters. Ob und wie ganz genau dann aber die jeweilige Vorbereitung vorgenommen wird, ist nicht Sache des Justizministeriums, sondern das organisieren die Gerichte selbst als eigene Angelegenheit. So hat z.B. der Präsident des Verwaltungsgerichts Gera für die im November letzten Jahres gewählten ehrenamtlichen Richter eine besondere Einführungsveranstaltung durchgeführt, die wiederum großen Zuspruch hatte. Der größte Teil der Einarbeitung ist jedoch die Einarbeitung am Fall. Das heißt, am Fall lernen auch die ehrenamtlichen Richter in der Regel und werden angeleitet vom Vorsitzenden des Spruchkörpers zu diesen Verfahren selbst und dann natürlich ein Stück weit zu materiellem Recht, denn es wird ja materiell-rechtlich entschieden. Wir bieten aus dem Ministerium keine zusätzlichen Schulungsveranstaltungen oder Qualifizierungsmaßnahmen während der Amtszeit an, nur diese einführenden Veranstaltungen. Das hängt, wie gesagt, mit der Art und Weise

des Amtes zusammen. Warum soll man einem Arbeitnehmervertreter, der die Erfahrung aus dem Arbeitsleben einbringen soll, künstlich vermitteln, was Erfahrungen aus dem Arbeitsleben sind, das macht wenig Sinn.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Er will ja kein Jurist werden.)

Er soll kein Jurist sein, er soll seine Erfahrungen einbringen. Er soll prinzipiell der Laienrichter sein. Das ist auch im angloamerikanischen Raum der richtige Ausdruck: Layjudge - Laienrichter.

Die Frage richtet sich dann dahin: Wie werden ehrenamtliche Richter, Schöffen usw. entschädigt? Wie wirkt sich das steuerlich aus? Es gibt eine Entschädigung, und zwar richtet die sich nach dem JVEG vom Mai 2004, das ist das Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz. Dort ist alles zusammengefasst, was wir an Entschädigungsleistungen denn so haben müssen. Da sind zunächst erst einmal die Auslagen, Fahrtkostenersatz, dann gibt es aber auch so eine Art Tagegeld und es gibt dann Ausgleich für Nachteile, etwa bei der Haushaltsführung, aber auch eben eine - in der Regel nur - Teilerstattung etwaigen Verdienstausfalls. Die Ersatzleistung für den Verdienstausfall ist als klassische steuerliche Ersatzleistung steuerpflichtig, während alle anderen Positionen im Rahmen des JVEG steuerfrei bleiben.

Die Frage war dann noch gestellt: Wie schätzen wir die Tätigkeit und Bedeutung der ehrenamtlichen Richter als Landesregierung ein und sehen wir Reformbedarf? Ich sagte anfangs schon, wir schätzen die Arbeit und ich schätze die Arbeit der ehrenamtlichen Richter ganz hoch ein. Man darf nicht vergessen, sie sitzen mit demselben Stimmengewicht und demselben Beratungsgewicht in dem Spruchkörper. Sie sind keine Leichtgewichte. Einem Vorsitzenden Richter, wenn er dann mit zwei Ehrenamtlichen zu tun hat, dem kann es gelegentlich einmal passieren, wenn er nicht aufpasst, dass er dann überstimmt wird. Das kommt schon einmal vor. Aber das sollte nicht daran hindern, darüber nachzudenken, ob es denn andere Dinge gibt, über die man vielleicht auch bedenklich das Haupt wiegen könnte. Da gibt es gelegentlich Zeitungsberichte, da ist dann ein Strafverfahren geplatzt, etwa weil sich ein Schöffe als ungeeignet erwiesen hat, z.B. der Strafprozess um den Flughafenbrand in Düsseldorf, da stellte man nach mehreren Verhandlungstagen dann fest, dass einer der ehrenamtlichen Richter derart alkoholkrank war, dass er schlicht und ergreifend der Verhandlung nicht mehr folgen konnte. Aber das sind nun wirklich Ausreißer. Das, was hier einmal durch die Presse ging, ein Prozess sei geplatzt, weil ehrenamtliche Richter nicht rechtzeitig bestellt waren, das ist eine klassi

sche Fehlinformation. Sie waren rechtzeitig bestellt, es hatte schlicht und ergreifend einen Ausfall gegeben, der nicht von heute auf morgen kompensiert werden konnte. Solche Einzelfälle sind bedauerlich, aber sie sollten nicht den Blick in die Richtung lenken, wir schaffen ehrenamtliche Richter ab. Ganz im Gegenteil, der Vorteil, den die Rechtsprechung dadurch erfährt, wiegt sehr viel größer und einer der nicht ganz gering einzuschätzenden Vorteile aus der Sicht eines langjährigen Berufsrichters, der ich vorher war, ist der Umstand, dass ehrenamtliche Richter an der Entscheidungsfindung mitwirken, sie aber auch die Begründung, bevor sie herausgeht, mitgestalten. Das führt schon dazu, dass in manchem Fall die Verständlichkeit dessen, was an Entscheidungen als Justizprodukt herauskommt, etwas steigt.

Die neue Amtsgerichtstruktur in Thüringen hat sich auf die Bestellung ehrenamtlicher Richter nur geringfügig in der Weise ausgewirkt, dass wir den § 15 der Thüringer Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit geändert haben. Die von der Strukturänderung betroffenen Schöffen wurden jeweils Hilfsschöffen in dem Bezirk, in dem sie am 1. April 2006 ihren Wohnsitz hatten. Damit war diese ganze Geschichte wieder glattgezogen.

Lediglich im Landgerichtsbezirk Mühlhausen war eine Ergänzungswahl von fünf männlichen Jugendhilfsschöffen für die Jugendkammer des Landgerichts notwendig, weil Artern dazugekommen war und sich die ursprünglich vorhandene Zahl ohnehin auf die Hälfte verringert hatte. Ansonsten werden Ergänzungswahlen dann vorgenommen, wenn sie nötig sind, wenn zu viele ehrenamtliche Richter endgültig ausgefallen sind. Das richtet sich dann nach den jeweiligen Verfahrensregeln im Gerichtsverfassungsgesetz. Die Behördenstrukturreform hatte soweit keine Sondertatbestände eröffnet.

Meine Damen und Herren, das ist in aller Knappheit der Bericht über die ehrenamtlichen Richter. Es gibt noch vielmehr Details, aber dann hätten wir eine Vorlesung und keine Anfrage zu beantworten. Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Mir liegen Redemeldungen der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU vor. Ich gehe davon aus, dass Sie die Aussprache zum Sofortbericht wünschen. Damit erteile ich das Wort dem Abgeordneten Höhn, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will mich bemühen, der vom Minister an den Tag gelegten Knappheit entsprechend Rechnung zu tragen in meiner kurzen Erwiderung auf Ihren Bericht. Ich möchte mich zunächst erst einmal ganz ausdrücklich dem Lob und dem Dank an sämtliche ehrenamtliche Richter und Schöffen, die in Thüringen ihren Dienst an der Gesellschaft tun, anschließen.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Das haben Sie verdient. Wir alle wissen, dass gerade dieses Ehrenamt wohl ziemlich zu den schwierigsten gehört, das in Deutschland an Ehrenämtern zu verteilen ist. Es ist sehr zeitintensiv und es erfordert eine ganze Reihe von persönlichen Voraussetzungen.

Neben den formalen, verfassungsgemäßen oder verfassungsbedingten Voraussetzungen, die jeder Bürger für ein solches Amt mitbringen muss, sind auch solche Eigenschaften gefragt, die nicht gesetzlich geregelt werden können wie z.B. Menschenkenntnis, Einfühlungsvermögen. Die vom Minister angesprochene berufliche Erfahrung spielt eine große Rolle und - das sage ich mal ganz frank und frei - logisches Denkvermögen und eine gewisse Intuition sind auch nicht von Schaden und vor allem - und das ist wohl mit das schwierigste bei der Beurteilung von Fällen - eine gewisse Vorurteilsfreiheit. Das ist nicht immer leicht, gerade wenn man bedenkt, dass bei bestimmten Prozessen die Frage der Emotionalität doch eine sehr große Rolle spielt.

Was allerdings feststellbar ist in den letzten Jahren, und das sage ich auch als Vertreter diverser kommunaler Vertretungen, die Suche nach geeigneten Kandidatinnen und Kandidaten als ehrenamtliche Richter und Schöffen gestaltet sich zunehmend schwieriger. Nach meiner Ansicht, Herr Minister, und darüber sollten wir durchaus möglicherweise auch im Ausschuss mal diskutieren, liegt das auch, nicht nur, aber auch in dem recht komplizierten Findungs- oder Auswahlverfahren begründet. Wenn ich da an die Schöffen- und Richterwahl 2004 denke, da mussten einige Kommunalparlamente doch mehrere Anläufe vornehmen, um die entsprechenden Kandidaten aufzustellen. Ich weiß, es gibt für die nächste Wahl 2009, was das Verfahren betrifft, leichte Veränderungen. Wie gesagt, ich denke, wir sollten hier durchaus darüber nachdenken, ob wir vorsichtig an der Rechtslage etwas ändern, um diese Aufstellung oder speziell die Erstellung der Vorschlagslisten für die Wahlen doch etwas einfacher zu gestalten.

Lassen Sie mich schließen mit der Erinnerung an die Verantwortung von uns allen, d.h. der Parteien, Kirchen, Gewerkschaften, aber auch Vereine dafür, dass für dieses Ehrenamt Richter und Schöffen sich auch immer genügend Bürgerinnen und Bürger bereit erklären. Da stehen wir alle in der Verantwortung. Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat der Abgeordnete Blechschmidt, Die Linkspartei.PDS.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Kollegen, sehr geehrter Herr Minister, ich hatte auch sofort den Eindruck, als ich den Antrag sah - der ist sehr ministeriums- bzw. ministerfreundlich. Ich weiß nicht, ob man den Eindruck hatte, dass Sie noch mal wieder reden dürfen oder müssen. Ich nehme an, wir sind uns auch dahin gehend einig, dass wir das nicht so weit treiben wollen, dass Sie sich dann eines Tages über unsere Anträge freuen, wie gut sie doch sind. Wir wollen lieber in diesem Verhältnis bleiben. Wir kritisieren an der einen oder anderen Stelle etwas.

Die Amtszeit der derzeit tätigen Schöffen läuft am 31.12.2008 ab. Nun könnte man sagen: Es ist noch lange hin. Vergegenwärtigt man sich aber die - und da haben wir einen anderen Blickwinkel - Schwierigkeiten, die doch unseres Erachtens nach 2004 offensichtlich gewesen sind, Schöffen zu finden, ist es schon richtig, hier diese Fragen zu stellen und sich mit diesem Thema zu befassen. Im Januar 2004 erfolgte der erste Presseaufruf des Ministeriums. Danach folgten Mitte Mai und Mitte Juli 2004 weitere Pressemitteilungen mit der - ich würde es mal so beschreiben - heftig werbenden Bitte an Bürgerinnen und Bürger, sich für ein Schöffenamt zur Verfügung zu stellen. Obwohl die Pressemitteilung im Juli 2004 von einer bisher erfreulicher Resonanz spricht, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, auch in diesem Bereich lässt die Motivation von Bürgerinnen und Bürgern nach, sich ehrenamtlich zu engagieren. Der Zeittrend zeigt das Ausmaß des Bürgerdesinteresses und die Bürgerresignation nimmt zu, angefangen bei der sinkenden Wahlbeteiligung, die wir ja immer wieder zur Kenntnis nehmen dürfen, und endet dann bei diesem Beispiel. Gesellschaft und Staat werden offensichtlich zunehmend als etwas Abstraktes wahrgenommen, als unbeeinflussbare Maschinerie, die in das eigene Leben eingreift, über die man sich vielleicht noch ärgern kann, gegen die man aber nichts mehr tun will, und dass man das schon gar

nicht mit eigenen Angelegenheiten verbindet, für die sich der Mensch engagieren sollte. Umso - und da schließe ich mich ausdrücklich meinem Vorredner an und natürlich auch dem Herrn Minister - dankenswerter ist es natürlich ausdrücklich, dass sich zurzeit über 4.000 Bürgerinnen und Bürger in Thüringen ehrenamtlich im Bereich der Justiz engagieren. Angesichts der Tatsache, dass derzeit ca. 1.900 Schöffen in Thüringen tätig sind, die 2008 neu gewählt werden müssen, ist es sicherlich dringend notwendig, frühzeitig Bürger für solches bürgerschaftliches Engagement zu motivieren oder motiviert zu halten. Gleiches gilt natürlich für die etwa 2.300 ehrenamtlichen Richter, insbesondere an den Fachkammern und Fachgerichten. Allerdings kommen unseres Erachtens nach zu den Schwierigkeiten, Schöffen zu finden, noch andere Problempunkte zum Ausdruck als unbedingt nur mangelndes Interesse. Anders als beim „Wählen gehen“ übernimmt ein Bürger als Schöffe vier Jahre lang eine Aufgabe, die von ihm erheblichen - und das haben Sie, Herr Minister, ja auch deutlich gemacht - Zeit- und Kraftaufwand erfordern. Er wird zu zahlreichen Verhandlungen eingesetzt. Er muss sich, will er eine verantwortliche Schöffentätigkeit tun, intensiv mit den Fällen auseinandersetzen, über die er entscheiden muss. Für viele berufstätige Menschen ist das sehr schwierig mit ihrer Berufstätigkeit zu vereinbaren. So ist es in kleinen Betrieben sicher schwieriger, die Abwesenheit von Kolleginnen und Kollegen auszugleichen, auch wenn die Gerichtstermine oft frühzeitig feststehen. Allerdings ist das in Strafsachen leider nicht immer der Fall, was die rechtzeitige Festsetzung von Terminen angeht. Hinzu kommt, dass es unter Umständen auch Arbeitgeber gibt, die für ein solches Ehrenamt in der „normalen Arbeitszeit“ nicht so viel Verständnis aufbringen. Hier stellt sich die Frage, ob das Ministerium nicht mehr Aufklärungs- und Unterstützungsarbeit leisten könnte. Werden z.B. die Arbeitgeber der Schöffen zu Informationen angeschrieben? Doch abgesehen davon und obwohl es im Fernsehen genügend und bisweilen etwas seltsame Gerichtssendungen gibt, können sich viele Menschen nicht so sehr Konkretes unter der Arbeit von Schöffen vorstellen. Hier wäre zu überlegen, öffentliche Informationsveranstaltungen anzubieten, falls es das nicht schon gibt, wie Sie es ja zum Teil beschrieben haben, Herr Minister. Denn eine Informationsbroschüre allein und ein Presseaufruf tun dann vielleicht doch nicht das Ganze, auch wenn die Informationsbroschüre, Sie haben Sie auch benannt „Das Schöffenamt in Thüringen“, eine gute Einführung in die Thematik darstellt. Allerdings sollten in der Broschüre neben der Information zum Strafrecht auch mehr Informationen zum Schöffenamt selbst bis hin zu logistischen Abwicklungen wie z.B. Freistellungsanspruch, Fahrtkostenanspruch etc. pp. geben. Aber da haben Sie ja gesagt, das sind die entsprechenden Einführungsveranstaltungen. Auch die Beantwor

tung der logistischen Fragen spielt unseres Erachtens bei der Entscheidung für dieses Ehrenamt doch eine sehr wichtige Rolle. Zu überlegen wäre auch, ob man vergleichbare Werbemaßnahmen und vergleichbares Infomaterial auch für die Thematik „ehrenamtliche Richter“ erstellt und nicht nur für den Bereich der Schöffen. Die Schöffen sind noch in etwa aus den TV-Sendungen, wie wir sie jetzt zahlreich haben, bekannt. Der Bekanntheitsgrad von ehrenamtlichen Richtern in Fachkammern für Handels- oder Landwirtschaftssachen oder auch Arbeitsgerichten oder im Thüringer Finanzgericht lässt aber vermutlich eher zu wünschen übrig, dass Bürgerinnen und Bürger darüber Bescheid wissen, was da ablaufen könnte. Solche Mühen der Werbung sollte man nicht scheuen, sind doch die Schöffen und ehrenamtlichen Richter zum einen wichtiger nichtjuristischer Sachverstand, die den juristisch unverstellbaren Blick in die Spruchtätigkeit der Gerichte hineintragen, doch das ursprüngliche Anliegen der Erfindung von Schöffen und ehrenamtlichen Richtern in der Justiz war die direkte Bürgerbeteiligung, auch in der Form der Kontrolle richterlicher Tätigkeit. Um diesen Bereich des staatlichen Handelns zu erreichen, ist es unbedingt notwendig, zu diskutieren und zu erweitern. Kurz und etwas provokant gesagt: mehr Demokratie in der Justiz. Doch diese wichtige Funktion können Schöffen und ehrenamtliche Richter nur erfüllen, wenn ihnen die logistischen Voraussetzungen zur Verfügung gestellt werden und sie die Möglichkeit erhalten, sich entsprechendes Wissen und Qualifikationen anzueignen. Das Land muss hier Angebote machen und Schöffen bzw. ehrenamtliche Richter animieren, diese auch wahrzunehmen. Herr Minister, Sie haben es zum Teil beschrieben. Es darf eigentlich nicht sein, dass Schöffen nur schmückendes Beiwerk von Verhandlungen oder Urteilsberatungen sind.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)