Das ist aber nicht nur eine Frage des Wissens und der Qualifikation; hinzu kommen muss die Bereitschaft des beruflichen Personals, die ehrenamtlichen Richter partnerschaftlich und so weit wie möglich auf gleicher Augenhöhe einzubeziehen. Andernfalls droht deutlicher und verständlicher Motivationsverlust bei Schöffen oder ehrenamtlichen Richtern.
Zum Abschluss eine kurze Bemerkung zu dem Problem „Veränderung in Gerichtsstrukturen“: Die Veränderung der Amtsgerichtsbezirke sollte nicht dazu führen, dass engagierte Bürgerinnen und Bürger durch einen Verwaltungsschritt am grünen Tisch zu sozusagen Hilfspersonal degradiert werden. Auch wenn die gesetzliche Regelung offensichtlich die Schöffen der aufgelösten Standorte weitestgehend zu Hilfsschöffen macht, sollte man versuchen, im Vergleichswege praktische Lösungen zu finden, um dieses Engagement wieder mit einzubinden, vielleicht
Mit Blick auf 2008 ermutige ich Sie, Herr Minister, gerade was das bürgerschaftliche Engagement betrifft, mehr Werbung für mehr Motivation bei Schöffen und den entsprechenden ehrenamtlichen Richtern zu leisten. Die Problematik sollte von Betroffenen und Fachleuten weiter im Justizausschuss, da schließe ich mich dem Kollegen Höhn an, beraten und diskutiert werden. Danke.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, es kann nicht oft genug betont werden, die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter in Thüringen erfüllen eine ebenso wichtige Aufgabe wie die Berufsrichterinnen und -richter und dafür gebührt ihnen allerherzlichster Dank.
So heißt es folgerichtig bereits in Artikel 86 Abs. 3 unserer Verfassung: „An der Rechtsprechung wirken Frauen und Männer aus dem Volk mit.“ Zu Ihrer Erinnerung - ein ehrenamtlicher Richter in Deutschland ist in gleichem Maße sachlich unabhängig wie ein Berufsrichter. Er hat seine Pflichten getreu dem Grundgesetz und dem Gesetz zu erfüllen, nach bestem Wissen und Gewissen ohne Ansehen der Person zu urteilen und nur der Wahrheit und Gerechtigkeit zu dienen. Auf diese Pflichten leistet er einen Eid und er hat das Beratungsgeheimnis zu wahren. In Strafsachen - auch das ist richtig erwähnt worden, um das auch noch mal zur Unterscheidung zu sagen - nennt man den ehrenamtlichen Richter „Schöffen“, bei den Kammern für Handelssachen „Handelsrichter“. All diese Laienrichter, was Herr Minister schon definierte, sind ehrenamtlich tätig. Ich halte es für sehr gut, dass es die ehrenamtlichen Richter als Institution gibt. Sie sollen das Rechtsbewusstsein und die Wertvorstellung der Bevölkerung in die Urteilsfindung einbringen. Sie sollen nicht zu kleinen Juristen fortgebildet werden, denn das würde gerade diesen Punkt wieder konterkarieren, dass man nur die rechtliche Seite betrachtet, auch wenn das ein Jurist wohl selten so sagen würde.
In Strafsachen urteilen die Schöffen gleichberechtigt mit den Berufsrichtern im Namen des Volkes über Schuld und Unschuld ihrer Mitbürger, aber auch über die auszusprechende Strafe und sie haben dabei
dieselbe Verantwortung wie die Berufsrichter. Ihr Ehrenamt verlangt Fähigkeiten, wie das schon angesprochen wurde hier in der Diskussion, wie Menschenkenntnis, Lebens- und Berufserfahrung und ein sehr, sehr ausgeprägtes Verantwortungsbewusstsein. Weil in der Presseberichterstattung meist nur Strafverfahren eine Rolle spielen und selbst dort oft nur der vorsitzführende Richter benannt wird, erfährt die Öffentlichkeit oft viel zu wenig, auf welcher breit legitimierten Basis unsere Rechtsprechung steht. Ich finde es deshalb sehr gut, dass sich an vielen Gerichten in unserem Land ein Tag der offenen Tür etabliert hat, wo die öffentliche Akzeptanz auch des ehrenamtlichen Richters verbreitert wird, indem z.B. beliebte Rollenspiele praktiziert werden, dass also so eine Art Prozess einmal nachgestellt wird, wo öffentlich erklärt wird, was die einzelnen Prozessbeteiligten zu tun haben und was deren Pflichten sind.
Der Einsatz von ehrenamtlichen Richterinnen und Richtern sowie Schöffen stärkt die gesellschaftliche Akzeptanz gerichtlicher Entscheidungen und damit das Vertrauen in die Justiz. Dieses Vertrauen wird nicht stets deshalb schon von alleine aufgebaut, weil ein Gerichtsverfahren „den Vorschriften gemäß“ durchgeführt wird. Ein gerichtliches Verfahren muss auch nachvollziehbar und der Ausgang für den Bürger verständlich sein. Die Mitwirkung von Schöffinnen und Schöffen kann dafür sorgen, dass Prozesse transparent und verständlich gestaltet werden. Somit trägt die Beteiligung von ehrenamtlichen Richterinnen und Richtern zu lebens- und bürgernahen Entscheidungen bei. Diese Entscheidungen werden dann vom Bürger stärker akzeptiert.
Für diesen wichtigen Dienst, den die ehrenamtlichen Richter und Schöffen mit ihrer Tätigkeit leisten, gilt es, den 4.075 - das ist eine ganz stolze Zahl - ehrenamtlichen Richtern in Thüringen ganz, ganz herzlich Dank zu sagen. Ihr Einsatz trägt zur Funktionsfähigkeit der Justiz bei. In diesem Zusammenhang möchte ich mit Blick auf die in der Diskussion befindliche große Justizreform sagen, dass für den Rechtsuchenden gerade das bislang bestehende Nebeneinander so vieler Prozessordnungen oft unübersichtlich ist. Deshalb kann ich der geplanten Vereinheitlichung der Prozessordnung viel Positives abgewinnen und begrüße diese Initiative im Interesse der Bürgerinnen und Bürger. Welche Möglichkeiten der Vereinfachungen im Bereich der Regelungen über die Laienrichter überhaupt bestehen und gewollt sind, wird seitens der Bund-Länder-Arbeitsgruppe sehr sorgfältig zu prüfen und abzustimmen sein.
Gerade das Amt des Laienrichters ist aber auch mit großen Belastungen verbunden und ich danke Ihnen, Herr Minister, dass Sie auch darauf in dem Bericht abgestellt haben, denn gerade in Strafverfahren müs
sen sich die Schöffen oft mit Gewaltdelikten sehr intensiv auseinandersetzen. Auch sind Prozesse mit mehreren Verhandlungstagen keine Seltenheit und das bringt auch psychische Belastungen mit sich und wirkt sich auch auf das Privat- oder Berufsleben aus. Insofern war es auch wichtig, dass die ehrenamtlichen Richter einen besseren Schutz vor Nachteilen erfahren haben. Seit dem 01.01.2005 ist die Vorschrift des § 45 Abs. 1 a Deutsches Richtergesetz in Kraft, wonach eine Kündigung wegen Ausübung des Amts untersagt ist. Dem ehrenamtlichen Richter bleibt zwar immer noch gegebenenfalls die Beweislast, im schlimmsten Fall bei einer Kündigung aus anderen Gründen, dass diese vorgeschoben sind und eigentlich der Arbeitgeber einen häufig abwesenden Schöffen „loswerden“ will, aber zum Glück sind mir derlei Fälle in Thüringen eigentlich in dieser Weise nicht bekannt geworden.
Eine alte Weisheit lehrt, dass der Mensch es sich nicht gelüsten lassen sollte, Richter zu sein, denn er werde nicht alles Unrecht zu Recht machen können. Skepsis und Bescheidenheit, die sich hierin ausdrücken, stehen uns auch heute gut an und dennoch bleibt uns aufgegeben, die befriedende und ordnende Kraft des Rechts auch in unserer modernen Gesellschaft zu verwirklichen. Ohne Recht und Gesetz, auch ohne Strafgesetz, könnte sich jeder auf Kosten des anderen nehmen, was ihm so beliebe. So gesehen gewährleistet unsere Rechtsordnung unser aller Freiheit und die Laienrichter üben einen Teil der Staatsgewalt in dieser Rechtsordnung aus. Das Verdienst der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter und Schöffen ist, dass sie sich für unseren Rechtsstaat stark machen und ihre Fähigkeiten und Kenntnisse im Interesse aller Bürgerinnen und Bürger einsetzen. Dafür nochmals herzlichen Dank und auch der Hinweis darauf - das sei mir zum Abschluss gestattet -, dass auch ehrenamtliche Richterinnen und Richter, Schöffen, die Laienrichter natürlich unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf die Förderung der Ehrenamtsstiftung haben. Aber auch das wird gar nicht deshalb so in den Blickpunkt gestellt, weil sie eben eine so vergleichbare Stellung gegenüber den Berufsrichtern haben, aber es ist in der Tat ein Fakt, den man nicht aus den Augen verlieren sollte. Nochmals herzlichen Dank, auch Dank für den Bericht. Ich denke, wir tun gut daran, die Arbeit der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter weiterhin positiv zu begleiten. Vielen Dank.
Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Kann ich davon ausgehen, dass das Berichtsersuchen erfüllt ist, oder erhebt sich Widerspruch? Es erhebt sich kein Widerspruch, damit ist das Berichtsersuchen
Zukünftige Trägerstruktur im Bereich Wasser und Abwasser in Thüringen Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 4/2009 -
Bericht der Landesregierung über Folgen des Urteils des Thüringer Oberverwaltungs- gerichtes zu beitragsrechtli- chen Regelungen des Zweck- verbandes Wasser/Abwasser „Mittleres Elstertal“ Antrag der Fraktion der SPD - Drucksache 4/2074 -
Wünscht die Fraktion der CDU das Wort zur Begründung? Das ist nicht der Fall. Wünscht die Fraktion der SPD das Wort zur Begründung? Das ist auch nicht der Fall. Die Landesregierung hat angekündigt, dass sie einen Sofortbericht zu dem Antrag der Fraktion der CDU gibt, und von der Möglichkeit eines Sofortberichts zum dem Antrag der Fraktion der SPD macht sie keinen Gebrauch. Für die Landesregierung erteile ich das Wort Herrn Minister Dr. Gasser.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, im Auftrag der Landesregierung hat Herr Prof. Kirchhoff geprüft, ob und wie die Zahl der Aufgabenträger der Wasserver- und Abwasserentsorgung weiter reduziert werden könne. Ausgangspunkt dieses Gutachtens war im Wesentlichen die Frage, ob eine generelle gesetzliche Überleitung der Aufgaben der Wasserver- und Abwasserentsorgung von den Gemeinden auf die höhere kommunale Ebene, also auf die Landkreise, oder auf Pflicht- bzw. Zweckverbände möglich ist. Der Gutachter kommt zu dem Ergebnis, dass hiergegen erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken bestehen. Die Wasserver- wie auch die Abwasserentsorgung sind Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft der Gemeinden. Man kann sie diesen nur dann entziehen, wenn tatsächlich belegt ist, dass die Aufgabenerfüllung nicht ordnungsgemäß erfolgt und dies einen unverhältnismäßigen Kostenanstieg zur Folge hat. Der bloße Wunsch nach einer einfachen, übersichtlichen Verwaltung, das Verlangen nach identischen Gebühren im gesamten Landkreis oder aber der Hinweis, dass großräumige Zweckverbände die Aufgaben besser wahrnehmen können, reichen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungs
gerichts ausdrücklich nicht aus. Herr Prof. Kirchhoff sieht allenfalls die Möglichkeit, insbesondere kleinere Gemeinden in einen Zweckverband aufzunehmen, sofern konkret nachgewiesen werden kann, dass sie ihre Aufgaben nicht ordnungsgemäß erfüllen. Im Ergebnis stellt er fest, dass eine flächendeckende Reduzierung der Zahl der Aufgabenträger verfassungsrechtlich nicht möglich ist. Betrachtet man die Wasserver- und Abwasserentsorgung im Freistaat Thüringen, so ist festzustellen, dass wir heute durch eine Reihe von Fusionen mit insgesamt 156 Aufgabenträgern über eine Struktur verfügen, die einen Vergleich mit den anderen Bundesländern nicht zu scheuen braucht. Hierfür hat das Land sehr viel getan. In den Jahren 1995 bis 2005 haben wir allein für die Sanierung und Umstrukturierung von Aufgabenträgern ca. 340 Mio. € an Fördermitteln bewilligt. In den Jahren 2001 bis 2003 wurden alle Aufgabenträger in Thüringen in rechtlicher und betriebswirtschaftlicher Hinsicht durch Prüfteams des Landes eingehend untersucht. Alle haben daraufhin Handlungsempfehlungen erhalten, deren Umsetzung die Aufsichtsbehörden kontrollieren. Das Land hat darüber hinaus den Aufgabenträgern in den letzten drei Jahren durch die Wasser- und Abwasser-Management GmbH kostenlose Beratungsleistungen in technischen, betriebswirtschaftlichen und bilanzrechtlichen Fragen zur Verfügung gestellt. Die Aufsichtsbehörden werden dies auch weiterhin im gesetzlichen Rahmen tun. Die Aufsichtsbehörden werden aber auch mit besonderer Aufmerksamkeit beobachten, wo freiwillige Strukturveränderungen künftig zu einer besseren Aufgabenerfüllung führen können, und die betroffenen Kommunen in der Umsetzung unterstützen. Das Gesetz über die kommunale Gemeinschaftsarbeit stellt hierfür ein ausreichendes Instrumentarium zur Verfügung. Wie schon in der Vergangenheit steht die Landesregierung auch weiterhin den unterschiedlichen Formen von Privatisierungen offen gegenüber. Nahezu alle Aufgabenträger der Wasserver- und Abwasserentsorgung Thüringens nutzen diese bereits. Dies geht von der Vergabe einzelner spezieller Aufträge, wie etwa Laborleistungen, Fäkalentsorgung, Instandhaltung, Havariedienst oder der Erstellung von Flächenermittlungen und Kalkulationen, bis hin zur vollständigen Übertragung der kaufmännischen und technischen Aufgaben durch unterschiedliche Betriebsführungsverträge. Die Landesregierung lehnt aber eine vollständige Aufgabenübertragung auf Private mit einer Freistellung der Kommunen von der Aufgabenverantwortung ab. Wasser ist ein elementares Lebensmittel. Die Versorgung der Bürgerinnen und Bürger darf nicht dem freien Spiel der Marktkräfte überlassen werden.
können. Die Erfahrungen beispielsweise in England zeigen, dass zu weitgehende Privatisierungen zu Qualitätsverlusten und Preissteigerungen führen können. In der Zukunft sollte es aber für die Aufgabenträger noch stärker von Bedeutung werden, von den Erfahrungen und Ideen anderer zu lernen. Die Landesregierung begrüßt daher Initiativen, die Aufgabenerfüllung im Wege des Benchmarkings, des Leistungsvergleichs mit den Besten, zu bewerten. Das Ministerium für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt hat hier einen ersten Schritt getan. Diesen Weg gilt es jetzt fortzusetzen.
Zu dem zweiten Tagesordnungspunkt, dem Antrag der Fraktion der SPD, der die Landesregierung gebeten hat, dem Landtag über die Folgen des Urteils des Oberverwaltungsgerichts vom 21. Juni 2006 zu berichten, ist Folgendes zu bemerken: Das Gericht hat in einem so genannten Normenkontrollverfahren die beitragsrechtlichen Regelungen der Beitrags- und Gebührensatzungen zur Entwässerungssatzung des Zweckverbands Wasser/Abwasser „Mittleres Elstertal“ für unwirksam erklärt. Für die Fraktion der SPD scheint außer Frage zu stehen, dass das Land bzw. seine kommunalen Aufsichtsbehörden die Nichtigkeit der Satzung zu verantworten haben.
Langsam, langsam. So fragt die SPD nach Unzulänglichkeiten der Mustersatzungen oder aber nach der Verantwortung des Landesverwaltungsamts am Zustandekommen der beitragsrechtlichen Regelungen. Schließlich wird die Ankündigung von Herrn Ministerpräsident Althaus, durch eine Novelle des Thüringer Kommunalabgabengesetzes zu einer verträglichen Abgabenbelastung für alle Bürgerinnen und Bürger im Freistaat zu gelangen, zitiert und behauptet, die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts würde dem entgegenstehen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten der SPD, zum einen hat das Gericht eine Satzung aus dem Jahr 2003 überprüft - bitte doch genauer hinzuschauen, wenn Sie solche Anträge stellen -, also eine Regelung, die der Aufgabenträger weit vor der Novelle des Kommunalabgabengesetzes erlassen hat. Die Entscheidung des Gerichts steht damit mit der Novelle in keinerlei Zusammenhang. Zum anderen kann und wird eine fundierte und seriöse Auswertung des Urteils durch die Kommunalaufsicht erst dann erfolgen, wenn die Urteilsgründe schriftlich vorliegen. Schon das Gericht weist darauf hin, dass eine abschließende Bewertung zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich ist. Meines Erachtens wäre es zudem völlig unverantwortlich, auf der Grundlage von Zeitungsmeldungen vorschnell Rückschlüsse auf die Arbeit der kommunalen Aufgabenträger zu ziehen.
Zuletzt gestatten Sie mir bitte noch einen Hinweis. Sehr geehrte Damen und Herren von der SPD-Fraktion, Sie achten stets darauf, dass die kommunale Selbstverwaltungshoheit gewahrt wird. Dies ist so auch richtig. Warum aber rufen Sie dann zuerst nach dem Land, wenn ein kommunaler Aufgabenträger von seiner Satzungshoheit Gebrauch macht und sich später herausstellt, dass hierbei Fehler begangen worden sind?
Mit meinem Verständnis von kommunaler Selbstverwaltung ist dies zumindest nicht vereinbar. Die kommunalen Aufsichtsbehörden werden zunächst die schriftlichen Urteilsgründe abwarten, diese dann auswerten und gegebenenfalls die notwendigen Konsequenzen ziehen. Ich werde Ihnen danach gern hierüber berichten. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Mir liegen Redeanträge von Linkspartei.PDS, SPD und CDU vor. Damit gehe ich davon aus, dass von allen drei Fraktionen die Aussprache beantragt wird. Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Kuschel, Die Linkspartei.PDS.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir hatten ja schon befürchtet, dass der Innenminister hier nichts wesentlich Neues erzählt, deswegen hatten wir nach reiflichen Überlegungen auf eine Berichterstattung zu den Konsequenzen hinsichtlich des jüngsten Urteils des Thüringer Oberverwaltungsgerichts verzichtet. Wir werden aber den Landtag oder die Ausschüsse damit wieder bemühen, wenn die schriftliche Urteilsbegründung vorliegt. Wir sind gespannt, welche Ausreden dann der Innenminister hat, auch hinsichtlich der Verantwortung des Landes.
Herr Minister, wenn Sie z.B. in dieser Frage eine völlige Verantwortungslosigkeit des Landes für sich deklarieren, dann darf ich nur darauf hinweisen, dass Sie den kommunalen Aufgabenträgern der Wasserver- und Abwasserentsorgung aufgetragen haben, sich ausschließlich auf die Mustersatzung des Thüringer Innenministeriums zu beziehen. Wenn sie davon abweichen wollen, bedarf die Satzung nicht mehr nur der rechtsaufsichtlichen Würdigung, sondern der rechtsaufsichtlichen Genehmigung. Damit ist natürlich eine Mitverantwortung des Landes von dieser
Seite schon gegeben, weil die Aufgabenträger ohne Zustimmung der Kommunalaufsicht derartige Satzungen überhaupt nicht erlassen dürfen. Entweder nehmen sie die Mustersatzung oder wenn sie von der Mustersatzung abweichen, muss die Genehmigung der zuständigen Kommunalaufsicht erteilt werden. Das, da haben Sie Recht, hat nichts mit der letzten Novelle des Thüringer Kommunalabgabengesetzes zu tun, sondern wurde vorher bereits im Kommunalabgabengesetz geregelt. Die jetzige Struktur der kommunalen Aufgabenträger - wir haben in der jüngsten Information der Landesregierung vernommen, dass es noch 156 Zweckverbände sind -, die war nicht naturgegeben. Bis 1992 existierten in Thüringen drei Aufgabenträger. Alle Experten haben gesagt, das ist eine leistungsfähige Struktur. Sie wurde 1992 zerschlagen, es entstanden insgesamt 220 Aufgabenträger der Wasserver- und Abwasserentsorgung, und das bei einem Land, das damals 2,4 Mio. Einwohner hatte. Damals ist eine Strukturentscheidung getroffen worden, die das Land viel Geld kostet. Sie, Herr Innenminister, haben selbst darauf verwiesen, dass im Zeitraum 1995 bis 2005 allein an Strukturhilfen 340 Mio. € geflossen sind. Um das noch einmal in Erinnerung zu rufen: Strukturhilfen sind nichts anderes als die nachträgliche Förderung bereits geleisteter abwassertechnischer Investitionen. Damit hat das Land in zweierlei Hinsicht anerkannt, dass Fehler in der Fördermittelpolitik begangen wurden: Erstens, dass in eine kleingliedrige Struktur investiert wurde, und zweitens, dass offenbar die Förderung nicht ausreichend war, denn sonst erklärt sich nicht, warum das Land nachträglich abwassertechnische Investitionen in dieser Größenordnung gefördert hat. Trotz dieser enormen Förderung haben wir jetzt immer noch eine sehr kleingliedrige Struktur und auch für uns ist die Strukturfrage keine Glaubensfrage an sich, sondern uns geht es immer darum, was kommt letztlich für den Bürger in der finanziellen Belastung heraus. Der Bürger darf aus unserer Sicht nicht die Folgen dieser verfehlten Strukturpolitik tragen.
Da gibt es immer noch Probleme, die müssen geklärt werden. Ich will Ihnen das an dem Beispiel des Wasser- und Abwasserzweckverbandes Bad Salzungen und des Zweckverbandes Eisenach-Erbstromtal belegen, zwei Zweckverbände, die die gleiche Geschäftsführung haben, aber formal noch selbständig sind. Im Eisenacher Zweckverband bezahlen die Grundstückseigentümer einen Beitrag von 2,51 € pro Quadratmeter gewichtete Fläche; im Nachbarzweckverband - das ist ein Landkreis - sind es 3,48 €, also 30 Prozent mehr. Da stellen die Bürger natürlich zu Recht die Frage: Weshalb werden auf der einen Seite des Rennsteigs 3,48 € gezahlt, nördlich dann 2,51 €? Der Bad Salzunger Zweckverband hat eine
Grundgebühr von 105 € pro Jahr bei einem normalen Anschluss von 2,5 Kubikmeter Durchflussmenge, während im gleichen Landkreis in dem Zweckverband, der nördlich liegt, keine Grundgebühr erhoben wird. Die Abwassereinleitungsgebühren unterscheiden sich aber nur unwesentlich. Daran sehen Sie schon, dass die Strukturfragen weiter als Problem stehen, wenn auf so engem Raum innerhalb eines Landkreises derartige Kostenunterschiede anzutreffen sind, dann ist das für den Bürger nicht mehr nachvollziehbar. Da können Sie jetzt zu Recht sagen, das ist kommunale Selbstverwaltung, das sollen die mal vor Ort entscheiden. Wenn aber kommunale Selbstverwaltung zu einer nicht nachvollziehbaren hohen und differenzierten Belastung für die Bürger führt, dann wird das nicht mehr als Wert erkannt und es besteht wirklich die Gefahr, dass die Bürger selbst die kommunale Selbstverwaltung infrage stellen, und das wäre schlimm, denn wir brauchen die kommunale Selbstverwaltung in vielerlei Hinsicht. Deshalb bleibt die Forderung, dass an diesen Strukturfragen weiter zu arbeiten ist. Nun haben Sie auf das Urteil von Prof. Ferdinand Kirchhoff verwiesen, der gesagt hat, eine Übertragung der Aufgaben auf die Landkreisebene oder in Pflichtverbänden ist verfassungsrechtlich problematisch. Auch das ist nicht überraschend. So weit waren wir, glaube ich, schon vor drei, vier oder fünf Jahren, dass wir wussten, dass das verfassungsrechtlich nicht unumstritten ist. Aber nichtsdestotrotz kann ein solches Gutachten auch endgültige Klarheit schaffen. Prof. Kirchhoff hat auch interessante Aspekte benannt, die sich in unserem Konzept, also im Konzept der Linkspartei.PDS, im so genannten Taktmodell wiederfinden. Dieses Modell diskutieren wir seit über einem Jahr. Dort haben wir tatsächlich auch zum Ausgangspunkt gemacht, dass wir nur kleine Aufgabenträger, die weniger als 5.000 Einwohner versorgen, zu Pflichtverbänden zusammenschließen und dass die dann existierende Struktur eine Anstalt des öffentlichen Rechts bildet, um diese Aufgabe gemeinschaftlich wahrzunehmen. Das ist für uns eine Diskussionsgrundlage. Wir sagen nicht, das ist das einzig mögliche Modell, es ist aber eine Diskussionsgrundlage. Herr Minister, Sie lesen ja sicherlich aufmerksam die Presse und in der OTZ wurde zu Recht darauf verwiesen, der Vorschlag sollte nicht nur deshalb abgelehnt werden, weil er von Kuschel kommt. Er ist im Übrigen nicht von mir allein, sondern von der gesamten Fraktion. Den Appell der OTZ sollten Sie zumindest ernst nehmen und dann in der CDU-Fraktion dafür werben.
Meine Damen und Herren, ein zweiter interessanter Aspekt hat in den letzten Tagen die Diskussion in diesem Bereich neu entfacht. Das war der Demographiebericht der Landesregierung. Herr Minister Trautvetter, der auch schon einmal für diesen Bereich Wasser/Abwasser verantwortlich war, hat dabei Erstaunliches von sich gegeben. Er hat darauf
verwiesen, dass aufgrund der demographischen Entwicklung die Aufgabenträger angehalten sind, ihre abwassertechnischen Zielplanungen zu überprüfen und in Einzelfällen darüber zu entscheiden, ob es noch sinnvoll ist, das ursprüngliche Ziel, nämlich möglichst jede Ortschaft an eine zentrale Kläranlage anzuschließen, nicht fallengelassen werden sollte und insofern ein Konzept der dezentralen Abwasserbehandlung anzustreben wäre.
Wir hoffen, dass das eine abgestimmte Auffassung der Landesregierung war und nicht nur eines Ministers, der ab und zu mal was erzählt, was eine sehr kurze Halbwertzeit hat. Allerdings gehen wir davon aus, dass Herr Trautvetter die Regierungsmeinung vertreten hat. Wir erwarten, dass dann daraus auch Konsequenzen erfolgen hinsichtlich der Förderpolitik, also weg von der Förderung zentraler großer Anlagen hin zur Förderung dezentraler Anlagen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Innenminister hat noch darauf verwiesen, dass er oder die Landesregierung keinerlei Ansätze sieht, das Gesetz über die kommunale Gemeinschaftsarbeit anzupassen, zu novellieren. Sie haben gesagt, die Instrumente, die dort enthalten sind, sind ausreichend. Sie haben das sicherlich darauf bezogen, was Arbeitsgemeinschaften betrifft, Zweckvereinbarungen und Zweckverbände. Wir halten allerdings insbesondere das Instrument der kommunalen Zweckverbände für reformbedürftig. Das betrifft insbesondere die Demokratisierung. Eines der Haupthindernisse gegenwärtig, damit die Zweckverbände auf Akzeptanz stoßen, sind offensichtliche Demokratiedefizite. Die vor einigen Jahren eingeführten Verbraucherbeiräte konnten diese Demokratiedefizite nicht beseitigen. Sie sind oftmals nur ein Alibigremium und haben nicht diese Wirksamkeit, weil ihre Rechte viel zu niedrig ausgestaltet sind und das Wechselspiel zwischen Verbraucherbeirat und Verbandsversammlung, Verbandsführung, Werkleitung nicht so ausgestaltet ist, dass eine tatsächliche Einflussnahme erfolgen kann. Deshalb bleiben wir bei unserer Forderung, dass wir zumindest zeitlich befristet solche Verbraucherbeiräte auch als Pflichtbeiräte installieren müssen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ein Papier der IHK und des BGW hat auch in den letzten Wochen die Diskussion bestimmt. Dort enthalten sind aus unserer Sicht durchaus interessante Ansätze, z.B. hinsichtlich der teilweisen Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang, insbesondere im ländlichen Bereich. Auch das ist für uns vorstellbar. Andererseits wird in diesem Thesenpapier eine stärkere Hinwendung zu den unterschiedlichsten Formen der Privatisierung geführt. Wir haben wohlwollend zur Kenntnis genommen, Herr Innenminister, dass zumindest Sie - auch dort hoffe ich, dass vielleicht
die gesamte Landesregierung dahinter steht - sich gegen eine vollständige Aufgabenprivatisierung ausgesprochen haben. Das ist unterstützenswert, auch wenn das ja zurzeit gesetzlich ausgeschlossen ist. Dass es Betreibermodelle gibt, das ist unbestritten, aber auch wir bleiben dabei, eine Privatisierung kommt für uns nicht in Frage und wäre ein falsches Signal.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, noch einmal auf ein Problem zurück, was die kleineren Gemeinden als Aufgabenträger der Abwasserentsorgung betrifft, wo Herr Kichhoff durchaus die Möglichkeit eröffnet hat, diese im Rahmen von Pflichtverbänden anderen Aufgabenträgern zuzuordnen. Wir haben eine solche Regelung bereits jetzt in der Kommunalordnung, nachdem Mitgliedsgemeinden einer Verwaltungsgemeinschaft als Sollbestimmung Mitglieder eines Zweckverbandes sein sollen. Dass auch hier die Landesregierung und insbesondere auch die Aufsichtsbehörden viel zu zögerlich handeln, macht, und ich betone das bewusst, das Schicksal der Gemeinde Herschdorf im Ilm-Kreis deutlich. Die waren ursprünglich einmal dem WAZOR zugeordnet. Dann hat ein Gericht festgestellt, sie waren nie Mitglied und die versuchen nun seit vier Jahren allein als Gemeinde mit 1.000 Einwohnern dieses Problem zu lösen. Zwischenzeitlich ist die Gebührenbelastung der Bürger doppelt so hoch wie bei den Nachbarverbänden, z.B. dem Ilmenauer Zweckverband. Trotzdem schaut die Aufsichtsbehörde weiterhin zu, wie sich diese Gemeinde vollkommen mit dieser Aufgabe in eine Überforderungssituation begibt, und die Bürger müssen es bezahlen; anstatt sie hier eingreift und sagt, kommunale Selbstverwaltung stößt auch irgendwo auf Grenzen, nämlich dann, wenn Bürger unzumutbar finanziell belastet werden. Dort kann ich die zögerliche Haltung tatsächlich nicht verstehen und ich kann das immer nur wieder darauf zurückführen, dass die Landesregierung offenbar entweder nicht den Mut oder nicht die Kraft hat, hier dementsprechend einzugreifen.