Lassen Sie mich abschließend feststellen, der Antrag der Linkspartei.PDS bringt uns in der politischen und fachlichen Diskussion nicht weiter. Er suggeriert, dass mehr Prinzipientreue zu mehr Erfolg bei dem in der großen Koalition in Berlin gefundenen Kompromiss geführt hätte. Er suggeriert, dass der Freistaat nach dem in Berlin gefundenen Kompromiss noch nennenswerte Einflussmöglichkeiten hätte. Beides ist falsch, da demokratische Entscheidungen nun einmal von realen und nicht von gewünschten Machtverhältnissen abhängig sind. Wer für die Menschen etwas bewegen will, der muss es innerhalb bestehender Machtverhältnisse so lange tun, bis durch neue Wahlen andere Machtverhältnisse hergestellt werden.
Alles andere würde Fundamentalopposition bedeuten, die einzig und allein deren Protagonisten ein sanftes Ruhekissen verschafft.
Der Antrag suggeriert weiterhin, dass in bestimmten Bereichen Probleme bestehen, die durch die Gesundheitsreform nicht angegangen werden. Ich habe Ihnen Beispiele genannt und nachgewiesen, dass es sich dabei im Wesentlichen um Unterstellungen handelt und dies nichts oder wenig mit der Realität zu tun hat. Der Antrag unterstellt schließlich, dass alle handelnden Akteure innerhalb des Gesundheitswesens - und hier spreche ich ausdrücklich von den Selbstverwaltungsorganen - im Interesse der Patienten handeln würden, wenn man sie nur ungestört handeln ließe. Alle in diesem Raum wissen, dass solche Annahmen nichts mit menschlichem Verhalten zu tun haben. Wir brauchen nun einmal allesamt gesetzliche Rahmenbedingungen, damit wir uns im Sinne der geltenden Normen verhalten können. Das ist nicht nur bei uns so, das ist in jeder Staatsform und in jedem Staatswesen so. Das gilt für Patienten, das gilt für Ärzte, Krankenkassen und selbstverständlich auch für die Pharmaindustrie.
Um noch mal auf die Pharmaindustrie zu kommen: Sobald ein Kollege von Ihnen in dem Bereich Abgeordneter ist, wo Pharmaindustrie angesiedelt ist, kommen Sie auch und sagen, da werden Arbeitsplätze abgebaut, wenn man die Verschreibung einschränkt. Es ist also immer eine Frage des Standpunkts.
Genau an diesen Stellen aber klingt der Antrag und auch die Argumentation nach dem Motto: „Wasch mich und mach mir das Fell nicht nass.“
Noch einmal zur Vermeidung von Missverständnissen bei den Kollegen der anderen Fraktionen, der CDU und Linkspartei.PDS, ich will es noch mal klarstellen: Die SPD-Fraktion wird sich über den jetzigen gefundenen Kompromiss hinaus auch weiterhin für eine solidarische Bürgerversicherung einsetzen, zu seiner Zeit und wenn wir das können.
Ja, und wenn Sie mitregieren wollen, da müssen Sie es aber klar sagen und da müssen Sie mit uns Kompromisse in dem Koalitionsvertrag finden, da will ich mal sehen, ob Sie das wirklich wollen. Ja, fragen Sie mal Herrn Gysi und Herrn Lafontaine, ob er das wirklich das nächste Mal will.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, zuerst möchte ich mal sagen, eigentlich war ich bereit, nicht mehr zu reden,
aber, liebe Frau Taubert - nein, „liebe“ kann ich in dem Moment gar nicht sagen -, Sie haben mich regelrecht provoziert und ich entschuldige mich dafür und bitte Sie wirklich um Aufmerksamkeit.
Frau Taubert, bei Ihnen hat man den Eindruck, das sage ich mal so klipp und klar: Wenn es den Patienten nicht geben würde, würde es der GKV sehr gut gehen, Punkt aus. Ich freue mich aber, dass wir wenigstens in einer Sache einer Meinung sind, die da lautet: Die gesetzliche Krankenversicherung steht heute und in Zukunft vor großen gesellschaftlichen und sozioökonomischen Herausforderungen. Diese Herausforderungen sind im Interesse von Versicherten und Patienten zu meistern. Bei dieser Forderung, das muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen, habe ich nach dem, was ich von Ihnen, Kollegin Taubert, gehört habe und auch ein bisschen von Herrn Kollegen Gumprecht, Zweifel, ob wir da noch einer Meinung sind. Denn ich glaube, dass die Interessen nicht im Sinne eines Wirtschaftsmarkts zu klären sind. Kollegin Taubert, ich kann Ihre Empörung gegen uns, gegen die Linkspartei.PDS, verstehen, wir tragen das auch mit Ehre und Würde. Wenn man an seine eigenen Wahllügen so hart erinnert wird, dann kann man in dieser Rede nur sagen, was ich ganz eigenartig finde, das ist so ein Wischiwaschi, also alles Schlechte und Böse, was zu kritisieren ist an der Gesundheitsreform, das war die böse CDU. Wir sind ja die Wahren. Ich kann Ihnen nur sagen, in Ihren eigenen Reihen, Sie brauchen bloß heute mal Frau Nahles zu lesen, Sie brauchen nur den Herrn Lauterbach zu hören, es gibt den Herrn Rürup, der klipp und klar sich auch geäußert hat zu dieser Gesundheitsreform. Es geht nicht darum, einfach nur Kritik zu üben, wir erkennen bestimmte positive Dinge an, die da drinstehen, was die Strukturveränderung betrifft. Nur, die Strukturveränderung haben sie schon seit Jahren - ich war nun im Bundestag, ich habe Herrn Seehofer erlebt, ich habe Frau Fischer erlebt, ich habe Frau Schmidt erlebt -, seit Jahren wird davon gesprochen, dass die ambulante und stationäre Versorgung, dass die Verzahnung endlich erfolgen soll. Nur, wie schon Herr Hausold gesagt hatte, was ist denn bei den Gesundheitsreformen immer herausgekommen? Die Strukturveränderungen standen auf dem Papier, sie sind nicht umgesetzt worden, sondern die wahren finanziellen Schröpfer waren die Krankenversicherten, das war das Problem.
Ja, das ist richtig, der medizinisch-technische Fortschritt, die Alterung der Bevölkerung, die ökonomische Entwicklung sowie der Wandel der Krankheitsspektren von akuten zu chronischen Krankheiten hin machen Reformen notwendig, da sind wir uns doch einig. Um die soziale Krankenversicherung zukunftsfähig zu machen, da ist langfristig zu stabilisieren, da sind eben Strukturen zu verändern im Gesundheitswesen. Bei allen Fragen zur Gesundheitsreform darf doch nicht vergessen werden, dass Meinungsumfragen regelmäßig belegen, Gesundheit ist das höchste Lebensgut unserer Gesellschaft. Sie
Gesundheit bedeutet vor allem Lebensqualität und die Fähigkeit, ein weitgehend selbstbestimmtes Leben zu führen. Verhaltens- und Verhältnisprävention sind gleichbedeutend für die gesundheitliche Entwicklung eines jeden Einzelnen. So, wie der Einzelne für seine Gesundheit verantwortlich ist, ist es aber auch die Gesellschaft. Wir wissen alle, die Arbeitsbedingungen und die Umwelt haben nicht geringe Auswirkungen auf unsere Gesundheit. Genau aus dieser Verflechtung ergab und ergibt sich die Verantwortung des Arbeitgebers zur Mitfinanzierung des Gesundheitswesens. Kollegin Taubert, Sie sagten, Sie, die SPD, haben die Parität erhalten. Das stimmt nicht.
Nein, das stimmt nicht. Sie haben mal gerade hinbekommen, dass sie eingefroren ist, und verbal sagen Sie es. Mit dem Fondsmodell werden Sie im Grunde genommen die Freigabe der Parität einleiten. Ich sage Ihnen eins, das Argument mit den Lohnnebenkosten, die müssen im Interesse der Schaffung von Arbeitsplätzen gesenkt werden. Das wurde mit jeder Gesundheitsreform schon dargelegt. Und wo sind am Ende die Arbeitsplätze geblieben?
Eine andere Seite ist, meine Damen und Herren, dass das deutsche Gesundheitswesen auf dem Humanismus abendländisch-christlicher Prägung und auf den Grundgedanken der Subsidiarität und der Solidarität der christlichen Soziallehre beruht. Ich möchte das besonders betonen, denn für mich zeigt sich immer mehr, der Begriff der Solidarität wird sukzessive politisch umdefiniert, von regierenden Christdemokraten genauso wie von Sozialdemokraten. Beide Parteien möchte ich daran erinnern, unsere Gesellschaft ist eine kulturell hochentwickelte Gesellschaft mit einer leistungsfähigen Wirtschaft. Eine solche Gesellschaft kann sich ein auf höchstem Niveau entwickeltes Gesundheitswesen für alle hier lebenden Menschen leisten.
Meine Damen und Herren, diese Aussage heißt nicht, dass wir die Probleme und Herausforderungen des Gesundheitswesens von heute verkennen. Im Gegenteil, sie müssen angesprochen werden. Von herausragender gesellschaftlicher Bedeutung und Diskussion ist für uns die Frage: Dürfen für bestimmte Leistungen andere als medizinische Auswahlkriterien festgestellt werden? Zu fragen und zu beantworten ist: Nach welchen Regeln entsteht Erkenntnisfortschritt und brauchen wir ein stärkeres öffent
liches Interesse an Versorgungs- und an Forschungsschwerpunkten? Ich denke, wir brauchen dringend eine gesellschaftliche Wertediskussion und wir brauchen auch eine Wertediskussion in der Gesundheitspolitik, die Patienten nicht als Kunden bewertet. Der Kunde hat eine freie Wahl, ein Produkt zu kaufen, ob ein rotes oder ein grünes Auto - das ist egal. Der Patient hat keine freie Wahl. Er befindet sich durch seine Krankheit in Unsicherheit, in Schwäche, Abhängigkeit, Hilfebedürftigkeit. Dies erfordert einen besonderen Schutz des Patienten. Er muss natürlich informiert sein. Er muss auch gefragt werden. Er muss aber vor allem vertrauen können. Und wie soll er vertrauen können, wenn eine medizinische Entscheidung von finanzieller Beeinflussung abhängig ist. Frau Taubert, wer im Gesundheitswesen der Wettbewerbslogik folgt, strebt einen ganz normalen Gesundheitsmarkt an, der nach gewinnorientierten Gesichtspunkten agiert, und das wollen wir nicht.
Jetzt komme ich zur Pharmaindustrie, wo ich glaube, dass doch ein paar Dinge dort zu erfragen sind. Ist es richtig, dass die Pharmaindustrie und -forschung vollständig privatisiert wurde in der letzten Zeit? Nach Prof. Schönhofer, Mitherausgeber des „Arzneitelegramms“, haben Fehlentscheidungen seit Ende der 70er-Jahre, wie die Aufgabe der Grundlagenforschung, die Leistungsfähigkeit der Pharmaindustrie strukturell geschwächt. Von jährlich etwa 40 neuen Wirkstoffen weltweit sind nur 1 bis 2 Prozent echte Innovationen, 4 Prozent sind Scheininnovationen und 95 Prozent sind Scheininnovationen ohne Vorteile für die Therapie. Und jetzt sage ich das noch einmal: Anstatt mehr in Forschung zu investieren, investiert die Pharmaindustrie viel mehr Geld ins Marketing, und zwar um Scheininnovationen ohne therapeutischen Zusatznutzen zur Profitsicherung zu vermarkten. Diese Entwicklung gefährdet nicht nur die Qualität der medizinischen Versorgung, sondern sie trägt zu erheblichen Kosten des Gesundheitswesens bei. Jetzt will ich Ihnen das einmal an dem Beispiel des Wirkstoffs Omaprazol, das ist ein Magensäurehemmer, das als kostengünstiges Generikum bekannt ist, unterlegen. Omaprazol wird im Wirkstoffgroßhandel zu einem Kilopreis von 500 € bezogen. Eine Verkaufspackung mit 100 Kapseln enthält Wirkstoff für 1 €. Eine Packung mit 100 Kapseln herzustellen einschließlich Qualitätskontrolle, Druck und Material, kostet maximal 2 €. Somit ergibt sich ein Herstellerpreis von etwa 3 €. Der Apothekenverkaufspreis bewegt sich bei 22 verschiedenen Herstellern in Deutschland zwischen 82,78 bis 99,90 €. Und dieses Beispiel ließe sich fortsetzen. Hier leugnet niemand, dass jemand, der ein Produkt herstellt, auch das Recht hat, einen Profit zu machen, einen Gewinn zu machen. Die Frage, die aber erlaubt sein muss, ist: Was rechtfertigt eine so hohe Profitrate? Für mich
Deshalb, sehr geehrte Damen und Herren, fordern wir eine Preisbildungskontrolle. Liebe Frau Kollegin Taubert, und hier muss ich Sie mal aufklären, eine Preisbildungskontrolle, die wir meinen, ist etwas ganz anderes als eine Kosten-Nutzen-Bewertung für ein Medikament. Ich kann Ihnen nur sagen, in keinem anderem Land der Europäischen Union haben wir ein derartiges Missverhältnis zwischen Herstellerpreis, Profitrate und dem, was am Ende von der gesetzlichen Krankenkasse gezahlt werden muss an die Pharmaindustrie. Wir halten dieses so genannte Arzneimittelverordnungs-Wirtschaftlichkeitsgesetz, das geht nämlich zulasten von Patienten und Ärzten, dass das in Kraft gesetzt wurde, für falsch. Wir halten es deshalb auch für widersinnig, wenn Pharmakonzerne sich ohne jegliche Preiskontrolle mit höchsten Profitraten auf Kosten der Versicherten die Taschen füllen.
Zudem stellt dieses Gesetz einen Eingriff in den Berufsethos des Arztes dar. Sie haben ja gesagt, die Ärzte, die verschreiben sowieso alles - ich weiß ja nicht, welchen Vorteil sie davon haben sollten, und die Patienten, die sind ja ganz geil auf Medizin, ich weiß das, dass sie so reden. Aber ein Arzt, der nach medizinischer Notwendigkeit verschreibt, und das steht noch im Gesetz, dass er das zu tun hat, das ist seine ärztliche Pflicht, der wird durch Honorareinbußen bestraft. Dann haben wir eine Riesenbürokratie, die treibt neue Blüten, denn von zig tausend Ärzten wird das Verordnungsverhalten überprüft. Das haben Sie auch schon erwähnt, Frau Taubert, da haben Sie wohl auch mal in die KV-Unterlagen geschaut. Seit Januar 2004 bis Juni 2005 wurden in Thüringen 1.500 Prüfungen zum Verordnungsverhalten von Ärzten durchgeführt. Sie haben das für berechtigt gefunden, dass in 70 Prozent Regresse waren; ich halte es nicht für berechtigt.
Und das kann ich Ihnen auch beweisen, wir wollen gar nicht auf diese verrückte Idee mit der BonusMalus-Regelung eingehen - ich komme wieder auf das Vertrauen des Patienten. Er hofft von dem Arzt, er bekommt ein Medikament, was ihm hilft. Er hat immer im Hinterkopf, ja, der steht unter finanziellem Druck. Er hat nicht mehr das Vertrauen, ist die billige Medizin wirklich therapiemäßig für meine Krankheit die richtige oder bekomme ich die billige, weil ich zu teuer bin für den Arzt oder für die Krankenkasse. Ich halte das für eine ganz schlimme Angelegenheit.
Wir lehnen dieses Gesetz ab, denn es hat mit der Verbesserung der Qualität der Arzneimittelversorgung nichts, aber auch gar nichts zu tun.
Ich wollte noch etwas zu den Ärztestreiken sagen. Wir haben dazu ja schon öfter hier, Herr Minister, in diesem Hohen Haus gesprochen. Ich will Ihnen nur noch einmal eine Zahl sagen, weil viele auch das anzweifeln, dass das berechtigt ist. An unbezahlter Arbeit wird von den Beschäftigten im Gesundheitswesen im Jahr ein Betrag von etwa 10 Mrd. € geleistet. Das soll man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Ich kann es nicht verstehen, wenn man sagt, in einer Gesellschaft, wo Leistung, Ausbildung auch ein entsprechendes Honorar haben kann, glaube ich, dass die Ärzte, auch die Mitarbeiter im Gesundheitswesen alle ein Recht haben, dass sie eine vernünftige Honorierung bekommen. Mir liegt auch daran, den Mitarbeitern des Gesundheitswesens, und zwar allen, für ihre aufopferungsvolle Arbeit im Dienst von Leben und Gesundheit unseren Dank zu sagen. Frau Taubert, Sie werden sich da anhängen, obwohl Sie sicherlich wieder sagen, es sei eine populistische Geste der PDS.