Protokoll der Sitzung vom 14.07.2006

Ich heiße Sie herzlich willkommen zu unserer heutigen Sitzung des Landtags, die ich hiermit eröffne. Ich begrüße unsere Gäste auf der Zuschauertribüne und die Vertreterinnen und Vertreter der Medien ebenfalls. Frau Ehrlich-Strathausen hat als Schriftführer neben mir Platz genommen. Die Rednerliste wird von der Abgeordneten Walsmann geführt. Für die heutige Sitzung haben sich entschuldigt der Abgeordnete Nothnagel und der Abgeordnete Kubitzki.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 12

Keine Abschiebungen nach Togo Antrag der Fraktion der Links- partei.PDS - Drucksache 4/2078 -

Ich erteile das Wort der Abgeordneten Hennig zur Begründung dieses Antrags.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, wenn wir heute über Togo sprechen, dann denken viele bestimmt als Erstes an die Nationalmannschaft des afrikanischen Landes bei den Wettkämpfen der Fußball-WM, an ihr engagiertes Spiel und die vielen Sympathien, die ihr entgegenschlugen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Ich möchte mit Bedauern ein anderes Bild im Zusammenhang mit Togo in Erinnerung rufen. Im April letzten Jahres brannte das Goethe-Institut der togoischen Hauptstadt Lomé. Bürgerkriegsartige Unruhen hatten nach den Parlamentswahlen das westafrikanische Land erfasst. In dieser Situation wurde das Institut erst beschossen, gestürmt und dann in Brand gesteckt. Es war das erste Mal in der Geschichte dieser weltweiten Einrichtung, dass ein Gebäude des Goethe-Instituts angegriffen wurde. Togo - ein Ort der Demokratie? Togo - ein sicheres Land? Wir glauben nicht. Nach 38 Jahren erbitterter Diktatur unter Eyadéma Gnassingbé fanden im Frühjahr 2005 nach dem Tod des Diktators die ersten Präsidentschaftswahlen unter Zulassung der Opposition statt. Rechtmäßige Wahlen, demokratische Wahlen, freie Wahlen waren dies jedoch nicht.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Das Militär dieses Landes hatte zuvor den Sohn des Gewaltherrschers schon zum rechtmäßigen Nachfolger erklärt. Jetzt sollte die Inthronisation nur noch formal legitimiert werden. Wie nicht anders zu erwarten war, kam es zu massiven Behinderungen und Wahlfälschungen. Hunderte gefälschte Wahlkarten tauchten auf, Wahlurnen wurden gestohlen, die Opposition drangsaliert. Die Wahl hatte einen Sieger, Faure Gnassingbé, Sohn des Diktators, und viele Verlierer. Die Hoffnung der demokratischen Opposition zerbarst und viele Menschenrechtsaktivisten und politisch Engagierte, die schon unter der Diktatur gelitten hatten, flohen aus dem Land.

Sehr geehrte Abgeordnete, wenige dieser Flüchtlinge leben in Thüringen. Sie verfolgen mit Sorge die Entwicklung in ihrem Land seit den Wahlen. Bewaffnete staatliche Kräfte aus Militär und Miliz verfolgen, foltern und töten. Tausende Togoer sind seit den Wahlen getötet worden und Zehntausende sind in die Nachbarländer geflohen. Das Europäische Parlament hat die Regierung in Togo mehrfach zur Herstellung und Wahrung der Demokratie aufgerufen - bis jetzt ohne Erfolg. Menschenrechtsorganisationen wie Pro Asyl fordern daher einen bundesweiten Abschiebestopp nach Togo. Diesem Ruf ist bisher nur Mecklenburg-Vorpommern gefolgt. Von dort erfolgen keine Flüge in ein Land, wo regierungsnahe Kreise Jagd auf Oppositionelle machen. Nicht weil es Mecklenburg-Vorpommern ist, sollte Thüringen diesem Beispiel folgen, sondern weil der dortige Abschiebestopp ein Zeichen von Demokratie und Schutz von Geflohenen bedeutet und ein Signal setzt, die deutsche Verantwortung wahrzunehmen, nicht mit Bundeswehrsoldaten, sondern mit politischen Zeichen. Danke.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Die Landesregierung erstattet Sofortbericht zu Nummer 1 des Antrags und ich erteile das Wort Herrn Minister Gasser.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, mit vorliegendem Antrag der Linkspartei.PDS wird die Landesregierung gebeten, über ihre Einschätzung der humanitären und menschenrechtlichen Lage in der Republik Togo unter Berücksichtigung der Lageeinschätzung des Auswärtigen Amts, von Menschenrechtsorganisationen und der Innenministerkonferenz zu berichten. Des Weiteren wird die Landesregierung aufgefordert, in Anwendung des § 60 a des Aufenthaltsgesetzes mit sofortiger Wirkung eine sechsmonatige Aussetzung

der Abschiebung von Flüchtlingen in die Republik Togo zu erlassen und sich in der nächsten Innenministerkonferenz für einen bundesweiten Abschiebestopp nach Togo einzusetzen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist nicht ganz einfach, die menschenrechtliche Situation in anderen Ländern zu beurteilen. Um im Hinblick auf die humanitäre und menschenrechtliche Situation in Togo eine zutreffende Einschätzung vornehmen zu können, bin ich daher ebenso wie die mit Fragen des Verfolgungsschutzes betrauten Bundesbehörden und Verwaltungsgerichte auf die zugänglichen Erkenntnisquellen angewiesen. Für die Einschätzung der politischen und humanitären Lage stellen insbesondere die so genannten Lageberichte des Auswärtigen Amts eine wichtige Entscheidungsgrundlage dar. Sowohl die asylrechtlichen Entscheidungen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge als auch verwaltungsgerichtliche Entscheidungen basieren im Wesentlichen auf diesen Einschätzungen des Auswärtigen Amts.

In seinem Lagebericht vom Januar 2006 zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Togo wertet das Auswärtige Amt insbesondere Berichte und Stellungnahmen von Amnesty International sowie des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen aus. Aus den genannten Berichten ist zu schließen, dass die Rechte, die Togo als Unterzeichner des internationalen Menschenrechtsabkommens seinen Bürgern garantiert, in der Praxis vielfach in Frage gestellt werden. Dennoch gibt es auf der anderen Seite keine belastbaren Anhaltspunkte, die darauf hinweisen, dass Rückkehrer in Togo Repressalien zu befürchten haben. So wurde nach Mitteilung des Auswärtigen Amts mehreren Fällen nachgegangen, in denen es zunächst hieß, die in ihre Heimat zurückgekehrten Asylbewerber seien staatlichen Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt worden. Diese Vorwürfe haben sich in keinem einzigen Fall bestätigt. Ein Asylantrag allein oder die bloße Mitgliedschaft in einer Exilorganisation im Ausland lösen nach diesen Informationen keine staatlichen Repressionen aus. Diese Einschätzung haben sowohl das Oberverwaltungsgericht des Landes Mecklenburg-Vorpommern als auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschlüssen vom 22. Februar 2006 bestätigt. In Anbetracht dieser Erkenntnislage überrascht es daher auch nicht, dass mit Ausnahme MecklenburgVorpommerns kein anderes Land einen Abschiebestopp auf der Grundlage des § 60 a des Aufenthaltsgesetzes nach Togo angeordnet hat. Na ja, wir wissen ja, dass es in Mecklenburg-Vorpommern gelegentlich gewisse Besonderheiten gibt, siehe BushBesuch.

(Beifall bei der SPD)

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten - das habe ich natürlich auch von Ihnen erwartet, Frau Becker -, ich bitte um Verständnis, dass ich zumindest derzeit einen Abschiebestopp für die Republik Togo nicht für erforderlich halte. Aus diesem Grunde sehe ich gegenwärtig auch keine Veranlassung, mich bei der nächsten Innenministerkonferenz für einen bundesweiten Abschiebestopp nach Togo einzusetzen. Gleichwohl darf ich Ihnen versichern, dass ich die weitere humanitäre und politische Entwicklung in der Republik Togo weiterhin aufmerksam verfolgen werde. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Mir liegen Wortmeldungen von allen drei Fraktionen vor. Ich gehe davon aus, dass alle drei Fraktionen die Aussprache zum Sofortbericht wünschen. Ich eröffne die Aussprache zum Sofortbericht zu Nummer 1, ebenso zu den Nummern 2 und 3 dieses Antrags. Ich erteile der Abgeordneten Berninger, Linkspartei.PDS, das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, am 11. April 2006 hat der Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern die Aussetzung der Abschiebung von Flüchtlingen nach Togo aus humanitären Gründen verfügt. Gesetzliche Grundlage für diese Entscheidung - der Innenminister hat das schon gesagt - ist der § 60 a des Aufenthaltsgesetzes. Dort steht, ich zitiere: „Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens sechs Monate ausgesetzt wird.“ Gründe für die Aussetzung von Abschiebungen durch die oberste Landesbehörde können also sein: völkerrechtliche oder humanitäre oder die Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik.

Seit 13 Jahren hat die Bundesregierung aufgrund der politischen Situation und der unbefriedigenden Menschenrechtslage die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit mit Togo ausgesetzt. Die politischen Interessen der Bundesrepublik gestatten es also nicht, mit diesem diktatorischen Regime zusammenzuarbeiten.

Meine Damen und Herren, logisch und menschlich gedacht, kann es also auch nicht sein, dass man

schutzsuchende Menschen, die aufgrund der politischen und menschenrechtlichen Lage das Land verlassen mussten und anderswo um Asyl gesucht haben, dorthin zurückschickt. Dass die Bundesrepublik nicht gleichzeitig mit der Einstellung der Entwicklungszusammenarbeit auch Abschiebungen in dieses Land ausgesetzt hat und dass es bis heute keine entsprechende bundespolitische Entscheidung gibt, empfindet meine Fraktion als Skandal, meine Damen und Herren,

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

ein Skandal, der nicht nur logischem und menschlichem Denken widerspricht, sondern auch den Verfassungsgrundsätzen, auf die sich unser Land stützt. Wir bekennen uns in unserem Grundgesetz zu den unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, außerdem zum Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Dieses Bekenntnis finden wir auch in unserer Thüringer Landesverfassung.

Meine Damen und Herren, diesem Bekenntnis müssen wir auch im Umgang mit Flüchtlingen gerecht werden. Dass meine Fraktion das als Skandal empfindet, dass es eben keine bundespolitische Entscheidung gibt, habe ich schon gesagt. Die Länder müssen in diesem Fall selbst entscheiden. Ich finde es genauso skandalös, mit welchen Argumenten die CDU in Mecklenburg-Vorpommern versucht hat, die vom Innenminister in Mecklenburg-Vorpommern verfügte Aussetzung zu beenden. Hier war zu hören, es müsse eine Gleichbehandlung von Flüchtlingen geben. Der Alleingang von Mecklenburg-Vorpommern begründe einen Abschiebetourismus. Diese Argumente sind nicht nur skandalös, meine Damen und Herren, diese Argumente sind zynisch.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Außerdem verlangt die CDU in Mecklenburg-Vorpommern, einem solchen Abschiebestopp müssten mindestens 11 Länderinnenminister zustimmen, so sähen es die Absprachen der Innenministerkonferenz vor. Soll das etwa heißen, meine Damen und Herren, dass Gesetze außer Kraft treten, wenn nicht die Mehrzahl der CDU-Länder sie umzusetzen bereit ist? „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“, so steht es in Artikel 16 a unseres Grundgesetzes.

Im Aufenthaltsgesetz lesen wir, ich zitiere: „In Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist.“ Dort

steht auch: „Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem für diesen Ausländer die konkrete Gefahr besteht, der Folter unterworfen zu werden.“

Für uns ist es egal, meine Damen und Herren, ob diese Gefahr von staatlichen Militärs oder von staatstragenden Milizen ausgeht, was ja in Togo, wie wir wissen, wie auch nachgewiesen wurde, beides der Fall ist. Aber, meine Damen und Herren, sollen diese gesetzlichen Regelungen etwa auch außer Kraft treten, wenn die Mehrheit der Innenminister das möchte?

Meine sehr geehrten Damen und Herren, am 29. März 2006 fand im Innenausschuss des Landtags in Mecklenburg-Vorpommern eine Sachverständigenanhörung zum Thema „Lage in Togo und Situation der togoischen Flüchtlinge in Mecklenburg-Vorpommern“ statt. Alle der dort angehörten Experten - darunter unter anderem Hinrich Kuessner, der mal Landtagspräsident in Mecklenburg gewesen ist, der jetzt der Vorsitzende des Vereins Deutsch-Afrikanische Zusammenarbeit e.V. ist; unter anderem war auch ein Beauftragter des Oberkirchenrats der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs dort in dieser Anhörung zugegen - waren einhellig der Meinung, dass die Menschenrechtslage in Togo nach wie vor äußerst problematisch ist. Oppositionelle und Regimekritiker werden in Togo von Angehörigen des Militärs und der regierungstragenden Milizen insbesondere des Nachts überfallen, gejagt, aus ihren Häusern vertrieben, misshandelt und gefoltert, vergewaltigt, eingesperrt und getötet. Diese Misshandlungen treffen Menschen, die sich offen gegen das Regime stellen, die politisch aktiv sind, aber ebenso auch Menschen, von denen die Unterstützer der Diktatur des Faure Gnassingbé einfach nur annehmen, sie seien Oppositionelle. Dies gilt auch für rückkehrende Flüchtlinge. Diese müssen nach Aufnahme ihrer Personalien direkt nach ihrer Einreise in Togo damit rechnen, von den Militärs oder den Milizen aufgesucht und verschleppt, misshandelt oder getötet zu werden. Solche Flüchtlinge könnten sich in diesem Fall an die deutsche Botschaft wenden, ist des Öfteren zu hören. Oder: Die deutsche Botschaft prüfe die Situation der rückkehrenden Flüchtlinge und könne anhand ihrer Erkenntnisse nicht davon ausgehen, dass rückkehrenden Flüchtlingen Gefahr drohe. So in etwa war auch die Ausführung von Herrn Dr. Gasser. Dass die deutsche Botschaft aber nicht nachweisen kann, dass es diesen Menschen gut geht, bleibt dabei unerwähnt. Nicht benannt wird die große Zahl der Menschen, die nach ihrer Rückkehr verschwunden sind, oder die Zahl derer, die aufgrund von Verfolgung oder aus Angst vor Verfolgung untertauchen und erneut flüchten müssen.

Ich muss es noch einmal sagen: Die Bundesregierung hat aufgrund der politischen Situation und der unbefriedigenden Menschenrechtslage die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit seit 1993 ausgesetzt. Leider aber hat sie sonst nichts unternommen, um die Situation in Togo zu verändern. Dies, meine Damen und Herren, ist charakteristisch für die Außenpolitik der so genannten Wohlstandsländer und eben auch der Bundesrepublik, charakteristisch für eine verfehlte Politik in den Herkunftsländern. Wir leisten uns einen Bundeswehreinsatz beispielsweise im Kongo, aber keine zielführende Unterstützung in den Ländern zum Aufbau tragender ökonomischer und politisch demokratischer Strukturen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Ich möchte hier Rupert Neudeck zitieren, den Gründer des Wohlfahrtsverbandes Cap Anamur. Er sagte: „12.000 Schulen oder 1.400 Krankenhäuser - das ist, was man in der demokratischen Republik Kongo mit den 56 Mio. € bauen könnte, die Deutschland zur Absicherung des Wahlprozesses ausgibt.“ An 12.000 Schulen könnte mehr Demokratie gelernt werden als durch Panzer auf der Kreuzung.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Wir geben uns schnell - wie ich finde, zu schnell - wie im Kongo mit der Durchführung einer mehr oder minder demokratischen Parlamentswahl zufrieden und die Frage nach einer nachhaltigen Demokratisierung und Stabilisierung in diesen Herkunftsländern wird nicht gestellt.

Aber was ist eine Demokratie wert, meine Damen und Herren, wenn man am Wahltag zwar sicher das Wahlbüro erreichen kann, in der nächsten Woche aber Angst haben muss, einen kritischen Artikel zu schreiben, eine kritische Rede zu halten oder ein kritisches Flugblatt zu verteilen? Darauf müssen Antworten gefunden werden, und solange diese nicht gegeben werden, sollten die Menschen aus solchen Ländern, die Verfolgung aufgrund ihres politischen Engagements zu befürchten haben, nicht abgeschoben werden.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Solange dies nicht bundespolitisch entschieden ist, sind die Länder in der Pflicht, den § 60 a des Aufenthaltsgesetzes zur Anwendung zu bringen.

Mecklenburg-Vorpommern hat den Anfang gemacht - sicherlich auch deshalb, weil man dort aufgrund der großen Anzahl togoischer Flüchtlinge für diese besonders sensibilisiert ist. In Thüringen ist die Gruppe der togoischen Flüchtlinge nicht annähernd so groß wie in Mecklenburg-Vorpommern. Es handelt sich

hier in Thüringen bei der Gruppe der langjährig geduldeten Flüchtlinge zum Beispiel lediglich um etwa 60 betroffene Flüchtlinge.

Sicherlich, meine Damen und Herren, hat Mecklenburg-Vorpommern aber auch den Anfang gemacht, weil Regierungskoalitionen aus Sozialdemokratie und Linkspartei für die Situation von Flüchtlingen besonders und etwas anders sensibilisiert sind als Regierungen der Christdemokraten.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Auch in anderen Ländern hat es Versuche gegeben, Abschiebestopp für Togo zu erreichen, wie z.B. im April durch die Bündnisgrünen in Bayern. So forderte die Landtagsfraktion im April ebenfalls einen sofortigen Abschiebestopp nach Togo. Claudia Roth hat dazu am 15. März erklärt: „Grundsätzliche Voraussetzung muss sein, dass Abschiebungen nur in politisch stabile Länder erfolgen. Dies ist bei Togo allerdings fragwürdig.“ Da kann ich Claudia Roth einfach nur voll und ganz zustimmen.

Die Regierungskoalition in Mecklenburg-Vorpommern, die Grünen in Bayern und auch meine Fraktion mit dem vorliegenden Antrag greifen dabei nicht nur die Forderungen zahlreicher deutscher und internationaler Menschenrechts- und Hilfsorganisationen, wie z.B. Amnesty International, des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen, der Togoischen Menschenrechtsliga, auf, sondern wir stützen uns auch auf zahlreiche Gerichtsverfahren, in denen die Kläger glaubhaft die Gefahr weiterer Verfolgung und Misshandlung nach ihrer Rückkehr in die Diktatur darstellen konnten.

Ich möchte, um das zu belegen, aus einem Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 17. Februar vergangenen Jahres zitieren: „Das Verwaltungsgericht glaubt dem Kläger, dass er am Tag nach seiner Abschiebung festgenommen und in Haft misshandelt worden ist. Demgegenüber hat das Auswärtige Amt keine Nachweise für Misshandlungen abgeschobener Personen vorliegen.“ In seinen Entscheidungsgründen führt das Gericht weiter aus: „Das Gericht ist davon überzeugt, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Togo mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politischer Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 Aufenthaltsgesetz ausgesetzt sein wird. Er ist als politisch Verfolgter, der Zwangsmaßnahmen, die den Schutzanspruch des § 60 Abs. 1 Satz 1 Aufenthaltsgesetz von ihrem Umfang und ihrer Intensität her zu begründen vermögen, bereits erlitten hat, aus Togo ausgereist und muss bei einer Rückkehr in sein Heimatland nach Lage der Dinge erneut mit politisch motivierten Verfolgungsmaßnahmen rechnen. Dass in der Haft togoischer Sicherheitskräfte Folter und unmenschliche Behandlung durchaus zu gewärtigen

sind, wird in allen vorliegenden Erkenntnisquellen bestätigt.“ Da scheinen die Richter vom Verwaltungsgericht Karlsruhe andere Erkenntnisquellen zu haben als beispielsweise unser Innenministerium.

Das Verwaltungsgericht Oldenburg beruft sich in einem Beschluss vom 26. Mai 2005 u.a. auf eine Reisewarnung des Auswärtigen Amts, das dazu rät, nur solche Reisen nach Togo zu unternehmen, die unaufschiebbar sind, und das die offizielle Anzahl der Flüchtlinge damals mit 31.000 beziffert - die offizielle Anzahl. Ebenfalls beruft sich das Gericht in Oldenburg auf Pressemeldungen, die von über 790 getöteten und mehr als 4.000 - im Mai 2005 - verletzten Menschen in Togo berichten.