Protokoll der Sitzung vom 29.09.2006

Der Landtag könnte die Novelle dann im Jahre 2007 mit aller gebotenen Sorgfalt intensiv beraten, prüfen, nachbessern und verabschieden. Ich denke, in einem überschaubaren Zeitraum würden wir über eine neue, ebenso solide wie in einem Nachbarland bereits erfolgreich erprobte Basis der Kulturfinanzierung verfügen. Bis dahin wäre das Kultusministerium gut beraten, die Verhandlungen mit den Theater- und Orchesterträgern, was Kürzungen betrifft, ruhen zu lassen. Wir sind sicher, dass sich vor dem Hintergrund eines Thüringer Kulturrahmengesetzes eine langfristige Zukunftsperspektive für die Theater und Orchester eröffnen wird, und als Alternative, Herr Minister, bliebe nur, das jetzige ohnehin völlig missratene Kostenspiel weiter fortzusetzen. Das kann nicht im Sinne des Kulturlandes Thüringen sein. Dem Kultusminister rufe ich daher im Sinne des gestandenen Theatermannes Friedrich Schiller zu: Wagen

Sie zu denken, Herr Prof. Goebel! Das würde der Thüringer Kultur auf keinen Fall schaden.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Als nächster Redner folgt Abgeordneter Schwäblein, CDU-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin erstaunt, wie kurz das Gedächtnis mancher Kollegen ist. Gestern haben wir ein Szenario eines finanziellen Kollapses aufgezeigt bekommen und die vermeintliche Unfähigkeit der Regierung, mit dem Landesgeld ordentlich hauszuhalten. Heute spielt dieses so kostbare Landesgeld, zumindest bei Herrn Hausold, überhaupt keine Rolle, sondern da muss jetzt aus dem Vollen ausgegeben werden, so wie er es von der Pike auf gelernt hat. Da wird von ihm der Einigungsvertrag bemüht; da kräuseln sich bei mir schon die Fingernägel, wenn Sie über den Einigungsvertrag sprechen als Vertreter einer Truppe, die gegen diese Einigung war. Sie sollten sich da maximal zurückhalten.

(Beifall bei der CDU)

In dem Einigungsvertrag stand ganz bestimmt auch drin, dass Sie freiwillig die Gelder des Volkes wieder herausrücken. Da musste es erst eine Papierkommission geben, um diesen kriminellen Machenschaften Ihrer Truppe auf die Schliche zu kommen. Also kommen Sie nicht mit dem Einigungsvertrag, sonst verliere ich hier noch die Fassung.

(Unruhe bei der Linkspartei.PDS)

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenrufe aus der Linkspartei.PDS)

Nein, wir machen hier nichts platt. Wir hätten heute null finanzielle Probleme in der Kulturfinanzierung, wenn wir noch solche Hungerlöhne wie die DDR zahlen würden an die Orchestermusiker, wie das damals geschehen ist. Nun sind sie heute in einer ganz anderen tariflichen Situation und sie bekommen regelmäßig weitaus höhere Gehälter gezahlt als die Schauspieler. In diesem Tarifkartell zwischen den Trägern und dem Bühnenverein liegen auch die wesentlichen Ursachen unserer Schwierigkeiten, diese sehr, sehr üppige Kulturlandschaft mit eigener Produktion an vielen Standorten auch in Zukunft halten zu können. Man darf hier einmal feststellen, wir haben in Thüringen ausschließlich kommunale Trägerschaft bei Theatern und Orchestern. Damit ist das

Finanzproblem unserer Theater und Orchester vorrangig ein kommunales. Das Land hilft, es hilft auch fürderhin. Es muss aber nüchtern festgestellt werden, dass wir zum einen überhaupt finanzielle Schwierigkeiten haben und zum anderen in den letzten 15 Jahren eine Strukturveränderung des Kulturhaushalts festzuhalten ist. Der Anteil, der für Theater und Orchester ausgegeben wird, beträgt heute über 50 Prozent an den gesamten Kulturausgaben. Das war schon einmal anders. Die große Not der Musikschulen und vieler freier Theatergruppen, Künstlerverbände; auch die Projektunterstützung einzelner Künstler ist so weit heruntergeschrumpft worden, weil bei einem insgesamt sinkenden Haushalt dieser Block - Theater- und Orchesterfinanzierung - konstant gehalten wurde. Es macht keine Freude, zu erkennen, dass wir es so nicht mehr können. Wir haben den Wunsch, da sind der Minister und der zuständige Arbeitskreis sich einig, dass die Millionen genommen werden können, um die anderen Bereiche zu verstärken. Unsere Finanzpolitiker haben da im Moment eine andere Sicht. Die möchten das gerne als allgemeinen Deckungsbeitrag sehen, da sind wir noch im Streit miteinander. Ich weiß nicht, ob es gelingt, diese Umfinanzierung hinzubekommen. Klar ist aber jetzt schon, dass bei einem insgesamt schrumpfenden Haushalt - das ist ja gestern in aller Deutlichkeit beschrieben worden, bis zum Jahr 2020 wird knapp ein Drittel des Landeshaushalts nicht mehr zur Verfügung stehen - wir dann nicht mehr so weitermachen können wie bisher. Da ist jetzt ernsthaft ins Spiel gebracht worden, darüber nachzudenken, ob an jeder Stelle, wo bisher eigene Orchester und Theater stehen, auch nach wie vor alles produziert werden muss. Keineswegs ist vorgesehen - zumindest habe ich die Regierung so verstanden, ich hoffe, dass jetzt auch noch die Bestätigung durch den Minister kommt -, an irgendeiner Stelle einen Standort zu schließen.

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Nein, überhaupt nicht. Wie soll denn Nordhau- sen weiterexistieren können. Das ist doch Blödsinn, was Sie reden.)

Alle Polemik, die da kommt, Frau Becker, ist eine solche, nämlich Polemik.

(Unruhe bei der Linkspartei.PDS)

(Zwischenruf Abg. Leukefeld, Die Links- partei.PDS: Wo sollen die 1,8 Millionen herkommen?)

Ich gehe von den Spielstätten aus, die weiterhin alle bespielt werden. Das ist das Entscheidende, dass das Angebot für die Bürger nach wie vor da ist, aber nicht an jeder Stelle auch ein eigenes Orchester und ein eigenes Schauspielensemble da ist.

Jetzt bin ich über die Vergesslichkeit von Herrn Döring sehr erstaunt. Seinerzeit, als er noch mit der Aktentasche hinter dem Minister Schuchardt hergelaufen ist,

(Unruhe bei der SPD)

sollte das Ensemble in Suhl schon einmal abgewickelt werden. Herr Schuchardt hat die gleichen Finanznöte gesehen, ist aber dann ob der Proteste eingeknickt. Dann hat sich auch eine Einsicht bei den Betroffenen gezeigt und sie sind von ihren tariflichen Forderungen abgerückt.

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Ob da nicht die CDU mit in der Regierung war? Totaler Gedächtnisverlust!)

Ja, aber Sie sind doch so vergesslich, Herr Gentzel. Sie sind so vergesslich, Sie sind ja die personifizierte Unschuld und Sie waren ja hier nie beteiligt und an den Schulden dieses Landes, die wahrlich hoch genug sind, haben Sie null Anteil. Schlafen Sie ruhig weiter! Hoffentlich holen Sie nicht mal Ihre Träume ein!

(Unruhe bei der SPD)

Wenn ich nur erwähne, welchen Unsinn wir mit dem sozialen Wohnungsbau gemacht haben, den Ihre Sprecherin dann noch durchgedrückt hat, als der Leerstand schon absehbar war, dann komme ich kaum noch in den Schlaf.

(Beifall bei der CDU)

Leider haben wir uns nicht stark genug dagegen gewehrt, dass dieser Blödsinn passiert ist.

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Ein Job für den Trautvetter, weil man nicht wusste, wohin.... Und jetzt habt ihr die große Klap- pe, ihr seid doch nicht mehr ganz dicht.)

(Unruhe und Heiterkeit bei der CDU)

Herr Abgeordneter Gentzel, für die Bemerkung, der Abgeordnete Schwäblein sei nicht mehr ganz dicht, erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf.

(Heiterkeit bei der Linkspartei.PDS)

Im Übrigen hat jetzt Herr Schwäblein das Wort, alle anderen Abgeordneten können sich gern zu Wort melden. Bitte, Herr Schwäblein.

Ich freue mich doch auf diese tiefschürfenden Ergänzungen des Kulturpolitikers Gentzel.

(Heiterkeit bei der CDU)

Im Gegensatz zu Ihnen habe ich da leise Zweifel und ich bin mir auch sicher, dass wir nach den finanziellen Veränderungen, die offensichtlich unausweichlich erscheinen, nach wie vor eine sehr starke Kultur in Thüringen haben werden. Sie wird hier eine wesentliche Rolle spielen. Wir sind uns unserer historischen und aktuellen Verantwortung für die Kultur bewusst. Wir werden sie nicht zerschlagen, wir müssen nur den Beitrag des Landes an die Leistungsfähigkeit des Landes anpassen, so schwer das zu erklären ist. In den Altländern ist es regelmäßig so, dass die Kommunen 60 Prozent für sogenannte Hochkultur finanzieren und die Länder mit 40 Prozent beteiligt sind. In Thüringen sind diese Verhältnisse noch umgekehrt. Wir halten es aber nicht mehr, weil der Gesamthaushalt zurückgeht, aber weil auch viele andere kulturelle Bereiche mittlerweile notleidend geworden sind. Ich sage das noch mal mit aller Deutlichkeit: Wenn wir die Musikschulen opfern würden, die Unterstützung des Landes für Musikschulen opfern würden, um die tariflichen Steigerungen der Orchester in den nächsten Jahren aufzufangen, würden wir uns das Publikum nehmen, das wir in der Zukunft brauchen. Das zum Beispiel ist keine Lösung. Ich bin dann erstaunt, wie wenig manches Haus heute Angebote für Jugendliche macht. Das ist bedauerlich. Da passiert im Moment auch etwas Falsches, das soll mal an dieser Stelle gesagt werden. Wer nicht ausreichend Kinder- und Jugendtheater anbietet oder im Moment wie der Erfurter Intendant vorrangig Musiktheater anbietet, erschwert den Einstieg für junge Leute. Regelmäßig werden sie über das Schauspiel an die Kultur herangeführt und das sollte man zumindest beachten.

Jetzt hat Herr Döring von den landauf, landab wogenden Protestwellen der Menschen gesprochen. Herr Döring, ich freue mich wie Sie, dass die Menschen sich für die Kultur in Thüringen engagieren. Ich sage aber in aller Deutlichkeit hinzu: Diese Proteste würden ein ganzes Stück glaubwürdiger, würden die Protestierenden mit einem Jahresabo zur Demo kommen.

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Döring, SPD: Wo wa- ren Sie gestern?)

Herr Abgeordneter Schwäblein, lassen Sie eine Frage des Abg. Blechschmidt zu?

Wenn mein Gedanke ausgesprochen ist.

Also am Ende Ihrer Rede?

Nein, jetzt nur diesen einen Gedanken. Wenn also alle die, die sich für den Erhalt von Theatern und Orchestern einsetzen, diese auch regelmäßig besuchen würden, wäre die Situation unserer Theater und Orchester nicht so schwierig, wie sie jetzt ist.

(Beifall bei der CDU)

Nein, das sind nicht böse Menschen, man kann sie aber daran erinnern, dass sie selber etwas dazu beitragen können, um die Situation zu verbessern, dass es nicht nur reicht, zu lamentieren, sondern dass man durch Tätigwerden auch selber etwas dazu beitragen kann.

(Zwischenruf Abg. Taubert, SPD: Herr Schwäblein, geben Sie die Regierung ab.)

Ist der Gedanke zu Ende? Dann würde ich jetzt Herrn Blechschmidt das Wort erteilen.

Danke, Frau Präsidentin. Kollege Schwäblein, ich gebe Ihnen ausdrücklich Recht, was die Frage Sparte Schauspiel angeht. Wenn junge Menschen Schauspiel erleben, werden sie günstiger, besser, vielleicht auch früher an Theater und Musik herangeführt. Bezogen auf die Abschaffung der Sparte Schauspiel in der Stadt Erfurt würde ich Sie gern fragen: Können Sie sich erinnern, wer die Sparte Schauspiel mit Stadtratsbeschluss in Erfurt abgeschafft hat, welche Fraktion das gewesen ist und welcher Sie angehört haben?

Ja, das waren zwei Fraktionen, und zwar die der SPD und die der CDU. Ich habe dazu mitgestimmt, weil ich auch dort die finanziellen Nöte gesehen habe. Ich sage bewusst, dass durch das Tarifkar

tell der ganze Theateretat nicht mehr aufging und die Stadt Erfurt im Moment schon mit 10,8 Mio. € zur Finanzierung des eigenen Drei-Sparten-Hauses beiträgt und wir uns schmerzhaft dazu durchgerungen haben, das Schauspiel nicht mehr selber zu produzieren, es aber weiterhin - wie alle anderen Sparten - anzubieten. Hier kommt meine Kritik: Der Intendant vernachlässigt im Moment seinen Auftrag, auch Schauspiel in ausreichendem Maße in Erfurt anzubieten. Er kauft nicht ausreichend ein, er nimmt alles Geld, um das in die Musikproduktion zu stecken, und macht damit etwas falsch,

(Heiterkeit bei der SPD)

denn er hat einen anderen Stadtratsauftrag, ganz eindeutig. Dann ist es wirklich nachrangig, es ist nicht bedeutungslos, aber es ist nachrangig, ob die Schauspieler am Ort der Aufführung wohnen oder ob sie für eine bestimmte Zeit in diese Stadt kommen. Da ist auch gar nichts Schlimmes dabei. Regelmäßig sind die großen Operpartien fremdbesetzt - an jedem Haus in Thüringen und darüber hinaus. Darin kann niemand einen Skandal sehen. Man wählt sich die besten Rollen, die man sich leisten kann, für die jeweilige Inszenierung.

Es ist doch viel wichtiger, dass hochwertige Kultur angeboten wird, als dass unbedingt jeder Schauspieler abends am Stammtisch wiedergetroffen wird. Bei dem, was jetzt droht, bei weiter ansteigenden Tarifen und der mangelnden finanziellen Leistungsfähigkeit des Landes und der Kommunen, wird peu à peu immer eine Orchesterstelle nach der anderen gestrichen. Damit sinkt nicht automatisch die Qualität der Orchester, aber ihre Möglichkeit, noch die volle Orchesterliteratur zu spielen, nimmt dramatisch ab und damit kommt es zu einer kulturellen Verflachung. Das ist schon die Entwicklung der letzten Jahre und das muss man einfach sehen. Es scheint unausweichlich zu sein. Das ist kultureller Verlust und niemand hat bisher eine Antwort darauf geben können, es sei denn, zu sagen, Leute, setzt auf Qualität, wenn wir bei der Mehrheit der Bevölkerung diese Ausgaben in dieser Höhe überhaupt noch rechtfertigen wollen. Es ist ganz, ganz viel Geld, was da in die Hand genommen wird.