Hans-Jürgen Döring

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Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, in der Presse ist der vorliegende Gesetzentwurf vor einigen Wochen ironisch als „Lex Holler“ tituliert worden. Das greift auf jeden Fall zu kurz, denn die Novelle hat zwar auch mit dem inzwischen glücklicherweise zugunsten Weimars im Tauziehen um Wolfgang Holler zu tun, aber im Kern geht es um ganz andere Dinge. Mit der Novellierung werden, denke ich, wichtige strukturelle Weichenstellungen für die jetzt auch offiziell so heißende Klassik Stiftung Weimar vorgenom
men. Ich möchte nur zwei Punkte herausgreifen.
Da ist zum einen die Straffung der Leitungsstruktur in der Stiftung. Die hatte bereits - Sie haben es vorhin gehört - das Gutachten des Wissenschaftsrats festgestellt, dass die bisherige Konstruktion eines Leitungsdirektoriums mit einem Präsidenten als Primus Inter Pares nicht wirklich zielführend ist. „In der Leitung der Stiftung“, so heißt es im Gutachten des Wissenschaftsrats, „hat der Präsident nach der Satzung das Letztentscheidungsrecht. Die Wahrnehmung der Entscheidungsbefugnis durch den Präsidenten wird in der Praxis allerdings durch das in der Satzung ausdrücklich eingeräumte Mitspracherecht der Direktoren eingeschränkt. Dies führt zu Schwierigkeiten bei der inhaltlichen Neustrukturierung der Stiftung. Wichtige Entscheidungen werden verzögert oder sogar abgeblockt.“ Wer die Geschichte der Stiftung und das traditionelle Eigenleben ihrer einzelnen Bereiche, aber auch die Eigensinnigkeit der einen oder anderen handelnden Person kennt, kann diese Einschätzung nur unterschreiben. Die mit der Novelle vorgenommene Einführung eines Stiftungspräsidiums ist daher nur konsequent.
Meine Damen und Herren, was in diesem Zusammenhang allerdings hinkt, ist der von der Landesregierung vorgenommene Vergleich der neuen Leitungsstrukturen mit dem vor gut zwei Jahren eingeführten Präsidialsystem an den Thüringer Hochschulen. Eine Stiftung ist eine im Wesentlichen hierarchisch gegliederte Einrichtung mit deutlichem Einfluss der Zuwendungsgeber, insbesondere auf die Bestellung der Stiftungsleitung. Hier ist ein Präsidialmodell mit einer starken Exekutive also durchaus sinnvoll. Bei einer Hochschule als möglichst autonome und demokratisch strukturierte Körperschaft ist das hingegen nicht der Fall.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zu einer weiteren strukturellen Weichenstellung kommen, die mit der Novellierung einhergeht. Darüber wird ebenfalls ein Monitum des Wissenschaftsrats aufgenommen. Der hatte nämlich in seinem Bericht kritisiert, dass der bisherige Stiftungsrat auch die Aufgabe eines wissenschaftlichen Beirats wahrnimmt. Diese Funktion habe der Stiftungsrat jedoch nicht überzeugend erfüllt. Der Gesetzentwurf sieht daher die Einführung eines wissenschaftlichen Beirats bei gleichzeitiger Entlastung des bisherigen Stiftungsrats um Fragen der fachlich-inhaltlichen Beratung vor. Auch diese Strukturveränderung ist sinnvoll und angesichts der in den kommenden Jahren weiterlaufenden inhaltlichen Neuorientierung der Klassik Stiftung sowie des damit zusammenhängenden großen fachlichen Beratungsbedarfs nur zu begrüßen.
Neben diesen wichtigen Veränderungen bei der Binnenstruktur der Klassik Stiftung fixiert die Novelle
auch die Ergebnisse des im Januar 2009 durchgeführten Liegenschaftstauschs mit der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten. Hier kann man nur hoffen, dass der von beiden Einrichtungen ausgetragene Streit um Schloss und Bastille nun wirklich ihren Schlusspunkt gefunden hat. Ein Wiederaufflammen dieses streckenweise verbissen ausgetragenen Zweikampfes wäre dem Ruf Thüringens als Kulturland sicherlich nicht förderlich. Schon in der hoffentlich letzten Runde der Auseinandersetzung war in den bundesweit erscheinenden Medien des Öfteren von einer skurrilen Provinzposse die Rede.
Meine Damen und Herren, ich komme zum letzten Punkt meiner Ausführungen, der ebenfalls im Zusammenhang mit dieser Novellierung erfolgt: die Übertragung von Schloss und Park Wilhelmsthal an die Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten. Die Liegenschaftsübernahme an sich stellt - das wissen wir alle - kein Problem dar. Allerdings kann es nicht angehen, dass der Gesetzentwurf keinerlei Aussagen über die Finanzierung dieser Transaktion trifft. Selbst wenn jetzt eine Summe hier möglich ist, sage ich eindeutig, dass es wichtig und notwendig ist, das auch wirklich rechtlich klarzusetzen. Da läppert sich nämlich wirklich einiges zusammen, das muss ich hier nicht sagen. Es ist ja in der Anhörung klar geworden: Bauinvestitionen 25 Mio. €, Parkanlage 10 Mio. €, Bauunterhalt, Parkpflege; die Summen haben wir in der Anhörung genannt. Deshalb, denke ich, ist es wichtig, dass hier wirklich eine klare rechtliche Regelung getroffen wird. Vor diesem Hintergrund unterstützt meine Fraktion ausdrücklich den Änderungsantrag der LINKEN, denn ich denke, der bietet wirklich eine sichere - das ist entscheidend - Finanzierungszusage bis zur Verabschiedung des kommenden Landeshaushalts. Insofern kann die Antwort auf die eben gestellte Frage von Frau Klaubert, die mich nicht überzeugt hat, nicht dazu führen, dass wir ohne diesen Antrag dem Ganzen wirklich mit vollem Herzen zustimmen können. Danke.
Herr Minister, wie sehen Sie denn den Zusammenhang zwischen dem Projekt „Eigenverantwortliche Schule“ und Beauftragung durch den Kreistag an den Landrat, so ein Modellprojekt zu entwickeln?
Frau Präsidenten, meine Damen und Herren, ich will es sehr kurz machen. Herr Carius, was Sie hier vorgetragen haben, war für mich aktuell nichts Neues. Es war nichts weiter als ein Platzhalter. Ich bedauere das, weil dieses Thema das nicht verdient hat.
Ich will es nur deutlich machen, wir haben in der letzten Sitzung einen Antrag von Ihnen behandelt mit dem gleichen Wortlaut und haben uns da wirklich ausgetauscht. Ich kann nur sagen, wir haben auch einen Beschluss gefasst, nämlich dass auszugebende Mittel aus dem SED-Vermögen für Kultur, für Demokratie, Erziehung und Gedenkstättenarbeit genutzt werden kann. Ich erwarte von der Landesregierung wirklich eine zeitnahe Umsetzung. Wir werden das sehr kritisch betrachten. Das ist das Einzige, was aktuell ist. Was Sie gesagt haben, war überhaupt nicht neu und wir hätten uns das ersparen können. Danke.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, das parlamentarische Schicksal der Großen Anfrage, mit
der wir uns heute beschäftigen, gleicht einer unendlichen Geschichte - Ende 2006 gestellt, im April 2007 von der Landesregierung beantwortet, im Juli 2007 vom Plenum ohne Aussprache an den Bildungsausschuss überwiesen, kommt sie erst jetzt aus dem Ausschuss zurück auf die Plenartagesordnung. Manche Fragestellung der CDU und manche Argumentation der Landesregierung bei der Beantwortung dieser Anfrage wirken inzwischen überholt, anderes haben die auskunftsuchende Fraktion und das antwortende Kultusministerium hingegen von vornherein ausgespart.
Erinnern wir uns: In ihrer Großen Anfrage ging es der CDU nach eigenen Angaben darum, eine erste Bilanz zu der im Jahr 2003 im Abschlussbericht der Enquetekommission „Erziehung und Bildung in Thüringen“ abgegebenen Empfehlung zu ziehen sowie aktuelle Fragestellungen aufzugreifen und zu erörtern. Dieser Zielstellung wurde die Große Anfrage jedoch nicht gerecht. Bei ihren Nachfragen zur Umsetzung der von der Enquetekommission abgegebenen 70 bildungspolitischen Empfehlungen mied die CDU-Fraktion seinerzeit sorgsam alle Themenbereiche, die zur Kritik am Verhalten der Landesregierung hätten Anlass bieten können. So wurde beispielsweise der Abschnitt Schulstrukturen des Enqueteabschlussberichts, in dem deutlich gemacht wird, dass es angesichts der schlechten PISA-Ergebnisse nicht mehr um bloße Reparaturen an den bestehenden Strukturen gehen kann, sondern das Thüringer Schulwesen tiefgreifende Reformen benötigt, völlig ausgeblendet. Ebenso spielten sich die Aussagen der Enquetekommission zum Erhalt des Landeszuschusses zur Schülerspeisung, zur größtmöglichen Eigenverantwortung der Schulen und zur Bewahrung des Grundschulhorts überhaupt nicht in den Fragestellungen wider.
Genauso verhält es sich mit den zur Zeit der Erarbeitung der Großen Anfrage aktuellen Fragestellungen; denn dort sucht man beispielsweise vergeblich nach den damals aktuellen Fragen zur Kostensteigerung aufgrund der durch die Familienoffensive veränderten Kitafinanzierung. Nach dem Umgang der Landesregierung mit den OVG-Urteilen zum Büchergeld und zur Teilzeitverbeamtung von Lehrern oder zur Situation an den Schulen infolge der verkappten Kürzung der Landesmittel für Schulsozialarbeit sucht man auch vergebens. Allein schon von ihrer Strukturierung und Anlage her erscheint die Große Anfrage also wenig geeignet, zu einer differenzierten und kritischen Analyse der von der Landesregierung betriebenen Bildungspolitik beizutragen. Ihre Intention dürfte wohl allein darin bestanden haben, dem Kultusministerium ein Podium zur Selbstdarstellung zu bieten. Dem eigenen, im einleitenden Text der Großen Anfrage formulierten Anspruch, ich zitiere: „neue Anforderungen an das Bildungs
system frühzeitig erkennen zu wollen, entsprechenden Möglichkeiten auszuschöpfen bzw. zu schaffen und Visionen für ein modernes Bildungssystem zu entwickeln“, Kollege Emde, sind Sie auf diese Weise nicht gerecht geworden. Sie haben vielmehr die verbale Reproduktion des ewigen „Weiter so!“ gefördert, das ja seit Jahren die Bildungspolitik der Landesregierung allen realen Veränderungsnotwendigkeiten zum Trotz bestimmt. Genau diese Gelegenheit nutzte dann das Kultusministerium in seinen Antworten reichlich aus, in einem durch blumige Worte und schwammige Formulierungen gekennzeichneten Stil wurden dort auf 47 Druckseiten lediglich die angeblichen bildungspolitischen Erfolge des Kultusministeriums und dessen stets richtige Entscheidungen verkündet. Bildungspolitischer Problemdruck und entsprechender Handlungsbedarf, etwa aufgrund des Abschneidens bei PISA oder der einschlägigen Empfehlungen der Enquetekommission oder auch nur ein gewisses Problembewusstsein existieren demnach offenbar überhaupt nicht. Zugespitzt könnte man den Tenor der Regierungsantwort auf folgenden Nenner bringen: Alles in der Thüringer Bildungspolitik ist gut, war gut und wird auch immer gut bleiben.
Entsprechend mäanderte die Beratung der Großen Anfrage im Bildungsausschuss dann auch über zig Monate vor sich hin. Vorangetrieben wurde die Diskussion meist nur durch Beiträge und Nachfragen der Opposition, während sich der eigentliche Indikator der Großen Anfrage oft in völliges Schweigen hüllte oder sich maximal zu einer Bekräftigung der vom Kultusministerium vorgetragenen Argumente aufraffen konnte. Ein echtes Interesse der CDU an einer an realen Problemlagen orientierten Detailberatung schien mir da oftmals nicht zu bestehen. Umso überraschter bin ich deshalb gewesen, dass sich die CDU-Ausschussmitglieder bereitgefunden haben, im Ausschussbericht über die Beratung der Großen Anfrage vier Themenkreise zu benennen, bei denen derzeit dringender bildungspolitischer Handlungsbedarf besteht. Der Kollege Krause hat sie gerade vorgetragen. Das ist zum einen die Realisierung der Eigenverantwortung von Schule, zum anderen die Schaffung eines breiten Einstellungskorridors für Nachwuchspädagogen, zum Dritten die Weiterentwicklung der integrativen Beschulung und schließlich der bedarfsgerechte Ausbau ganztägiger Bildungs- und Betreuungsangebote. Dass bei diesen Themenbereichen etwas passieren muss, ist meiner Fraktion bereits seit Langem bewusst. Hier hat es eine Fülle parlamentarischer Initiativen der SPD gegeben, die jedoch bisher von der Mehrheitsfraktion stets abgelehnt worden sind. Ich erkenne daher durchaus an, dass sich die CDU hier zumindest
so weit bewegt hat, den bestehenden bildungspolitischen Handlungsbedarf überhaupt einmal zur Kenntnis zu nehmen und konkret zu benennen. Das ist schon deutlich mehr, als die bislang vom Kollegen Emde aufgelegten Friede-Freude-EierkuchenParolen.
Es hätte daher auch allen Fraktionen gut angestanden, diesen Themenkatalog gemeinsam zu tragen. Für die Opposition wäre das eigentlich kein Problem gewesen, denn die aufgeführte bildungspolitische Mängelliste bietet ja nun wahrlich nichts umwerfend Neues. Dass DIE LINKE sich hier aus irgendwelchen wahltaktischen Überlegungen einer Kooperation verweigert hat, bedauere ich und deshalb ist es am Schluss, am Ende doch nicht zu den zuvor anvisierten gemeinsamen Schlussfolgerungen und Empfehlungen aller Fraktionen des Hauses gekommen.
Meine Damen und Herren, weit wichtiger als dieses kleine Ärgernis ist für mich allerdings, welche konkreten Handlungsbedarfe die CDU im abschließenden Berichtsteil 2.2 in den genannten vier Themenbereichen sieht. Da zeigt sich nämlich, dass aus der vorhergehenden Gemeinsamkeit der Fraktionen bei der Problemanalyse keineswegs auch ein einheitliches Bemühen um adäquate Problemlösungen resultiert. Vielmehr fällt die CDU in diesem wichtigen Berichtsteil wieder ganz in die Jubelprosa ihrer Großen Anfrage zurück. Folgt man hier der Mehrheitsfraktion, ist an der von der Landesregierung verantwortlichen Bildungspolitik einfach alles Spitze, das laut CDU beispielhafte gegliederte Schulsystem, die Bildungschancen für Kinder unterer sozialer Schichten, das Entwicklungsvorhaben eigenverantwortliche Schule, das Niveau der Bildungsausgaben, die Lehrer-Schüler-Relation, die Begabtenförderung sowie die Angebote ganztägiger Bildungs- und Betreuungsleistungen. Internationales Spitzenniveau, Spitzenreiter in Deutschland, Spitzenversorgung, so lautet das CDU-Vokabular im Berichtsteil.
Das Ganze liest sich wie ein Parteitagsbericht aus früheren Zeiten, denn überall in der Thüringer Bildungslandschaft herrscht vermeintlich Weltniveau. Merkwürdig ist nur, dass diese blumigen Aussagen nicht so recht zu dem vorgeschalteten Themenkatalog passen, in dem die real existierenden Mängel der Thüringer Bildungspolitik auf den Feldern eigenverantwortliche Schule, Lehrerpersonal, gemeinsamer Unterricht und ganztägige Bildung und Betreuung benannt werden.
Wie können denn solche Problemfelder überhaupt entstehen, wenn doch seit Jahren alles Spitze ist,
Kollege Emde? Auf Ihre Antwort bin ich schon gespannt, denn im Berichtsteil 2.2 suche ich sie ebenso vergebens wie konkrete, zu dem zuvor beschriebenen Problem passende Lösungsansätze.
Wir haben uns da, denke ich, mehr Mühe gegeben. Wir haben die Ergebnisse der Anhörung, die der Bildungsausschuss während der Beratung der Großen Anfrage durchgeführt hat, ebenso reflektiert wie die Diskussion der Ausschussmitglieder in Sachen gemeinsamer Unterricht und Einstellungskorridore. Unsere daraus resultierenden Schlussfolgerungen und Empfehlungen finden sich im Berichtsteil 2.3. Deutliche Verklärungen à la CDU gibt es da natürlich nicht. Stattdessen bieten wir Sachstandsanalysen und konkrete Handlungsempfehlungen. Ich möchte Ihnen das an drei Beispielen, den Punkten soziale Selektivität des gegliederten Schulsystems, externe Evaluation von Schulen und Erzieherausbildung deutlich machen.
Zunächst zur sozialen Selektivität des gegliederten Schulsystems: Der Bildungsausschuss hat unter anderem zu diesem Thema in seiner 38. Sitzung am 19.06.2008 eine Mündliche Anhörung mit Vertretern der FSU Jena durchgeführt. Die eingeladenen Fachwissenschaftler haben dabei mehrfach auf die im internationalen Vergleich außerordentlich hohe Selektivität des deutschen Bildungswesens aufmerksam gemacht. Nach Auffassung der Anzuhörenden sind die Übergänge innerhalb des gesamten Bildungssystems in der Regel soziale und keine kognitiven Sollbruchstellen.
Wissenschaftlich gesichert und bekannt sei, dass die Entscheidung über Bildungsläufe fast ausschließlich über die soziale Herkunft der Deminanten bestimmt werden, also nichts mit der kognitiven Leistungsfähigkeit zu tun hätte. Das hat auch mit Thüringen zu tun. Auch, Herr Minister Müller, wenn Thüringen hier nicht am Ende der Schlange ist, so gibt es doch Probleme. Es ist so, dass das Kind eines Akademikers eine zweimal so große Chance hat, zum Abitur zu kommen bei gleicher kognitiver Leistungsfähigkeit in Thüringen.
Da müssen Sie mal PISA lesen, da können Sie das nachlesen - wo haben Sie das her? -
Sie müssen einfach mal lesen. Wahrscheinlich ist das auch eine Frage von Lesekompetenz. Soweit das Ergebnis der Anhörung, wie es sich im Bericht des Bildungsausschusses widerspiegelt.
In den Empfehlungen der CDU finden Sie dazu merkwürdigerweise kein einziges Wort. Deswegen sage ich eindeutig, hier müssen Sie auch gedanklich nacharbeiten.
Meine Damen und Herren, wir teilen ausdrücklich die Auffassung, dass die soziale Selektivität intolerabel hoch ist. Wir empfehlen deshalb - Sie wissen das - eine Überwindung des gegliederten Schulsystems und die Einführung längeren gemeinsamen Lernens bis einschließlich Klassenstufe 8.
Meine Damen und Herren, ebenso konkret sind unsere Empfehlungen zur externen Evaluation von Schulen. Auch hierzu hat es eine mündliche Anhörung des Bildungsausschusses gegeben, und zwar in der 33. Sitzung. Es waren seinerzeit Experten anderer Bundesländer zugegen und auch die ThILLM-Leitung. Die Anhörung hat zweifelsfrei ergeben, dass die in Thüringen bestehenden personellen und materiellen Rahmenbedingungen für die externe Evaluation von Schulen im Vergleich mit den anderen Bundesländern unzureichend sind. In Rheinland-Pfalz beispielsweise arbeitet die Agentur für Qualitätssicherung, Evaluation und Selbstständigkeit von Schulen als völlig eigenständige Einrichtung und mit guter personeller und materieller Ausstattung. Ihr bayerisches Pendant ist zwar formell an einem Staatsinstitut angesiedelt, verfügt aber ebenfalls über eine bemerkenswerte Eigenständigkeit sowie über sehr hohe personelle und finanzielle Ressourcen. Auffällig ist bei beiden Einrichtungen zudem ihr Besatz mit wissenschaftlich ausgebildetem Personal. In Thüringen dagegen gibt es lediglich eine mit einer Vollzeitstelle ausgestattete Koordinierungsstelle, bei der die Schulen sich zur Evaluation anmelden sowie zur Ausbildung und Begleitung der Evaluationsteams eine einzige Angestellte beim ThILLM und diese ThILLMMitarbeiterin kann zudem lediglich etwa 50 bis 60 Prozent ihrer Arbeitszeit in die Evaluationsbegleitung investieren, da sie auch noch mit anderen Tätigkeiten belastet ist. Derart dürftige personelle Rahmenbedingungen sind im Bundesvergleich schlichtweg indiskutabel. Das hat die Anhörung des Ausschusses in aller Deutlichkeit, Herr Minister Müller, vor Augen geführt. Angesichts dessen ist es mir schleierhaft, warum die CDU in ihren Empfehlungen mit keiner Silbe auf die dringend notwendige Professionalisierung der externen Evaluation von Schulen in Thüringen eingeht. Hier gibt es ein ganz reales, massives Problem. Daran können Sie sich nicht mit ein paar Floskeln und inhaltlichen Schlagwörtern wie „zyklischer Qualitätsmanagementprozess“ vorbeimogeln. Hier ist Handeln gefragt. Unsere Empfehlung
an den Landtag lautet daher, dem Beispiel anderer Bundesländer zu folgen und schulgesetzliche sowie auch haushaltsrechtliche Voraussetzungen für die Etablierung einer eigenständigen Agentur für Bildungsqualität zu schaffen.
Meine Damen und Herren, damit komme ich zum letzten Punkt, der Erzieherausbildung. Auch sie ist in der jetzigen Form einer unspezifischen Breitbandausbildung von den im Ausschuss angehörten Fachwissenschaftlern der FSU Jena als unzureichend kritisiert worden. Ziel Thüringens müsse es sein, so die Jenaer Experten, das in anderen Bundesländern angestrebte Niveau zu erreichen, und zwar eine grundständige Qualifizierung auf akademischem Niveau - damit sind nicht die Bundesländer gemeint, sondern wirklich die anderen Länder. Die von der FH Erfurt angebotene akademische Weiterqualifizierung von Erziehern sei ein richtiger Weg, der weiter beschritten und dann auch konsequent in die primäre Ausbildung geführt werden müsse. Auch das ist ein ganz klares Anhörungsergebnis, dem sich die Bildungspolitik stellen muss. Was aber passiert bei der CDU? Sie werden es schon erraten. Es passiert wieder einmal nichts. In den Empfehlungen der Mehrheitsfraktion ist auch von diesem Themenfeld keine Rede. Erneut verschließt die CDU einfach die Augen vor der Realität und ist felsenfest davon überzeugt, damit auch das wesentliche Problem aus der Welt geschafft zu haben.
Bei einer solchen Vogel-Strauss-Politik, meine Damen und Herren, machen wir nicht mit. Wir stimmen mit den Anzuhörenden überein, dass in Thüringen die Erzieherausbildung den zeitgemäßen pädagogischen und erzieherischen Anforderungen an das Fachpersonal wirklich gerecht werden muss. Wir empfehlen wirklich auch die gesetzlichen Voraussetzungen für die Einführung einer Erzieherausbildung auch auf Fachhochschulniveau zu schaffen. Da geht es nicht um die Abschaffung der Fachschulen, Herr Minister Müller. Da geht es um die Kooperation mit Fachschulen. Natürlich müssen wir die Fachschulen mitnehmen und auch die praktische Kompetenz, die dort vorhanden ist, aber wir müssen den Weg gehen, hier auch eine primäre Ausbildung in Kooperation mit den Fachschulen und den Fachhochschulen zu erreichen.
In diesem Zusammenhang muss auch noch ein anderer Punkt erwähnt werden. Wer den Bildungsplan erfolgreich umsetzen will, braucht nicht nur pädagogisch gut qualifiziertes Personal, das wissen wir, er braucht vor allem auch genügend Personal. Wir alle wissen, dass in Thüringen inzwischen rund 2.000 Erzieherstellen fehlen. Diese Lücke wird auch nicht durch die jüngste Initiative der CDU geschlossen. Das Vorhaben der Landesregierung - auch das haben wir ja gestern intensiv diskutiert - ist zudem
nicht solide durchfinanziert. Das geht auch zulasten der Kommunen und taugt allenfalls als Ablenkungsmanöver im Wahlkampf. Vor diesem Hintergrund, das sage ich eindeutig, wünsche ich, dass das Volksbegehren zur Familienpolitik Erfolg hat.
Meine Damen und Herren, an drei Beispielen aus dem Empfehlungsteil des Ausschussberichts habe ich Ihnen den Unterschied zwischen verantwortungsvoll handelnder, an Problemlösungen orientierter Bildungspolitik und dem von der CDU betriebenen Wortgeklingel verdeutlicht. In sämtlichen Problemfeldern, die in unseren sechs Empfehlungen thematisiert werden, haben wir bereits eine Vielzahl parlamentarischer Initiativen ergriffen. Dass sie von der Mehrheitsfraktion stets abgelehnt worden sind, spricht für sich. Wahrscheinlich wird sich die CDU auch heute wieder darüber freuen, dass sie unsere bildungspolitischen Anstöße dank der eigenen Parlamentsmehrheit ohne Weiteres ignorieren kann. Aber, ich sage Ihnen, das ist ein Pyrrhussieg. In den aktuellen repräsentativen Umfragen zeigt sich deutlich, welcher Partei die Thüringer Bürgerinnen und Bürger bildungspolitische Kompetenz zuschreiben. Die regierende CDU ist das jedenfalls nicht. Danke.
Danke, Frau Präsidentin.
Besoldung von Überstunden der in Teilzeit beschäftigten verbeamteten Lehrer
Laut Medienberichten hat das Verwaltungsgericht Meiningen in einem Musterprozess jüngst ein weit
reichendes Urteil zur Beamtenbesoldung in Thüringen gefällt. Demnach dürfen Überstunden der in Teilzeit beschäftigten verbeamteten Lehrer nicht geringer besoldet werden als Überstunden ihrer in Vollzeit beschäftigten Kollegen. Gleichzeitig ist der Freistaat gegenüber einem klageführenden Lehrer zur Nachzahlung von Dienstbezügen in Höhe von über 3.000 € verpflichtet worden. Es ist davon auszugehen, dass dieses Urteil weitere Zahlungen des Landes für eine Vielzahl in Teilzeit beschäftigter verbeamteter Lehrer nach sich ziehen wird.
Ich frage die Landesregierung:
1. Wie viele in Teilzeit beschäftigte verbeamtete Lehrer sind von der geschilderten Problematik betroffen?
2. Wie viele Überstunden insgesamt sind bei diesen Lehrern zu gering besoldet worden?
3. Auf welche Summe belaufen sich die voraussichtlichen Gesamtkosten, die bei einer Nachzahlung von Dienstbezügen für diese Überstunden anfallen werden?
4. Beabsichtigt die Landesregierung, Rechtsmittel gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Meiningen einzulegen?
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, „das Vergangene ist nie tot, es ist nicht einmal vergangen“ - so William Faulkner. Wir brauchen den Mut zur ehrlichen Erinnerung. Wir gewinnen die Zukunft nicht ohne die Arbeit an der Vergangenheit. Dabei ist es gut und richtig, wenn verschiedene Wahrheiten über die DDR-Vergangenheit zusammengetragen werden. Es darf aber, wie Wolfgang Thierse bemerkt, eine Wahrheit nicht relativiert werden, die einer Geschichte von Unterdrückung und
Unfreiheit und vom Widerstehen. Meine Damen und Herren, wir müssen an beides erinnern.
Daher - und Frau Lieberknecht hat das gerade gesagt - ist es besonders wichtig, vor allem die Opfer zu Wort kommen zu lassen. Ihnen kommt ein ehrenvoller Platz in dieser Gesellschaft zu und diese Position muss immer wieder bewusst gemacht werden.
Meine Damen und Herren, in diesen Kontext ist auch die Arbeit der Landesbeauftragten gestellt. Der Tätigkeitsbericht mit den Handlungsfeldern Beratung, Bildungsangebot, Forschung und Aufarbeitung macht für mich und für meine Fraktion deutlich, wie notwendig die Arbeit dieser Behörde immer noch ist. Der Bericht zeigt für mich aber auch, dass es noch keinen Schlussstrich unter der parlamentarischen Aufarbeitung geben darf. Wenn man den Bericht anschaut und man die Rehabilitierungspraxis der ehemaligen Insassen von Jugendwerkhöfen anschaut, dann stellt sich die Frage, ob schon alle relevanten Opfergruppen im notwendigen Maße einbezogen wurden. Hier muss die Diskussion weitergeführt werden.
Meine Damen und Herren, im Bericht der Landesbeauftragten wird auch deutlich gemacht, dass es in Thüringen eine zunehmende Nachfrage der Schulen nach intensiv betreuten Projekten gibt, die sich teils über mehrere Tage mit den Fragen von SEDHerrschaft, MfS und dem Leben in der Diktatur auseinandersetzen. Das ist ein positives Signal, denn es reicht nicht aus, nur zu konstatieren, Schülerinnen und Schüler wissen zu wenig über die DDR. Wir müssen DDR-Geschichte verstärkt zum Thema der pädagogischen Reflexion an unseren Schulen machen. Es gilt, ein angemessenes, weder schönfärberisches noch dämonisierendes Bild der DDR zu vermitteln. Dabei müssen wir uns sehr wohl mit der Tatsache auseinandersetzen, dass es keinen gesamtgesellschaftlichen Konsens über die Bewertung der DDR gibt. Selbst Erlebtes und Nostalgisches der Eltern- und Großelterngeneration prägt zunehmend das Geschichtsbild der DDR. Problematische Tatsachen werden in der Wahrnehmung immer mehr zurückgedrängt, objektive Wirklichkeit wird durch gefühlte Wirklichkeit überdeckt. In der öffentlichen Wahrnehmung verlieren nachgewiesene Zusammenhänge ihre Gültigkeit und die DDR wird häufig auf den Alltag der Mitläufer und Verantwortungsträger reduziert. Opposition und passiver Widerstand wird kaum noch in den Blick genommen.
Meine Damen und Herren, gerade deshalb müssen wir über die Erinnerungsorte neue Zugänge zu diesem Thema finden, Zugänge, die Schülerinnen und
Schülern erlauben, eigene Haltungen zu den Ereignissen zu entwickeln auf der Grundlage soliden Wissens fern von Nostalgie und einseitiger Abrechnungsideologie.
Meine Damen und Herren, dazu brauchen wir eine hohe Qualität der Aufarbeitung und der Vermittlung im pädagogischen und dokumentarischen Bereich. Mit unserer Entschließung wollen wir eine Ausgabeermächtigung festschreiben, die im kulturellen Sektor verwendbaren Mittel aus dem Thüringen zugesprochenen SED-Vermögen gerade solchen Einrichtungen und Organisationen des Freistaats zukommen zu lassen, die sich der Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit und der Demokratisierung widmen. Allein ein Blick auf das MfS-Gefängnis Andreasstraße macht ja deutlich, dass hier Handlungsbedarf besteht.
Meine Damen und Herren, Zukunft braucht humane Kompetenz. Nicht ohne Grund hat Marianne Birthler darauf hingewiesen, dass unsere Kinder und Enkel ein Recht darauf haben, die Geschichte ihres, unseres Landes kennenzulernen - im Guten wie im Schlechten. Um in der Demokratie stark zu sein, sie gestalten zu können, um Zivilcourage tatsächlich zu leben, brauchen sie auch das Wissen darüber, wie eine Diktatur funktioniert, wie und warum Menschen zu Verrätern wurden und wie andere auch unter schwierigen Bedingungen anständig blieben. Die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit kann uns davor schützen, verfehlte Lebensmuster zu wiederholen. Eine konsequente Auseinandersetzung mit der DDR und mit dem DDR-Unrecht ist für künftige Generationen deshalb unerlässlich und muss auch an Schulen und auch an anderen Bildungseinrichtungen ihren gebührenden Platz erhalten.
Meine Damen und Herren, wenn wir uns der Erinnerung verweigern, wenn wir bei der Aufarbeitung der Vergangenheit beginnen zu beschönigen oder zu begradigen, werden wir den Kindern und Jugendlichen nicht die Situation vermitteln können, in der sich die DDR-Diktatur entwickeln konnte und die von Jürgen Fuchs in seinen „Vernehmungsprotokollen“ folgendermaßen beschrieben wurde: „Was ist denn, wenn die Lokomotiven wieder von den Brücken fallen und die frisch gebügelten Uniformen aus den Schränken geholt werden und die Stiefel dazu, was ist denn, wenn alles aufhört und etwas beginnt, etwas Lautes, in aller Stille, das strammsteht und immer näherkommt und nicht mehr haltmacht, immer näher, bis an dein Gesicht, ganz dicht heran und nicht haltmacht und immer weitermarschiert auf leisen Sohlen, was ist denn, wenn kein Wort mehr hilft und kein Buch und kein Schrei?“ Danke schön.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, eine starke Strömung ist der Ansicht, allzu viel Bildung schadet nur, die Leute könnten ja wirklich kritisch werden. Diese Äußerung der auch von mir hoch geschätzten Politikerin Hildegard Hamm-Brücher mag einem in den Sinn kommen, wenn man an die Reaktion der CDU-Fraktion auf unseren Gesetzentwurf in der ersten Lesung zurückdenkt. Die Ablehnung dieses Gesetzesvorschlags durch die Landtagsmehrheit hat uns in keiner Weise verwundert. Schon immer ist die CDU vornweg, wenn es darum geht, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Rechte zu verweigern.
Bereits 1992 hat die Landtagsmehrheit einen Gesetzentwurf der SPD zurückgewiesen; 17 Jahre später sind die Argumente der CDU nicht besser geworden. Sie dienen ausschließlich der Vernebelung der Tatsache, dass die CDU als Interessenvertreterin der Arbeitgeberseite fungiert. Mitten zur Unzeit, stöhnte der Abgeordnete Emde, käme unsere Initiative und Frau Ministerin Lieberknecht sekundierte, es sei zum jetzigen Zeitpunkt das falsche Signal an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und Arbeitgeber und spricht von einem Moratorium für unsere derzeit belastete Wirtschaft. Doch, Frau Lie
berknecht, wann wäre es für die CDU nicht mitten zur Unzeit, wenn es darum geht, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Rechte zu gewähren. Wenn es Ihnen wirklich um die Wirtschaftskrise ginge, so müssten Sie sich fragen lassen, warum Sie 1992 unserem Gesetzentwurf nicht zugestimmt haben, wo doch nach Ihrer Meinung damals blühende Landschaften bevorstanden. Wenn die Wirtschaft boomt, darf der Boom nicht gefährdet werden, wenn die Wirtschaft kriselt, darf die Wirtschaft nicht belastet werden, so bewegen wir uns ewig in der Unzeit.
Ich wiederhole noch einmal, es geht Ihnen um die grundsätzliche Abwehr von Arbeitnehmerrechten. In wohl- und hohlklingenden Worten hat der Abgeordnete Emde von Selbstverpflichtung gegenüber Vertrauen, mehr gegenseitigem Vertrauen und Wertschätzung von denen, die Arbeit schaffen, und denen, die sie leisten, gesprochen, um eine gesetzliche Regelung zu negieren.
Hier wird deutlich, meine Damen und Herren, dass wir als Sozialdemokraten uns grundsätzlich von diesem Ansatz unterscheiden. Wir wollen, dass die Arbeitnehmer Rechte haben und selbst entscheiden können, ob diese in Anspruch genommen werden oder nicht. Wir wollen keine Fortbildung als Gnadenakt des Unternehmers, weil wir wissen, dass Seminare, die nicht dem unternehmerischen Interesse dienen, dann kaum noch möglich wären. Besonders hanebüchen ist dabei der von Frau Ministerin Lieberknecht konstruierte Zusammenhang, dass die Länder ohne Bildungsfreistellungsgesetz die leistungsstarken, die wirtschaftsstarken, die pisastarken Länder seien. Wirtschaftlich starke Länder wie z.B. Hessen und wirtschaftlich schwache Länder wie Sachsen-Anhalt verfügen über ein Bildungsfreistellungsgesetz. Es besteht schlichtweg kein Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Stärke und der Frage der Existenz oder Nichtexistenz eines Bildungsfreistellungsgesetzes. Wenn Sie jedoch, werte Frau Ministerin Lieberknecht, hier einen Zusammenhang konturieren wollen, können Sie offensichtlich Parallelität und Kausalität nicht auseinanderhalten. Das zeugt nicht gerade von PISA-Stärke.
Meine Damen und Herren, auch andere Länder mit Bildungsurlaubsgesetzen haben eine kleine und mittelständische Wirtschaftsstruktur. Wir wissen sehr wohl um die besonderen Probleme dieses Bereichs. In keinem dieser Bundesländer ist es durch Bildungsurlaubs- bzw. Bildungsfreistellungsgesetze dazu gekommen, dass deren Existenz gefährdet worden sei. Nennen Sie mir einen einzigen Betrieb in Deutschland, der durch Inanspruchnahme von Bildungsfreistellung in den Ruin getrieben worden wäre. Das Geschrei der Arbeitgeberverbände
und ihrer politischen Lautsprecher, also Ihrer Partei, wäre doch nicht zu überhören gewesen.
Frau Kollegin, Sie verweisen mit Recht darauf, dass Bildungsurlaubsregelungen aber auch die Thüringer landesgesetzlichen Regelungen zur ehrenamtlichen Tätigkeit der Jugendarbeit nur von einer Minderheit in Anspruch genommen werden. Aber Sie ziehen aus dieser Problembeschreibung vollkommen falsche Schlüsse. Es geht hier um die Gewährung von Rechten, die nicht dadurch ihre Berechtigung verlieren, dass viele davon keinen Gebrauch machen. Wenn es nach der Logik von Frau Lieberknecht ginge, müssten wir das verbriefte Demonstrationsrecht abschaffen, weil es nur eine kleine Minderheit ist, die dieses in Anspruch nimmt. Trotz des mit jeder Demonstration verbundenen Verwaltungsaufwands halten wir an dem Demonstrationsrecht, gottlob!, fest. Wahrnehmen von Rechten durch die Bürger und rechtsförmliche Verfahren, also Verwaltungsaufwand, gehören notgedrungen zusammen.
Meine Damen und Herren, wenn trotz des bestehenden Anspruchs Bildungsurlaub vor allem in Großbetrieben und im öffentlichen Dienst greift, wirft dies auch ein grelles Licht auf die Partizipationsmöglichkeiten in weiten Teilen der Wirtschaft. Denn offensichtlich sind starke Gewerkschaften, Betriebe und Personalräte die Voraussetzung dafür, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ermutigt werden, ihre gesetzlich garantierten Rechte auch wahrzunehmen. Wir würden uns wünschen, dass die Wahrnehmung von Weiterbildungsmaßnahmen sozial breiter wird. Sie jedoch wollen die Arbeitnehmer nicht als mündiges Subjekt und sie deshalb den Gnadenakten ihrer Arbeitgeber aussetzen. Notwendig ist ein gesetzlich fixiertes Anerkennungsverfahren. Dies zeigt, es geht hier nicht nur um Bildungsfreistellung ja oder nein, sondern auch um ein grundsätzlich unterschiedliches Gesellschafts- und Demokratieverständnis, das uns Sozialdemokraten von Ihrer Partei trennt. Wir wollen die Demokratie nicht nur als politisches System, sondern als Lebensform.
Meine Damen und Herren, dies gilt im Übrigen auch für die Wirksamkeit von Bildungsprozessen. Diese tritt nur dann ein, wenn die Eigenmotivation der Teilnehmenden gegeben ist, wenn ihre Bedürfnisse mit einbezogen sind. Arbeitnehmer sind sehr wohl in der Lage, ihre Bildungsziele selber zu bestimmen. Es liegt in ihrem eigenen Interesse, ihre Beschäftigungsfähigkeit abzusichern und durch ihre Bildungsbeteiligung zu einem günstigen Bildungsklima in den Betrieben und auch im familiären Bereich beizutragen. Wie wichtig es wäre, alle gesellschaftlichen Kräfte für die Weiterbildung zu mobilisieren, zeigt auch die gerade erschienene internationale Arbeitsplatzstudie eines führenden Personaldienstleistungsunternehmens, also einer der Ge
werkschaftsnähe unverdächtigen Einrichtungen. Demnach sind in Deutschland mehr als die Hälfte der Befragten mit den vom Arbeitgeber bereitgestellten Fortbildungsmaßnahmen unzufrieden. Schon länger ist bekannt, dass gerade in der Bundesrepublik alle beteiligten Akteure, also öffentliche Hand, Unternehmen und Individuen, im Vergleich zu anderen OECD-Ländern unterdurchschnittlich in die Weiterbildung investieren. Gerade unter den Bedingungen der Krise sollte man von der Landesregierung erhöhte Anstrengungen erwarten, die Rahmenbedingungen zu verbessern.
Meine Damen und Herren, einerseits fordern Sie mehr Einsatz für die Demokratie und wollen das Bild des Ehrenamts in der Öffentlichkeit stärken wie die heute im Erfurter Rathaus stattfindende Tagung „Ehrenamt - gelebte Demokratie“ und betonen generell die Wichtigkeit des lebensbegleitenden Lernens, haben aber bisher den Beschäftigten einen Rechtsanspruch auf Weiterbildung verweigert.
Werte Kolleginnen und Kollegen von der CDUFraktion, Sie haben heute die Chance, Sprechen und Handeln in Einklang zu bringen, indem Sie unserem Gesetzentwurf zustimmen, meine Hoffnung allerdings hält sich in Grenzen. Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, in den kommenden fünf Jahren werden bundesweit rund 150.000 der 800.000 Lehrer in den Ruhestand gehen. Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass nicht genügend Nachwuchspädagogen da sein werden, um diese Lücke auszufüllen. Voraussichtlich werden wir daher schon 2013 in Deutschland 40.000 - ich wiederhole „40.000“ - Lehrer zu wenig haben. Aber nicht nur der sich bundesweit abzeichnende massive Personalmangel bei Lehrern ist überaus beunruhigend, auch der jetzt durchbrechende Länderegoismus - Kollegin Sojka hat darauf hingewiesen -, die Aggressivität, mit der insbesondere die wohlhabenden Westländer nun anderswo Pädagogen abwerben, die Dreistigkeit, mit der sie mithilfe groß angelegter Werbekampagnen im fremden Terrain wildern, sind erschreckend.
So sieht also der von der CDU stets gepriesene bildungspolitische Wettbewerbsföderalismus in der Realität aus. Jeder ist sich selbst der Nächste. Anstelle eines geordneten Verfahrens der Länder mit bundesweit vergleichbaren materiellen Rahmenbedingungen bei der Einstellung und Beschäftigung von Lehrern herrscht blanker Kannibalismus.
Meine Damen und Herren, jeder hier im Hause kann sich mit eigenen Augen davon überzeugen, wie andere Bundesländer auch hier in Thüringen systematisch die Nachwuchspädagogen abwerben. Nicht einmal 300 m vom Landtag entfernt, in der Löberstraße, befindet sich das erste Großplakat aus Baden-Württemberg mit der Überschrift „Sehr guten Morgen, Frau Lehrerin“ und der suggestiven Aufforderung an die vorbeikommenden Pädagogen „Jetzt
bewerben“. Zudem ist auf dem Plakat eine Internetadresse angegeben, auf deren Webseite man relativ rasch zu einem einschlägigen Argument für den Wechsel nach Baden-Württemberg gelangt. Der Junglehrer im Ländle erhält brutto rund 15 Prozent mehr als sein Pendant in Thüringen. Die Anstellung erfolgt zudem unbefristet und im Beamtenstatus. Nun höre ich die Kollegen von der Mehrheitsfraktion schon sagen, es sei doch schön, dass die Thüringer Nachwuchspädagogen wenigstens außerhalb des Landes heiß begehrt seien und dort auch gut bezahlt und dort eine langfristige Perspektive finden.
Kollege Emde hat sich ja schon mehrfach in dieser Richtung geäußert und die Tatsache, dass unser Lehrernachwuchs von anderen Ländern systematisch abgefischt wird, auch noch stolz als Beleg für die Qualität der Thüringer Lehrerausbildung gewertet. Selbst das Kultusministerium scheint ähnlich zu denken, denn anders kann ich mir nicht erklären, dass dort sowohl die baden-württembergische als auch die nordrhein-westfälische Werbekampagne in Thüringen ausdrücklich unterstützt werden.
Meine Fraktion kann über eine derartige Kurzsichtigkeit nur den Kopf schütteln. Auch Thüringen wird nämlich in den nächsten Jahren nicht vom allgemeinen Lehrermangel verschont bleiben. Auch hierzulande, meine Damen und Herren, wird eine riesige Personallücke im Lehrerbereich aufreißen. Wichtiger noch, diese Entwicklung wird bereits in Kürze einsetzen, rasch an Dynamik gewinnen und innerhalb eines sehr kurzen Zeitraums ein dramatisches Ausmaß annehmen. Wie man angesichts einer solchen Lage eine Abwerbevereinbarung mit BadenWürttemberg eingehen und das dann auch noch als großen bildungspolitischen Erfolg feiern kann, leuchtet mir nicht ein. Die dahinter stehende Logik, Herr Müller, müssen Sie mir wirklich mal in Ruhe erklären.
Lassen Sie mich meine Kritik mit ein paar nüchternen Fakten untermauern. Wenn man die offiziellen Zahlen der Kultusstatistikstelle zur Altersstruktur der Lehrerschaft verfolgt, dann werden in Thüringen in den kommenden zwei Jahrzehnten fast 18.000 Lehrer altersbedingt in den Ruhestand treten. Das sind 79,9 Prozent der derzeitigen Lehrerschaft. Bereits im kommenden Schuljahr wird die Zahl der altersbedingt ausscheidenden Lehrer sprunghaft gegenüber den bisherigen Werten ansteigen von 216 im Schuljahr 2008/2009 auf dann 392. Den Höhepunkt findet diese Entwicklung dann in den Schuljahren 2015/2016 bis 2019/2020 mit jeweils über 1.000 in den Ruhestand tretenden Pädagogen pro Schuljahr. Besonders gravierend wird sich die Situation in den Grundschulen, den Regelschulen und den Gymnasien gestalten. Dort scheiden in den kommenden zwei Jahren zwischen 75 und 86 Prozent der jeweiligen Lehrerschaft aus. Der Rückgang der Gesamt
schülerzahl wird im Vergleich zur Entwicklung im Personalbereich hingegen nur minimal ausfallen. Auch das lässt sich aus den offiziellen statistischen Angaben des Kultusministeriums herauslesen. Es ist daher davon auszugehen, dass fast sämtliche altersbedingt ausscheidenden Pädagogen in den kommenden Jahren ersetzt werden müssen, um die Unterrichtsabdeckung auch weiterhin aufrechterhalten zu können.
Meine Damen und Herren, dieser Realität muss man sich stellen. Dann nützt es nichts, wie das etwa der Kollege Emde getan hat, einfach die von mir vorgetragenen Zahlen des letzten Plenums anzuzweifeln. Es handelt sich dabei um offizielle Daten, Kollege Emde, aus der Statistikstelle des Kultusministeriums. Jeder kann sie auf der Ministeriumswebseite abrufen. Zudem bestätigt eine Aktuelle Stunde des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle die Richtigkeit unserer eigenen Berechnungen. Laut der vom Thüringer Wirtschaftsministerium beim IWH in Auftrag gegebenen fortgeschriebenen Prognose zur Entwicklung des Fachkräftebedarfs in Thüringen braucht der Freistaat 4.900 neue Lehrer bis 2015, um das altersbedingte Ausscheiden von Pädagogen kompensieren zu können. Allmählich, und das gebe ich sehr wohl zu, scheinen diese Fakten ja auch in die Köpfe der CDU gesickert zu sein. Nur so kann ich mir die Kehrtwende der Mehrheitsfraktion in Sachen Einstellungskorridor erklären. Ob allerdings 500 Neueinstellungen jährlich ab 2011 ausreichen werden, das steht auf einem anderen Blatt. Denn es dürfte jedem, der auch nur eine minimale Kenntnis der Grundrechenarten besitzt, ebenso klar sein, dass weder die vom Kultusministerium in diesem Schuljahr vorgenommenen Neueinstellungen von 35 Nachwuchspädagogen noch der im kommenden Schuljahr geplante Einstellungskorridor von 100 Stellen, noch die jährlich 500 Neueinstellungen ab 2011 ausreichen werden, um den schon in Kürze immensen Personalbedarf wirklich zu decken. Auf diese Weise brauchen Sie rein rechnerisch 40 Jahre, Kollege Emde, um diese Personallücke der kommenden zwei Jahrzehnte zu schließen. Ich glaube, dass niemand in diesem Haus ernsthaft vorhat, die Problemlösung bis ins Jahr 2049 zu verschleppen. Wir müssen daher an dieser Stelle in den kommenden Jahren deutlich mehr tun.
Das ist aber nur die eine Seite der Medaille. Gleichzeitig ist die Landesregierung in der Pflicht, Nachwuchspädagogen echte Berufsperspektiven in Thüringen zu eröffnen. Wenn der Freistaat qualifizierte junge Lehrer hier halten will, dann muss er ihnen mehr bieten als bloß ein befristetes Beschäftigungsangebot und das dann auch nur in Teilzeit, sonst werden wir gegen die massiven Abwerbekampagnen der Altbundesländer keine Chance haben. Allein Hessen hat in diesem Jahr Hunderte von Nach
wuchspädagogen im Osten abgefischt. Wie das funktioniert hat? Ganz einfach. Hessen bietet eine unbefristete Beschäftigung, die sofortige Verbeamtung und eine höhere Eingangsbesoldung. Wenn wir dem nicht wenigstens ein in Ansätzen attraktives Gegenangebot entgegenhalten können, drohen unsere Schulen bereits in wenigen Jahren personell auszubluten.
Noch einmal: Voraussichtlich werden wir 2013 bundesweit 40.000 Lehrer zu wenig haben und was das heißt, das dürfte, denke ich, hier allen klar sein. Unsere Nachbarländer werden alles daran setzen, ihren eigenen Personalbedarf zu decken. Wenn wir dem Vorgehen dieser Altbundesländer nichts entgegensetzen, und zwar möglichst rasch, werden wir unweigerlich auf der Verliererseite sein.
Meine Damen und Herren, die SPD-Fraktion hat einen konkreten Vorschlag auf den Tisch gelegt, wie das Land der doppelten Herausforderung wirklich gerecht werden kann. Dabei sieht unsere Initiative zwei Maßnahmebündel vor, die von uns als ebenso Erfolg versprechend wie realisierbar eingeschätzt werden. Zum einen soll sämtlichen Lehramtsanwärtern eine Anstellungsgarantie bei Bestehen der zweiten Staatsprüfung gewährt werden - um gegenüber den Abwerbestrategien anderer Bundesländer mit einer solchen Offerte erfolgreich sein zu können, muss natürlich diese Anstellung unbefristet und in Vollzeit erfolgen -, zweitens ist die Zahl der Lehramtsanwärter in den kommenden Jahren deutlich zu steigern. Dafür muss das Land nicht nur seine eigenen Ausbildungskapazitäten erweitern, sondern auch für seine Attraktivitätssteigerung bei den Lehramtsstudiengängen Sorge tragen. Hier sind insbesondere die Stichworte: gleich lange Studiendauer und Masterabschluss für alle Lehramtsstudiengänge, bessere Personal- und Sachausstattung dieser Studiengänge sowie Werbekampagnen für das Lehramtsstudium zu nennen.
Der Antrag der Fraktion DIE LINKE geht in diese Richtung, wir werden dem auch zustimmen. Zumindest diesen Punkt, nämlich die Attraktivität der Ausbildungsoptionen zu verbessern, müsste eigentlich auch die CDU ohne Weiteres unterstützen. Anders als durch eine Ausweitung der Ausbildungskapazitäten werden wir nämlich die 500 Thüringer Junglehrer, die Sie hier beschrieben haben, ab 2011 überhaupt gar nicht einstellen können, Kollege Emde. Außerdem, die Zeit drängt nun einmal und unser Antrag sieht vor, dass die Landesregierung dem Landtag bereits im Juni ein erstes Mal über die Maßnahmen berichten soll. Ich werbe auch noch einmal bei der Mehrheitsfraktion, obwohl ich weiß, dass das wahrscheinlich nicht von Erfolg gekrönt sein wird,
um die Zustimmung zu unserer Initiative.
Alle die von mir gemachten Zahlenangaben sind leicht nachprüfbar. Da ist nichts aufgebauscht, da ist nichts dramatisiert. Dramatisch allein ist die schon in Kürze aufreißende Personallücke in den Thüringer Schulen. Hier, denke ich, müssen wir entschlossen, rasch und konsequent handeln. Wir haben einen Weg aufgezeigt. Die Initiative der CDU greift für mich zu spät und bewirkt lediglich eine Teillösung des Problems. Danke schön.
Herr Minister, zweifeln Sie die vom Wirtschaftsministerium beim IWH in Auftrag gegebene Prognose an, dass bis 2015 ja 4.900 Lehrer in Thüringen gebraucht werden?
Angebote schulbezogener Jugendhilfe, insbesondere Schulsozialarbeit
Die Richtlinie "Örtliche Jugendförderung" lässt die Förderung schulbezogener Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit zu. Mit dem Thüringer Gesetz zur Weiterentwicklung der Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Schule wurde mit Artikel 2 a das Thüringer Schulgesetz geändert; § 38 Abs. 1 Satz 8 erhielt dabei folgende neue Fassung: "Soweit an der Schule Maßnahmen der schulbezogenen Jugendhilfe angeboten werden, nimmt ein im Rahmen dieser Maßnahmen an der Schule tätiger Mitarbeiter beratend teil." Diese Änderung trat am 31. Dezember 2008 in Kraft. Vorher galt eine ähnliche Regelung.
Ich frage die Landesregierung:
1. In welchem Umfang wurden 2008 und werden voraussichtlich 2009 im Rahmen der Richtlinie "Örtliche Jugendförderung" Personalstellen in den oben genannten Fachbereichen schulbezogener Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit gefördert (Angaben bitte in VbE als Gesamtangabe; soweit möglich, wird um jahresbezogene Gesamtangaben und Aufglie- derung nach Kreisen/kreisfreien Städten gebeten)?
2. Inwieweit handelt es sich bei den unter Frage 1 genannten Personalstellen um den Aufgabenbereich der Schulsozialarbeit (Angabe bitte in VbE als jahresbezogene Gesamtangaben und, soweit mög- lich, Aufgliederung nach Kreisen kreisfreien Städten)?
3. Wie viele an Thüringer Schulen tätige Mitarbeiter schulbezogener Jugendhilfe im Sinne der oben genannten gesetzlichen Regelungen des Thüringer Schulgesetzes gibt es in Thüringen (es wird um Ge- samtangabe und, soweit möglich, um Aufgliederung nach Landkreisen/kreisfreien Städten gebeten; An- gaben bitte in VbE)?
4. Inwieweit handelt es sich bei den unter Frage 3 genannten Personalstellen um den Aufgabenbereich der Schulsozialarbeit (Angabe bitte in VbE
als Gesamtangabe und, soweit möglich, Aufgliederung nach Kreisen/kreisfreien Städten)?
Gibt es eine Zeitschiene, sozusagen einen Rahmen, in dem Sie diese Antworten beibringen können?
Wäre es Ihnen dann möglich, mir das schriftlich nachzureichen?
Danke.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, mit dem heute dem Landtag vorliegenden Gesetzentwurf will die SPD-Fraktion ein Stück bundesdeutsche Normalität für Thüringen herstellen. In zwölf Bundesländern ist ein Bildungsfreistellungsgesetz seit vielen Jahren bewährte Realität. Ausgerechnet im Freistaat Thüringen, der ja für sich in Anspruch nimmt, eine Denkfabrik zu repräsentieren, hat sich die Landtagsmehrheit bislang immer einer solchen Förderung des lebensbegleitenden Lernens verweigert. Opposition, Gewerkschaften, aber auch zahlreiche anerkannte Thüringer Einrichtungen der Erwachsenenbildung fordern eine derartige Absicherung der Weiterbildung seit Jahren. Es sollte doch, denke ich, unumstritten sein, Wissen und umfassende Bildung werden immer wichtiger, um wirklich die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts bewältigen zu können. Mehr denn je entscheidet der Bildungsstand über individuelle Lebensperspektiven, berufliche Möglichkeiten und gesellschaftliche Teilhabe eines jeden Einzelnen. Die Wissensgesellschaft erfordert in zunehmendem Maße Persönlichkeiten, die umfassende Qualifikation mit Kreativität und Teamfähigkeit verbinden, um sich wirklich den aktuellen und kommenden Herausforderungen zu stellen.
Entsprechende Investitionen sind sozusagen Grundvoraussetzungen für die Zukunftsfähigkeit unseres Gemeinwesens und nun reichen die einmal erworbenen Qualifikationen nicht mehr ein Berufsleben lang. Der moderne Arbeitnehmer ist Flexibilitätsanforderungen unterworfen, so dass er zu lebenslangem Lernen gezwungen ist, wenn er seine Kompetenzen verwertbar halten will. Insofern wird Bildung heute zum Überlebensmittel.
Die OECD beschreibt Schlüsselkompetenzen, die für ein persönlich und ökonomisch erfolgreiches Leben und eine funktionierende Gesellschaft erforderlich sind. Sie zählt dazu solche Fähigkeiten wie Kooperation und das Handhaben von Konflikten, selbstständiges Handeln, interaktive Nutzung von Hilfsmitteln und Instrumenten. Nur so können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Organisationswandel und sich ver
ändernde Arbeitsprofile bewältigen.
Meine Damen und Herren, Bildung ist aber für den Einzelnen nicht nur unentbehrlich, um in der sich wandelnden Arbeitswelt Schritt zu halten und die eigene Beschäftigungsfähigkeit abzusichern, sondern auch, um sich in einer immer komplexer werdenden Welt zu orientieren. Dazu zählen auch Fähigkeiten, die sich nicht unmittelbar für den Arbeitsmarkt verwerten lassen, aber sowohl für individuelle Lebensgestaltung als auch gesellschaftliche Entwicklung wichtig sind, wie die Beförderung von Urteilsbildung und natürlich auch die Mitwirkungskompetenz. In der globalen Wissensgesellschaft kommt es in wachsendem Maße darauf an, Grundorientierung und Kompetenzen zu vermitteln, die alle in die Lage versetzen, Verantwortung als Bürger uneingeschränkt wahrzunehmen und das demokratische Gemeinwesen mitzugestalten. Deswegen reicht es nicht aus, wenn man das lebensbegleitende Lernen, dessen Wichtigkeit ja unumstritten sein sollte, nur auf den Bereich der beruflichen Weiterbildung beschränkt. Schon 1987 gelangte das Bundesverfassungsgericht angesichts des sich beschleunigenden technischen und sozialen Wandels zu folgender Einschätzung - ich zitiere -: „Dem Einzelnen hilft die Weiterbildung, die Folgen des Wandels beruflich und sozial besser zu bewältigen. Wirtschaft und Gesellschaft erhält sie die erforderliche Flexibilität, sich auf veränderte Lagen einzustellen.“ Weiter wird gesagt: Es liegt im Allgemeinwohl, neben dem erforderlichen Sachwissen für die Berufsausbildung auch das Verständnis der Arbeitnehmer für gesellschaftliche, soziale und politische Zusammenhänge zu verbessern. Auch die Europäische Union verfolgt seit der Veröffentlichung des Weißbuchs Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung von 1994 die Strategie, die nationalen Bildungsgemeinschaften über das Ziel „lebenslanges Lernen“ zu orientieren. Seither wurden zahlreiche der EU-Gemeinschaftsinitiativen auf den Weg gebracht, die der Entwicklung von Lerngesellschaften in Europa Vorschub leisten sollen. Dem entspricht auf nationaler bzw. regionaler Ebene die Verpflichtung für die öffentliche Hand, das lebenslange Lernen zu fördern und allen den Zugang dazu zu erleichtern. Wenn dies nicht der Fall ist, verpuffen solche Maßnahmen, die zum großen Teil mit deutschen Steuergeldern mitfinanziert wurden, in ihrer Wirkung.
Meine Damen und Herren, alljährlich dokumentiert der Thüringen-Monitor die Distanz beachtlicher Teile der Thüringer Bevölkerung zum demokratischen System. 44 Prozent sind mit der Demokratie ziemlich unzufrieden, 14 Prozent sehr unzufrieden. Die Demokratie sei besser als andere Staatsideen, das lehnen 17 Prozent überwiegend und weitere 4 Prozent völlig ab. Diese Zahlen verweisen auf die tiefe Krise der politischen Repräsentation und sollten uns alle beunruhigen, und das nicht nur an Wahlabenden, wo
mangelnde Wahlbeteiligung beklagt wird, um am nächsten Tag mit dem alten Trott fortzufahren. Was der Thüringen-Monitor aber auch zeigt, ist die hohe Abhängigkeit der demokratischen Einstellung von Bildung. Nur wer gut informiert und gebildet ist, wird sich antidemokratischen Bestrebungen entgegenstellen.
Die Landesregierung hat für 2009 das Jahr der Demokratie ausgerufen. Es kann jedoch nicht gelingen, Schülerinnen und Schülern Demokratie zu vermitteln, wenn dieselbe Landesregierung die erkennbaren Demokratiedefizite der Erwachsenenwelt ignoriert. Offensichtlich sieht sie im aktiven und informierten Bürger eine Bedrohung, wie ihr Umgang mit dem Volksbegehren für mehr Demokratie mehrfach gezeigt hat. Wir können nicht in Sonntagsreden das bürgerliche Engagement und die Stärkung einer aktiven Bürgergesellschaft und das Ehrenamt in Vereinen fordern, ohne zugleich Räume zu schaffen, in denen für dieses Ehrenamt qualifiziert wird. Politische Bildung und bürgerschaftliches Engagement hängen eng zusammen. Ein wichtiger Aspekt ist hier auch der demographische Wandel. Jetzt schon ist etwa ein Drittel der bürgerschaftlich Engagierten in Deutschland über 60. Will man das große Potenzial der Menschen im Rentenalter besser nutzen, tut man gut daran, dafür Sorge zu tragen, dass diese sich schon im Berufsleben auf die vielfältigen Möglichkeiten einstellen, aktiv zu werden. Ständig beklagt die Landesregierung die nostalgische Rückschau von Teilen der Thüringer Bevölkerung auf die DDR. Wir stehen hier in der Tat großen Defiziten in der Aufarbeitung gegenüber. Diese Aufarbeitung kann keinesfalls über Schulprojekte allein in Gang gesetzt werden, denn wir wissen aus zahlreichen Untersuchungen, dass familiäre Erzählungen die Geschichtsbilder heutiger Jugendlicher stärker prägen als jeder Geschichtsunterricht. Wenn wir über DDR-Geschichtsaufarbeitung reden, reden wir daher nicht nur über Jugendprojekte, so wichtig diese auch sein mögen, sondern von der Notwendigkeit der kritischen Selbstverständigung über das untergegangene DDRSystem und damit auch über die persönlichen Entscheidungen und Verhaltensweisen der gelernten DDR-Bürger. Auch dazu bedarf es geeigneter Räume für biografisches Lernen. Wenn die demokratischen Erfolge von 1989 für die Zukunft bewahrt werden sollen, reichen eben Jubelveranstaltungen nicht aus.
Meine Damen und Herren, in den meisten Bundesländern ist, wie ich vorhin schon sagte, ein Bildungsfreistellungsgesetz seit Jahren verankert und das mit guten Resultaten. Empirische Untersuchungen zeigen die Wirksamkeit von Bildungsfreistellung für seine Nutzerinnen und Nutzer, so beispielsweise
eine Evaluation des DGB-Bildungswerks Hessen von 2006. Hieraus wird deutlich, dass die Teilnehmenden nachhaltige Kenntnisse und neue Sichtweisen gewonnen haben und diese sowohl im persönlichen wie im beruflichen Bereich einsetzbar waren. Zudem ging aus den Befragungen hervor, dass die Bildungsfreistellung zur Stabilisierung demokratischer Orientierung und zur Verstärkung des ehrenamtlichen Engagements beitrug. Wird die Bildungsfreistellung kontinuierlich in Anspruch genommen, lässt sich eine Verstetigung und längerfristige Wirkung nachweisen. Ein weiteres Fazit der bisher gemachten Erfahrungen lautet: Die Beteiligung von Frauen an Bildungsfreistellungsmaßnahmen ist überproportional hoch. Wir können also davon ausgehen, dass Frauen im Rahmen betrieblicher Weiterbildung seltener berücksichtigt werden als ihre männlichen Kollegen, da sie häufiger Positionen besetzen, die für Unternehmen als weniger entwicklungsrelevant gelten. Hier kann Bildungsfreistellung kompensierend wirken und somit auch einen Beitrag zu einer aktiven Gleichstellungspolitik leisten.
Meine Damen und Herren, lange Zeit wurden immer wieder Unterstellungen laut, Bildungsurlaub oder Bildungsfreistellung werde bevorzugt für Segeltörns in der Karibik oder Batikkurse genutzt. Abgesehen von der Absurdität dieser Annahme ist festzustellen, dass die berufliche und berufsbezogene Weiterbildung bei den in Anspruch genommenen Maßnahmen kontinuierlich angestiegen ist und jetzt mittlerweile den überwiegenden Anteil darstellt. Hier werden genau die von der OECD angemahnten Schlüsselkompetenzen erworben und weiterentwickelt. Auch aus Arbeitgebersicht, so stellt Rolf Dobischat, Professor für berufliche Weiterbildung der Universität Duisburg, fest, ist Bildungsfreistellung eine Win-win-Situation. Der Arbeitnehmer erhöht seinen Wert auf dem Arbeitsmarkt und der Betrieb gewinnt durch die Kompetenzsteigerung seiner Beschäftigten.
Meine Damen und Herren, zu den Kosten, die auf das Land zukommen: Zur Bildungsfreistellung gehört der Anspruch der Arbeitgeber, das fortzuzahlende Arbeitsentgelt aus Landesmitteln erstattet zu bekommen. Dass dies für die öffentlichen Kassen verkraftbar ist, zeigt das Beispiel Mecklenburg-Vorpommern. In diesem Bundesland wurden im Zeitraum 2005 bis Anfang Oktober 2008 für Bildungsfreistellungsmaßnahmen insgesamt 431.492,94 € erstattet. Hier bewegen wir uns also im Bereich von jährlichen Ausgaben in Höhe von weniger als 100.000 €. Die Sorge um den Arbeitsplatz hält viele Beschäftigte angesichts der immer noch verbreiteten Ablehnung seitens vieler Arbeitnehmer davon ab, ihren Rechtsanspruch einzulösen. So führt die Arbeitsmarktkrise zu kontraproduktiven Wirkungen, denn lebenslanges Lernen ist wesentlicher Teil der Flexibilitätsanforderungen moderner Gesellschaften.
Meine Damen und Herren, wer solche Räume zum Bildungserwerb verweigert, schadet sich auf lange Sicht selbst. Deshalb brauchen wir einen weiterbildungspolitischen Konsens der beteiligten gesellschaftlichen Gruppen und seitens des Staates klare Regelungen, um Rechtsunsicherheiten vorzubeugen und Wegmarken in Richtung einer echten Wissensgesellschaft zu setzen. Wir brauchen ein Bildungsfreistellungsgesetz in Thüringen und nicht die Entmutigung lernbereiter Bürgerinnen und Bürger.
Ich bitte um Überweisung an den Bildungsausschuss und, da es ein Gesetzentwurf aus den Reihen des Hauses ist, auch an den Justizausschuss. Danke schön.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich bedaure manchmal schon, dass man die Ohren nicht ebenso leicht verschließen kann wie die Augen, wenn ich das höre, was sowohl Kollege Emde als auch Frau Skibbe gesagt haben. Frau Skibbe natürlich nicht zum Inhalt, sondern zum Verfahren. Ich denke, das ist sicher eine Unterstellung, dass wir hier Wahlkampf machen wollen. Wir haben das doch nicht aus dem Hut gezaubert, sondern das ist über einen gewissen Zeitraum auch entwickelt worden. Wir haben 18 Gesetze heute auf der Tagesordnung, und Sie sind der Meinung, dass alle 18 Gesetze, die heute beraten werden, wahrscheinlich hier nur wegen des Wahlkampfs gemacht werden im Schweinsgalopp. Was für 18 Gesetze gilt, das gilt genauso für das Bildungsfreistellungsgesetz. Wir haben sehr wohl Zeitschiene genug, um uns intensiv damit zu beschäftigen.
Wenn Sie sauer sind, dass Sie das nicht eingebracht haben, dann ist das Ihr Problem, aber ich glaube, es gibt keine Verpflichtung, als Opposition nur gemeinsam Gesetze einzubringen.
Das ist jedenfalls noch nicht in der Geschäftsordnung von mir so nachgelesen worden. Insofern ist das eigentlich unsere Entscheidung.
Ich denke, wenn Sie sich inhaltlich damit auseinandersetzen und das gut finden, dann sollten Sie es auch unterstützen.
Kollege Emde, auch zu Ihnen einige Worte. Wenn 12 Länder dies bisher haben, wenn es eine Reihe von positiven Evaluationen dazu gibt, dann kann man das nicht einfach wegwischen und kann sagen, das gibt es bei uns nicht und da ist es gut, und wir machen das in großer Freundschaft miteinander. Hier geht es um Rechtsanspruch, der auch angenommen wird. Hier geht es um Evaluationen, die festgestellt haben, dass es erfolgreich ist. Hier geht
es auch nicht um Mehrbelastungen. Die Summen sind ja auch nicht so exorbitant. Insofern kann ich auch Ihre negative Haltung dazu nicht verstehen. Ich bin überzeugt und das sage ich auch hier eindeutig, dass wir in der nächsten Periode ganz anders darüber reden werden und der eine und andere wird das dann auch begreifen. Danke schön.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wer sich den nüchternen Fakten der neuen nationalen PISAStudie stellt, kommt für Thüringen zu einem weit differenzierteren Bild, als das die permanenten JubelArien des Kultusministeriums und der Mehrheitsfraktion erwarten lassen.
Damit mir vom Kollegen Emde nicht gleich wieder unterstellt wird, ich würde alles nur schwarzmalen, möchte ich zuerst die positiven Aspekte von PISA-E 2006 für Thüringen benennen. Der Freistaat hat sich dort insgesamt leicht verbessert. In allen getesteten Kompetenzbereichen liegt Thüringen erstmals signifikant über dem OECD-Durchschnitt und das ist ein Fortschritt und das erkennen wir auch durchaus als solchen an.
Positiv hervorzuheben ist zudem, dass sich das Kompetenzniveau der Thüringer Schüler in den bereits bei PISA 2000 getesteten Bereichen Lesekompetenz und naturwissenschaftliche Kompetenz im Vergleich zu den vorangegangenen nationalen PISARunden erneut verbessert hat. Für die mathematische Kompetenz lässt sich das leider nicht sagen. Hier hat es gegenüber PISA-E 2005 erstaunlicherweise einen leichten Rückgang um einen Leistungspunkt gegeben. Ich will es aber nicht überbewerten, es könnte sich dabei auch um eine rein statistische Schwankung handeln.
Meine Damen und Herren, so weit zu dem, was sich aus den PISA-E-Daten an Positivem für Thüringen herauslesen lässt. Wir stellen diese Resultate nicht in Abrede und wir wissen auch, wem sie zu verdanken sind, nämlich den Thüringer Lehrerinnen und Lehrern, die wirklich mit hohem persönlichen Einsatz und Engagement in Thüringen arbeiten. Ich möchte mich auf diesem Weg auch einmal bei allen Lehrerinnen und Lehrern bedanken, denn sie sind die gewesen, die diese Leistung wirklich erreicht haben,
und dies, meine Damen und Herren, trotz widriger von der Landesregierung zu verantwortender bildungs-, personal- und tarifpolitischer Rahmenbedingungen.
Ich nenne nur einige aktuelle Schlagworte: das Festhalten am gegliederten Schulsystem, die nach wie vor fehlende Eigenverantwortung der Schulen, die mangelnde Unterstützung beim Ausbau von Ganztagsschulangeboten, die Situation der Floatinglehrer und der faktisch inexistente Einstellungskorridor für Nachwuchspädagogen. Über all diese Punkte haben wir in diesem Haus in letzter Zeit intensiv diskutiert, ich will daher das nicht weiter ausführen.
Meine Damen und Herren, so wie wir bereit sind, die positiven Aspekte von PISA-E 2006 zu würdigen, sollten Kultusministerium und CDU willens sein, sich einer anderen nüchternen Tatsache dieser Studie zu stellen. Die lautet: Solange Deutschland im internationalen PISA-Vergleich bestenfalls Mittelmaß erreicht, kommt der Positionierung Thüringens im Bundesrahmen wenig Aussagekraft zu.
Es ist nun einmal von untergeordneter Bedeutung, ob ich in der Regionalliga auf Platz 1, 2 oder 3 stehe, solange die Teilname am UEFA-Cup in unerreichbar weiter Ferne liegt. Genau das ist die Si
tuation in Thüringen, aber natürlich auch in den anderen Bundesländern. Die Einschätzung, dass das nationale PISA-Ranking daher insgesamt wenig Sinn macht, teilen nicht nur die meisten deutschen Bildungsforscher, auch die KMK hat sich inzwischen zu dieser Auffassung durchgerungen und - wie ich am Mittwoch aus der Presse entnehmen konnte - will deshalb künftig auf den innerdeutschen PISAVergleich verzichten. Was bei PISA allein zählt, meine Damen und Herren, ist der internationale Vergleichsmaßstab. Das gilt für Deutschland insgesamt und das gilt genauso für die einzelnen Bundesländer. Hier zeigt sich nun einmal, dass die PISA-Spitzenstaaten in den Kompetenzbereichen mathematische und naturwissenschaftliche Kompetenz jeweils rund 30 Leistungspunkte vor Thüringen liegen; laut OECD entspricht das einem Kompetenzunterschied von einem Schuljahr. Bei der Lesekompetenz beträgt der Abstand der internationalen PISA-Sieger zu Thüringen sogar rund 50 Leistungspunkte, also fast zwei Schuljahre. Ein ähnlich schlechtes Resultat im internationalen Maßstab hat der Freistaat bereits bei PISA-E 2002 und PISA-E 2005 erzielt. 2002 rangierten die PISA-Spitzenstaaten in allen drei geprüften Kompetenzbereichen 40 bis 60 Leistungspunkte vor Thüringen, was ungefähr, wenn man die Berechnungsmethode weiter beibehält, ein bis zwei Schuljahren gleichkommt. Bei PISA-E 2005 betrug der Abstand der internationalen Spitze zu Thüringen in allen getesteten Kompetenzbereichen 30 bis 40 Leistungspunkte. Das heißt, dass sich das Schulwesen im Freistaat im internationalen Vergleich seit Jahren als wenig leistungsfähig erweist. Uns ist es bis heute nicht gelungen, den Rückstand auf die internationalen PISA-Sieger zu verringern. Ich bin überzeugt, das wird auch nicht gelingen, solange wir die strukturellen Reformen im Schulbereich nicht angehen. Das sind für mich die nüchternen Fakten, die jeder, der sich einmal einschlägige PISA-Tabellen angeschaut hat, unschwer nachvollziehen kann. Ich würde mir wünschen, meine Damen und Herren von der CDU, dass Sie auch diese Aspekte der PISAStudie, der PISA-Resultate endlich zur Kenntnis nehmen.
Meine Damen und Herren, wenn wir über PISA-E 2006 sprechen, lohnt sich auch ein Blick auf die jüngste IGLU-Runde. Anders als bei PISA hat Thüringen dort auch im internationalen Vergleich ausgezeichnet abgeschnitten. Daran gibt es überhaupt nichts rumzudeuteln. Für mich ist das ein Superergebnis, aber es ist auch ein eindeutiger Beleg für die hohe Qualität der von den Thüringer Grundschullehrerinnen und Grundschullehrern geleisteten pädagogischen Arbeit. Das zeigt aber auch, dass eine integrative Schule mit heterogenen Lerngruppen selbst im internationalen Maßstab Spitzenleistung
erreichen kann. Die Thüringer Grundschule ist ja eine Schule für alle; an ihr lässt sich keine künstliche Homogenität herstellen, sie muss mit unterschiedlichen Begabungen und Lernständen zurechtkommen, und wie IGLU-E 2006 beweist, gelingt ihr das auf hervorragende Weise.
Meine Damen und Herren, und was wir nach der Klassenstufe 4 brauchen, ist also nicht das frühe Aufteilen auf unterschiedliche Schularten, ist nicht der damit verbundene Irrglauben an die höhere Leistungsfähigkeit möglichst homogener Lerngruppen. Was wir brauchen, ist eine Verlängerung des gemeinsamen Lernens über die Grundschulzeit hinaus
und wir brauchen, meine Damen und Herren, eine neue, auf individuelle Förderung abzielende Lernkultur, wie sie bereits in vielen Grundschulen im Freistaat gelebt wird. Mit unserem Modell der Thüringer Gemeinschaftsschule haben wir einen gangbaren Weg aufgezeigt, wie man wirklich längeres gemeinsames Lernen und neue Lernkultur sinnvoll verknüpfen kann.
Meine Damen und Herren, auch der direkte Vergleich der Thüringer IGLU-Leistungen mit den bei PISA-E 2006 erzielten Resultaten zeigt, dass der Freistaat schnellstmöglich Abschied vom gegliederten Schulwesen nehmen sollte.
Im Mittelpunkt der IGLU-Studien steht die Untersuchung der Lesekompetenz. Der Staatssekretär hat es ja schon angedeutet, in diesem Kompetenzbereich liegt Thüringen bei IGLU-E 2006 zusammen mit Hongkong international auf Platz 2 und nur einen Leistungspunkt hinter dem IGLU-Sieger Russland und auch da, was Russland betrifft, kann man ja ein Fragezeichen stellen. Nun passiert etwas Erstaunliches, denn bei PISA-getesteten 15-Jährigen gelingt es nicht einmal in Ansätzen, an die hervorragende Positionierung der Grundschüler anzuschließen. Bei PISA-E 2006 liegt der Freistaat im Hinblick auf die Lesekompetenz zwar mit 500 Leistungspunkten über dem OECD-Durchschnitt, der Rückstand auf die internationalen PISA-Sieger in diesem Teilbereich beträgt jedoch - ich habe es bereits vorhin erwähnt - rund 50 Leistungspunkte, mithin fast zwei Schuljahre. Also nach einem ausgezeichneten Start mit der Grundschule folgt im Thüringer Schulwesen, also nach Klasse 4, der Absturz in die internationale Bedeutungslosigkeit. Das, meine Damen und
Herren von der CDU, sollte uns zu denken geben. Es sollte vor allem Ihnen zu denken geben für Ihr praktiziertes stures Festhalten am gegliederten Schulsystem.
Meine Damen und Herren, auch wenn sich die CDU - der Staatssekretär hat es ja noch mal erwähnt, Kollege Emde wird es auch wieder zelebrieren - einer strukturellen Reform verweigert, sind die Thüringer Bürgerinnen und Bürger schon längst zu dieser Einschätzung gelangt, dass derartige Strukturveränderungen unumgänglich sind. Das belegen etliche repräsentative Umfragen der letzten Jahre, bei denen sich stets eine überwältigende Mehrheit der Thüringer und interessanterweise auch der CDU-Wähler für längeres gemeinsames Lernen ausgesprochen hat. Das zeigt auch der jüngste Thüringen-Monitor. Darauf gehen Sie ja im Bereich Bildung überhaupt nicht ein, denn dass die CDU die größte Kompetenz im Bildungsbereich hat, glauben nur noch 24 Prozent.
Meine Damen und Herren, 24 Prozent der Thüringer geben der CDU die größte Kompetenz in Bildung. Für eine Partei, die seit 18 Jahren das Kultusressort verantwortet, ist das ein wirklich desaströser Wert. Darüber sollten Sie intensiv nachdenken bei allen Jubel-Arien, die Sie hier heute singen werden.
Aber, Kollege Schwäblein, so kann es einem ergehen, dessen Bildungspolitik wirklich seit Jahren - und Sie haben es heute wieder gezeigt - aus Schönrederei, aus Selbstbeweihräucherung und aus sturem Weiterso besteht, und insofern haben Sie wirklich den Thüringen-Monitor und die Ergebnisse intensiv verdient. Danke.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, was lange währt, wird deshalb nicht unbedingt gut. Das uns vorliegende Gesetz ist der Beweis dafür. Es wurde von der Landesregierung seit Jahren angekündigt. Angesichts dieser Tatsache hätte ich mir mehr Substanz und vor allen Dingen mehr verbindliche Partnerschaft gewünscht. Nun weiß ich, dass im Hintergrund der alte Konflikt zwischen Jugendhilfe und Schule ein wesentlicher Verzögerungsgrund war, man kann im Klartext auch sagen: der alte Konflikt zwischen den Landkreisen und kreisfreien Städten als den wesentlichen Kostenträgern der Jugendhilfe und dem Land als dem wesentlichen Kostenträger für die Schule. Ich weiß, dass dieser Konflikt auch weiter schwelt.
Bei genauer Betrachtung geht es letztlich um zwei entscheidende Fragen: Erstens um Kompetenzgerangel, um Klärung von Zuständigkeiten und damit um Festlegung von Verantwortung und zweitens um die Klärung der Übernahme von Kosten, die letztlich immer mit Zuständigkeiten verbunden sind.
Bittere Realität seit Jahren - und mit Blick auf die alten Bundesländer kann man sagen: seit Jahrzehnten - ist die wechselseitig geradezu gepflegte Unkenntnis der Strukturen und Bedingungen von Schule einerseits und Jugendhilfe andererseits. Damit einher gehen häufig destruktive Schuldzuweisungen. Auf den Punkt gebracht, gestaltet sich das in etwa so: Jugendhilfe und hier insbesondere Jugendämter werfen der Schule vor, deren pädagogische Versäumnisse z.B. durch Leistung der erzieherischen Hilfen und der Jugendsozialarbeit „ausbügeln“ zu müssen. Schule wiederum wirft der Jugendhilfe vor, dass sie zu
spät und zu wenig eingreife, sie erwarte, dass störende Schüler entweder schnell angepasst oder durch Zuständigkeit der Jugendhilfe „entfernt“ werden. So pflegt man auf beiden Seiten die Vorurteile, braucht sich nicht zu verändern und wusste immer den Schuldigen. Das sorgt oberflächlich zwar für ein ruhiges Gewissen, aber nicht für Problemlösungen. Für die Jugendlichen hat sich in all diesen Fällen, weil eine Kultur des Nebeneinanders gepflegt wurde, nichts zum Guten verändert. Ein Indikator für diese von mir beschriebene wechselseitige Abgrenzung ist die Situation an den Förderschulen. Dass wir die höchste Förderschulquote in ganz Deutschland haben, ist ja kein Geheimnis. Das hilft uns zwar bei IGLU und PISA, aber wir werden damit den betroffenen Kindern nicht gerecht. Wir alle wissen, dass die Lernbehinderung vieler dieser Schüler im engen Zusammenhang mit dem sozialen Umfeld der Schüler steht - nicht immer, aber oft. Ich behaupte schon jetzt, wenn wir hier Grundlegendes verändern wollen, wenn wir die Integration dieser Schüler in den Grund- und Regelschulen tatsächlich leisten wollen, dann wird dies nur im Miteinander von Schule und Jugendhilfe geschehen und dann müssen sich die Rahmenbedingungen erheblich verbessern. Schule allein wird weder die erforderliche Elternarbeit noch das therapeutische Beratungsangebot, noch eine qualifizierte Jugendsozialarbeit mit den benachteiligten Schülern und deren Eltern sowie dem sozialen Umfeld leisten können. Jugendhilfe wird dazu nur in der Lage und willens sein, wenn die fachlichen Ressourcen der Schulen einschließlich des schulpsychologischen Dienstes ausgebaut und auch partnerschaftlich eingesetzt werden.
Meine Damen und Herren, Erfolg kann solch ein integrativer Ansatz nur haben, wenn die jeweiligen Instrumente von Schule und Jugendhilfe passgenau miteinander verzahnt werden. Das setzt Partnerschaft auf Augenhöhe und Kenntnisse der jeweiligen Möglichkeiten, aber auch der Grenzen voraus.
Es setzt gemeinsame Ziele und eine am Jugendlichen, am Schüler orientierte gemeinsame Hilfeplanung voraus. Bei diesem Beispiel wird überdeutlich, dass im Erfolgsfall beide Institutionen, Schule und Jugendhilfe, nach dem Motto handeln müssen „Dein Schüler ist mein Jugendlicher“ und umgekehrt „Dein Jugendlicher ist mein Schüler“. Ich wollte Ihnen das an diesem Beispiel aufzeigen, weil es, denke ich, ein Problem ist, das gerade in Thüringen uns sehr auf den Nägeln brennt. Hier ist enormer Handlungsbedarf.
Meine Damen und Herren, wenn Schule die pädagogische Erneuerung wirklich ernst nimmt und die Entwicklung einer neuen Lehr- und Lernkultur in
den Mittelpunkt stellt - und Schule muss eine neue Lehr- und Lernkultur in den Mittelpunkt stellen -, muss sie sich systematisch gegenüber dem Sozialraum öffnen und mit den Jugendhilfeträgern vernetzen. Das, meine Damen und Herren, kann nur gelingen, wenn die Kooperation von Schule und Jugendhilfe konzeptionell gemeinsam entwickelt wird und dann auch in einer soliden Vereinbarung mündet, die auch gegenseitige Rechte und Pflichten beschreibt. Die komplett unterschiedlichen Denk- und Zugangssysteme von Schule und Jugendhilfe, die sind da, die kann man nicht wegreden, aber die muss man als Chance begreifen. Nur dann, wenn die Problemstellung ernsthaft und mit großem Respekt zwischen den beteiligten Personen wirklich angesprochen, geklärt wird und auch gegenseitige Ergänzungsmöglichkeiten ausgelotet werden, kann Kooperation gelingen. Da muss ich sagen, für all diese Anforderungen, die sehr komplex sind, die aber notwendig sind, bietet das vorliegende Gesetz bestenfalls einen Anfang. Das ist besser als nichts, aber es ist nicht genug.
Ich will Ihnen das anhand von Arbeitsgrundlagen der Jugendhilfe verdeutlichen: Zwei wesentliche Prinzipien der Jugendhilfe sind die Freiwilligkeit und die Mitwirkung. Das gilt für die Arbeit mit den Eltern, den Kindern und Jugendlichen, das gilt für die Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Trägern und freien Trägern. Es gilt auch für die Zusammenarbeit mit anderen Institutionen, wie z.B. mit der Schule. An den Mitwirkungsrechten und der Zusammensetzung der Jugendhilfeausschüsse lässt sich das ebenso erkennen wie an einer qualifizierten, von Beteiligung bestimmten Jugendhilfeplanung. Immer geht es, meine Damen und Herren, um Dialog, um Abstimmungs- und Aushandlungsprozesse und um die Suche nach dem jeweils fachlich angebrachten Weg. Im Sinne von mehr Partnerschaft wäre es klug gewesen, den Vertretern der Jugendhilfe entsprechende Mitspracherechte auch in den Gremien der Schule einzuräumen, das sage ich eigentlich als „Schulmann“. Die lediglich beratende Teilnahme an der Schulkonferenz ohne Stimmrecht zeugt davon, dass der Gedanke der Abgrenzung noch nicht überwunden ist.
Offenbar ist der Landesregierung nicht bewusst, dass der in der Schule tätige Vertreter der Jugendhilfe im Zweifelsfall bei seinem Jugendamt im einen oder anderen Fall für die Leistungen der Jugendlichen an der jeweiligen Schule eintreten soll. Ich kann Ihnen sagen, ein auf Kooperation angewiesenes Wirtschaftsunternehmen würde sich aus Eigeninteresse völlig anders verhalten. Moderne Dienstleistung sieht anders aus, ich denke, Bürokratieabbau auch.
Völlig unverständlich ist es vor dem Hintergrund, dem Kultusminister zukünftig ein weitgehendes Mitbestimmungsrecht bei der Zusammensetzung des Landesjugendhilfeausschusses einzuräumen. Offensichtlich, Frau Lieberknecht, sind Sie bei Kompetenzzugeständnissen sehr viel toleranter als der Kultusminister oder Sie merken nicht, wer da zukünftig verstärkt mit stören will. Gleichzeitig wird von der CDU, die ständig die Elternrechte betont, den Eltern der Kindertagesstättenkinder kein Mitwirkungsrecht im Landesjugendhilfeausschuss eingeräumt. Meine Damen und Herren, damit wird eigentlich auch Ihre Doppelzüngigkeit deutlich. Sie wollen dort keine Mitbestimmungsrechte der Eltern, wo sie Ihnen gefährlich werden können. Sie wissen, dass die Eltern für die erforderliche Qualität und die notwendigen Rahmenbedingungen in den Kindertagesstätten kämpfen. Das stört Sie und so wollen Sie ja Elternrechte nicht verstanden wissen, da macht es sich schon besser, stattdessen dem Kultusminister mehr Rechte
bei der Zusammensetzung des Landesjugendhilfeausschusses einzuräumen. So kann man dann notfalls künftig von zwei Seiten besser Einfluss nehmen. Das heimliche Motto für künftige Ausschüsse scheint zu sein „Ruhe ist die erste Pflicht“, vor allen Dingen „Ruhe vor den Anliegen der Eltern“. Der Vorsitzende des Landesjugendhilfeausschusses hat dies namens des Landesjugendhilfeausschusses ja genau wie die SPD-Landtagsfraktion sehr kritisch bewertet und auch Änderungsvorschläge unterbreitet. Unsere entsprechenden Anträge wurden von der CDU-Mehrheit im Sozialausschuss abgelehnt. Das Gleiche gilt für einen Änderungsantrag mit dem Ziel, die Jugendämter beim Ausbau des Kinderschutzes und bei der Hilfswerkarbeit durch das Land finanziell bedarfsgerecht zu unterstützen - auch das ist eine Notwendigkeit, die Zusammenarbeit muss inhaltlich bewerkstelligt werden, aber sie muss auch finanziert werden; hier kann das Land sich nicht aus der Verantwortung nehmen -,
und es gilt für einen Antrag zur bedarfsgerechten Personalausstattung der Kindertagesstättenaufsicht und der Aufsicht des Landes. Abgelehnt wurde auch unser Antrag, dass Schulen im Rahmen der geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften tatsächlich pädagogisch-erzieherische und organisatorisch-administrative Selbstständigkeit gewährt wird. Es ist ja etwas, was eigentlich in das Gesetz gar nicht hineingehört, aber die Landesregierung hat das mit hineingeschrieben: „Eigenverantwortliche Schule“. Sie tra
gen ja, Kollege Emde, seit Jahren diesen Begriff „Eigenverantwortliche Schule“ wie eine Monstranz vor sich her. Für mich ist das, und dabei bleibe ich, Etikettenschwindel. Auch mit Ihrem neuen § 40 b springen Sie zu kurz. Auch nach Verabschiedung des Gesetzes bleiben die Schulen in das enge Korsett des Thüringer Schulrechts eingezwängt. Schulscharfe Stellenausschreibungen, eigenes Budget, die Möglichkeit der Schulen Rechtsgeschäfte abzuschließen, mehr Kompetenz bei Personalentwicklung/Personalführung - all das ist ja gängige Praxis in vielen Bundesländern; in Thüringen werden die Schulen weiter darauf warten müssen. Und seit Jahren, meine Damen und Herren, werden hier von Ihnen Entwicklungspotenziale wirklich verschenkt.
Zusammenfassend kann man feststellen: Bei der Mitwirkung und Mitbestimmung von Vertretern der Jugendhilfe im Bereich der Schulen und von Elternvertretern der Kindertagesstätteneinrichtungen im Landesjugendhilfeausschuss wurden Chancen vertan. Die Konkretisierung der Verantwortung des Landes bei der Heim- und Kindertagesstättenaufsicht wurde ebenso verweigert wie eine verlässliche finanzielle Mitverantwortung beim Ausbau des Kinderschutzes. Neue Anforderungen richten sich an die Landkreise und kreisfreien Städte, die Landesregierung hingegen hält sich mit konkreten Leistungen außerordentlich zurück und - nicht zuletzt - zu einer realen Ausweitung der den Schulen eingeräumten Kompetenzen kommt es nicht. Das ist kein wirklich guter Ansatz zur Überwindung der Konfliktlinien zwischen Jugendhilfe und Schulen. Ich denke, Vertrauensbildung muss anders aussehen, auch gegenüber den Trägern der Jugendhilfe und auch gegenüber der Schulgemeinde, also den Schülern, den Lehrern und Eltern. Danke schön.
Kollege Emde, geben Sie mir recht, dass, wenn wir für das ThILLM die Aufgabenbreite hier erhöhen, das auch auf die Personalsituation Einfluss hat? Wir haben bisher eine halbe Stelle dafür. Geben Sie mir recht, dass es da eine Qualitätsveränderung geben muss - auch das Verhältnis Abordnung, feste Stellen am ThILLM?
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! „Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig.“ So umschreibt Artikel 9 Grundgesetz das Grundrecht auf Koalitionsfreiheit. Zur Koalitionsfreiheit der Arbeitnehmer zählt naturgemäß auch deren Recht, mit ihren Gewerkschaften Tarifforderungen auf dem Weg von Demonstrationen und Streiks durchzusetzen; dies ist ständige Rechtsprechung der höchsten deutschen Gerichte, sei es des Bundesarbeitsgerichts, des Bundesverfassungsgerichts oder des Bundesverwaltungsgerichts. Dass die Koalitionsfreiheit selbstverständlich auch für den öffentlichen Dienst gilt, ist ebenfalls wiederholt höchstrichterlich bestätigt worden. Stellvertretend für viele andere ähnlich gelagerte Urteile möchte ich hier nur auf eine Entscheidung des Bundesdisziplinargerichts vom 16. Juli 1987 verweisen. So weit und in wünschenswerter Klarheit sowohl das Grundgesetz als auch die höchsten deutschen Gerichte bis zum Thüringer Kultusministerium. Bis zum Kollegen Emde scheint die Kenntnis eines der wichtigsten Grundrechte der Bundesbürger und der höchstrichterlichen
Rechtsprechung zu dieser Verfassungsnorm auch 18 Jahre nach der deutschen Einheit noch nicht vorgedrungen zu sein.
Anders kann ich mir jedenfalls ein vom 12. November datiertes Schreiben des Ministeriums an die Schulleiter in Sachen Lehrerdemo nicht erklären. In einer Mischung aus Gutsherrenmentalität und Obrigkeitsgeist alter DDR-Prägung wird hier die Teilnahme angestellter Lehrer an einer von der GEW initiierten Arbeitsniederlegung nebst Kundgebung, also die Wahrnehmung eines Grundrechts, als Dienstvergehen und als Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten interpretiert. Streikenden Lehrern droht das Schreiben disziplinarische bzw. arbeitsrechtliche Konsequenzen an. Schulleiter werden mit der juristisch unhaltbaren Behauptung, eine Teilnahme an den Streikmaßnahmen sei wegen der höherrangigen Verpflichtung zur Unterrichtserteilung ausgeschlossen, angewiesen, streikenden Lehrern von einer Beteiligung an der Arbeitsniederlegung abzuhalten. Zu guter Letzt befindet sich da auch noch die eindeutig einschüchternd gemeinte Bemerkung, die Schulleiter hätten sich darauf einzurichten, dass die Schulämter deren Entscheidung in Sachen Lehrerstreik gegebenenfalls hinterfragen würden. Als ich, meine Damen und Herren, diesen Rundbrief gelesen habe, habe ich mich gefragt, in welchem Land ich eigentlich lebe. Ich dachte bisher immer, dass Thüringen im Geltungsbereich des Grundgesetzes liegt, aber offenbar sind wir längst in einer Bananenrepublik gelandet.
Da wird gedroht und eingeschüchtert, da werden Recht und Gesetz nach Belieben verbogen, da richtet man sein ganzes Bestreben darauf, die eigenen Arbeitnehmer an der Wahrnehmung eines ihnen zustehenden Grundrechts zu hindern. Der Kultusminister hat bei seinem Amtsantritt gesagt, er wolle die Lehrer stärker motivieren und sie bei der Weiterentwicklung des Thüringer Schulwesens mitnehmen. Mit Blick auf Ihr reales Regierungshandeln kann man sagen: alles leere Worte. Sie wollen überhaupt nicht, dass ihnen die Lehrer auf Augenhöhe begegnen, sie wollen keine Pädagogen, die selbstbewusst ihre Interessen vertreten. Was Sie wollen, ist Untertanengeist, und wenn der sich nicht von allein einstellt, dann gibt es Motivationsschreiben wie das vom 12. November.
Meine Damen und Herren, die Landesregierung plant im Jahr der Demokratie vielfältige Aktivitäten, die das Demokratiebewusstsein noch weiter fördern und somit, ich zitiere, „das zarte Pflänzchen der Demokratie weiter stärken“. Diesen salbungsvollen Text kann man nachlesen im Thüringer Schulportal. Meine
Damen und Herren der Landesregierung, es wäre ein erster wichtiger Schritt, wenn Sie Ihre eigenen Worte wirklich ernst nehmen und Ihr Handeln daran orientieren würden.
Meine Damen und Herren, damit komme ich zum zweiten Teil der Aktuellen Stunde. Der Antwort der Landesregierung auf die Mündliche Anfrage des Kollegen Lemke wegen des Gewerkschaftstags in Leinefelde sind zwei zentrale Aussagen zu entnehmen. Erstens: Keinem der Antragsteller wurde die Teilnahme am Landesgewerkschaftstag verwehrt, heißt es dort. Und weiter: Die Landesregierung achtet die Koalitionsfreiheit als schützenswertes verfassungsrechtliches Gut und legt Wert auf partnerschaftliche Zusammenarbeit. Partnerschaftliche Zusammenarbeit, meine Damen und Herren, verträgt keine Halbwahrheiten und diese Antwort der Landesregierung ist bei wohlwollender Betrachtung halbwahr. Man könnte sie auch ganz anders bezeichnen, so kurz sind die Beine dieser Fehlinformation. Wenn 31 Delegierte als Antragsteller im Landesamt für Vermessung und Geoinformation keine Antwort auf ihren Antrag erhalten und sie deshalb aus Unsicherheit Urlaub statt Freistellung in Anspruch nehmen müssen, dann wurde ihnen kein Antrag abgelehnt, er wurde aber auch nicht bewilligt. Unsicherheit, meine Damen und Herren, verbreiten bei den Beschäftigten und das Verschleiern im Parlament, das ist der tatsächliche Umgang der Landesregierung mit den Arbeitnehmern und den Arbeitnehmerrechten. Ich sage Ihnen, das muss sich verändern. Danke schön.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich kann der Kollegin Skibbe nur zustimmen. Gebe es eine Hitparade der Schaufensteranträge, Ihr Antrag, meine Damen und Herren von der CDU, wäre unangefochten Spitzenreiter.
Der Thüringen-Monitor hat deutlich gemacht, wie die bildungspolitischen Kompetenzen nach Ansicht der Thüringerinnen und Thüringer verteilt sind. Das passt Ihnen natürlich nicht und deswegen haben Sie das auch einfach auf Eis gelegt. Ein solcher Umgang mit unliebsamen Wahrheiten erinnert mich doch an DDR-Zeiten. Nun wissen wir natürlich, dass Sie den Thüringen-Monitor nicht bis zum Sankt Nimmerleinstag zurückhalten können, also muss man etwas dagegen setzen. Da ja Leitbilder in Mode gekommen sind, hatten Sie die „geniale Idee“, fordern wir ein Lehrerleitbild. Da Sie das rasante Arbeitstempo des Kultusministers kennen, haben Sie doch einen unschädlichen Termin festgelegt, 2010. Sie hätten auch 2015 oder 3036 festlegen können. Der Nährwert Ihres Antrags für die Schul- und Kitaentwicklung bleibt marginal. Und auch nach wiederholtem Lesen des Antragstextes bleibt unklar, was konkret unter dem zu erarbeitenden Leitbild überhaupt zu verstehen ist
und welchen Stellenwert dieser haben soll. In der Antragsbegründung ist an einer Stelle von einem allgemeingültigen Leitbild die Rede. Das lässt auf
eine hohe rechtliche Verbindlichkeit schließen. An anderer Stelle allerdings sprechen Sie von einem Leitfaden für die Aus- und Fortbildung von Erziehern und Lehrern, denen mithilfe des Leitbilds gleichzeitig Orientierung für die Tätigkeit gegeben werden soll. Hier erscheint das Leitbild eher als eine Art Informationsschrift zu Ausbildungsfragen oder als Handreichung für die konkrete pädagogische Arbeit.
Dazu im Widerspruch steht aber wiederum die spätere Aussage, dass das Leitbild auch bei Personalbewertung und Führungskräfteentwicklung Anwendung finden soll.
Es reicht nicht aus, meine Damen und Herren von der CDU und Kollege Emde, den Modebegriff „Leitbild“ begierig aufzugreifen und ihn inhaltlich oberflächlich sowie mit mangelnder begrifflicher Präzisierung rasch in eine parlamentarische Initiative umzumünzen. Besser wäre es gewesen, sich erst einmal mit dessen konkreter bildungspolitischer Nutzanwendung zu befassen. Vielleicht wäre Ihnen dann auch nicht entgangen, dass bereits am 05.10.2000 die Kultusministerkonferenz gemeinsam mit den Bildungs- und Lehrergewerkschaften ein Lehrerleitbild verabschiedet hat. So viel Neues, Kollege Emde, werden wir hier nicht entwickeln können.
Viel wichtiger ist es, Rahmenbedingungen zu schaffen, damit dieses Leitbild der KMK, gemeinsam erarbeitet mit den Gewerkschaften, endlich umgesetzt werden kann. In Punkt 3 dieses Leitbildes heißt es: „Lehrerinnen und Lehrer können Unterstützung erwarten. Dazu gehört auch, sie bei ihrer Arbeit nach besten Kräften zu unterstützen und das Arbeitsklima sowie die Berufsmotivation zu fördern.“ Nicht nur in Bezug auf die Floating-Lehrer sage ich, meine Damen und Herren, hier haben Sie genug zu tun, ansonsten bleibt das Papier nichts weiter als ein Schaufensterantrag. Danke.
Frau Präsidentin, ich beantrage im Namen der SPDFraktion namentliche Abstimmung.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Kollege Emde, ob Sie das wahr haben wollen oder nicht, seit Jahren vernachlässigt die Landesregierung die Personalentwicklung im Schulbereich sträflich.
Da kann der Kultusminister Althaus, Krapp, Goebel oder Müller heißen, bislang hat der Bildungsetat noch
immer als finanzieller Steinbruch zur Sanierung des Haushalts herhalten müssen. Allein in den Jahren 2000 und 2007 sind hier 300 Mio. € weggestrichen worden und mehr als 7.600 Lehrerstellen weggefallen. Gleichzeitig hat es wirklich nur einen sehr mäßigen Einstellungskorridor für den Pädagogennachwuchs gegeben. Die Zahl der Grundschulhortnerinnen hat permanent unter dem realen Bedarf gelegen und durch die Neudefinition der Jugendpauschale ist es auch zu erheblichen personellen und qualitativen Einbußen bei der Schuljugendarbeit, jetzt schulbezogenen Jugendarbeit, sowie bei der Schulsozialarbeit gekommen und bei der Zahl der Schulpsychologen wird Thüringen inzwischen ja nur noch von Malta unterboten.
Das, meine Damen und Herren, ist die traurige Bilanz Ihrer Personalpolitik. Inzwischen ist die Situation so verfahren, dass eine Lösung der mit jedem weiteren Jahr des Schleifenlassens brisanter werdenden Personalproblematik dem Durchhauen des Gordischen Knotens gleicht und das Land natürlich einiges an Engagement und zusätzlichen finanziellen Mitteln kosten wird. Aber wie reagiert der Kultusminister auf diese Herausforderung? Ich bin geneigt zu sagen, wie immer. Er redet die Lage schön, tut so, als sei das bereits in wenigen Jahren drohende Personaldebakel bei der Lehrerschaft völlig überraschend und unabwendbar über das Land gekommen und disqualifiziert unsere Lösungsvorschläge als „Wünsch-dirwas-Liste“ der Opposition. Kollege Emde hat das hier eben gerade zelebriert. Ich glaube, mit dieser Form von Realitätsverweigerung mag man ja noch irgendwie die letzten Monate bis zum Regierungswechsel überstehen, dem Land und seinen Schulen tut man aber damit keinen Gefallen.
Meine Damen und Herren, hier braucht es endlich eine vernünftige, am tatsächlichen Bedarf orientierte Personalpolitik. Es muss endlich auch ein langfristiges und regional differenziertes Personalentwicklungskonzept für den Schulbereich erarbeitet werden. Das fordern wir schon seit Jahren, schon seit Jahrzehnten eigentlich. Und noch immer sind Sie nicht in der Lage, solch ein vernünftiges Konzept vorzulegen. Es bleibt immer bei Ankündigungen, aber in der Realität liegt dann nichts vor. Deshalb kann man mit den Taschenspielertricks und den Zahlendrehereien nun mal nicht Regierungshandeln ersetzen.
Meine Damen und Herren, der von der LINKEN eingebrachte Antrag legt in Sachen Personalpolitik, denke ich, die Finger auf die Wunde. Er benennt die wesentlichen Fehlentwicklungen und listet auch konkrete Lösungsvorschläge auf. Meine Fraktion kann Ihnen daher ohne Weiteres zustimmen, zumal wir
ja selbst in den vergangenen Jahren immer ähnlich gelagerte parlamentarische Initiativen ergriffen haben.
Lassen Sie mich daher nur noch kurz etwas zu den einzelnen Förderungspunkten des Antrags sagen. Dabei möchte ich den ersten Punkt, die Erhöhung des Beschäftigungsumfangs der Pädagogen im Floating nur kurz streifen. Kollege Emde, ob Sie es wahrhaben wollen oder nicht, eine Schule lebt vom Klima und das Klima an einer Schule ist entscheidend für Schulentwicklung. Wenn Sie nicht dafür sorgen, dass wirklich ein gesundes Klima an Schulen bestehen wird, dann werden Sie auch in der Schulentwicklung nicht vorankommen. Das ist die Realität und deswegen müssen Sie sich diesem Thema stellen.
Ich komme zum Punkt 2, der Ausweitung des Einstellungskorridors. Hervorgerufen durch das altersbedingte Ausscheiden einer ganzen Lehrergeneration wird bereits in wenigen Jahren massiver Personalbedarf in den Thüringer Schulen entstehen. Kollege Emde, dieser Realität muss man sich stellen. Wenn Sie Zahlen anzweifeln, dann müssen Sie nur ins Internet gehen und dann schauen Sie sich die Zahlen des Kultusministeriums, dann schauen Sie sich ganz konkret den Lehrerkegel an und dann können Sie ganz genau sehen, in welchen Jahren wie viele Lehrer ausscheiden. Wenn Sie das mal hochrechnen, können Sie ganz genau sagen, wie viele Lehrer in den nächsten Jahren in Thüringen gebraucht werden. Das ist eine ganz einfache Rechnung und der Kultusminister hat das auch so im Internet eingestellt.
Ich denke, es dürfte jedem, der sich nur ein bisschen mit Bildungspolitik beschäftigt, klar sein, dass weder die vom Kultusministerium vorgesehene Neueinstellung von 35 Nachwuchspädagogen noch die von der CDU-Fraktion vorgeschlagene Schaffung eines Korridors von zusätzlich 100 Stellen ausreichen werden, um wirklich diese dann klaffende Personallücke schließen zu können. Deshalb müssen wir den Einstellungskorridor im Schulbereich in den kommenden Jahren deutlich verbreitern. Ich weiß, das ist sicher nicht einfach auch den Bürgern zu erläutern, aber wenn wir wirklich verhindern wollen, dass wir in eine Situation kommen, dass wir wirklich einen Bildungsnotstand erreichen, dann müssen wir schon jetzt gegensteuern. Ich denke, vielleicht ist ja die Landesregierung auch in der Pflicht, Nachwuchspädagogen wirklich auch echte Berufsperspektiven in Thüringen zu eröffnen. Wenn der Freistaat qualifizierte junge Lehrer hier halten will, dann muss er ihnen auch mehr bieten als bloß ein befristetes Beschäftigungsangebot und das dann auch nur in Teilzeit, sonst werden wir gegen die massiven Abwerbekampagnen der Westländer keine Chance haben. Allein Hessen hat in diesem Jahr Hunderte von Nach
wuchspädagogen im Osten abgefischt. Wie das funktioniert hat - ganz einfach; Hessen bietet eine unbefristete Beschäftigung, die sofortige Verbeamtung und eine höhere Eingangsbesoldung. Wenn wir dem nicht wenigstens ein in Ansätzen attraktives Gegenangebot entgegenhalten können, dann drohen unsere Schulen bereits in wenigen Jahren personell auszubluten.
Nun hat ja Kollege Emde vorhin wieder deutlich gemacht, das ist nur Panikmache, aber, meine Damen und Herren, ich kann versichern, dass es sich hier um eine ganz nüchterne, um eine ganz solide Prognose handelt. Der deutsche Philologenverband, der ja nun wahrlich nicht im Verdacht übergroßer SPD-Nähe steht, hat berechnet, dass bundesweit in den kommenden fünf Jahren etwa 150.000 der 800.000 deutschen Lehrer in den Ruhestand gehen werden und ebenso zeichnet sich ab, dass nicht genügend Nachwuchspädagogen da sein werden, um diese Lücke aufzufüllen. Voraussichtlich werden wir 2013 bundesweit 40.000 Lehrer zu wenig haben. Was das heißt, dürfte hier allen klar sein.
Unsere Nachbarländer im Westen werden alles daran setzen, ihren eigenen Personalbedarf zu decken und wenn wir dem nichts entgegensetzen, und zwar möglichst rasch, werden wir unweigerlich auf der Verliererseite stehen.
Meine Damen und Herren, ob das Kultusministerium diese Tatsache überhaupt schon verstanden hat, wage ich allerdings zu bezweifeln. Jedenfalls hat der Kultusminister noch in der TLZ vom 28. August erklärt, man könne den jungen Leuten nur befristete Stellen anbieten, nicht aus mangelndem Willen, sondern weil die beamtenrechtlichen Vorschriften es nicht zulassen.
Natürlich.
Das stimmt nicht, Kollege Emde. Schauen Sie sich die Zahlen genau an. Wir werden gerade in den Jahren 2014/2015 weit über 1.200 Lehrer im Jahr ersetzen müssen. Wir werden vorher aber schon erheblich größere Zahlen auch ersetzen müssen. Aber, ich gebe Ihnen recht, 2014/2015 wird es wirklich sozusagen die Spitze des Personalmangels geben. Insofern haben Sie die Spitze benannt. Aber wir werden vorher schon Personal brauchen. Wir können uns gern nachher mal in die stille Ecke setzen. Dann können wir das mal auseinanderklamüsern.
Ich war gerade bei den beamtenrechtlichen Vorschriften. Ich habe diesen Satz wirklich x-mal gelesen, aber ich habe noch nicht in den geringsten Ansätzen verstanden, was der Minister damit gemeint haben könnte. Vielleicht kann er uns das nachher erklären. Dass das Beamtenrecht nur befristete Einstellungen zulässt, ist für mich absolut neu und vielleicht ist das eine Erklärung wert. Wie Sie zu dieser Rechtsinterpretation gekommen sind, das sollten Sie schon erläutern.
Damit komme ich zum Punkt 3 des Antrags zur Beschäftigungssituation der Horterzieherinnen. Auch hier muss es dringend eine Lösung geben. Die Nachfrage nach den Angeboten des Grundschulhorts steigt seit Jahren kontinuierlich an. Erst vor kurzem hat ja das Kultusministerium verlautbart, dass der Anteil der Hortkinder an den Grundschulen erneut zugenommen hat. In diesem Schuljahr besuchen 73,8 Prozent der Grundschüler den Hort. 2007/2008 sind es noch 71,0 Prozent gewesen. Eine ähnlich dynamische Entwicklung lässt sich auch für die Vorjahre nachweisen. Wie aus der Antwort des Kultusministeriums auf die Kleine Anfrage meiner Kollegin Ehrlich-Strathausen hervorgeht, ist die Zahl der Hortkinder in den Schuljahren 2003/2004 bis 2007/2008 von 29.880 auf 44.494 angestiegen. Das ist ein Plus von 49 Prozent.
Gleichzeitig hat sich die durchschnittliche wöchentliche Betreuungszeit der Hortkinder von 443.504 Stunden auf 743.778 Stunden erhöht. Das ist ein Zuwachs von 50 Prozent.
Hat die durchschnittliche wöchentliche Betreuungszeit je Hortkind im Schuljahr 2003/2004 noch bei 15,8 Stunden gelegen, so sind es 2007/2008 bereits 16,6 Stunden. Das ist positiv, gar keine Frage. Die Personalentwicklung, Kollege Emde, hat mit diesem stetig wachsenden Bedarf jedoch bei Weitem nicht Schritt gehalten. Die Zahl der Erzieherstellen, gemessen an den Vollzeitbeschäftigten, ist in den Schuljahren 2003/2004 bis 2007/2008 um gerade einmal 6 Prozent angestiegen und das bei im gleichen Zeitraum fast 50 Prozent mehr Hortkindern mit einer deutlichen Erhöhung der wöchentlichen Betreuungszeit je Kind. Das wäre Ihre Aufgabe gewesen, hier dafür zu sorgen, dass die neue Quantität sich auch in Qualität umschlägt.
Meine Damen und Herren, seit Jahren bewegt sich auch die Zahl der Horterzieherinnen weit unter dem real vorhandenen Personalbedarf. Mehr noch: Wie bei der vorletzten Sitzung des Bildungsausschusses bekannt geworden ist, werden zum Jahresende nicht einmal die im Haushalt ausgewiesenen ohnehin schon nicht ausreichenden 1.333 Erzieherstellen vollständig besetzt sein. Das Kultusministerium rechnet demnach mit dem Freiwerden von 180 Stellen und ob die besetzt werden sollen, ist nicht deutlich. Vielleicht kann das der Minister nachher auch noch einmal sagen. Insofern, angesichts der realen Bedarfszahlen, die ich eben hier vorgetragen habe, ist es sachlich überhaupt nicht gerechtfertigt, hier die Erzieherstellen nicht auszuweiten.
Ich erwarte auch, dass die Anstellungsverträge der Hortnerinnen schnellstmöglichst entfristet werden. Laut eigenen Angaben des Kultusministeriums gibt es in den nächsten zehn Jahren stabile Grundschülerzahlen, wobei es im zweiten Jahrfünft sogar zu einem leichten Zuwachs kommen wird. Die Nachfrage nach Hortangeboten wird also auf lange Zeit weiterhin hoch bleiben und wahrscheinlich sogar noch weiter ansteigen. Wie man da behaupten kann, die künftige Entwicklung sei gar nicht ablesbar, man könne daher nur befristet einstellen, das will mir wirklich nicht in den Kopf. Wenn Sie schon der Opposition und dem gesunden Menschenverstand nicht trauen, sollten Sie doch wenigstens der eigenen Statistik Glauben schenken, Herr Minister.
Meine Damen und Herren, zur Schulsozialarbeit und zur Situation der Schulpsychologen haben wir hier, aber auch in den Ausschüssen bereits des Öfteren beraten. Daher von mir nur so viel, die Modellprojekte Jugendarbeit an Thüringer Schulen und Schulsozialarbeit an berufsbildenden Schulen sind in früheren Jahren mehrfach positiv evaluiert worden, nicht zuletzt durch das zuständige Kultusministerium, und dabei sind stets auch die Perspektiven für einen bedarfsgerechten Ausbau aufgezeigt worden. Sachlich hat demnach alles für eine Verstetigung und Wei
terentwicklung dieser Angebote gesprochen. Wie aber hat die Landesregierung seinerzeit reagiert? Sie hat fachliche Erkenntnisse bewusst ignoriert und sich aus der Verantwortung gestohlen. In dem Doppelhaushalt 2006/07 ist es zu einer verkappten Mittelkürzung bei der Schuljugendarbeit und bei der Schulsozialarbeit gekommen und gleichzeitig ist die Förderung beider Projekte in die Jugendpauschale integriert worden, was vor Ort zu Vergabekonflikten geführt hat und dabei ist es gerade nicht in der ursprünglich anvisierten flächendeckenden Verbindlichkeit und höheren Verfachlichung des Angebotes gekommen, sondern oftmals zu deren Reduzierung und manchmal auch zur völligen Streichung. Der Rückzug des Landes hat also zur qualitativen und quantitativen Verschlechterung geführt. Ein Gegensteuern durch eine Sicherung zumindest ausreichender personeller Rahmenbedingungen, wie das DIE LINKE vorschlägt, erscheint mir daher dringend geboten. Im Bereich der Schulpsychologie ist die Personalsituation noch prekärer. Wir wissen ja, nach dem Gutenbergmassaker sind 16 Schulpsychologen befristet nur eingestellt worden und der damalige Kultusminister Krapp hat das in einer Presseerklärung zu Recht als einen Beitrag zur Stärkung des Beratungs- und Betreuungsnetzes im Schulbereich hervorgehoben. Längerfristige personelle Konsequenzen sind aus dieser richtigen Erkenntnis jedoch nicht erwachsen, obwohl mehrere Untersuchungen nachgewiesen haben, dass sie das Spektrum der schulpsychologischen Leistung durch die Neueinstellung deutlich verbessert hat, hat es keine Entfristung dieser Stellen gegeben, wir haben damals intensiv darum gerungen.
Thüringen ist daher seit Jahren in der Ausstattung der Schulpsychologen deutschlandweit Schlusslicht und liegt auch im europäischen Maßstab ganz weit hinten. Das ist die traurige Realität und da hilft es nicht, die Dinge ständig schönzureden. Insofern denke ich auch, die Beratungslehrer hinzuzählen, das ist unredlich, denn dann kommt man natürlich zu fantastischen Zahlen. Ähnlich kreativ hat sich ja auch die DDR vor rund zwei Jahrzehnten zur zehntstärksten Industrienation der Welt hochgerechnet und wie das wenig später geendet hat, das wissen wir alle.
Daher sage ich Ihnen noch einmal, Herr Minister, und das gilt für alle von mir angesprochenen Punkte, durch ständiges Schönreden, Zahlentricksereien ersetzen keine sachlich fundierte, langfristig angelegte und in die Zukunft gerichtete Personalpolitik. Hier muss endlich im Sinne der Thüringer Schulen gehandelt werden und wenn Sie, meine Damen und Herren von der CDU, dazu nicht in der Lage sind, dann werden wir das 2009 tun. Danke.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, auch wenn es bis zu Ihnen, Herr Minister Müller, noch nicht vorgedrungen ist, die Lösungswege für den notwendigen Wechsel von einer traditionell auslesenden zu einer fördernden Bildungsoption, die sind klar, einmal individuelle Förderung, auch Anerkennungskultur, das heißt, keiner darf zurückbleiben, aber, Kollege Müller, auch ganztägige Bildungseinrichtungen und auch länger gemeinsames Lernen, daran können Sie nicht vorbeigehen.
Eine gute Schule muss alle Kinder und Jugendlichen auf die Bewältigung der Herausforderungen der Zukunft vorbereiten, sie muss ihnen wirkliche Teilhabe an der demokratischen Gesellschaft ermöglichen und sie muss auch die sozialen Schieflagen überwinden und letztlich einen demokratischen Lern- und Lebensraum entwickeln. Dazu, Herr Minister Müller, war von Ihnen Innovatives, wirklich Innovatives nicht zu hören, stattdessen ein Bauchladen wirklich voller alter Hüte, mehr schlecht als recht präsentiert. Und alles ist von Ihrem „gewichtigen Vorgänger“ schon mal gesagt worden, wir haben das alles schon mal gehört, wirklich nichts Neues. Herr Minister, mit Erbsen zählen bringen Sie die Qualitätsentwicklung an Thüringer Schulen nicht voran. Sie dürfen die drängenden Probleme nicht wirklich weiter ignorieren und notwendige Entwicklungen verschlafen. Ich will nur einige exemplarische Beispiele nennen, einiges ist schon genannt worden. Da spreche ich auch den Kollegen Emde an. Kollege Emde, seit Jahren behindern Sie die Entwicklung von Ganztagsschulen.
Da geht es nicht um die Erarbeitung von inhaltlichen Komponenten, denn die Schulen haben sich auf den Weg gemacht, die Schulen brauchen aber verlässliche Personalzuweisungen und die verweigern Sie kontinuierlich.
Das ist ein Riesenproblem für die weitere Entwicklung von Ganztagsschulen. Wir haben Anträge gestellt, die haben Sie abgelehnt. Wir haben jetzt die Möglichkeit, Herr Kollege Matschie hat das vorhin gesagt, stattdessen nehmen Sie die zusätzlichen Stellen für Fortbildung und, ich denke, das ist generell in der Verantwortung des Landes, da müssen Sie die zusätzlichen Stellen nicht dazu nehmen. Ob es wirklich zielführend ist, wenn ich zum Beispiel 58 Lehrern Sonderurlaub unter Fortzahlung der Bezüge zur Weiterentwicklung der Fremdsprachenkompetenz beschreibe, das will ich doch sehr infrage stellen.
Zur frühkindlichen Bildung und Erziehung: Kollege Emde, Sie haben den Bildungsplan genannt und das als CDU-Option beschrieben, „wir haben“, Herr Kollege Emde, Sie wissen ganz genau, dass die Enquetekommission, der ich ja vorsitzen durfte, eindeutig einen Bildungsplan gefordert hat. Es hat dann zwei Jahre gedauert, eh Sie überhaupt auf die Idee kamen, das endlich aufzunehmen. Dann hat ein unabhängiges Konsortium diesen Bildungsplan erar
beitet, der sehr gut ist, kindzentriert bis 10 Jahre. Übrigens, das Konsortium hätte es gern erweitert, bloß Sie haben das nicht zugelassen. Das ist die Wahrheit und jetzt stellen Sie sich hierhin und sagen, Sie möchten es gern bis 18 Jahre. Aber selbst haben Sie nicht zugelassen, dass es schon erweitert worden wäre. Bis 10 Jahre ist ja gut und, ich denke, da sind wir uns einig, wir müssen das dann auch weiterentwickeln. Aber was nützt der beste Plan - und das wurde auch mehrfach gesagt -, wenn die Rahmenbedingungen nicht stimmen und dazu müssen Sie doch endlich mal Stellung nehmen und müssen das zur Kenntnis nehmen,
was die Leute aus der Praxis Ihnen immer wieder sagen. Sie können sich nicht feiern für ein Produkt, wenn Sie die Rahmenbedingungen dazu nicht wirklich vernünftig regeln. Dazu zählt auch der Personalschlüssel und dazu zählt auch die Zeit für Erzieher, dass sie diesen Bildungsplan umsetzen können und das machen Sie nicht.