Protokoll der Sitzung vom 23.11.2006

Er leistet keinen Beitrag zur Verbesserung der Beschäftigungssituation der Angestellten im Einzelhandel. Und er leistet keinen Beitrag zur Verbesserung der Situation kleiner Handwerksbetriebe und Innungsbetriebe, insbesondere im Fleischer- und Bäckerhandwerk. Deshalb, meine Damen und Herren, weil wir gern namentlich wissen wollten, wer diesem

Gesetzentwurf zustimmt, bitten wir um namentliche Abstimmung dieses Gesetzentwurfs. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Ihre Nachfrage, Herr Abgeordneter Schwäblein.

Wohl wissend, dass das jetzt ziemlich schwer wird, wenn man sich selber mal ehrlich befragen muss, frage ich Sie trotzdem, Herr Kollege Gerstenberger. Waren Sie im Auslandsurlaub schon mal nach 20.00 Uhr einkaufen?

Ja, da muss ich eine Weile überlegen. Ich habe durchaus die Gelegenheit genutzt, abends auch mal durch die Stadt zu gehen, aber ich gebe zu, dass mich der Einkaufsreiz auch nachts nicht überfallen hat. Das hat übrigens auch nichts mit dem Urlaub zu tun, Herr Schwäblein. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir das, was Sie neue Kultur nennen, indem man nachts einkaufen geht, anstatt in der Familie mit den Kindern zu kommunizieren und mit den Kindern zu verständigen, dass das nicht der Kulturanspruch sein sollte, den wir unbedingt verfolgen müssen.

(Unruhe bei der CDU)

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Das Wort hat Abgeordneter Dr. Schubert, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, bereits zum vierten Mal beschäftigen wir uns in diesem Jahr mit dem Thema Ladenschlussgesetz. Ich hoffe, dass das vorerst dann das letzte Mal ist. In diesem Jahr mit Sicherheit, weil wir ja nur noch eine Sitzung haben. Ich hoffe aber, dass es auch für eine längere Zeit dann das letzte Mal ist. Ich habe allerdings so ein bisschen meine Zweifel; mit der Geschwindigkeit, mit der die CDU dieses Gesetz nun unbedingt noch im November durch den Landtag bringen wollte. Ich denke, dass es vielleicht noch die eine oder andere Ungereimtheit geben könnte. Vielleicht wäre es doch besser gewesen, erst einmal zu sehen, wie sich die Änderungen in den Nachbarlän

dern auswirken, so ähnlich, wie das Bayern als Strategie gemacht hat. Die haben ja nicht entschieden, Herr Gerstenberger, gar nichts zu ändern, sondern die haben gesagt, wir warten erst einmal zu und schauen einmal. Ganz kann ich diesen Eifer, den Sie, Herr Kretschmer, an den Tag gelegt haben, nicht verstehen. Aber gut, nun haben wir das Gesetz einmal vorliegen und haben es natürlich auch umfassend beraten. Ich bezweifle allerdings, wenn man sich die Erfahrungen der WM anschaut, dass allzu viele Änderungen in Thüringen passieren werden. Dass neue Arbeitsplätze damit geschaffen werden, das bezweifle ich nun allerdings erst recht. Gleichwohl sprechen natürlich einige Argumente dafür, die Ladenöffnungszeiten an Werktagen im Wesentlichen freizugeben. Das ist einmal der allgemeine Bürokratieabbau, auch das veränderte Einkaufsverhalten der Bevölkerung oder auch Einzelhändlern völlig neue Möglichkeiten zu geben, ihr Geschäft zu gestalten, von denen wir heute noch gar nichts wissen - aber das soll auch der unternehmerischen Freiheit überlassen werden -, und auch eine Konkurrenz zum Internethandel gewissermaßen zu schaffen - was heißt Konkurrenz, das heißt, die schlechteren Bedingungen, die heute die Einzelhändler haben, während ich online 24 Stunden bestellen kann, auch das ist sicherlich ein wesentlicher Grund, warum im Einzelhandel in den letzten Jahren so viele Arbeitsplätze verloren gegangen sind. Um da einen gewissen Ausgleich zu schaffen, das spricht schon dafür, im Wesentlichen in der Woche die Öffnungszeiten freizugeben. Herr Gerstenberger, Sie hatten ja erst vehement für die Beibehaltung der jetzigen Ladenöffnungszeiten plädiert, aber die PDS ist ja nun mittlerweile auch im Ausschuss dahin gekommen, dass sie bis 22.00 Uhr die Ladenöffnungszeiten verändern möchte.

Es sprechen allerdings sehr viele Argumente dagegen, die Ladenöffnungszeiten nun völlig freizugeben, also von Montag bis Sonntag. Deshalb ist der Sonn- und Feiertagsschutz auch ein besonderes Anliegen der SPD-Fraktion. Das ist auch in dem Gesetzentwurf berücksichtigt, aber wir meinen, nicht ausreichend. Denn wir denken, dass die vier Sonntage, so wie sie jetzt auch in Ihrem Gesetzentwurf stehen, ausreichen, um Feste und Ähnliches zu gestalten. Nur, die Frage ist ja, wann der Sonntagsschutz beginnt. Da ist die CDU-Fraktion schon auch unseren Forderungen, die wir hier gestellt haben, ein Stück nachgekommen. Der Sonntagsschutz soll nun am Sonnabend, 20.00 Uhr, beginnen. Wir meinen aber, das Gleiche soll für Feiertage gelten. Was für Sonntage gilt, soll genauso auch für Feiertage gelten. Feiertage sollen auch 20.00 Uhr am Tag zuvor beginnen. Das Thema Adventssonntage im Dezember, da kann ich nun überhaupt nicht verstehen, dass die CDU jetzt im Gesetzentwurf regeln will, dass der erste Advent, auch wenn er im Dezember liegt,

neuerdings Einkaufssonntag werden soll. Die Kirchen haben sich vehement dagegen ausgesprochen. Wir haben das aufgenommen und haben Ihnen heute noch einmal einen Änderungsantrag vorgelegt, den Sie bereits im Ausschuss abgelehnt haben. Sie haben heute noch einmal Gelegenheit, dieser Sache zuzustimmen und zu verhindern, dass im Dezember Adventssonntage als Einkaufssonntage genutzt werden. Ich denke, das Argument der Kirchen ist da durchaus zu beachten. Wir bitten Sie einfach, darüber noch einmal nachzudenken.

(Beifall bei der SPD)

Der wichtigste Punkt für uns als Sozialdemokraten, wenn man schon über veränderte und erweiterte Ladenöffnungszeiten nachdenkt, ist der Schutz der Arbeitnehmerinteressen. Das heißt also, wenn man schon den Beschäftigten zumuten soll, länger und auch nachts zu arbeiten, dass dann die berechtigten Interessen der Arbeitnehmer in unserer Gesetzgebung auch eine gewisse Rolle spielen, nämlich eine bedeutende Rolle. Auch da ist uns die CDU etwas entgegengekommen. Im Justizausschuss ist der § 12 Abs. 2 verändert worden. Man hat dort eine Regelung aus dem alten Ladenschlussgesetz des Bundes übernommen. Wir halten das absolut für nicht ausreichend, weil das nur ein kleiner Teil der Arbeitnehmerschutzrechte ist und weil es auch nur die betrifft, die jetzt schon sonntags arbeiten müssen an Tankstellen oder in Wallfahrtsorten, nämlich die Zahl der Sonntage, an denen gearbeitet werden kann. Aber die Regelung aus dem alten Ladenschlussgesetz, zum Beispiel dass ein Samstag freizuhalten ist im Monat für die Beschäftigten oder auch dass der Unternehmer dokumentieren muss, wie oft er seine Mitarbeiter eingesetzt hat, dass das auch überprüfbar ist - denn wir wissen ja, wie das dann teilweise läuft -, das fällt damit weg. Deshalb plädieren wir nach wie vor dafür, dass diese Regelungen aus dem alten Ladenschlussgesetz weiter fortgelten, also §§ 17, 21, 22 und 23, was im Übrigen Sachsen so regeln will. Dort haben wir ja eine schwarz-rote Regierung. Warum soll das nicht auch in Thüringen möglich sein, das so zu regeln, wie das Sachsen vorhat?

(Zwischenruf Abg. Kretschmer, CDU)

Das können Sie ja dann einbringen, Herr Kretschmer; darüber können wir diskutieren, ob Sie das mit den Kirchen so klarbekommen, dass Sie alle Adventssonntage freigeben wollen.

Ein weiterer wichtiger Punkt für uns ist das Thema Familienschutz. Es gilt ja das Arbeitszeitgesetz. Dort ist geregelt, dass Familienangehörige, die Kinder unter 12 Jahren haben, auf Verlangen nach 23.00 Uhr nicht mehr eingesetzt werden dürfen. Mit der verän

derten Ladenschlusszeit sind viele davon betroffen. Deshalb sagen wir: Das soll schon ab 20.00 Uhr gelten, weil das eine sinnvolle Regelung ist, dass Familien auch gemeinsam zu Hause mit ihren Kindern den Abend verbringen können. Auch das haben Sie abgelehnt, meine Damen und Herren von der CDUFraktion. Sie haben nachher die Gelegenheit, unserem Änderungsantrag an dem Punkt zuzustimmen und etwas für den Schutz der Familien zu tun.

Auch ein wichtiger Punkt für uns: Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten. Es ist eine völlig neue Sache dadurch entstanden, dass größere Geschäfte dann nachts vielleicht nur mit einem Mitarbeiter besetzt sind. Das ist eine große Gefahr für die Mitarbeiter. Deswegen haben wir einen Änderungsantrag in den Ausschuss und auch heute wieder eingebracht, dass bei Läden zwischen 400 und 800 Quadratmetern mindestens zwei Beschäftigte anwesend sein müssen und dass ab 800 Quadratmetern mindestens drei Beschäftigte da sein müssen. Ich denke, meine Damen und Herren, diese Forderungen, die wir da aufmachen und die Sie auch auf dem Platz liegen haben, sind keine unannehmbaren Forderungen, im Gegenteil, das sind notwendige Forderungen, um veränderte Ladenöffnungszeiten auch sozial zu begleiten. Dem könnten Sie, wenn Sie noch mal intensiv nachdenken, vielleicht auch zustimmen.

(Beifall bei der SPD)

Denn dann könnten wir uns auch dazu entschließen, Ihrem Gesetzentwurf zuzustimmen, was wir ansonsten nicht tun werden. Wir werden ihn ansonsten ablehnen. Des Weiteren liegt Ihnen ein Entschließungsantrag vor, in dem es darum geht, dem voranschreitenden Lohndumpingverhalten in diesen Bereichen Einhalt zu gebieten. Diese Allgemeinverbindlichkeitserklärung ist in Sachsen-Anhalt beschlossen worden ebenfalls mit den Stimmen von CDU und SPD, ich denke, daran könnten Sie sich ein Beispiel nehmen, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion. Stimmen Sie unserem Entschließungsantrag zu, dann tun Sie eine Menge für die Beschäftigten im Einzelhandel. Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Für die CDU-Fraktion hat sich der Abgeordnete Kretschmer zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, mit dem Blick auf die Uhr kann ich feststellen: Bei uns zu Hause ist jetzt schon Spätverkauf. Also das hatte ich mir nicht so vorgestellt, dass wir so spät dran sind.

Wenn ich noch aus dem Nähkästchen plaudern darf, in der Innenstadt von Mühlhausen hat man Ihnen schon die Scheuerlappen zwischen die Beine gezogen, weil um 18.00 Uhr dort Schluss ist -

(Zwischenruf Abg. Pilger, SPD: Woan- ders auch.)

ja, sicher auch in anderen Kleinstädten, ganz selbstverständlich. Ich will es mal nur als Einstieg nehmen, dass ich sage, selbst bei den jetzigen Regelungen, wo bis 20.00 Uhr aufgemacht wird, es pendelt sich ein, wie die Öffnungszeiten sind. Ich bin froh, dass wir mit dem Ladenschluss heute noch drankommen, weil eine Thüringer Zeitung heute geschrieben hat: „Bevor heute im Landtag abgestimmt wird, formierten sich die Protestler.“ Also nicht, dass der Zeitung dann noch die Lüge untergeschoben wird, wir hätten nicht heute abgestimmt. Aber das mit dem „formierten sich die Protestler“, das verwundert mich ein wenig, weil, es ist eine Überraschung. Herr Dr. Krapp als Ausschussvorsitzender hat sehr deutlich das Ergebnis der Anhörung hier vorgetragen und so wie er uns dargestellt hat, ist es insbesondere die Frage der Gewerkschaften gewesen, die grundsätzlich gegen diese neue Regelungsmöglichkeit sind. Aber das hängt möglicherweise mit dem Phänomen zusammen, dass jeder nach Deregulierung ruft, aber selten jemand sie wirklich will. Ein zweites Phänomen, was ich beobachte, ist das Unverständnis über die Regelungsmaterie an sich und über die Regelungsmöglichkeiten, die uns als Landesgesetzgeber an die Hand gegeben wurden. Manch einer hat vielleicht auch daran gezweifelt, dass die CDU-Fraktion den Gesetzentwurf hier einbringt und auch bis zur Entscheidung bringt. Ich will Ihnen nur einmal sagen, die Spitze des Protests gipfelt in einer Frage, wann denn die Landesregierung den Gesetzentwurf einbringt. Da sehen Sie dieses Unverständnis auch. Ich meine, sicher kann man unterschiedlicher Meinung sein, ob die Freigabe des Ladenschlussgesetzes in Länderkompetenz ein leuchtendes Beispiel für die Vorzüge des Föderalismus ist, aber meine Fraktion hat diese neue Regelungsmöglichkeit entschlossen aufgenommen und entsprechend Erich Kästner gesagt: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.“

Zunächst möchte ich darauf hinweisen, wenn ich auf die Literatur oder auf die Presse eingehe, dass mir ein sehr interessanter Artikel aus der „Welt“ vom 19.11. in die Hand gefallen ist von Humanos Otto: „Ladenschluss - macht doch, was ihr wollt!“. Ich darf, Frau Präsidentin, vielleicht einige Dinge daraus vortragen. Er wäre im Grunde genommen als Konzept für die Rede ausreichend. Man bräuchte dann nichts Weiteres sagen. Der Journalist erinnert daran, dass 1993 der damalige Wirtschaftsminister Rexrodt andeutete, man könnte mit dem Ladenschluss grundsätzlich aufhören - 1993, das ist 16 Jahre her. Dann

wird geschildert, wie, nachdem dieses Interview in der „Welt am Sonntag“ war, eine „deutsche Wutwelle“ ausgebrochen ist und dass in den Debatten im Bundestag die absurdesten Momente dargestellt wurden, die dieser Journalist je erlebt hat. Ich betone, dass hier drinsteht: „Politiker aller Parteien außer der FDP führten aberwitzige Argumente gegen freiere Öffnungszeiten an, dass Verbraucher dies nicht wünschten“ - wo ist Herr Gerstenberger mit seiner Umfrage? -, „dass Verkäufer dies nicht aushalten könnten, dass Familien zerbrechen würden und die Demokratie gefährdet sei, weil niemand mehr zur Tagesschau daheim wäre, dass Geschäfte an höheren Stromrechnungen pleite gehen würden, weil sie länger Licht anlassen müssten.“ All das wurde wirklich gesagt. Es wurde der Eindruck geschürt, freiere Öffnungszeiten bedeuten, dass Läden länger aufbleiben müssen. Es wurde der Eindruck erweckt, dass Verkäuferinnen von morgens früh bis spät abends arbeiten müssten. Es wurde gestreikt, es war ein Kulturkampf, in dem auch die Kirchen mit der Warnung vor dem Götzen „Konsum“ mitmischten. 1993 - danach sind Ladenöffnungszeiten verändert worden auf 20.00 Uhr und auf Samstagspätverkauf. All das, was hier diskutiert worden ist, wenn Sie das vielleicht mal sehen, es sind heute dieselben Argumente, aber von 1993 ist gerade das, was hier geschrieben wurde, nicht eingetreten.

Noch mal zur Deregulierung und zur Regelungsmaterie Ladenöffnung: Ich glaube, der Protest, der hier beschrieben worden ist, ist vielleicht aus der falschen Hoffnung und einer enttäuschten Hoffnung, dass wir etwas regeln würden im Sinne von Arbeitsschutz, im Sinne von Schutz von kleinen Betrieben, von Stadtentwicklung, von innerer Sicherheit und Gesundheitsschutz. Meine Damen und Herren, nein, das Gesetz hat eigentlich nur zur Grundlage die Frage 6 x 24 die Geschäfte zu öffnen, ich sage nun, relativiert oder modifiziert, weil wir für den Samstag eine andere Regelung jetzt gefunden haben, und zum Beispiel auch die Frage Schutz von Sonn- und Feiertagen. Die Crux bei Deregulierung ist, dass alle davon reden, alles fordern, aber es dann selten auch durchziehen wollen. Hier ist nun mal ein Beispiel, wo wir, Gemeinde- und Städtebund, Landkreistag das insbesondere gesagt haben, hier kann dereguliert werden und nun sollten wir das auch endlich tun.

(Beifall bei der CDU)

Den zweiten Blick möchte ich auf die Anhörung richten. So, wie ich die Anhörung gesehen habe, man kann sie ja im Wortprotokoll nachlesen, dann habe ich mich vielleicht um einen verzählt, aber ich habe jetzt mal bei 18 Anzuhörenden die Zustimmung und die Ablehnung zusammengezählt. Da komme ich auf 14 Zustimmungen grundsätzlicher Natur - da sind ein paar Feinheiten der Abgrenzung von Schutzzei

ten, das ist klar, aber jeder hat dort gesagt, er sei grundsätzlich dafür - und vier sind dagegen. Das sind die Gewerkschaften DGB und ver.di sowie das Bäckereihandwerk und die Fleischerinnung. Beim Bäckereihandwerk sage ich mal noch eine nette Einzelheit. Sie sind zwar dagegen, die Geschäftszeiten an Werktagen auszuweiten, aber für die fünf Stunden, die wir ihnen für den Sonntag zubilligen, haben sie gesagt, gebt uns mal noch eine mehr - sechs Stunden. Sagen wir mal, da ist auch ein gewisses Eigeninteresse, was ich auch nicht kritisch hinterfragen will, weil sie natürlich bei den Öffnungszeiten bleiben können. Man muss es ja fast melodiehaft immer wieder sagen, es muss niemand aufmachen. Wir können bei den Öffnungszeiten bleiben, die da sind, es passiert also gar nichts.

Zum Zweiten muss man auch mal dazu sagen, die vier und die vierzehn, die stehen doch mit großen Interessensgruppenunterschieden. Also die Gewerkschaften sagen, sie stehen für 50.000 Beschäftigte, wenngleich sie relativieren, nur zwischen 25 und 40 Prozent, das sind unterschiedliche Angaben, sind tarifgebunden und für diese könnten sie eigentlich sprechen. Wenn aber die Verbraucherzentrale sagt, wir sind dafür, das ist gut, dann stehen dort Hunderttausende dahinter. Wenn die Familienverbände sagen, wir finden das gut, dann stehen dort Hunderttausende. Man muss also auch mal sehen, für wen die entsprechenden Gruppierungen dort sprechen.

(Beifall bei der CDU)

Aus der Anhörung heraus muss man ganz klar sagen: mit 14 : 4 - lassen Sie mich das so deutlich hier sagen - gibt es die grundsätzliche Zustimmung für diese Freigabe, für die Deregulierung und die Flexibilisierung. Wir haben diese Ausschussanhörung sehr intensiv genutzt, um Fragen zu stellen, Positionen zu erhärten und vielleicht auch mögliche Änderungen abzufragen.

Dann zu der Arbeit im Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit, Herr Kollege Schubert hat ja schon davon geredet. Ich bin dem Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelgenheiten insbesondere dankbar, dass er erstens durch eine zusätzliche Sitzung mitgeholfen hat, dass die Zeitschiene einzuhalten war, und zum Zweiten - das ist eine sehr spannende Frage, die bei der Einbringung des Gesetzes hier durch Herrn Kollegen Matschie gestellt wurde - die Frage, ob die Zuständigkeit des Landes bei der Frage des Arbeitsschutzes, bei der Arbeitszeit überhaupt gegeben ist, geklärt hat, indem er uns gesagt hat, liebe Leute, bei der Frage des Arbeitszeitschutzes ist die Frage Arbeitszeitgesetz, Ladenschlussgesetz sicher eine Frage, die bisher auf Bundesebene zu regeln war, aber wenigstens die Frage der Schlechterstellung bei der Beschäftigung

an Sonn- und Feiertagen, die sollte vermieden werden. Deshalb ist diese Änderung hineingekommen, die ich sehr begrüße. Der Schutz, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer höchstens 22 Sonn- und Feiertage arbeiten können, ist durch die CDU im Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten eingebracht worden und das unterstützen wir nachträglich. Allemal besser, meine Kollegen von dem eigentlich hier linken Flügel, aber von mir aus rechten, die sagen, ach nein, lass das erst mal sein, wir werden erst mal ein Gutachten machen, ob wir überhaupt dürfen oder nicht dürfen. In dem Fall sage ich mal, wir dürfen, damit sind die Rechte, glaube ich, ganz gut geschützt. Ich will nur bei dieser Frage, die Herr Kollege Schubert ja auch mit dem Antrag seiner Fraktion verknüpft hat, noch mal deutlich sagen: Es gibt verschiedene Gutachten, darauf ist auch hingewiesen worden vom Vertreter des DGB und von ver.di. Ich habe mir das Gutachten extra von Prof. Kingreen in Regensburg und von Prof. Pieroth aus Münster vorgenommen. Das ist ein Gutachten, was im Auftrag von ver.di erstellt wurde; nicht dass Sie sagen, ich habe mir jetzt eines genommen, was besonders in meine Linie passt. In diesem Gutachten stehen zwei interessante Positionen, einmal zu der Frage Nacht- und Schichtarbeit und einmal zu der Frage Zuständigkeit des Landes bei der Frage Arbeitszeitschutz. In dem Gutachten wird ausgeführt, dass mit der Aufhebung der Ladenschlusszeiten einhergehende Gefährdungen im Gesundheitsschutz nicht vom Gesetzgeber ausgehen, also von dem Landesgesetzgeber, der wir sind, sondern sie resultieren vielmehr aus dem konkreten Arbeitstarifvertrag, der Schicht- und Nacharbeit anordnet. Und die zweite Sache, die ich mit erwähnen will, es steht dort: Im Übrigen verbleibt es bei der Kompetenz des Bundes für das Arbeitszeitrecht. Das bedeutet, dass der Bund auch im Hinblick auf den Einzelhandel zuständig geblieben ist für das gesamte allgemeine Arbeitszeitrecht.

Meine Damen und Herren, es ist kein böser Wille, der uns hier in diesem Gesetz diese sogenannte Lücke anträgt, wir hätten die Regelung für die Beschäftigten nicht getroffen, sondern es ist die objektive Gesetzeslage, die wir ein wenig damit kompensieren - da bin ich, wie gesagt, den Justizleuten dankbar, dass sie sagen, wir können aber das mit den 22 Sonntagen hineinschreiben. Sollten Defizite auftreten in der Frage der Beschäftigten, dann muss das auf der entsprechenden Bundesebene geregelt werden.

Ich will Ihnen auch sagen, Herr Dr. Schubert, das ist auch eine Aussprache, die ich vom Geschäftsführer des Einzelhandelverbands gehört habe: „Wir sind nicht Dienstleister zweiter Klasse.“ Ja, meine Damen und Herren, recht hat er, aber man muss sie dann auch gleichstellen bei den Dienstleistern, die sowieso schon nachts arbeiten: im Krankenhaus, bei

der Feuerwehr, bei der Polizei, in Kinos, in Gaststätten und was weiß ich nicht alles. Diese Fragestellung, die Sie ja für die Beschäftigten, die nachts nach Hause gehen, gestellt haben, ist doch genau dieselbe. Deshalb sagen gerade die aus diesem Bereich, warum macht ihr jetzt große Aufstände, bei uns ist doch die Situation genau dieselbe. Sollte es da also Defizite geben, dann müssen die auf Bundesebene - und Sie wissen, wer dafür zuständig ist - auch geändert werden.

(Beifall bei der CDU)

Der nächste Punkt: Nochmals, deshalb auch, Herr Kollege Gerstenberger hat ja schon mit einer namentlichen Abstimmung uns hier bewegen wollen, vielleicht noch mal nachdenklich zum Gesetz zu sein, auch bei der Frage der SPD. Die beiden Paragraphen, die Sie bringen, auf die Sie verweisen, auch die Übernahme, die finde ich gut gemeint, das ist jetzt in der Sache unstrittig, nur, wir werden sie ablehnen, das habe ich auch im Ausschuss schon gesagt, weil wir uns dafür nicht zuständig fühlen. Das ist eigentlich durch das Gutachten belegt und deshalb, glaube ich, deutlich, dass wir diese Frage in dieses Gesetz nicht hineinnehmen können. Das betrifft vielleicht die Arbeitsstättenverordnung oder das Arbeitszeitgesetz, was Sie dort alles strapazieren können, das ist, denke ich, dann Ihrer Phantasie überlassen.

Die Frage des Schutzes des Sonntags: Ich denke, da hat die Fraktion sehr eindeutig gesagt, dass wir uns dem Gedanken anschließen - bei einigen war der Gedanke von Anfang an da, das will ich auch sagen, Frau Kollegin Tasch -, das Wochenende beginnt am Sonnabend. Deshalb auch diesen besonderen Schutz, der aus der alten Weimarer Reichsverfassung über das Grundgesetz hineingeht, dass man sagt, dort das Wochenende hineinzunehmen, den Sonntag besonders zu würdigen. Das ist, glaube ich, im Abwägungsprozess ganz gut herübergekommen. Es bleibt dann auch bei den vier Sonntagen wie bisher, mit einer Änderung - das will ich deutlich sagen in Richtung der Händler -, dass diese vier Sonntage nicht mehr wie bisher mit einem Genehmigungsverfahren erst gebracht werden, sondern unter der Anzeige des Anlasses durch den Landrat oder den Oberbürgermeister für das Jahr bekanntgegeben werden. Ich weiß, dass Händler besonders aus dem Großhandel mehr wollten, also nur noch die Anzeigepflicht. Wir sagen mal, wann wir aufmachen ist gut und es passt mal einer auf, ob die vier Tage kommen oder nicht. Meine Damen und Herren, so geht es natürlich auch nicht. Insbesondere vergibt man sich auch den Vorteil, dass man die Händler zumindest auch dazu zwingt sich zu einigen, gemeinsam einen Sonntag zu öffnen in einer Fußgängerzone zu einem Anlass, der insbesondere die Bürgerschaft bewegt,

dass man den Bürgermeister, den Oberbürgermeister und den Landrat auch dazu nehmen kann, dass der Termin rechtzeitig bekanntgegeben wird, sozusagen auch beworben werden kann. Das sind doch auch Vorteile. Wir haben durch die Rücksprache der Anhörung eine Regelung aufgenommen, die dann sagt, die kreisfreie Stadt wird einem Landkreis wenigstens gleichgestellt in der Möglichkeit einer differenzierten Verteilung der freien Sonntage. In einem Landkreis kann es sein, dass die Stadt x vier Sonntage hat und die Stadt y hat vier Sonntage, das ist ziemlich klar, das kann sehr schnell passieren. Wenn sie aber so eine große Stadt wie Erfurt haben, die das Krämerbrückenfest als Event im Zentrum der Stadt hat, dann werden die Händler, die in den Ortslagen drumrum sind, nichts davon haben, weil gerade ja der Sinn des Krämerbrückenfestes ist, dass die nach Erfurt kommen sollen, also muss man die Möglichkeit geben, dass man möglicherweise den Ortsteilen einer kreisfreien Stadt die Gleichstellung Landkreise als Möglichkeit gibt. Es gibt noch mehr so schöne Städte wie Jena oder Gera oder wie auch immer, die das natürlich genauso gebrauchen können. Ich bin sehr deutlich mit diesem Hinweis, dass wir hier einen klassischen Fall von diesem so genannten Regel-Ausnahme-Verhältnis haben, weil, natürlich ist die Weimarer Reichsverfassung - Schutz des Sonntags - ein konsistentes Gut unserer Verfassungsgesetzgebung, aber dazu steht natürlich im Grundgesetz auch die Frage des Rechts auf unbeschränkten Einkauf und die Berufsfreiheit. Deshalb ist das schon eine Interessensabwägung, die dort stattgefunden hat.

Diese Frage Samstag bis 20.00 Uhr möchte ich noch mal etwas beleuchten. Ich kann die Aufregung jetzt nicht ganz verstehen bei den Händlern, die sagen, es ist was ganz Schlimmes passiert. Erstens ist diese Variante in der Anhörung befragt worden, sie ist also nicht überraschend gekommen, sie war im Raum. Das Zweite ist, durch die Ausnahmeregelung, die wir ja vorgenommen haben, besteht die Möglichkeit, zumindest auch wiederum im Regel-Ausnahme-Verhältnis, auch an Samstagen bis 24.00 Uhr aufzumachen, wenn man so eine Shoppingnacht, wie das in Neudeutsch heißt, machen will. Auch das ist gegeben. Aber, meine Damen und Herren, vielleicht bin ich da wiederum sehr provinziell gestrickt. Wenn ich jetzt samstags durch Kleinstädte gehe, sei es Nordthüringen, Gotha, Mühlhausen, Heiligenstadt, Nordhausen, Sondershausen, da kann es Ihnen auf der Einkaufsmeile passieren, dass dann dransteht: Samstag von 9.00 bis 12.00 Uhr. Also, ehe ich diese Frage 20.00 bis 24.00 Uhr erwäge, dann würde ich schon gern sehen, dass in einer Kleinstadt mal die Händlerschaft sagt: Wir ziehen mal einen Samstag bis 20.00 Uhr durch, und wenn es ein Weihnachtsmarktsamstag ist, dann kann man auch noch sagen bis 24.00 Uhr. Das wäre schon mal eine tolle Geschichte. Die

Händler, mit denen ich mich unterhalten habe, haben gerade diesen Moment der Einigkeit besonders hervorgerufen und sagen, das wäre erst mal eine wichtige Geschichte, ehe wir über weitere Öffnungssonntage, insbesondere in der Adventszeit nachdenken.

Was die Frage der Feiertage angeht, möchte ich deutlich sagen: Meine Fraktion und ich sehen dankenswerterweise schon einen bedeutenden Unterschied zwischen Wochenende - also Wochenende fängt am Samstag an - und Feiertag, insbesondere auch bei den staatlichen Feiertagen. Deshalb sagen wir: Die Beschränkung, die wir von 20.00 bis 24.00 Uhr für den Samstag vornehmen, soll für den Feiertag nicht gelten. Ich habe im Ausschuss und in der Anhörung die Frage vom 3. Oktober auf den Mittwoch gebracht. Aber eine viel schönere Frage ist, die ich auch mit Gewerkschaftern diskutiert habe: Was machen Sie am 1. Mai? Der Vortag des 1. Mai ist der 30. April, dort ist meistens Maisprung. Da ist meistens irgendetwas los und vielleicht will die Gewerkschaft ja um 22.00 Uhr noch Mainelken verkaufen. Also lassen wir die Feiertage einmal außen vor. Wir machen das auf den Samstag.

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Das sind doch alles christliche Feiertage, Karfreitag …)