Protokoll der Sitzung vom 08.10.2004

Ich möchte jetzt konkret zu dem Teil 2 unseres Antrags kommen. Die Landesregierung wird aufgefordert, die gesetzlichen Regelungen im Sozialgesetzbuch XII auszuloten und so anzuwenden, dass eine Erhöhung der Regelsätze für Thüringer Betroffene zum 1. Januar 2005 erreicht wird. Sie haben gesagt, Sie hätten keinen Spielraum, Sie haben gesagt, es wird gegenwärtig untersucht,

(Zwischenruf Dr. Zeh, Minister für Sozia- les, Familie und Gesundheit: Geöffnet, habe ich gesagt.)

ob es überhaupt einen Spielraum an dieser Stelle gibt und ob es eine Notwendigkeit dafür gäbe. Diese Notwendigkeit ist für uns schon längst gegeben. Die Regelung des § 28 im SGB XII ist nämlich eine der wichtigsten, weil sich um sie letztendlich tatsächlich alles rankt, in welchem Umfang Anspruchsberechtigte, oder wie man manchmal im Amtsjargon hört Hilfeempfänger, überhaupt monatlich an finanziellen Mitteln beteiligt werden, die tatsächlich für sein Leben notwendig sind und nicht nur die, die er zur Verfügung gestellt bekommt. Das ist nämlich ein ganz großer Unterschied, ob ich etwas diktiert bekomme, wie viel mir gegeben wird, oder ob ich meinen Bedarf tatsächlich nachweisen kann. Die Berechnungskriterien für einen Regelsatz sind deswegen von einer ganz immensen Bedeutung und genau dieser bringt ihnen erst die Möglichkeit, mit den Regelsätzen auch so umzugehen, wie wir es in unserem Antrag beschrieben haben.

Tatsächlich ist es heute schon so, dass im Regelfall für die Betroffenen eine Verschlechterung ein

tritt. Diese herbeigeredete Verbesserung für Sozialhilfeempfänger ist für uns recht eigentümlich. Dazu werde ich Ihnen auch erklären warum. Wir wollen die Forderung nach einer Steigerung der Regelsätze deshalb aufmachen, denn es geht um die tatsächliche finanzielle Besserstellung von Sozialhilfebeziehern. Die Tücken des § 28 liegen in dem Begriff und dem Ausgestalten des Begriffs "Bedarf für den notwendigen Lebensunterhalt". Wer definiert für wen, was der lebensnotwendige Lebensunterhalt ist? Herr Pilger hat auf das Statistikmodell aufmerksam gemacht. Das ist so überaltert, wie das BSHG 1962 in einer ganz anderen sozialen Situation entstand, da gebe ich Ihnen Recht, und der Zeitbezug ist noch schlimmer. Denn die jetzigen Regelsätze bzw. die Bundesdurchführungsverordnung sind auf einem Statistikmodell von 1998 erhoben worden. Und für alle Kollegen zur Kenntnis, da werden die Möbel, da wird der Kühlschrank, da wird ein großer Gegenstand, den man sich als Familie vielleicht mal alle 20 Jahre kauft, genauso berechnet wie Butter, Kultur, Schuhe, Strümpfe oder Schulmaterialien. Durch diese prozentuale Einbeziehung kommt dann das Phänomen zustande, dass jemand behauptet, 331  wären eine ausreichende Summe als Grundlage für eine Teilhabe am Leben. Die Bedarfsermittlung findet nicht mehr nach dem so genannten Warenkorbmodell statt, wie wir es auch hatten. Dieses Warenkorbmodell wäre wieder eine Möglichkeit, die differenzierte und unterschiedliche Ausgestaltung des Lebensunterhalts zu bestimmen. Für diese Abhängigkeit des Regelsatzes, oft von den Einkommen - das so genannte Lohnabstandsgebot - ist die PDS auch. Aber wir brauchen nicht darauf zu warten, bis sich das politisch durchgesetzt hat. Denn genau SGB XII lässt auch dieses bereits zu, dass hier eine Erhebung zustande kommt und es wird nicht mehr vollständig verlangt, dass das Lohnabstandsgebot in seiner prozentualen Höhe in dem Umfang war wie bisher. Warum sage ich das? Weil die Tarife in Thüringen so gestrickt sind bzw. die unteren Einkommensgruppen, dass wir heute schon das Phänomen haben, dass 17 Prozent derer, die tagtäglich arbeiten gehen, trotzdem noch einen Anspruch auf ergänzende Leistungen oder Sozialhilfe haben.

(Beifall bei der PDS)

Solange das so ist, kann eine Landesregierung nicht davon reden, dass sie erst prüfen muss, ob sie den möglichen Spielraum tatsächlich benutzt. Da verkennt sie meiner Meinung nach ihre eigenen Berichte. Wenn Sie davon ausgehen, dass das Existenzminimum mit dem Regelsatz von 331 - wir sind da immer bei einer Einzelperson, damit niemand denkt, dies ist für die ganze Familie - ausreichend ist, dann möchte ich Sie fast alle auffordern - ich weiß, dass das keiner von Ihnen durchhalten und auch machen würde - zu versuchen, mit diesem Betrag im Monat

Ihr Leben zu gestalten, indem Sie nicht nur Essen und Trinken, sondern mal ins Kino gehen wollen, oder Ihnen die Strumpfhosen kaputt geht, der Schuh mal zum Schuster muss. Nehmen Sie nur einen Monat und probieren Sie es aus, dann werden Sie alle merken, dass 331   4    schaftlichem Leben ist und dass sie tatsächlich dann mit solchen Eckregelsätzen auch Armut verfestigen und sogar produzieren, nämlich dann, wenn die Schonbeträge aufgegessen sind.

(Beifall bei der PDS)

Ich möchte zum Problem der Pauschalisierung der Leistungen kommen. Wir sind damit bei dem Punkt 3 unseres Antrags, wo wir erwarten, dass die Landesregierung dieses im SGB XII über den Bundesrat noch einmal verändert.

(Zwischenruf Abg. Schröter, CDU: Wenn Sie nichts zu sagen haben, dann setzen Sie sich hin.)

Herr Minister, Sie sagten, dass mit der Pauschalisierung der Leistungen die Selbständigkeit der Sozialhilfeempfänger bzw. der Sozialgeldempfänger erreicht werden soll. Sie sagten, eine Deregulierung findet statt und ein Abbau der Bürokratie.

(Zwischenruf Dr. Zeh, Minister für Soziales, Familie und Gesundheit: Da erniedrigen Sie mit Nichtpau- schalierung die Betroffenen.)

Aber genau an der Stelle muss man doch fragen: Was wird denn damit tatsächlich erreicht? Es wird keine Besserstellung derjenigen erreicht, die dann davon leben müssen. Denn zunächst macht die Pauschalisierung einen großen Widerspruch auf, nämlich nach Recht den individuellen Bedarf zu erbringen. Pauschal bedeutet nicht, individueller Bedarf wird berechnet. Pauschalisiert werden gerade solche Aufwendungen für solche Dinge, die in den bisherigen einmaligen Beihilfen wie ein Wintermantel, wie eine Waschmaschine, eine Matratze oder die Reparatur einer Waschmaschine oder ein Besteck erneuern, was in Familien mit Kindern oft notwendig ist, überhaupt nicht beachtet. Diese bisherigen einmaligen Beihilfen werden überhaupt nicht beachtet. Die sind auch nicht mit berechnet worden. Da sollten Sie uns doch sagen, wie Sie den Widerspruch in Bezug auf den individuellen Bedarf, der Bedarfsrecht ist, dann über die Pauschalisierung überhaupt decken wollen.

Ein weiteres Problem, warum wir sagen, dass die Pauschalisierung nicht zur Selbständigkeit führt, sondern zum Problem wird. Wie soll man das machen mit 331   A  !men wir nämlich zu der Tatsache, dass auch noch im Gesetz etwas be

ginnt, was wir bisher hatten und individuelle Rechte tatsächlich gestärkt hat. Mit der Pauschalisierung gehen Sie nämlich auch vom Bedarfsdeckungsprinzip weg. Sie machen den Bedarf pauschal und eigentlich war das ein individuelles Recht.

Zur Vermögensanrechnung: Zu diesem Punkt gab es in der Öffentlichkeit schon eine heftige Diskussion. Ich möchte an die Verquickung mit dem SGB II, also mit Hartz IV, erinnern. In diesem Punkt wurde diskutiert, es wurde öffentlich diskutiert und es wurde tatsächlich auch eine Nachbesserung erreicht, Freibeträge für Kinder wurden auf den Weg gebracht. Doch das grundsätzliche Problem bleibt übrig. Die Betroffenen werden nach wie vor gezwungen, ihre finanziellen Absicherungen weitestgehend aufzulösen. Auch das steht wieder im völligen Widerspruch zu der Forderung, dass nämlich auch der Sozialhilfeempfänger im Rahmen der Altersvorsorge quasi per Gesetz seine Rentenversorgung mit organisieren soll. Per Gesetz werden bestimmte Rentenversicherungen auch ab dem 01.01. für Sozialhilfeempfänger aufgelöst werden. Ich weiß nicht, wie Sie darin eine Verbesserung sehen wollen, dass ein absoluter Freibetrag um wenige Euro erhöht worden ist, wenn gleichzeitig aber langfristige Vorsorgungen aufgehoben werden. Ich denke, hier sollten Sie aktiv werden, denn das Schonvermögen, was natürlich erhöht worden ist, ist nur ein Element dessen, was im BSHG bisher Berücksichtigung gefunden hat. Und gerade Rentenaltersversicherungen sollten Sie im Bundesrat verbessern. Sie haben es jetzt schon abgelehnt, wir werden an dieser Stelle trotzdem nicht aufgeben.

Ein weiterer Punkt, auf den ich noch eingehen möchte, ist der Wohnbedarf. Herr Minister, dazu haben Sie noch gar nichts gesagt, vielleicht kommt es. Der Wohnbedarf ist eine Crux, wo Sie nämlich wieder die Dreigliedrigkeit unseres Antrags als vernünftig sehen müssten. Das Erste war: Wie sieht die soziale Situation aus? Man hätte es benennen können. Das Zweite: Was will das Land dazu tun? Und das Dritte: Wie sind wir wieder abhängig vom Bund und was wollen wir ändern? Es wird nämlich der Schwarze Peter den Kommunen zugewiesen, die mit dem Wohnproblem ihrer Sozialhilfeempfänger dann umgehen müssen, und jede Kommune wird das für sich selbst bestimmen. Wir werden in der Stadt Erfurt sehr gute Regelungen wahrscheinlich finden, um den Wohnbedarf von Sozialhilfeempfängern so zu regeln, dass sie nicht umziehen müssen, indem ein Kaltmietpreis von 4,75   %*  dann durch den Stadtrat bestimmt wird. Aber wo ist die Wohnbausubstanz, damit die 4,75  3   sächlich für denjenigen ausgewiesen werden kann, damit er nicht umziehen muss? Diese Frage ist in keiner Ecke bis jetzt beantwortet. Eine andere Kommune ist nur in der Lage mit 3,45 "   kommt diese Kosten nicht voll erstattet. Eine Kommune

wird mit 3,75     sind denn das für Wohnungen? Heißt das dann, dass wir in einem Land wie in Thüringen unterschiedliche Rechte eines Sozialhilfeempfängers in Kommune X, Y und Z haben? Wie wollen Sie dem Problem beikommen? Ich möchte Ihnen das Beispiel aus Leipzig einfach ersparen, weil wir so eine Stadt in Thüringen nicht haben. Aber anhand von Leipzig wird es ganz deutlich, dass man dort den Plattenbauabriss gestoppt hat mit der Begründung, dort können diejenigen, die Sozialgeld erhalten, dann, um einen niedrigen Quadratmeterpreis festlegen zu können, alle hinziehen. Das ist unmöglich, da gebe ich Ihnen Recht. Bloß geregelt, wie wir die Ungleichbehandlung in Thüringen beseitigen wollen, haben Sie auch nichts.

Sie haben auch gesagt bei unserem Punkt 3: "Die Landesregierung wird aufgefordert, im Bundesrat aktiv zu werden,... - die Überprüfung der Höhe der Regelsätze", und jetzt haben Sie einfach was weggelassen, nämlich "insbesondere unter Berücksichtigung international gebräuchlicher Definitionen des Existenzminimums sowie die Einführung eines zweijährigen Überprüfungsturnus" genau an diesem vorzunehmen. Wenn man natürlich das internationale Recht - obwohl alle Europa immer loben - außen vor lässt, dann kann man argumentieren, wird doch jedes Jahr überprüft, aber nicht, wenn man in einer EU leben will, wo es - Herr Pilger, an der Stelle sei mir die Kritik erlaubt - nicht mehr nur die Definition von 1984 zu dem, was das Existenzminimum beschreibt, sondern eine Definition aus dem Jahre 2002 existiert in der EU, dass nämlich die Tatsache, dass 60-prozentige durchschnittliche abgeleitet aus dem Gesetz der Vereinheitlichung der Arbeitsrechte. Das finden Sie dort, und zwar nach Amsterdam. Dann müssen wir uns überlegen, ob es richtig ist, wenn ein Minister sagt, brauchen wir nicht, diese Zweijährige anhand des EU-Rechts zu überprüfen.

Zum Dritten, Herr Minister, sagen Sie: Die Verbesserung der Regelungen über die Vermögensanrechnungen lehnen Sie ab. Ihnen reicht, was bisher war. Ich habe Ihnen versucht nachzuweisen, wie eng Ihre Betrachtung an der Stelle ist, wenn Sie behaupten, mit den Schonbeträgen wäre alles getan. Ich hätte mir gewünscht, Sie hätten sich Mühe gegeben im Sinne von "im Interesse Thüringer Bevölkerung", tatsächlich die so geringen Spielräume, die im Sozialgesetzbuch XII stehen, auszugestalten im Interesse der Thüringer. Ich werde gespannt sein und meine ganze Fraktion auf die Diskussion zu den Ausführungsgesetzen. An der Stelle werden alle dann Änderungsanträge einbringen können oder wollen. Wir versprechen Ihnen eine öffentliche Diskussion und keine in vier Wochen, die von Plenum zu Plenum, mal ein Ausschuss dazwischen, dann vielleicht noch außen vor lässt, dass Menschen hier in diesem Land auch was zu dem Problem zu sagen haben.

Namens meiner Fraktion ist dieser Punkt 1 unseres Antrags, das Berichtsersuchen, erfüllt, aber ich kündige jetzt schon an: Wir werden Punkt 2 und 3 in namentlicher Abstimmung gemeinsam beantragen.

(Beifall bei der PDS)

Das Wort hat der Abgeordnete Michael Panse von der CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Frau Kollegin Thierbach, der Titel ist schon grundfalsch. Normalerweise hätte der Titel Ihres Antrags natürlich lauten müssen: "Umsetzung des SGB XII auf Landesebene". Sie haben einen anderen Titel gewählt, ich werde Ihnen gern vielleicht nachher noch eine paar Sätze dazu sagen. Sie sind in Ihrer Rede auf die Dreigliedrigkeit Ihres Antrags eingegangen. Ich möchte mal auf den zweiten Aspekt hinweisen und das sind die typischen Komponenten, die wir in einem PDS-Antrag finden. Das sind im Normalfall dann auch drei Komponenten. Das ist auch bei diesem jetzt vorliegenden Antrag so. Sie finden zunächst, dass die PDS ein wichtiges Thema aufgreift. Sie finden als Zweites, dass dann unrealistische Forderungen dazu erhoben werden, und Sie finden als Drittes - und das gehört dann auch immer dazu -, dass das mit etwas Populismus garniert wird und natürlich hier die Stimmung geschürt wird. Genau das lehnen wir ab und das ist für mich diese Dreiteiligkeit Ihres Antrags, die ich dann - im Gegensatz zur Dreigliedrigkeit - nicht nachvollziehen kann.

Frau Kollegin Thierbach, Sie haben - und auch der Minister hat das vorhin gesagt - angedeutet oder darauf hingewiesen, dass der Bundesrat und der Bundestag bereits im vergangenen Jahr, nämlich am 19.12.2003, der Reform des Sozialhilferechts zugestimmt haben, damals zusammen mit Hartz IV. Ich will auch etwas zum Hintergrund sagen. Der Hintergrund war natürlich, dass die Hilfeempfänger kontinuierlich gestiegen sind zum einen, aber dass auch die Ausgaben in einer dramatischen Form angestiegen sind. Dieser Umstand verlangte nach Reformen. Ich glaube, das war jedem auch so ein Stückchen bewusst, wenn er sich anschaut, wie die öffentlichen Haushalte aussehen. Wir haben vorhin gerade über den Nachtragshaushalt diskutiert und da kann man nicht weltfremd sagen: Wir können wo weitermachen, wie es bis jetzt war, oder können noch eine Schippe drauflegen. Auch da müssen wir über Reformen diskutieren und ich finde es schon bedauerlich, dass sich an dieser Stelle dann die PDS - auch wenn sie sonst über Reformen immer mal diskutieren mag - solchen Reformdiskussionen verschließt.

Die Reformen, die vor einem Jahr von Bundestag und vom Bundesrat beschlossen wurden, sollten vor allem eines tun, sie sollten die finanziellen Leistungen, die nach dem SGB XII geleistet werden, transparenter und bedarfsgerechter gestalten und sie sollten - das ist auch, glaube ich, heute schon mehrfach gesagt worden - die Eigenverantwortung der Betroffenen stärken. Man muss, denke ich, auch ein Stückchen, und das ist hier erlaubt, noch erklären. Die Hilfe zum Lebensunterhalt gibt es nach der neuen Regelung für alle diejenigen, die bei Bedürftigkeit ansonsten keine Leistungen erhalten. Sie hatten das gesagt. Das betrifft natürlich z.B. die Erwerbsfähigen, die kein ALG II erhalten, aber es betrifft auch die über 65-Jährigen, die keine Grundsicherung erhalten.

Ich habe, als ich begonnen habe, Ihnen gesagt, was ich von der Überschrift des Antrags halte, der Überschrift nämlich "Soziale Grundsicherung statt Almosen". Unabhängig davon, dass ich sie nicht richtig an dieser Stelle über diesem Antrag finde, habe ich mir natürlich schon die Frage gestellt, ob sie nicht auch sehr verwirrend wirken kann, denn es führt natürlich zu der Frage: Was meint denn die PDS mit Almosen? Ich habe mal nachgeschaut und versucht, eine Definition von "Almosen" zu finden. Almosen stammt aus dem Griechischen und bedeutet Erbarmen. Das Geben von Almosen ist eine geistliche Tat, die dementsprechend auch an Voraussetzungen gebunden und mit großartigen Verheißungen versehen ist. Da frage ich Sie mal ganz besorgt, ich weiß nicht, was die PDS meint, wer ab dem 01.01.2005 wem Almosen auf dieser Grundlage vergeben würde?

Die Leistungen nach dem SGB XII sind etwas ganz anderes und die will ich Ihnen gern auch noch mal versuchen zu erläutern. Die Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII sollen den Bedarf zum Lebensunterhalt decken und bestehen dazu aus verschiedenen Bestandteilen, im Wesentlichen sind es vier: Das ist der Regelsatz für die Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz, das ist der Pauschalbetrag von 15 Prozent für den Haushaltsvorstand - das hatten Sie ja auch in Ihrer Rede angedeutet -, das sind die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung und das sind die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge. Hinzu kommen zu diesen Komponenten mehrere Ergänzungs- und Sonderregelungen, z.B. für Behinderte und verschiedene Leistungsfälle. Bisher gab es, das wissen Sie sicherlich, im Bundessozialhilfegesetz für Behinderte eine Staffelung von allgemeinen und besonderen Einkommensgrenzen mit recht unterschiedlichen Leistungsarten. Diese werden nun durch einheitliche Freigrenzen und Regelsätze abgelöst. Pflegebedürftige Personen und Menschen mit Behinderungen erhalten ab dem 01.05.2005 ein persönliches Budget für selbst organisierte Betreuungsleistungen. Diese Regelung wird bis zum Jahr 2007 auf ihre Praktikabilität über

prüft. So viel vielleicht zu den Grundzügen.

Aber jetzt zu Ihrem Antrag, den ich gern auch in den drei Punkten so ein Stückchen abarbeiten würde, wie Sie ihn gestellt haben. Zum ersten Punkt: Ich danke der Landesregierung für den Bericht. Die Landesregierung hat die Zeitschiene aufgezeigt. Sie hat angekündigt, dass die Regelsatzverordnung bis Jahresende erstellt und vorgelegt wird. Aber Sie wissen auch, ansonsten würde die Erstattung gemäß Bundessozialhilfegesetz erfolgen. Ich sehe, dass es da momentan Diskussionsbedarf gibt. Dieser Diskussionsbedarf findet, glaube ich, zum Teil sogar noch im Vermittlungsausschuss statt, insbesondere aber auch, wenn wir die Regelsatzverordnung hier in Thüringen erarbeiten. Wir werden dann zu gegebener Zeit, wenn entsprechend die gesetzlichen Vorlagen hier auch eingereicht werden, im Landtag erneut darüber diskutieren können. Und da bin ich Ihnen dankbar, wenn Sie dann konkrete Vorschläge dazu machen können. Aber dann begründen Sie sie und erläutern Sie auch, wie wir das finanzieren können und wollen.

Die PDS hat in Punkt 1 nach Auswirkungen gefragt. Die gesetzlichen Auswirkungen für die betroffenen Gruppen hat der Minister dargestellt. Das ist das eine. Was Sie allerdings vorher meinten, und darauf zielte wohl die Aufzählung der betroffenen Gruppen ab, ist die eigentlich hoch spekulative Frage: Wie wird sich das bei dem Einzelnen auswirken? Das kann ich Ihnen jetzt nicht beantworten. Ich wäre Ihnen vielleicht dankbar, wenn Sie uns mal Ihre Meinung dazu darstellen könnten. Ich kann Ihnen nur sagen, was wir als CDU an Erwartungen an dieses SGB XII formuliert haben und was wir auch von der Umsetzung dessen dann erwarten. Das ist nämlich genau das, was der Minister bereits gesagt hat. Wir warten, dass das eigenverantwortliche Handeln der Betroffenen gestärkt wird. Wir erwarten natürlich, dass sich Bürokratie und Verwaltungsaufwand reduzieren und wir erwarten damit natürlich auch mit den getroffenen Regelungen, dass sich die Kosten reduzieren. Denn wir werden, das hatte ich eingangs gesagt, angesichts der Haushalte, die sich auf allen öffentlichen Ebenen gleich gestalten, nicht mehr hergehen können und sagen können, wir lassen das ins Uferlose immer weiter wachsen.

Der zweite Punkt: Auf die Frage der Erhöhung der Regelsätze ist Herr Pilger sehr intensiv eingegangen. Ja, die Erhöhung der Regelsätze wird auf der Grundlage des Datenmaterials stattfinden. Man kann darüber diskutieren, wie Sie das aufgeführt haben, wie nominal das ist. Das ist die eine Seite. Die andere Seite ist, und darauf zielten Sie ja ab, ob der Freistaat Thüringen von der Öffnungsklausel, die es für die Länder gibt, Gebrauch macht. In welchem Umfang der Freistaat Thüringen dann von dieser Öffnungs

klausel Gebrauch macht, das hängt von verschiedenen Faktoren ab. Der Minister hat es dargestellt. Es hängt zum einen davon ab, was für spezifisches Datenmaterial wir in Thüringen haben, ob wir auf Datenmaterial aus Wiesbaden zurückgreifen müssen oder ob wir eigenes Datenmaterial haben. Aber es hängt auch ein Stückchen davon ab - und, Herr Pilger, da muss ich Ihnen dann widersprechen -, was wir uns finanziell erlauben können. Und das ist dann, weil wir vorhin die Diskussion über Scheinheiligkeit hatten, ein klein wenig scheinheilig, wenn man auf der einen Seite auf Bundesebene die Eckregelsätze festlegt, die Öffnungsklauseln sozusagen, und damit den Ball den Ländern zuspielt und sagt: Länder, wenn ihr mehr wollt, dann macht halt mehr, legt ihr halt drauf. Wenn Sie das gewollt hätten, dann hätte man diese Diskussion genauso auch auf Bundesebene führen und entsprechend die Regelsätze dort dann höher ansetzen können. Insofern verstehe ich Ihre Argumentation nicht und auch die Erwartungshaltung der SPD-Fraktion nicht, dass wir das in Thüringen so ein Stückchen dann nachholen könnten, was auch auf Bundesebene hätte stattfinden können.

Wir kommen zum dritten Punkt, und das ist ja das, woran sich auch die Kollegen von der SPD, offensichtlich berechtigt, am meisten gestört haben. Da ist für mich zunächst auch erst mal die Frage, und die hat sich mir beim ersten Überfliegen Ihres Punktes sofort gestellt: Was meint denn die PDS mit "international gebräuchlichem Existenzminimum"? Sie haben es nicht genau erklärt. Ich kann Ihnen nur sagen, was die Definition von Existenzminimum ist und das ist die, die mir momentan geläufig ist, und das ist, dass das Existenzminimum zur Befriedigung derjenigen materiellen Bedürfnisse dient, die notwendig sind, um zunächst physisch zu überleben. Das heißt vor allem

(Zwischenruf Abg. Thierbach, PDS: Und genau das ist zu wenig!)

Nahrung, Kleidung und Wohnung. Genau das ist die Definition. Ja, natürlich. Und wenn Sie eine andere Definition wollen, dann müssen wir hier diese Frage diskutieren, wie sie Herr Pilger auch gerade angeschnitten hat, mit der Armutsdiskussion. Mit der Definition des Armutsbegriffs tragen Sie uns hier Ihre Definition vor

(Unruhe bei der PDS)

und dann können wir darüber streiten. Ich sage Ihnen aber, momentan können wir uns nach dem richten, was wir haben. Ich habe für uns jetzt gerade dargestellt, was das Existenzminimum in der Definition sein kann. Das, was wir allerdings erleben im Sozialhilfesatz, das ist deutlich mehr und das ist glücklicherweise mehr.

(Zwischenruf Abg. Thierbach, PDS: Das ist weniger!)

Es ist mehr, nämlich das, was ich eben gerade geschildert habe, Frau Kollegin Thierbach, die Befriedigung der so genannten materiellen Bedürfnisse. Da geht natürlich der Sozialhilfesatz um einiges darüber. Das wissen Sie auch. Es ist mehr als nur Essen, Trinken, Kleidung und Wohnung. Sie haben, und das ärgert mich ganz besonders, wenn wir jetzt über ein Jahr später über dieses Thema diskutieren, die Streichung der Pauschalierung gefordert. Das ist natürlich Unfug. Das ist insbesondere dann Unfug, wenn man darüber diskutiert, dass wir jetzt wenige Wochen vor dem In-Kraft-Treten des SGB XII sind. Die Pauschalierung war von den Beteiligten im Bundestag gewollt und sie ist ein wichtiger Bestandteil der Reform, denn bisher, und das hatte der Minister gesagt und das hat Herr Pilger gesagt, mussten die Betroffenen einzelne Leistungen immer einzeln beantragen. Die wurden dann auch einzeln bewilligt mit allen Folgen, was Verwaltung anging, was auch die Antragstellung für den einzelnen Betroffenen anging oder was das bedeutete. Mit den Pauschalzahlungen, wie sie jetzt erfolgen sollen, kann der Betroffene selbst eigenverantwortlich entscheiden, was er sich leisten kann und wann er sich was leisten kann. Und das ist kein Unterschied, Frau Thierbach, zu der allein erziehenden Verkäuferin, die sich auch sehr wohl Gedanken darum machen muss, zu welchem Zeitpunkt sie welche Anschaffung tätigen kann oder eben nicht. Und wir als CDU-Fraktion wollen nicht, dass der Staat hingeht, bevormundend eingreift und die Entscheidung für den Einzelnen trifft, wann und zu welchem Zeitpunkt er vielleicht von welcher Bewilligung, auch abhängig für sich selber individuell etwas leisten kann. Wir meinen, der Staat darf sich da nicht einmischen. Wir wollen die Eigenverantwortung der Betroffenen stärken. Und da, das räume ich gern ein, befinden wir uns ganz sicher im Gegensatz zur PDS, aber wir wollen eben den Betroffenen die Mündigkeit an dieser Stelle nicht absprechen. Es ist momentan, und das hatte ich gesagt, fast ein Jahr nach der Beschlussfassung so, dass wohl offensichtlich niemand bundesweit noch ernsthaft die Streichung der Pauschalierung fordert. Mir ist jedenfalls davon relativ wenig bekannt. Dann muss ich mir natürlich schon die Frage stellen, ob die PDS die Diskussion, die vor einem Jahr ja mal stattfand, damals verschlafen hat oder im letzten Jahr nicht reagiert hat oder warum sie ausgerechnet jetzt, wenige Wochen vor In-Kraft-Treten dieser ganzen Geschichte, uns mit solchen Anträgen kommen. Es gab die Bundesarbeitsgemeinschaft der Sozialhilfeinitiativen. Die hat sich mit dem SGB XII vor weit über einem Jahr überaus kritisch auseinander gesetzt. Die haben ihre Anmerkungen gemacht zu einem Zeitpunkt, als wir uns im Gesetzgebungsprozess befanden, aber nicht ein Jahr später, kurz bevor es in Kraft

tritt. Im Übrigen, selbst Ihre Kolleginnen und Kollegen, die Landesregierungen mit PDS-Beteiligung haben, in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern - mir ist nicht bekannt, dass die über so etwas nachdenken. Mir ist auch nicht bekannt, dass die solche Bundesratsinitiativen starten, wie sie die PDS uns hier an dieser Stelle vorgeben möchte oder für uns auf den Weg bringen möchte.

(Beifall bei der CDU)

Reden Sie mit Ihren Kollegen, reden Sie vielleicht mit denen darüber, warum die keine Gründe sehen, warum die jetzt inzwischen auch sagen, wir kümmern uns darum, wie das SGB XII in wenigen Wochen umgesetzt werden kann, und wir kümmern uns nicht mehr darum, in Tagträumereien zu sagen, wir reißen das jetzt komplett wieder auf, streichen und versuchen letztendlich auch, das In-Kraft-Treten noch in die nächsten Jahre hineinzuverzögern.

Ich habe vorhin von dem Populismus gesprochen und das ist eben genau der Punkt, wo ich jetzt auch noch mal anknüpfen möchte. Wenn die PDS jetzt kurz vor dem In-Kraft-Treten dieses Gesetzes das Thema entdeckt, das hat ja so eine auffallende Parallele zum Thema Hartz IV. Sie entdecken das, Sie meinen, damit kann man populistisch ein Stückchen Stimmung schüren; Sie denken, damit kann man auch Menschen im Freistaat Thüringen oder vielleicht auch bundesweit mobilisieren, und Sie hoffen darauf, dass man da natürlich auch politisch punkten kann. Frau Thierbach, das sage ich Ihnen, das hätten Sie sich denken können, das wird mit uns, auch hier im Thüringer Landtag, nicht zu machen sein.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte, weil ja vieles auch von Minister Zeh und von Herrn Pilger schon gesagt war, zum Abschluss für uns die Wertung dieser drei Punkte des Antrags der PDS-Fraktion noch mal vornehmen. Der erste Punkt, das Berichtsersuchen, sehe auch ich als erfüllt an. Der Minister hat dargestellt, wie der Zeitablauf ist. Wir werden uns dann zu gegebener Zeit mit den Gesetzen beschäftigen. Zum Zweiten, und das hatte ja die PDS bei ihrer Begründung gesagt, sie meint, das Land müsste zusätzlich aktiv werden. Das sehe ich ausdrücklich nicht so und genau aus diesem Grund werden wir die Punkte 2 und 3 hier auch nach der Beratung in der Abstimmung ablehnen. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Doch, Frau Thierbach, bitte dann noch einmal.

Frau Präsidentin, werte Abgeordnete, über Inhalte kann man diskutieren, da kann man auch unterschiedliche Auffassungen haben, aber Ihre Ignoranz, Herr Panse, dass es Probleme gibt, die hat tatsächlich keine Diskussionsebene mehr. Die PDS macht keinen Populismus. Die Landesregierung hätte ihren Gesetzentwurf bereits zu diesem Plenum einbringen können. Sie will jetzt prüfen, weil die Prüfung nicht abgeschlossen ist, ob es überhaupt eine Notwendigkeit gäbe, den Spielraum auszuloten. Na, kennt die Landesregierung ihren eigenen Sozialbericht nicht?

(Unruhe bei der CDU)