Protokoll der Sitzung vom 24.11.2006

Nun zum zweiten Teil des Antrags der Kollegen der Linkspartei.PDS. Ich muss gestehen, ich verstehe die Zielsetzung nicht. Ich möchte nämlich z.B. nicht, dass arbeitslose Jugendliche unter 25 Jahren grundsätzlich Leistungen des SGB II erhalten, obwohl ihre Eltern z.B. zu den gut- oder bestverdienenden Bevölkerungskreisen gehören. Ich möchte nicht, dass klassenweise junge Menschen nach bestandenem Abitur im Übergang zum Studium Leistungen des SGB II beantragen, die für völlig andere Personengruppen vorgesehen sind.

Ich weiß, dass viele Praktiker in den ARGEn vor einem Jahr genau diese Entwicklung beschrieben haben und es war gut, dass dem ein gesetzlicher Riegel vorgeschoben wurde. Nach wie vor kann ein junger Mensch eine eigene Bedarfsgemeinschaft gründen, wenn ihm das Zusammenleben mit den Eltern nicht zuzumuten ist. Der Punkt II.1 kam mir aus Ihrem Antrag „Soziale Grundsicherung statt Almosen in Arbeit“ in Drucksache 4/2004 sehr bekannt vor. Er ist inhaltlich identisch. Schon im Juni dieses Jahres habe ich Sie in der Aussprache in diesem Haus darauf hingewiesen, welche kontraproduktiven Auswirkungen Ihr Anliegen hätte. Ich will das heute nicht noch einmal wiederholen. Leider haben Sie aus der damaligen Debatte keine sinnvollen Schlüsse gezogen. Ich gehe davon aus, dass verantwortungsbewusste Mitarbeiter in den ARGEn und den optierenden Kommunen keine Leistungskürzungen oder Sanktionen ohne berechtigten Grund vornehmen. Ich erwarte, dass das gesamte Instrumentarium der aktiven Arbeitsmarktförderung auf den Einzelfall bezogen gezielt eingesetzt wird. Dazu gehört dann auch, aber eben nicht nur, die Möglichkeit der Inanspruchnahme eines Ein-Euro-Jobs. Ich erwarte, dass die Fallmanager und Betreuer nicht nur im Bereich der unter 25-Jährigen beruflich für ihre Aufgabe qualifiziert sind, sondern dass dies für den gesamten Beratungsauftrag der ARGEn und optierenden Kom

munen gilt. Ich erwarte schließlich, dass eine intensive Betreuung durch die Träger der Grundsicherung erfolgt. Dazu zählt der erforderliche Betreuungsschlüssel, der übrigens die hier geforderten 1:75 im Einzelfall beträchtlich übersteigen kann. Wir haben kürzlich im Kyffhäuser-Kreis ein gutes Beispiel dafür erlebt und die Kolleginnen und Kollegen der beiden anderen Fraktionen waren dort mit anwesend. Nun weiß ich natürlich, dass all das, was ich hier als Selbstverständlichkeit formuliert habe und was das Gesetz jetzt bereits hergibt, nicht unbedingt der Alltagsrealität entspricht. Es in die Realität umzusetzen, das liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linkspartei.PDS, das ist nicht mit einem weiteren Gesetz zu erreichen. Ein Gesetz zum Gesetz sorgt nicht dafür, dass die Umsetzung besser wird.

Die Umsetzungsprobleme liegen an ganz anderen Stellen als an den von Ihnen genannten. Da muss es zum Beispiel darum gehen, gleiche Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten in den ARGEn zu bekommen. Es muss darum gehen, langfristige und verlässliche Förderungen der Personalstrukturen zu erreichen, eine gute Personalentwicklung zu etablieren und auch darum, langfristige Verpflichtungsermächtigungen für die aktive Arbeitsmarktförderung im Bundeshaushalt zu gewährleisten. All das, was Sie aber aufzählen, sind Umsetzungsprobleme, bei denen wir uns oft an die eigene Nase fassen müssen - an die eigene Nase fassen deshalb, weil viele Kommunalpolitiker in diesem Hause in allen Fraktionen sitzen und weil wir als Parteien maßgeblich die Kommunalpolitik in diesem Lande verantworten.

Die Kommunen aber können und sollten innerhalb der ARGEn die Federführung in Anspruch nehmen. Vor Ort werden die Möglichkeiten des Gesetzes noch längst nicht umfassend genutzt. Ich habe noch nicht das Empfinden, dass wir in unserer Rolle als Kommunalpolitiker die ARGEn als unsere größte Sozialbehörde verstanden haben. Deshalb halten wir es statt dem Ruf nach Gesetzen für erforderlich, die kommunale Verantwortung für die Arbeitsmarktpolitik in den Regionen zu stärken und dafür zu sorgen, dass die Landesregierung die Kommunen bei diesem Prozess unterstützt.

(Beifall bei der SPD)

Es muss doch gelingen, den Erfahrungstransfer guter Beispiele schnell in alle ARGEn und optierende Kommunen zu ermöglichen und für ein gemeinsames Selbstverständnis von Mindeststandards zu sorgen. Ich bin davon überzeugt, dass erfolgreiche Arbeitsmarktpolitik im Bereich des SGB II entscheidend davon abhängig ist, dass Stadträte und Kreistage ihre politische Verantwortung für die Träger der Grundsicherung wahrnehmen. Wenn das gelungen

ist und darüber hinaus Regelungsbedarf besteht, dann bin ich und auch meine Fraktion gern bereit, in Richtung der Bundesregierung aktiv zu werden. Nach den Startschwierigkeiten zu Beginn des Jahres habe ich mittlerweile auch im laufenden Haushaltsjahr den Eindruck, dass es nicht an der Finanzausstattung der ARGEn und der optierenden Kommunen liegt, wenn es um eine weitere Verbesserung der Arbeit geht. Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linkspartei, ist dieser Antrag in seinem zweiten Teil - ganz vorsichtig formuliert - wenig ausgereift. Die SPD-Fraktion wird dem Antrag aus den genannten Gründen nicht zustimmen.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat die Abgeordnete Leukefeld, Die Linkspartei.PDS.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, der Journalist Christian Rickens, er ist Redakteur beim Manager-Magazin, hat sich in einem eben veröffentlichten Buch auch mit dem Blick der Gesellschaft auf Arbeitslosigkeit beschäftigt. Ich möchte mit einem Zitat von ihm beginnen: „Deutschlands Mittelschicht spricht heute über Arbeitslose, als wären sie Kriminelle. In der öffentlichen Debatte gelten sie nicht mehr als Opfer der Verelendung, sondern als Mitschuldige an der sozialen Krise - die neuen Bürgerlichen wollen sich einreden, dass ihnen selbst so was nie passieren würde.“ Das ist übrigens auch der Grund, warum unsere Fraktion den Begriff der Diskriminierung bewusst im Antrag formuliert hat. Die Redewendung, dass Familien und Jugendliche zum großen Teil auch selbst schuld sind, nicht in Arbeit zu kommen, entspricht eigentlich genau dem, was hier ausgesagt ist. In der öffentlichen Debatte - so schätzt Rickens ein - gehe es vielfach nicht mehr um etwas, was dem betroffenen Menschen fehlt, nämlich Arbeit, sondern um den Vorwurf, sie würden staatliche Unterstützung angeblich zu Unrecht bekommen. Die Mittel- und Oberschicht grenzt sich von den Verlierern des gesellschaftlichen Wandels ab und geneigte Autoren liefern dafür noch die Argumentationshilfen.

Meine Damen und Herren, als wir vor etwa einem Jahr im Landtag über den Komplex „Harzt IV und Jugend“ gesprochen haben, wurde uns gesagt, lassen Sie uns doch etwas Zeit, man kann den Auftrag des SGB II, Jugendliche unter 25 Jahren unverzüglich, spätestens innerhalb von drei Monaten in Arbeit, Ausbildung bzw. Arbeitsgelegenheiten zu vermitteln, nicht über das Knie brechen. Wir haben heute die Zahlen gehört und die sind uns ja auch bekannt.

Minister Reinholz, wir wissen auch, dass Jugendarbeitslosigkeit deutlich abgesenkt wurde. Das ist nicht der Kern gewesen. Aber ich glaube trotzdem, dass es notwendig ist, deutlich zu machen, dass auf eine freie Stelle heute mindestens neun Arbeitssuchende kommen und von den offenen Stellen ist noch die Hälfte gefördert. Ich möchte hier schon noch einmal auf das verweisen, was wir gestern mit dem Thüringen-Monitor diskutiert haben, dass die Sicht von Betroffenen auf die Verhältnisse - und die wollen wir hier auch diskutieren und ernst nehmen - oftmals eine andere ist als das, was hier aus Landessicht dargelegt wird. Minister Reinholz, wenn Sie sagen, unser Populismus geht Ihnen auf den „Keks“, gelinde gesagt, geht mir der permanente Populismusvorwurf von Ihnen auch ein bisschen auf den Keks, weil ich glaube, das ist nicht die Frage. Wir müssen darüber diskutieren, wie wir jetzt endlich dazu kommen, den gesetzlich formulierten Anspruch - und das war schon ein Fortschritt -, Jugendliche in kürzester Zeit, umgehend, spätestens innerhalb von drei Monaten zu vermitteln, auch zu erfüllen. Das Fazit ist und bleibt, das ist nicht gelungen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Das ist im Land Thüringen nicht gelungen. Um es gleich vorweg zu sagen, es geht mir hier nicht um formale Erfüllung von Statistik oder um Zahlenhascherei und schon gar nicht um die Verhinderung von Erfolgsmeldungen. Ich glaube, in der Komplexität, wie das gerade jetzt in diesen zwei Plenartagungen diskutiert wurde im Zusammenhang mit dem Ausbildungsbericht, mit dem Kinder- und Jugendbericht und auch heute mit der Diskussion zu diesem Thema Jugendarbeitslosigkeit wurde deutlich, dass das Anliegen nicht nur aus der Sicht des Ministeriums für Wirtschaft, Technologie und Arbeit zu betrachten ist, sondern eine sehr komplexe gesellschaftliche Frage ist, wo alle Verantwortungsträger hier im Land Thüringen mehr tun müssen.

Die Tatsache, dass wir in Thüringen aktuell immer noch 19.100 junge Menschen unter 25 Jahren in Arbeitslosigkeit haben - die Zahlen sind genannt, 9.400 im Rechtskreis des SGB III und 9.700 in Hartz IV -, müssen wir zur Kenntnis nehmen. Die Arbeitslosenquote hat sich verringert, aber die Zahl der hilfebedürftigen Jugendlichen ist immer noch sehr hoch. Die qualitative Zusammensetzung müsste aus meiner Sicht differenzierter dargelegt werden, als es geschehen ist. Denn es sind nicht nur sozial Benachteiligte oder Jugendliche mit Bildungsdefiziten, die letztendlich in Hartz IV sind - das ist der überwiegende Teil, wie ich meine -, aber es gibt auch junge Menschen mit abgeschlossener Berufausbildung, die in Hartz IV gekommen sind und derzeit keine Chance auf einen Arbeitsplatz haben. Alarmierend - und das will ich hier auch sagen, das hat

eigentlich kaum eine Rolle gespielt - ist die Tatsache, dass der Anteil der arbeitslosen Jugendlichen ohne Berufsabschluss wächst. Wir haben 6,3 Prozent der hilfebedürftigen Jugendlichen ohne Schulabschluss; das ist weniger geworden, das ist richtig, aber die haben natürlich auch die schlechtesten Ausgangspositionen. Aber es sind auch noch ein paar andere Fakten wichtig, die die Fachleute nennen. Es wird eingeschätzt, dass 15 bis 20 Prozent dieser Jugendlichen bereits mit der Jugendgerichtshilfe zu tun hatten, ca. 20 Prozent haben Suchtprobleme. Es wird auch ausgesagt, dass der Anteil alleinerziehender Jugendlicher, und das sind ja vor allen Dingen junge Mütter, wächst. Mit der Verantwortung für ein Kind in einer unklaren Lebenssituation gibt es ganz klar eine Überforderung. Da sind Hilfen unbedingt notwendig. Weitere Fakten sind z.B. zunehmende Schulden. Das betrifft junge Leute, aber wie wir gestern gerade gehört haben, sind im Land Thüringen über 100.000 Haushalte verschuldet. Insofern muss man diesen komplexen Fragen Rechnung tragen.

Zunehmend gibt es auch Wohnungsprobleme, die vor allen Dingen im Zusammenhang mit der Verschärfung des SGB II - und ich komme im zweiten Teil noch einmal darauf zurück - weiter angewachsen sind. Bekannt ist auch - das ist auch keine neue Weisheit -, dass benachteiligte Jugendliche oft stärker als andere an Verhaltensstörungen, an Aggressionen und an psychischen Störungen leiden. Die Tatsache, dass sie bereits in frühester Jugend für sich selbst keine Perspektive sehen, macht sie sehr anfällig und lässt sie in Trotz und Verzweiflung ihre Absage an Politik, Bürokratie und selbst an gut gemeinte Aktivitäten deutlich machen.

Wir sollten zur Kenntnis nehmen, dass sich etwa ein Drittel der jugendlichen Betroffenen von dieser Art Betreuung zurückgezogen hat. Das ist schade, das ist traurig und da müssen wir ansetzen. Es wird heute gerade von Geschäftsführern der ARGEn zum Beispiel gesagt, dass eine wachsende Anzahl von ihnen ein „Zweckverhalten“ entwickelt, bei dem sie sich irgendwie durchschlagen. Ich sage Ihnen, mit Sanktionen oder diversen Mitteln der Disziplinierung kann man das nicht reparieren.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Deshalb bleibt zu konstatieren: Die Anzahl der arbeitslosen Jugendlichen ist zurückgegangen, aber der Kern mit multiplen Problemlagen, dieser Teil der Jugendlichen hat sich verschärft und damit kann Landespolitik nicht zufrieden sein. Die Vermittlungschancen dieser Jugendlichen sind schlecht.

Benachteiligte Jugendliche haben besondere Probleme beim Übergang von der Schule zur Ausbildung und ebenso an der zweiten Schwelle nach der Aus

bildung in Arbeit. Trotz der schlechten Arbeitsmarktchancen für Unqualifizierte bleibt der Anteil der jungen Erwachsenen, die bis zum 25. Lebensjahr keine anerkannte Ausbildung abgeschlossen haben, seit längerem mit etwa 15 Prozent hoch. Gleichzeitig ist das durchschnittliche Alter der Jugendlichen beim Eintritt in die Berufsausbildung über die Jahre hinweg deutlich angestiegen. Wir haben es heute schon gehört, der Anteil der sogenannten Altbewerber, die aus der Warteschleife kommen, liegt in Thüringen bei 48 Prozent und das betrifft im Grunde genommen jeden Zweiten. Deshalb muss es dabei bleiben, auch und zu diesem Thema, dass die Anstrengungen in der Berufsvorbereitung sowie in der Berufsausbildung verbessert werden müssen.

Die Tätigkeit und die Anstrengungen der ARGEn und der optierenden Kommunen werden von uns anerkannt. Das ist überhaupt keine Frage. Ich muss Ihnen aber sagen, dass sie nicht ausreichen. Wenn hier über qualifiziertes Personal gesprochen wird, dann meinen wir nicht nur schlechthin qualifiziertes Personal, Herr Pilger, sondern dann meinen wir Personal mit einer sozialpädagogischen Ausbildung, ganz besonders bei Jugendlichen. Das wissen Sie so gut wie ich, der Schlüssel 1 : 75 wird erreicht, in manchen ARGEn sogar überboten, aber diese Qualifizierung ist in großen Teilen nicht vorhanden. Deshalb ist es notwendig, dieses differenzierte Fallmanagement, das tatsächlich Fördern und Fordern ermöglicht, auch umzusetzen, weil man ein Vertrauensverhältnis braucht, um gemeinsam mit den betreffenden Jugendlichen an personenkonkreten Eingliederungsvereinbarungen zu arbeiten und differenzierte Handlungsstrategien zu entwickeln.

Im Übrigen gilt dieser Schlüssel ja auch nicht nur für das Fallmanagement, sondern auch für die Vermittlung. Da will ich Ihnen sagen, die Reihenfolge war ganz klar definiert: Vermittlung in Ausbildung, Arbeit oder Arbeitsgelegenheiten. Da wir Integration ja insgesamt letztendlich abrechnen, ist der Anteil der Jugendlichen, die in Ein-Euro-Jobs, also doch in Arbeitsgelegenheiten erst mal abgeparkt werden, mit 12.000 Jugendlichen deutlich zu hoch. Wir können es eben nicht akzeptieren, und das war ja eigentlich auch schon Übereinstimmung und Konsens, schlichtweg nur junge Leute in Ein-Euro-Maßnahmen zu schicken, ohne entsprechende Qualifizierungs- und Bildungsmaßnahmen zu vereinbaren. Die Nachrangigkeit von Ein-Euro-Jobs aus dem § 16 des SGB II wird - und da können Sie sich die Zahlen insgesamt in der Statistik ansehen und auch ganz besonders unter der Rubrik „Jugendliche“ - eben nicht so umgesetzt, wie das notwendig ist. Ich will auch das noch mal sagen, im Einzelfall kann natürlich auch die Integration übergangsweise in einen Ein-Euro-Job möglich sein, das ist nicht die Frage, aber es muss verbunden werden mit einer soliden Strategie, wie es

weitergeht, mit entsprechender Ausbildung und entsprechender Qualifizierung. Notwendig ist meines Erachtens auch, mal zu schauen, wie die Betreuer gerade in Beschäftigungsmaßnahmen qualifiziert sind. Auch dort gibt es oftmals eine totale Überforderungssituation, wenn die zehn junge Leute zu betreuen haben und selbst gar nicht in der Lage und auch nicht qualifiziert und vorbereitet sind, mit diesen Jugendlichen, die oftmals sehr schwierig sind, entsprechend umzugehen. Das Modellprojekt, das die Parität entwickelt hat, um genau diesen Teil der Betreuer zu qualifizieren, halte ich für außerordentlich wichtig und das sollte auch weiter verallgemeinert werden.

Herr Minister, auch das Jugendsofortprogramm ist gut geeignet, Jugendlichen eine passgenaue Ausbildung zu geben und eine entsprechende Integration und Einarbeitung zu erreichen, genauso wie die Projekte „Stellwerk“ und „Patchwork“ der Jugendberufshilfe, die zeigen, wie man erfolgs- und ergebnisorientiert arbeiten kann. Aber die nachahmenswerten Empfehlungen werden meines Erachtens noch nicht überall umgesetzt. Ich will das hier noch mal nennen, wir brauchen eine differenzierte Vorgehensweise, bezogen auf den Einzelfall, und nicht ein pauschales Abarbeiten. Wir brauchen konkrete Aktivierungshilfen, vom qualifizierten Personal habe ich schon gesprochen, und hier sollte man besonders die Integrationsbegleiter, die längerfristig über verschiedene Entwicklungsphasen und Etappen für den Jugendlichen bereitstehen, nennen. Man braucht längerfristige Möglichkeiten, also die Projektphasen müssen verlängert werden und nicht nur immer in kurzen abgesteckten Phasen eine Rolle spielen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Eines will ich hier auch noch mal feststellen: Die Zusammenarbeit zwischen den Trägern der Grundsicherung und den örtlichen Trägern der Jugendhilfe muss weiter verbessert werden. Herr Pilger hat hier, zu Recht, wie ich meine, auf die kommunale Verantwortung verwiesen. Die muss wahrgenommen werden und wir als Kommunalpolitiker, ich denke, das geht quer durch die Parteien, tun das auch. Ich selber bin z.B. Mitglied im Jugendhilfeausschuss in Suhl. Dort sitzt auch, wie ich weiß, in Erfurt und anderswo regelmäßig der Geschäftsführer der ARGE und da wird berichtet und überlegt, wie es weitergehen kann. Trotzdem wird ja genau in diesen Diskussionen auch deutlich, wo die Säge klemmt, dass nämlich erstens nicht überall regelmäßig Jugendkonferenzen durchgeführt werden, dass die Entwicklung von Netzwerken für diese komplexe Betreuung von jungen Leuten noch brüchig ist und, ich glaube, das ist genau der Weg, wo man weiterarbeiten muss. In einigen Landkreisen wurde erkannt, dass die Zusammenarbeit bereits viel früher erfolgen muss, also nicht nur auf der Ebene Leistungsträger und örtliche Träger

der Jugendhilfe, sondern hier muss man schon mit dem Blick auf Schulen die Arbeit früher organisieren. Zum Beispiel sollten Kooperationsvereinbarungen zwischen Schulen und den Jugendhilfeträgern überall angestrebt werden und eben auch diesen Aspekt berücksichtigen, denn die jungen Leute sind ja bekannt, von denen potenziell klar ist, dass es kein einfacher Weg wird. Da kann man auch schon früher ansetzen.

Sie haben gestern den Dringlichkeitsantrag mit den Schulsozialarbeitern abgelehnt. Ich will darauf nur noch mal verweisen. Wir werden ja die Debatte dann in der nächsten Sitzung bekommen. Ich glaube, dass gerade flächendeckend der Einsatz von Schulsozialarbeitern an Regelschulen, an den berufsbildenden Schulen und auch an den Förderschulen unbedingt notwendig ist. Diese Investition ist wirklich Prävention und das wird auch in der Zukunft Kosten sparen und für junge Leute bessere Perspektiven ermöglichen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Gestatten Sie mir noch einige Überlegungen zu den im Antrag formulierten Anforderungen an die Bundesratsinitiative.

(Zwischenruf Dr. Zeh, Minister für Sozia- les, Familie und Gesundheit: Viele Über- legungen!)

Im Mittelpunkt steht das Anliegen, alle jugendlichen Langzeitarbeitslosen zügig nach Antragstellung in Arbeit, Ausbildung oder in eine Arbeitsgelegenheit zu vermitteln. Das ist der gesetzliche Rechtsanspruch und - das kann man gar nicht oft genug wiederholen - der ist nicht eingelöst, meine Damen und Herren. Es bleibt auch festzustellen, dass vielen Jugendlichen keine Angebote auf dem Arbeitsmarkt gemacht werden und stattdessen aus verschiedenen Gründen überdurchschnittlich viele Sanktionen ausgesprochen werden, weil sie angeblich ihrer Mitwirkung nicht gerecht werden, weil dieses und jenes nicht passiert. Ich glaube, wenn man das nicht macht, ist es gerechtfertigt zu sagen, wir brauchen Angebote statt Verbote oder Sanktionen, das ist der richtige Weg.

Mit dem Änderungsgesetz zum SGB II wurden gerade für die unter 25-Jährigen - das, was Sie so loben - zahlreiche Verschärfungen und Einschränkungen ihrer Rechte wirksam. Lassen Sie mich das doch noch mal etwas genauer erläutern. So wurden die Bedarfsgemeinschaften auf bis unter 25-Jährige ausgeweitet, das war vorher nur bis 18 Jahre und die Regelleistungen für diese erwachsenen jungen Menschen von diesen 345 € auf 276 € abgesenkt. Das sind immerhin 69 €, wenn sie mit ihren Eltern in einer Bedarfsgemeinschaft leben.

Gravierend - das halte ich wirklich für gravierend - ist das Auszugs- und Umzugsverbot für unter 25Jährige.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Wenn ohne Zustimmung des Leistungsträgers ein eigener Mietvertrag abgeschlossen wird, besteht für diese jungen Leute bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres kein Anspruch auf Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung. Sie werden also zu reinen Bittstellern. Ich weiß, dass es ein paar kleine Lücken gibt, aber in aller Regel wird das letztendlich auch gerichtlich eingeklagt. Da frage ich mich: Was ist das für eine Situation, in die junge Menschen und auch ihre Eltern getrieben werden, gegenseitig vor Gericht zu prozessieren, damit die Möglichkeit geschaffen wird, dass sie auch woanders hingehen können, dass sie dort vielleicht bessere Chancen auf Arbeit haben? Zu unterstellen, dass die alle nur mehr Geld abfassen wollen, halte ich schlichtweg für unverschämt.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Ich habe, meine Damen und Herren, und andere auch - es gibt da ja eine Rechtsauseinandersetzung - große Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Auszugsverbots und meines Erachtens untergräbt das auch die Menschenwürde und das Recht auf Freizügigkeit. Ich nenne das Diskriminierung. Das sind die Erfahrungen, die junge Leute machen auf diesem Weg, die ohnehin schon große Probleme haben und manchmal vielleicht auch nicht besonders clever, flexibel ihr eigenes Leben in den Griff bekommen können. Wie sollen sie denn das machen, wenn sie ständig reglementiert werden? Dazu kommt die Beibehaltung der Reduzierung der Regelleistung. Wenn sie einen Mietvertrag gemacht haben und ausgezogen sind, bleibt es bei den Regelleistungen von 276 € und nicht 345 € und es kommt dazu der Verlust des Anspruchs auf die Erstausstattung einer Wohnung. Da frage ich mich schon, wie einerseits von Freiheit und Verantwortung gesprochen werden kann, was ich sehr begrüße und unterstütze, und auf der anderen Seite dermaßen Rechte eingeschränkt werden.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Dann will ich Ihnen noch was sagen: Dass Eltern, die nicht im Leistungsbezug stehen, aufgrund der Tatsache, dass der erwachsene Sprössling arbeitslos wird, automatisch in eine Bedarfsgemeinschaft kommen und verpflichtet sind, obwohl die Eltern gar nicht im Leistungsbezug stehen, vor den ARGEn alles offenzulegen, diese Mitwirkungspflicht finde ich ebenfalls umstritten. Das geht ja nicht nur um die Eltern, es gibt ja auch Fälle, wo die Enkel zum Beispiel zu

den Großeltern ziehen, die auf einmal dafür die Verantwortung tragen oder wo der Freund zur Freundin in die Familie zieht und die auf einmal sozusagen verpflichtet sind, ihre Vermögensverhältnisse offenzulegen. Aus einzelnen, von Arbeitslosigkeit betroffenen Menschen werden einerseits Partner und ganze Familien in Abhängigkeit von Leistungen der Grundsicherung gebracht und andererseits passiert es aber eben auch, dass Nichtleistungsbezieher ohne eigenes Einkommen en masse produziert werden und über diesen Teil redet gar keiner. Das ist auch nicht nachweisbar, da haben wir keine Zahlen und es ist auch ein großer Teil von jungen Leuten davon betroffen. Wie mit denen weitergearbeitet wird, das ist eben auch eine Frage und das hat meines Erachtens mit selbstbestimmtem Leben nichts mehr zu tun. Deshalb kann es aus meiner Sicht nur eine Forderung geben, jeder Mensch über 18 Jahre muss eine eigene Bedarfsgemeinschaft sein und dafür auch die vollen gesetzlich zustehenden Leistungen erhalten.

Zusammenfassend möchte ich sagen, Anspruch und Realität des Förderns und Forderns klaffen vor allem für jugendliche Arbeitslose noch weit auseinander. Neben qualitativ hochwertigen Bildungsmaßnahmen, die immer sinnvoller sind als Ein-Euro-Jobs oder Bewerbungstrainings, muss der sozialpolitische Aspekt stärker in den Vorgrund gerückt werden und, das will ich auch noch einmal deutlich sagen, das ist nicht nur eine Frage des Ministeriums für Wirtschaft, Technologie und Arbeit. Freiheit und Verantwortung setzt Wissen voraus, individuelle Existenzsicherung und die Fähigkeit zum Handeln und das muss unser Anspruch sein und ich glaube, da gibt es gute Ansatzpunkte, aber da muss weiter diskutiert werden und deswegen beantrage ich die Überweisung an den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit. Danke.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Für die CDU-Fraktion hat sich der Abgeordnete Günther zu Wort gemeldet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, Frau Kollegin Leukefeld, ich schätze wirklich Ihr Engagement im Bereich der Arbeitsmarktpolitik sehr. Wir haben ja an verschiedenen Punkten gemeinsame Debatten gehabt und liegen in vielen Dingen auch gar nicht so weit auseinander, das will ich an der Stelle auch ruhig einmal sagen. Aber was Sie zum Schluss gesagt haben, dass jeder Jugendliche ab 18 Jahre eine eigene Bedarfsgemeinschaft bilden soll, das glauben Sie, glaube ich, sel

ber nicht, was Sie da gesagt haben.

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Leukelfeld, Die Links- partei.PDS: Doch, das glaube ich schon.)