Protokoll der Sitzung vom 24.11.2006

Im September hat die Arbeitsgruppe Thüringer Ausbildungspakt und Thüringer Ausbildungsinitiative bereits über Eckwerte des Pakts für das Jahr 2007 diskutiert. Die nächste Sitzung ist, wie vielleicht einige von Ihnen wissen, im Dezember geplant; auch der DGB ist Mitglied dieser Arbeitsgruppe. Neben konkreten Ausbildungszusagen der Wirtschaft sind bereits jetzt gezielte Maßnahmen zur Verbesserung von Berufsorientierung und Berufsvorbereitung Schwerpunkte des Thüringer Ausbildungspakts. Das behalten wir natürlich auch im nächsten Pakt bei. Gerade die Maßnahmen, die die Kammern und der Verband der Wirtschaft gemeinsam mit den Schulen umsetzen, stehen dabei auch zukünftig im Blickpunkt. Ein gutes Beispiel ist hier die Arbeit der Landesarbeitsgemeinschaft Schule/Wirtschaft.

Wenn Sie sich das gesamte Spektrum unserer Maßnahmen am Ausbildungspakt ansehen, dann können Sie feststellen: In kaum einem Bundesland wird so viel für die Unterstützung, die die Jugend bei der Berufsorientierung und Berufsvorbereitung benötigt, getan wie in Thüringen. Wir nehmen unsere Verantwortung wahr, meine Damen und Herren, und das bereits seit Jahren.

(Beifall bei der CDU)

So entwickelt die Arbeitsgruppe unter Beteiligung von Wirtschaft und Gewerkschaften derzeit auch ein Fachkräftekonzept weiter. Die inhaltliche Basis für die Tätigkeit der Arbeitsgruppen sind die Thüringer Fachkräftestudie 2006 und die Berichte der Managementgruppe zur Sicherung des Fachkräftebedarfs im Freistaat Thüringen. In wenigen Monaten wird das Ergebnis der Arbeitsgruppe als 4. Bericht der Managementgruppe an den Ministerpräsidenten dann auch veröffentlicht. Ich bezweifele, dass mir die Antragsteller von der Fraktion der Linkspartei.PDS auch nur ein einziges anderes Bundesland benennen können, das eine solche Studie und eine übergreifende Arbeitsgruppe zum Thema Ausbildung bereits seit Jahren etabliert hat, geschweige denn, dass sie mir da ein rot-rotes Bundesland nennen können. Selbstverständlich werden die Ergebnisse der Arbeitsgruppe beim Abschluss des Ausbildungspakts auch berücksichtigt. Das hilft, künftig möglichst genau in den Ausbildungsberufen auszubilden, in denen tatsächlich auch ein Fachkräftebedarf besteht.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Linkspartei.PDS, Sie erheben in Ihrem Antrag außerdem die Forderung, einen Pakt aufzustellen, der verlangt, die betriebliche Ausbildungsleistung jährlich - ich betone jährlich - um je 20 Prozent zu erhöhen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Meine Damen und Herren, das ist für meine Begriffe wohl weit mehr als realitätsfremd. Auch der Ausbildungsmarkt ist nämlich ein Teil des Arbeitsmarkts - das dürfte Ihnen nicht entgangen sein -, und damit auch abhängig von der gesamtwirtschaftlichen Situation. Ich gehe deshalb einfach davon aus, dass die Fraktion der Linkspartei.PDS offensichtlich versucht, hier unüberwindliche Hürden aufzubauen, um den bisher erfolgreichen Pakt damit dann zum Scheitern zu bringen.

Meine Damen und Herren, Sie erweisen mit solchen Forderungen der Jugend einen Bärendienst, anstatt ihr zu helfen. Ich denke, es ist schon ein feiner Zug von Ihnen und die Jugend würde Ihnen so ein Ding natürlich auch unheimlich danken, wenn wir dann überhaupt keinen Ausbildungspakt mehr hätten.

Zur Höhe der Ausbildungsvergütung will ich nur anmerken, dass diese im Berufsbildungsgesetz bundesweit geregelt ist; danach ist eine „angemessene“ Ausbildungsvergütung zu zahlen. In den neuen Ländern ist die Ausbildungsvergütung von 1995 bis 2005 von durchschnittlich 472 € auf 529 € gestiegen; seit 2001 sind 85 Prozent der westlichen Vergütungshöhe damit erreicht. In der Regel richtet sich die Ausbildungsvergütung nach dem jeweiligen Tarifvertrag oder der ortsüblichen Vergütung. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung kann man davon maximal 20 Prozent nach unten abweichen, aber nur dann, wenn der Betrieb nicht tarifgebunden ist.

Abschließend möchte ich zu Punkt 2 Ihres Antrags noch auf Folgendes hinweisen: Nirgends in Deutschland, meine Damen und Herren, gibt es so viele Betriebe und Auszubildende in Ausbildungsverbünden wie in Thüringen. Bereits 1995 haben wir unser System gemeinsam mit den Kammern eingerichtet, es ist mittlerweile gut ausgebaut und wirkt natürlich auch flächendeckend. Hier gibt es überhaupt keinen Nachholbedarf, vielmehr geht es um eine qualitative Weiterentwicklung und die treiben wir, meine Damen und Herren, gemeinsam mit den Kammern voran.

In diesem Jahr wurden in der Landesverwaltung 927 Ausbildungsplätze neu besetzt, gegenwärtig befinden sich insgesamt 2.264 Nachwuchskräfte in einer Ausbildung. Eine prozentuale Zielvorgabe für einen Anteil Auszubildender an der Beschäftigung im öffentlichen Dienst des Freistaats Thüringen und in Gesellschaften mit Landesbeteiligung lehnen wir als Landesregierung ab. Ich will Ihnen das auch begründen. Eine solche Ausbildungsquote würde sich den ändernden inneren und äußeren Gegebenheiten, wie der demographischen Entwicklung und auch dem Anspruch einer schlanken Verwaltung, diametral entgegenstellen.

Derzeit stehen wir ohnehin vor der schwierigen Situation, Stellen abbauen zu müssen. Wir haben das hier gemeinsam beschlossen. Deshalb hat zunächst die Umsetzung vorhandener Beschäftigter Vorrang vor Neueinstellungen. Ziel der Landesregierung ist es, die Verringerung der Stellen durch einen sozial verträglichen Abbau des Personals zu erreichen. Trotzdem trägt die Landesregierung unter Beachtung des erforderlichen Stellenabbaus selbstverständlich auch dafür Sorge, dass dem Bedarf entsprechend weiter ausgebildet wird.

Wir wollen dabei gleichzeitig eine tragfähige Altersstruktur der Bediensteten erhalten. Eine Ausbildung über den Bedarf hinaus, noch dazu in Berufen, wo außerhalb der öffentlichen Verwaltung in der Industrie nur sehr eingeschränkt Verwendung besteht, denke ich, meine Damen und Herren, ist wenig sinnvoll.

Nun zu Ihrer Forderung nach einer Bundesratsinitiative zur Gesetzesänderung im Berufsbildungsgesetz für eine Umlagefinanzierung: Die Landesregierung, meine Damen und Herren, wird keine Bundesratsinitiative zur Änderung des Berufsbildungsgesetzes für eine Umlagefinanzierung ergreifen. Dass wir eine gesetzliche Regelung in diesem Bereich ablehnen, habe ich Ihnen hier im Landtag bereits mehrfach erläutert und ich werde das heute auch nicht wiederholen.

Die von der Linkspartei.PDS geforderte Öffnung im Gesetz für branchenbezogene und tarifvertragliche Regelungen ist zudem nicht notwendig. Sollten die jeweiligen Tarifparteien das dennoch wollen, können sie, wie z.B. in der Bauwirtschaft, Regelungen zur Finanzierung der Berufsausbildung in den Tarifverträgen recht eigenständig treffen. Als kleiner Hinweis: Meine Damen und Herren, für die Rahmenbedingungen ist das Tarifvertragsgesetz und nicht das Berufsbildungsgesetz zuständig.

Ich freue mich, dass die Linkspartei.PDS um das Thema Ausbildung bemüht ist, jedoch die Landesregierung braucht an der Stelle wirklich keine Nachhilfestunden. Wir handeln bereits - und das seit Jahren - und die Erfolge in den vergangen Jahren, in denen wir in der Vermittlung deutscher Meister waren, sprechen für sich. Ich denke, Sie sollten lieber zusehen, dass Sie das Thema „Ausbildung“ dort in den Griff bekommen, wo Sie auch in politischer Verantwortung sind.

(Beifall bei der CDU)

Und auf Ihre persönliche Bitte und Wunsch hin würde ich Ihnen dazu dann auch ein paar Nachhilfestunden erteilen. Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Ich frage, wer wünscht die Aussprache zum Sofortbericht, zu Nummer 1 des Antrags? Die Fraktion der CDU. Herr Buse, Sie haben sich auch gemeldet.

(Zwischenruf Abg. Doht, SPD: Wir haben uns auch gemeldet.)

Gut, alle drei Fraktionen wünschen die Aussprache. Ich gehe davon aus, dass die mir vorliegenden Wortmeldungen auch mit diskutieren werden die Punkte 2 bis 4 dieses Antrags. Damit eröffne ich die Aussprache über die Punkte 1 bis 4 und erteile das Wort dem Abgeordneten Pilger, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, die alljährlichen Berichte zur Situation der Berufsausbildung, verbunden mit den Erfolgsmeldungen über den jeweiligen Ausbildungspakt, erinnern mich mehr und mehr an Schilderungen aus vergangenen Zeiten. „Der Plan ist gut und deshalb ist er erfüllt“ scheint die Devise zu sein, und das Ergebnis kennen die Unterzeichner schon, bevor die Tinte der Unterschriften trocken ist.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Nicht dass ich die jeweiligen Details bezweifeln würde, nein, da danke ich der Landesregierung ausdrücklich für die Akribie in den Berichterstattungen. Ein glaubhaftes Bild ergibt sich allerdings nur, wenn diese Details zusammengefügt werden und wenn man dann gewillt ist zur nüchternen und objektiven Auswertung. Das aber verhindert die ideologische Brille, die statt mit einem Sonnenschutzfilter mit einem Realitätsfilter versehen ist. Nur was erwünscht ist, kommt beim Auge des Betrachters an und genau da setzt meine Kritik an. Alle Berichte der letzten Jahre müssten eigentlich mit der Überschrift versehen sein: „Wir haben unsere Ziele mit viel Jubel nach unten angepasst und haben sie dennoch nicht erreicht.“

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Stattdessen wird der Öffentlichkeit suggeriert, dass alle Jugendlichen oder zumindest fast alle Jugendlichen versorgt seien; wer es aber nicht ist, der ist nicht leistungswillig und selber schuld. Dieses alljährliche unehrliche öffentliche Bild, diese Trickserei zulasten der jungen Menschen und ihrer Familien, das ist es, meine Damen und Herren, was ich kritisiere, und das ist es, was zur Unglaubwürdigkeit von Politik beiträgt.

(Beifall bei der SPD)

In kaum einem Politikfeld ist die Differenz zwischen politischer Behauptung und bitterer Realität so groß wie im Bereich der beruflichen Bildung. Junge Menschen erleben genau das und sie verlieren dann den Glauben an die Demokratie. Hier ist eine der wesentlichen Ursachen zu finden für die in der Regierungserklärung gestern immerhin genannte Gefahr der politischen Apathie und der daraus drohenden Anfälligkeit für extreme Positionen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Gegensteuern sei angesagt, erklärte der Ministerpräsident. Was aber geschieht tatsächlich? Tausende junger Menschen bewerben sich wieder und wieder und erhalten nichts als Absagen. Bestenfalls geht es in irgendeine Berufsvorbereitung, an deren Ende wieder nur das Prinzip Hoffnung steht. Fast 50 Prozent der Bewerber sind Altbewerber aus den vergangenen Jahren - so erfolgreich sehen die bisherigen Ausbildungspakte aus.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Da muss sich doch niemand wundern, wenn Frust und Zweifel an sich selbst und der Gesellschaft überhand gewinnen. Allein die Angst vor dem Absturz in diese Situation ist schon ein fruchtbarer Nährboden für den Rechtsextremismus in unserem Land. Deshalb sollten die Landesregierung und die Mehrheitsfraktion dieses Hauses endlich die Realität zur Kenntnis nehmen. Sie ist weitgehend ungeschminkt im Bericht der Bundesagentur für Arbeit nachzulesen. Zum abgeschlossenen Ausbildungsjahr am 30.09. heißt es dort nüchtern und zutreffend - ich erlaube mir zu zitieren: „Damit gehen die den Agenturen für Arbeit gemeldeten betrieblichen Ausbildungsstellen bereits das achte Jahr in Folge zurück.“ Der Rückgang beträgt zu diesem Zeitpunkt gegenüber dem Vorjahr 231 Ausbildungsstellen oder 2,2 Prozent. Nun weiß ich, dass an dieser Stelle alljährlich auf Nachvermittlung hingewiesen wird und darauf, dass der Bundesagentur für Arbeit nicht alle Ausbildungsstellen bekannt sind. Aber auch dieses Argument wiederholt sich Jahr für Jahr und die Situation wurde und wird deshalb nicht besser.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich betreibe hier keine Miesmacherei und ich sage trotz der schlechten Ergebnisse ausdrücklich: Besser ein Ausbildungspakt als kein Ausbildungspakt!

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Vermutlich wäre ansonsten die Rückwärtsentwicklung noch größer. Aber ich will, dass wir uns end

lich den Realitäten stellen und in der Öffentlichkeit nicht immer einen falschen Eindruck vermitteln. Die Wahrheit lautet nämlich: Insbesondere qualifizierte junge Menschen und dort wiederum überproportional viele junge Frauen verlassen Jahr für Jahr dieses Land, weil ihnen schon an der ersten Schwelle kein qualifiziertes Angebot zur beruflichen Ausbildung gemacht wird.

(Beifall bei der SPD)

Sie lautet weiter, dass auch nur für einen Teil der hierbleibenden jungen Menschen betriebliche Ausbildungsplätze vorhanden sind, die allerdings - ich habe es gerade gesagt - Jahr für Jahr abnehmen. Die Wahrheit lautet, dass Tausende junge Menschen Jahr für Jahr ohne Berufsausbildung in Warteschleifen geschickt werden. Ebenfalls jedes Jahr wird dieses mit einer Diffamierungskampagne verbunden, Jugendliche seien nicht ausreichend qualifiziert oder bildungsunwillig. Sie werden zu Schuldigen der Misere erklärt. Auch dieses Jahr sind rund 4.900 Jugendliche wieder in berufsvorbereitenden Maßnahmen oder in schulischen Maßnahmen zur Verbesserung der Ausbildungsreife oder zum Erwerb eines höheren Schulabschlusses eingemündet. Sie werden nicht mehr als unvermittelte Bewerber gezählt und wollten doch nichts anderes als einen Ausbildungsplatz. Weitere rund 5.600 Ausbildungsstellen werden in außerbetrieblicher Form angeboten. Dies sind etwa 35 Prozent aller Ausbildungsstellen, deren Finanzierung Jahr für Jahr rund 70 Mio. € kostet. Um auch hier keinen falschen Eindruck aufkommen zu lassen, wir wollen diese Finanzierung und wir wollen das außerbetriebliche Angebot, weil das Angebot der Betriebe bei Weitem nicht ausreicht. Wenn wir aber das Berufsvorbereitungsangebot und die außerbetriebliche Ausbildung addieren, dann wird klar, längst ist die klassische duale Ausbildung und deren wesentliche Finanzierung durch die Wirtschaft eher die Ausnahme als die Regel. Ich nannte es schon, vor dem Hintergrund eines Rekordanteils von 48,1 Prozent Altnachfragern war spätestens, allerspätestens in diesem Jahr der Handlungsbedarf offenkundig. Deshalb war der Vorschlag des DGB, 50.000 Berufsausbildungsstellen in außerbetrieblichen Einrichtungen durch den Einsatz von Überschüssen der Bundesagentur für Arbeit zu finanzieren, zwar nicht die Lösung der Gesamtproblematik, aber es wäre immerhin ein Befreiungsschlag gewesen, ein Befreiungsschlag, der uns allein in Thüringen ca. 2.000 zusätzliche Ausbildungsplätze eingebracht hätte, der 2.000 jungen Thüringern geholfen hätte. Dies war in der Großen Koalition nicht durchzusetzen und der jetzt gefundene Kompromiss eines Sonderprogramms für 7.500 junge Menschen bundesweit wird meiner Ansicht nach der Problematik nicht gerecht. Es ist auch nicht damit getan, einigen wenigen Jugendlichen seitens der Industrie- und Handelskam

mer in Erfurt Hoffnung auf Ausbildungsplätze zu machen, wenn sie ihre Leistungen verbessern. Nicht die Jugendlichen sind Schuld, das Berufsbildungssystem und seine Finanzierung sind endlich zu hinterfragen,

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

denn dessen verleugnete Misere hat Folgen, langfristige Folgen. Tausende junger Menschen werden Jahr für Jahr in die blanke Hoffnungslosigkeit entlassen. Die Zahl langzeitarbeitsloser junger Menschen ohne Ausbildung in den ARGEn und optierenden Kommunen sprechen für sich. Mehr als 6.000 junge Leute sind nach den Angaben der Bundesagentur für Arbeit auch dieses Jahr wieder unter der Rubrik „Sonstiger Verbleib“ aufgeführt. Wir alle wissen, dass ein beträchtlicher Teil dieser Jugendlichen über kurz oder lang als Langzeitarbeitslose ohne Ausbildung im SGB II registriert werden. Das ist die Situation und sie bietet wirklich keinen Anlass für einen Erfolgsbericht.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Darauf zu hoffen, dass aufgrund der demographischen Entwicklung irgendwann das Problem gelöst wird und bis dahin untätig die Dinge schönzureden, das wäre aus meiner Sicht makaber und zynisch. Ich prognostiziere Ihnen schon heute, diese Problematik wird sich auch in den nächsten Jahren nicht grundlegend verändern, wenn wir nicht gewillt sind, endlich die Karten auf den Tisch zu legen und die Realitäten zur Kenntnis zu nehmen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Diese Realität besteht darin, dass sich große Teile der Wirtschaft aus der Verantwortung für Berufsausbildung gestohlen haben und freiwillig nicht wieder gewillt sein werden, diese Verantwortung jemals wieder aufzugreifen. Auch hier sprechen die Thüringer Zahlen eine deutliche Sprache. Von 11.859 im Jahre 2004 über 10.739 im vergangenen Jahr auf nunmehr 10.508 betriebliche Ausbildungsstellen ist das Angebot gesunken, also über 11 Prozent seit zwei Jahren. Nur zur Erinnerung: Wir hatten zum Zeitpunkt des höchsten Angebots 1997 rund 21.000 betriebliche Ausbildungsstellen, wir haben jetzt nur noch die Hälfte. Deshalb ist es gut, sich auch heute in diesem Landtag wieder mit der Problematik zu beschäftigen, aber es darf nicht dabei bleiben, wir sollten nicht in Rituale verfallen. Deshalb abschließend zu den unter Ziffer 2 aufgeführten Forderungen der Kolleginnen und Kollegen der Linkspartei.PDS. Wir können Ihre Forderungen überwiegend teilen, aber eben nicht in allen Teilen. Man kann trefflich darüber streiten, ob die Steigerung der betrieblichen Ausbildungsplätze um jeweils 20 Prozent realistisch ist oder ob

dies eine Forderung ist, die von vornherein eigentlich dazu dient, den Ausbildungspakt nicht abzuschließen. Es wäre meines Erachtens schon ein Fortschritt, wenn die eben von mir genannten Rückgänge während der letzten zwei Jahre von der Wirtschaft kompensiert wären. Dort aber, wo Sie unter Ziffer 2 als auch unter Ziffer 4 in die Tarifautonomie eingreifen wollen, liebe Kolleginnen und Kollegen der Linkspartei.PDS, werden wir Ihrem Antrag nicht folgen können. Ausbildungsvergütungen werden in Verhandlungen zwischen den Tarifpartnern festgelegt und nicht etwa in einem Ausbildungspakt.

Wir wollen keine branchenbezogene, tarifvertraglich abgesicherte Umlagefinanzierung per Gesetz, weil der Gesetzgeber möglichst nicht in Tarifverträge einzugreifen hat. Stattdessen sind wir für die konsequente Anwendung der bestehenden gesetzlichen Grundlagen. Schließlich ist unter Rot-Grün ein Gesetz entstanden, welches ich nicht verwässert haben möchte. Mir ist auch klar, es gehört zur Anerkennung politischer Machtverhältnisse in Berlin, dass weder die jetzige Koalition das Gesetz nutzen wird noch RotGrün das Gesetz genutzt hat. Allerdings kommt eine Zeit nach 2009 und wir werden keine politischen Steilvorlagen zum Abbau grundsätzlich vorhandener Möglichkeiten geben. Es gibt nämlich immerhin eine Funktion, die das Gesetz auch ohne Anwendung erfüllt. Es erschwert den weiteren Rückzug der Wirtschaft aus der Verantwortung und bestärkt die Verhandlungsposition der Bundesregierung mit der Wirtschaft, wenn es um die Bereitstellung von Ausbildungsplätzen geht. Das ist nicht viel, aber wir wissen, es könnte noch schlimmer kommen. Unabhängig von diesen von mir aufgezeigten Differenzen zur antragstellenden Fraktion plädiere ich dafür, den Antrag in den zuständigen Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit zu überweisen. Wir wollen uns dort wegen der Fortschreibung eines Ausbildungspakts gemeinsam mit den möglichen Vertragspartnern ohne ideologische Scheuklappen zusammensetzen. Wir wollen uns damit auseinandersetzen, wie denn berufliche Ausbildung in ausreichendem Umfang in Zukunft in Thüringen zu realisieren ist und wer welche Verantwortung zu übernehmen hat. Davon aber waren die bisherigen Ausbildungspakte weit entfernt. Deshalb beantrage ich namens meiner Fraktion die Überweisung dieses Antrags an den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit. Sollte die Mehrheit des Thüringer Landtags diesem Vorschlag nicht folgen, können wir aufgrund der genannten Differenzen dem Antrag nicht zustimmen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Abgeordnete Hennig, Die Linkspartei.PDS.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, in diesem Haus gilt wohl heute auch, neuer Tag - neues Glück für mich.