Protokoll der Sitzung vom 24.11.2006

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 5 und rufe auf den Tagesordnungspunkt 6

Erfahrungsbericht zur Thü- ringer Bauordnung 2004 Beratung des Berichts der Landesregierung - Drucksa- che 4/2231 - auf Verlangen der Fraktion der CDU dazu: Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 4/2232 -

Die CDU hat nicht beantragt, diesen Antrag zu begründen. Der Bauminister hat noch einmal darauf hingewiesen, dass sicher seit dem Sommer des Jahres alle die Gelegenheit hatten, diesen Erfahrungsbericht ausreichend zu studieren, so dass ich die Aussprache eröffnen kann. Ich rufe als Ersten in dieser Aussprache auf den Abgeordneten Kalich von der Fraktion der Linkspartei.PDS.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, heute nun im dritten Anlauf ist der Tagesordnungspunkt endlich auf der Tagesordnung. Er ist an einem Platz, der zu schaffen war, wo man gestern fast noch ein paar Bedenken hatte.

Heute liegt uns der Bericht über die zwischenzeitlich gesammelten Erfahrungen mit der novellierten Thüringer Bauordnung zur Beratung vor. Zu Beginn meiner Ausführungen möchte ich etwas zum Evaluierungsverfahren sagen. Festzustellen ist, dass sich die Behörden selber evaluieren sollen. Dies sollte man aber nicht von denjenigen machen lassen, die von den Einsparungen der beabsichtigten Verwaltungsverschlankung, die Zielstellung der Novellierung ist, betroffen sind. Dies ist der Sache nicht dienlich, werden sich doch die Behörden nicht selbst weg

rationalisieren. Wir fordern daher künftig die Evaluierung durch Externe.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, nun zum Bericht an sich. Mit dem Inkrafttreten der neuen Thüringer Bauordnung im Jahr 2004 sollte das Baugenehmigungsverfahren beschleunigt und vereinfacht werden. Im Mittelpunkt standen dabei die Entlastung der Bauaufsichtsbehörden von präventiver Kontrolle und die Delegierung der Verantwortung auf Private. Das Bauen sollte für die Bauherren einfacher, schneller und kostengünstiger gemacht werden, so ist es in der zwölfseitigen Informationsbroschüre „Neue Thüringer Bauordnung“ zu lesen. Die bei Einführung der neuen Bauordnung herrschende Überzeugung, dass durch verantwortungsbewusste Bauherren, kompetente Planer und aufgeschlossene Bauaufsichtsbehörden die Thüringer Bauordnung ein Erfolg wird, ist durch den Bericht zumindest relativiert, spricht er den verantwortungsbewussten Bürgern und kompetenten Planern doch die Verantwortung und Kompetenz ab. Diese kämen ihrer Verantwortung, ausreichend zu planen, nicht immer nach. Durch verstärkte Kontrollen soll nun darauf hingewirkt werden, nachzulesen unter Punkt 12 der allgemeinen Erfahrungen zur Thüringer Bauordnung. Zu dieser Einschätzung kommen 88 Prozent der befragten Bauaufsichtsbehörden, 79 Prozent der Befragten haben sogar Zweifel an der Qualifikation vieler Entwurfsverfasser. Diese Einschätzung, die im Übrigen von den beteiligten Mitgliedern der Architekten- und Ingenieurkammer nicht geteilt wird, sollte insbesondere hinsichtlich des Vorhabens der Landesregierung, mit der Novellierung des Architekten- und Ingenieurkammergesetzes die Ausbildungsstandards abzusenken, zu denken geben. Danach ist beabsichtigt, dass bereits ein dreijähriges Studium für Innen- und Landschaftsarchitekten sowie Stadtplaner zum Regelabschluss führt und für den Eintrag in die Kammer die notwendigen Voraussetzungen schafft. Auch um die Berufsbezeichnung „beratender“ oder „bauvorlagenberechtigter Ingenieur“ zu führen, soll künftig ein dreijähriges Studium ausreichend sein. Ob die nach dreijährigem Studium erworbenen Kenntnisse reichen, um eigenverantwortlich in diesen Berufen zu arbeiten und den hohen Qualitätsanforderungen gerecht zu werden, wird von den einschlägigen Fachverbänden verneint und ist auch vor dem Hintergrund des Berichts nunmehr zumindest zweifelhaft. Aber darüber können wir ja noch ergebnisorientiert debattieren, wenn der Entwurf dem Landtag vorliegt.

Die Überzeugung, dass die neue Bauordnung Wirkung zeigen wird, lässt sich der Minister jedoch nicht nehmen. Im Moment sieht er die Zielstellung zwar noch nicht gänzlich erreicht, sieht dies aber im Wesentlichen unter anderem auch dem Umstand geschuldet, dass nach Auslaufen der Übergangvorschriften das neue Bauordnungsrecht erst seit die

sem Jahr uneingeschränkt gilt, und ist für die Zukunft optimistisch. Die Linkspartei.PDS kann den Optimismus gegenwärtig noch nicht teilen. Die Zielstellung Entbürokratisierung durch Verwaltungsvereinfachung und -beschleunigung ist noch nicht eingetreten. Im Gegenteil, die finanziellen Lasten der Kommunen steigen infolge des erhöhten Kontroll- und Beratungsaufwands. Die Bauaufsichtsbehörden haben mehr Ausgaben, aber weniger Einnahmen. So ist es auch dem Bericht zu entnehmen. Der Systemwechsel vom Genehmigungs- zum Kontrollverfahren hat daher bisher kaum Erleichterung gebracht und führt letztendlich bisher auch nicht zu einer Arbeitsentlastung in den Behörden. Dies möchte ich an einigen Punkten erläutern.

Es hat sich zwar die Anzahl der Verfahren um 35 Prozent reduziert, diese Verringerung wird jedoch durch den nachträglichen Kontrollaufwand und den gestiegenen Beratungsbedarf konterkariert. Weniger Fälle sind hier tatsächlich mehr. Eine schnelle Bearbeitung von Bauanträgen infolge der Novellierung ist nicht zu verzeichnen. Hat die durchschnittliche Genehmigungszeit doch schon vor Novellierung im Durchschnitt nur 2,5 Monate betragen. Auch führen zwei Drittel der Befragten die im Bericht festgestellte Beschleunigung der Verfahren im Wesentlichen darauf zurück, dass das vorhandene Personal mit weniger Baugenehmigungen zu tun hat. In 146 Fällen wurde sogar die gesetzlich vorgeschriebene Drei-Monats-Frist überschritten. Diese Antwort kann man einer Kleinen Anfrage entnehmen. Die Folge daraus ist: Die Genehmigung gilt als erteilt. In 13 Fällen erfolgte dann ein Widerruf, so dass sich das unkalkulierbare Rücknahmerisiko für die Bauherren verwirklicht und das Haftungsrisiko der Behörde, dass durch die Verwaltungsvereinfachung eigentlich vermindert werden soll, erhöht hat. Auch die für das Fristversäumnis angeführten Gründe - organisatorische Probleme, zeitliche Überlastung - sind ein Anzeichen dafür, dass statt der erhofften Arbeitsentlastung in den Ämtern sogar eine Belastung eingetreten ist. Die nunmehr ausschließlich repressive Verwaltungstätigkeit ist umfänglicher und damit ein Verwaltungsmehraufwand, was der Anstieg der Ordnungsverfügungen, den immerhin 40 Prozent der Befragten verzeichnen, belegt. Statt von vornherein Rechtsverstöße auszuschließen, beschränkt sich die Verwaltungsaufgabe nun auf die nachträgliche Kontrolle. Mit der nachträglichen Feststellung eines Rechtsverstoßes ist es jedoch nicht getan, vielmehr muss dieser durch Erlass von Ordnungsverfügungen beseitigt werden. In der Folge führt dies auch zu vermehrter Inanspruchnahme der Gerichte. In Anbetracht langwieriger Gerichtsverfahren kann auch insofern von Verwaltungsbeschleunigung keine Rede sein. Die Linkspartei.PDS spricht sich grundsätzlich für die Verwaltungsvereinfachung aus, aber nicht um jeden Preis.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Die Risiken und finanziellen Lasten werden hier auf den Bauherren und andere Betroffene verlagert, die keinerlei Rechts- und Investitionssicherheit mehr haben. Der erhöhte Beratungsaufwand der Behörden und die Beseitigung von Planungsmängeln binden Personal und verursachen Kosten. Wenn auf Seite 31 des Berichts geäußert wird, dass sich die Umsetzung der Ziele der Konzentration staatlicher Tätigkeit auf wesentliche Kernbereiche der Verringerung der hoheitlichen Prüfung und Überwachungstätigkeit, der Stärkung der Eigenverantwortung der Bauherren und der übrigen am Bau Beteiligten auf einem guten Weg befinden, dann steht dies im Widerspruch zu allem im Bericht Vorangestellten und zeugt von Realitätsverlust.

Erlauben Sie mir noch eine kurze Bemerkung hinsichtlich der damals seitens meiner Fraktion eingebrachten Änderungsanträge. Als Beispiel möchte ich zunächst die Teilungsgenehmigung herausgreifen. Mit der Novellierung der Thüringer Bauordnung wurde auf das Erfordernis der bauordnungsrechtlichen Teilungsgenehmigung verzichtet. Dem galt die Kritik meiner Fraktion. Mit einem entsprechenden Änderungsantrag forderten wir, dass die Teilung eines Grundstücks, das bebaut oder dessen Bebauung genehmigt ist, zu ihrer Wirksamkeit der Genehmigung der Gemeinde bedarf. Die kommunale Genehmigungspflicht schützt das Planungs- und Gestaltungsinteresse der Kommune und beugt nachträglich zivilrechtlichen oder verwaltungsrechtlichen Auseinandersetzungen vor. So unsere damalige Antragsbegründung. Wenn es nun im Bericht heißt, dass bei 40 Prozent der Bauaufsichtsbehörden vermutet wird, dass eine größere Anzahl der Teilgenehmigungen materiell rechtswidrig ist, fühlen wir uns in unserer Auffassung mehr als bestätigt. Auch die Debatte um das barrierefreie Bauen ist aus Sicht meiner Fraktion noch nicht ausgestanden. Hier fordern wir nach wie vor, dass angesichts einer wachsenden Zahl von Menschen mit Behinderung und Senioren barrierefreie Wohnungen und Gebäude nicht mehr im Interesse einer gesellschaftlichen Minderheit liegen, sondern baulicher Standard werden sollen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Nur eine konsequente Durchsetzung der Barrierefreiheit ist in unserem Sinne. § 53 Abs. 1 enthält insofern keine klaren gesetzlichen Regelungen, weil nur von barrierefreier Erreichbarkeit oder Zugänglichkeit der Wohnungen gesprochen wird. Er verlangt aber ausdrücklich, dass die Wohnungen auch rollstuhlgerecht sein müssen, also ohne fremde Hilfe erreicht und zweckentsprechend genutzt werden können. Tatsächliche Barrierefreiheit haben wir damit nicht erreicht. Dass Rollstuhlfahrer und andere mo

bilitätsbehinderte Menschen dennoch ständig auf fremde Hilfe angewiesen sind, wenn sie die Räume nicht selbständig nutzen können, wird ignoriert. Hier ist eine gesetzliche Klarstellung erforderlich. Aus Sicht meiner Fraktion gilt Wohnraum dann als barrierefrei, wenn Wohn- und Schlafräume, eine Toilette, ein Bad sowie die Küche oder Kochnische barrierefrei nutzbar sind, so der entsprechende Änderungsantrag meiner Fraktion im Jahre 2004.

Des Weiteren halten wir auch die Kritik an Absatz 4 aufrecht, der dazu berechtigt, sich der Verpflichtung barrierefreien Bauens zu entziehen, wenn man vermeintlich ungerechtfertigte wirtschaftliche Aufwendungen nicht bereit ist zu tragen. Absatz 4 führt nämlich derzeit in der Praxis überwiegend zum Ausschluss des § 53, so dass nicht grundsätzlich, sondern ausnahmsweise barrierefrei gebaut wird.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, abschließend lässt sich feststellen: Entgegen der Behauptung der Landesregierung, im Rahmen der Novellierung im Jahre 2004 ist es nicht zu kurzfristigen wahrnehmbaren Effekten gekommen. Wenn überhaupt Effekte eintreten, dann nur mittel- bzw. langfristig. Die im Jahr 2004 seitens der Landesregierung verbreitete Euphorie hat sich verflüchtigt. Alles, was zugesagt wurde, ist bisher nicht eingetreten. Daher sollte aus Sicht meiner Fraktion darüber nachgedacht werden, ob nicht doch eine Nachjustierung in Einzelbereichen zu erfolgen hat. Zum Beispiel hinsichtlich des einhellig festgestellten höheren Beratungs- und Kontrollaufwandes muss der Verordnungsgeber handeln durch Einführung eines Gebührentatbestands oder die Erhöhung der Auftragskostenpauschale. Wenn hier keine Reaktion des Verordnungsgebers erfolgt, kündige ich schon heute an, dass wir dabei aktiv werden. Eine sachliche Diskussion im Ausschuss unter Einbeziehung der Fachverbände wird von meiner Fraktion ausdrücklich gewünscht. Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Für die SPD-Fraktion hat sich Frau Abgeordnete Doht zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, mit der Novelle der Thüringer Bauordnung im Jahre 2004 waren neben materiellen Änderungen vor allem verschiedene Verfahrensvereinfachungen verbunden. Von besonderer Bedeutung waren Genehmigungserleichterungen, zum Beispiel das vereinfachte Verfahren, das Genehmigungsfreistellungsverfahren für Bauvorhaben in beplanten Baugebieten. Dies ent

sprach auch der Musterbauordnung und ist in ähnlicher Weise in den meisten Bundesländern Rechtslage. Die Regelungen zur Verfahrensvereinfachung waren nicht unumstritten, da ein erheblicher Teil der Verantwortung auf den privaten Bauherrn überging. Auch bestand die Befürchtung, dass Planungsmängel, die im Rahmen der Antragsprüfung bisher behoben werden konnten, jetzt ungeprüft umgesetzt werden. Die SPD-Fraktion hatte sich damals ihre Zustimmung nicht leicht gemacht. Einerseits waren auch wir für Verfahrensvereinfachungen - damit Abbau von Bürokratie und letztendlich auch Kostenersparnis für den Bauherrn -, andererseits sahen wir die Gefahr, dass Auseinandersetzungen von der verwaltungsrechtlichen jetzt auf die zivilrechtliche Ebene verlagert werden. Auch wir hatten damals Zweifel, dass alle Bauherrn und Planer den erhöhten Anforderungen gewachsen sind.

Nach der vorliegenden Überprüfung ist festzustellen, dass nach zwei Jahren von einer Mehrheit insbesondere die Änderung der Verfahrensbestimmungen nicht akzeptiert wird. Weiterhin wird von vielen darauf hingewiesen, dass der frühere umfassende Prüfumfang den Bauherren mehr Schutz und Sicherheit brachte und weniger Schadensfälle zur Folge hatte. Mehr Akzeptanz gab es hinsichtlich der inhaltlichen Änderung. In dem Bericht der Landesregierung wird dargestellt, dass die Zahl von Genehmigungsverfahren oder auch die Dauer von Verfahren sich verkürzt habe. Inwieweit dies auf den allgemeinen Rückgang des Baugeschehens zurückgeführt werden kann, bleibt jedoch offen.

Zum Bericht an sich: 28 Bauaufsichtsbehörden und das Landesverwaltungsamt wurden befragt. Wir sind schon der Auffassung, dass die Bauaufsichtsbehörden auch hier der geeignete Ansprechpartner sind, denn hier ist das notwendige Fachwissen und die Erfahrung vorhanden. Hinzu kamen, dass kommunale Spitzenverbände, Kammern, Bau- und Wohnungswirtschaft und andere Träger öffentlicher Belange die Gelegenheit zu einer Stellungnahme erhielten, so dass wir davon ausgehen, dass hier auch ein objektiver Erfahrungsbericht vorliegt, der nicht nur davon geprägt ist, dass man die eine oder andere Stelle in der Bauordnungsbehörde aufrechterhalten will. Durch Wegfall bzw. die Reduzierung hoheitlicher Prüfung durch die Bauaufsichtsbehörden ist der Bauherr bzw. der Planer für die Einhaltung der Anforderungen zuständig. Ich hatte es bereits erwähnt. In vielen Fällen dürfte der Bauherr mit dieser Anforderung überfordert sein. Das heißt, er muss sich auf seinen Planer, auf seinen Architekten oder Bauingenieur verlassen können.

Der Bericht zeigt, 88 Prozent gehen mit der Einhaltung dieser Anforderungen nicht besonders verantwortungsbewusst um. Das zeigt der Anstieg von Buß

geldmaßnahmen und Ordnungsverfügungen; auch von einer nicht ausreichenden Qualifikation der Bauvorlageberechtigten ist im Bericht die Rede. Hier muss ich den Ball weiter an die Kammern spielen - an die Architektenkammer, an die Ingenieurkammer -, sie waren 2004 diejenigen, die am meisten auf die Novelle der Bauordnung, auf Verfahrensvereinfachungen gedrungen haben, auch mit dem Argument, dass ein Architekt oder Bauingenieur eine Bauordnung gern hätte, die sich an die Musterbauordnung anlehnt, um nicht, wenn er in einem anderen Bundesland tätig wird, sich wieder mit völlig anderen Regelungen auseinandersetzen zu müssen - ein Argument, dem wir durchaus folgen könnten. Nur, ich denke, wir müssen jetzt auch sagen, die Kammern müssen ihrer Verantwortung hier auch stärker gerecht werden, wenn es um Weiterbildung geht, um die Planer, Architekten zu schulen. Denn während früher der Bauherr mit der Baugenehmigung eine umfassende Genehmigung hatte, ist heute, wenn Architekten und Planer Fehler machen, das nicht mehr gewährleistet und letztendlich liegt dann der Schwarze Peter auch beim Bauherrn. Während früher, wenn die Planung fehlerhaft war, der Bauantrag versagt wurde, steht heute im schlimmsten Fall die Abrissverfügung im Raum. Der Bericht zeigt ja auch, dass die Bauaufsichtsbehörden verstärkt mit der Bauüberwachung beschäftigt waren, so dass bislang aufgrund der vereinfachten Verfahrensregelungen noch keine größere Zeiteinsparung aufzuzeigen war. Hinzu kam, dass die Zahl der Bauanträge insgesamt rückläufig war und wir aber letztendlich trotzdem keine durchgängige Verfahrensbeschleunigung haben, weil es auch verfahrensverlängernde Umstände im Verantwortungsbereich des Bauherrn oder der Planer gab.

Die Gebühreneinnahmen für die Bauordnungsämter sind um 30 Prozent zurückgegangen. Die besetzten Stellen wurden auch reduziert, aber letztendlich konnte keine durchgängige Entlastung der Bauordnungsämter festgestellt werden, da, wie gesagt, der Beratungsaufwand wesentlich höher ist. Wenn man sich die Qualität der Planungen anschaut, dann weist der Bericht eine Zunahme mangelhafter Planungen aus und das Problem ist - ich sagte es eben -, Planungsmängel sind oft erst nach Objektfertigstellung erkennbar, was letztendlich für den Bauherrn enorme Probleme bringen kann.

Zu den einzelnen Bestimmungen noch: Die Einteilung in Gebäudeklassen wird von 92 Prozent der Befragten als sachgerecht beurteilt. Probleme gab es aber auch wiederholt bei der Einstufung von Anbauten oder auch bei Hanglagen, wo auch pfiffige Planer und Architekten dann manchmal versucht haben, das so einzustufen, dass die geringstmöglichen Anforderungen da sind. Positiv sind die Regelungen der Brandschutzanforderungen aufgenommen worden.

Vereinzelte Probleme gab es bei Stellplatznachweisen. Das Thema Barrierefreiheit ist hier auch schon angesprochen worden; diese Regelungen wurden mit großer Mehrheit akzeptiert. Allerdings, auch hier versucht der eine oder andere die Öffnungsklausel, die bei unverhältnismäßig hohem Mehraufwand die Anforderungen an die Barrierefreiheit herabsetzt, so für sich auszulegen, dass schon überhaupt jeglicher finanzieller Mehraufwand als unverhältnismäßig deklariert wird. Gerade im vereinfachten Genehmigungsverfahren ist hier auch eine Durchsetzung schwer möglich. Probleme gab es auch bei der Zuordnung zur Verfahrensart. Da wurden Sonderbaueigenschaften nicht erkannt oder man wollte sie nicht erkennen. Hier gibt der Bericht nicht bis zum Letzten Aufschluss. Falsche Einstufungen in Gebäudeklassen waren die Folge davon. Das ist, wie gesagt, teils aus Unkenntnis geschehen, aber teils auch, um verfahrensfrei oder im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren schneller zum Bau zu kommen.

Es wurde insgesamt eine Zunahme bei materiell rechtswidrigen Baumaßnahmen festgestellt und - ich hatte eingangs schon darauf hingewiesen - früher sind die Bauordnungsbehörden bereits bei der Erteilung der Baugenehmigung eingeschritten; heute wird vieles erst nach Fertigstellung erkannt. Ein Problem ist auch die Verfahrensfreiheit bei Abbrüchen, weil oftmals die Standsicherheit der Nachbargebäude nicht nachgewiesen wurde. In der Stadt Eisenach gab es vorgestern Abend eine Bürgerversammlung und da war gerade das ein Thema, was von vielen angesprochen worden ist: Was ist mit meinem Haus, wenn der Nachbar abreißt? Das ist ein Problem. Einen Anteil von mehr als 10 Prozent rechtswidriger Bauvorhaben gibt es auch bei der Genehmigungsfreistellung. Problematisch scheint auch das vereinfachte Baugenehmigungsverfahren. Wie gesagt, ich möchte es noch einmal erwähnen, der Bauherr kann viele Dinge nicht wissen, er hat dazu nicht die Ausbildung. Hier sind insbesondere die Planer in der Verantwortung. Ich appelliere von dieser Stelle auch noch mal an die Kammern, hier ihrer Aufgabe stärker gerecht zu werden, was die Aus- und Weiterbildung der Planer betrifft.

(Beifall bei der SPD)

Kritisch gesehen wird auch ein Verzicht auf eine behördliche Überwachung der Bauausführung. Wie gesagt, im Nachhinein wird dann oftmals festgestellt, dass das Bauvorhaben nicht so ausgeführt wurde, wie es die Baugenehmigung aussagt oder wie es im genehmigungsfreien Verfahren bestimmt ist.

Das Thema „Teilungsgenehmigung“ ist hier auch schon angesprochen worden. Es ist damals sehr intensiv in den Ausschussberatungen diskutiert worden. Wir hatten damals einen Kompromiss gefunden,

dass die Teilungsgenehmigung zwar wegfällt, dass ein Bauherr oder ein Grundstückseigentümer, wenn er sich aber nicht ganz sicher ist, ob eine Grundstücksteilung auch wirklich allen rechtlichen Vorgaben entspricht, dies durch die Bauordnungsbehörden prüfen lassen kann. Das ist bislang sehr wenig in Anspruch genommen, deswegen gibt es wahrscheinlich auch eine hohe Dunkelziffer von rechtswidrigen Grundstücksteilungen. Das Problem ist auch wieder, dass letztendlich der Grundstückseigentümer, der so ein Grundstück erwirbt und dann bebauen will, vielleicht vor Probleme gestellt wird, die letztendlich ein Bauvorhaben gar nicht zulassen.

Probleme bei der Nachbarbeteiligung: Auch hier haben Beratungsgespräche mit den Nachbarn deutlich zugenommen.

Insgesamt weist dieser Bericht doch eine ganze Reihe von Problemen auf und bestätigt auch die Befürchtungen, die damals in den Beratungen geäußert wurden, auch von den Anzuhörenden. Wie gesagt, wir haben uns damals alle die Entscheidung nicht leicht gemacht, aber ich möchte heute nicht so weit gehen, zu sagen, wir ändern hier sofort einige Dinge, nehmen sie wieder zurück, sondern wir sollten auch mal im Auge behalten, der Prüfungszeitraum für diesen Erfahrungsbericht hat ein Jahr betragen. Die Tatsache, dass wir im Vergleich zur alten Bauordnung doch letztendlich einen Systemwechsel durchgemacht haben, sollte uns heute dazu bringen, dass wir diesen Erfahrungsbericht fortschreiben, dass wir sehen, ob die Probleme sich legen, und nach einem längeren Zeitraum erst zu der Entscheidung kommen, müssen wir an der einen oder anderen Stelle nachjustieren oder wieder auf die alte Gesetzesgrundlage zurückgehen. Deswegen möchte ich heute seitens meiner Fraktion hier den Antrag stellen, dass wir zum einen den Erfahrungsbericht noch einmal intensiv im Ausschuss für Bau und Verkehr diskutieren und dass zum zweiten der Erfahrungsbericht über mindestens drei Jahre fortgeschrieben wird, um danach noch einmal anhand fundierter Grundlagen zu entscheiden, wie verfahren wir mit der Bauordnung weiter, denn letztendlich - ich sage das hier auch - ist das kein Thema, das man ideologisch besetzen kann. Es muss uns allen darum gehen, dass wir zu geordneten Verhältnissen in unseren Städten und Gemeinden kommen. In diesem Sinne werbe ich auch für die Zustimmung zu unseren beiden Anträgen.

(Beifall bei der SPD)

Für die CDU-Fraktion hat sich Abgeordneter Bergemann zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben in der letzten Legislatur bei der Beschlussfassung über die Novellierung der Bauordnung im Januar 2004 die Landesregierung gebeten, nach zwei Jahren einen Bericht über die gesammelten Erfahrungen zu geben. Der Bericht liegt hier in 35 Seiten vor. Ich möchte an der Stelle auch mal Danke sagen, vor allen Dingen dem Ministerium für Bau und Verkehr, dass tatsächlich dieser Bericht auch nicht der Diskontinuität anheimgefallen ist - das hätte ja auch passieren können aus der 3. Legislatur. Vielen Dank, dass wir heute darüber sprechen können.

(Beifall bei der CDU)

Ich nehme es gleich vorweg, da sind wir uns einig - Frau Kollegin Doht hat das auch noch mal betont -, das ist ein Thema, worüber wir tatsächlich im Ausschuss noch mal sprechen sollten. Auch wir als Fraktion sind sehr dafür, dass die Erfahrungen weiter ausgewertet werden, weil der Berichtszeitraum tatsächlich sehr kurz war. Das ist Tatsache. Natürlich gab es auch unvorhergesehene Schwierigkeiten. Das ist in so einem Prozess auch ganz normal, dass man nicht alles erfassen kann. Nur, Herr Kollege Kalich, wenn ich Ihren Ausführungen gefolgt bin, da habe ich an keiner Stelle so ein Stück positiven Ansatz gesehen bei der Novellierung, den wir uns alle gemeinsam vorgenommen haben. Man kann natürlich über alles kritisch hinweggehen. Ich glaube, dazu werden wir im Ausschuss auch noch die Gelegenheit haben, weil bei dem, was Sie hier vorgetragen haben, konnte man wirklich nichts Positives erkennen. Denn, ich meine, trotz all dieser Schwierigkeiten hat sich die Novellierung der Bauordnung auch bewährt. Die Bürger können schneller und sie können auch kostengünstiger bauen als vor Inkrafttreten der Änderung. Das ist die Tatsache. Natürlich ging auch dem Erfahrungsbericht eine gründliche Analyse voraus. Frau Kollegin Doht hat das aufgezählt. Ich will das nicht alles wiederholen. Die kommunalen Spitzenverbände, die Kammern, alle die dabei waren, die Handwerkskammer, die Verbände, das sind doch die, die damit umgehen und arbeiten müssen. Da brauche ich keine externe Erhebung zu machen, sondern die Betroffnen, die damit arbeiten müssen, das ist genau der Punkt,

(Beifall bei der CDU)

alle sind vom Ministerium befragt worden. Es gab von den Bauaufsichtsbehörden einen 15-seitigen Fragebogen, der beantwortet wurde. Wir haben das ja alles nachlesen können. Das Erstaunliche ist schon, dass von den bestimmten Verbänden oder von beteiligten Verbänden sehr geringe Rückäußerungen oder kaum Stellungnahmen eingegangen sind. Nun

kann man darüber sicher trefflich streiten oder nachdenken, aber es ist halt so, dass es offensichtlich in der Praxis bis zum jetzigen Zeitpunkt keine grundsätzlichen Probleme gegeben hat. Aus der Erfahrung wissen wir alle ganz genau, wenn negative Änderungen in gravierender Form da wären, hätten wir das sofort entweder über die Medien, über die Öffentlichkeit erfahren oder entsprechend hätten die Betroffenen den Weg zu uns, zur Politik direkt gefunden. Das wissen wir doch aus der Praxis. Das ist nicht der Fall und deshalb glaube ich, man muss an dem Punkt natürlich auch noch ein paar Bemerkungen machen. Was war das Hauptanliegen? Natürlich auch das Zusammenspiel zwischen den Fachbereichen zu regeln. Das war einer der ganz wesentlichen Punkte. Die Übergangsregelungen führten auch dazu, dass Änderungen im bestimmten Untersuchungszeitraum - das ist angesprochen worden - bis Ende 2005 auch noch gar nicht in Kraft getreten sind. Ich denke z.B. an den Bereich des ganzen Umweltrechts. Wie der Erfahrungsbericht aber zeigt, wurden die eingegangenen Antworten ausgewertet. Einige Ergebnisse möchte ich hier noch einmal erwähnen.

Die Zahl der Baugenehmigungen und die personelle Besetzung der Bauaufsichtsbehörden sind jeweils um 30 Prozent zurückgegangen. Das hat Frau Kollegin Doht, glaube ich, auch schon erwähnt. Ursache dürfte aber nicht nur der allgemeine Rückgang des Baugeschehens sein, sondern insbesondere auch die Genehmigungsfreiheit vieler kleiner Maßnahmen. Ich will nur das Beispiel des Garagenbaus an der Stelle erwähnen. Die Dauer der Baugenehmigungsverfahren ist um ca. 10 Prozent zurückgegangen. Das sind in etwa acht Tage. Die Verfahrensdauer im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren beträgt rund zwei Wochen weniger als im normalen Genehmigungsverfahren.

Im materiellen Recht gibt es durch die Vielzahl auch tiefgreifender Änderungen zwar hin und wieder Unsicherheiten, bei einer Gesamtbewertung der Änderungen werden diese jedoch eher positiv gesehen.

Im Verfahrensrecht wird die Beschränkung des Prüfumfanges, insbesondere im vereinfachten Verfahren, mitunter als problematisch angesehen. Hier werden unter anderem die Anforderungen der Thüringer Bauordnung nicht mehr geprüft. Es ist zu vermuten, dass hinter dieser kritischen Bewertung auch ein mentales Problem steht, da die Anforderungen der Bauordnung den Schwerpunkt der fachlichen Zuständigkeit der Bauaufsichtsbehörden darstellen. In Genehmigungsfreistellungsverfahren wurde in rund 15 Prozent der Fälle die Durchführung eines Genehmigungsverfahrens verlangt. Diese hohe Zahl hängt damit zusammen, dass manche Gemeinden mit bauaufsichtlicher Zuständigkeit zum Schutz der Bau

herren häufig die Durchführung eines Verfahrens verlangen. Dadurch besteht die Möglichkeit, Planungsmängel zu bereinigen, bevor kostentreibende bauaufsichtliche Maßnahmen erforderlich werden. Über drei Viertel der Behörden sind der Auffassung, dass die Planer sich ihrer gestiegenen Verantwortung zu wenig bewusst und teilweise auch noch nicht in der Lage sind, dieser Verantwortung nachzukommen. Die Zahl repressiver Maßnahmen ist gestiegen. Bei rund 10 Prozent der Baumaßnahmen im Genehmigungsfreistellungsverfahren mussten die Behörden tätig werden. Welche Folgerungen können wir aus diesen Erfahrungen ziehen? Zunächst kann ich aus den Antworten einen unmittelbaren gesetzgeberischen Handlungsbedarf zurzeit jedenfalls nicht erkennen. Soweit die Beteiligten Probleme benennen, stehen dahinter weniger Mängel des Gesetzes, sondern viel mehr Unsicherheiten und bestimmte Missverständnisse. So sehen es viele Behördenmitarbeiter als problematisch an, Anforderungen insbesondere des Bauordnungsrechts nicht präventiv zu prüfen, sondern gegebenenfalls nur repressiv zu verfolgen. Das erfordert eine tiefgreifende Umstellung der bisherigen Denk- und Arbeitsweisen.

Die fast 250-jährige Tradition unserer Bauordnung war lange Zeit dadurch gekennzeichnet, dass den Bürgern weitgehend die Entscheidungsfreiheit und damit auch die Verantwortung abgenommen worden ist. Die Aufgabe der öffentlichen Hand beschränkt sich wieder auf das Einschreiten gegen die Missstände. Das ist eine Systemumstellung und klar ist auch, dass so eine Systemumstellung zu Unsicherheiten führen wird. Problematisch ist weiterhin, dass nach den Beobachtungen der Behörden Planer und Bauherren teilweise nicht bereit, manchmal auch nicht in der Lage sind, ihrer gestiegenen Verantwortung gerecht zu werden. Dadurch wird für einen gewissen Zeitraum bei den Bauaufsichtsbehörden noch ein erhöhter Kontroll- und Beratungsaufwand bestehen. Die meisten dieser Probleme können ohne Änderung der Thüringer Bauordnung aber gelöst werden, da es sich oft um Unsicherheiten bei der Rechtsanwendung handelt, die mit zunehmender Erfahrung auch ganz automatisch verschwinden werden. Um diesen Prozess zu unterstützen, sollte das zuständige Thüringer Ministerium für Bau und Verkehr auch einen engen Kontakt zu den Bauaufsichtsbehörden halten. Die Öffentlichkeitsarbeit zum Inkrafttreten der neuen Bauordnung wurde zum Beispiel durch den Druck von zwei Auflagen mit insgesamt 25.000 Exemplare durchgeführt. Damit ist die neue Bauordnung bekannt gemacht worden. Jeder hatte auch die Möglichkeit, sich darauf einzustellen.

Zusammenfassend kann ich sagen, die neue Bauordnung hat trotz der entstandenen und noch zu erwartenden Schwierigkeiten ihre Bewährungsprobe bestanden. Auch wenn wir in der Umsetzung mit

telfristig möglicherweise noch ein paar Korrekturen vornehmen müssen, ist der Systemwechsel gelungen. Ich könnte mir vorstellen, dass auch das gerade Vorbild für andere Rechtsbereiche sein könnte. Ich bitte am Ende noch einmal darum, diesen Bericht auch im Ausschuss für Bau und Verkehr weiterzuberaten, denn ich glaube schon, dass auch noch etwas Zeit erforderlich ist - zwei oder drei Jahre mindestens -, um dann noch einmal in einer Debatte über dieses und jenes Problem zu reden. Danke schön.