Protokoll der Sitzung vom 25.01.2007

(Zwischenruf Abg. Wehner, CDU: Das habe ich überhaupt nicht gesagt.)

(Beifall bei der SPD)

Sie haben das so dargestellt, als hätte es überhaupt keine andere Variante gegeben, als wäre es gottgegeben, dass man eigene Anlagen bauen muss.

(Zwischenruf Abg. Wehner, CDU: Das habe ich auch nicht gesagt, Herr Schu- bert. Hör auf, Junge!)

Ja, es ist okay, ich habe Ihnen gut zugehört, Herr Wehner. Aber Sie haben jetzt keine Redezeit mehr, deswegen können Sie nichts mehr dazu sagen.

Bei der ganzen Angelegenheit ist doch offensichtlich, dass von Anfang an bestimmte Leute unbedingt eine Anlage bauen sollten.

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Es gab politische Mehrheiten, die das wollten.)

Das ist aber so. Und wenn man sich einige Dinge dabei anschaut, die auch in der Presse zu lesen waren, dass nämlich die Firma, die sozusagen dann tatsächlich den Auftrag bekommen hat, die Hälfte der Vergleichssumme bezahlt, dann sind das schon einige Merkwürdigkeiten, die tatsächlich aufgeklärt wer

den müssen.

(Beifall bei der SPD)

Da will ich Ihnen mal sagen, ob es wirklich notwendig war, überhaupt eine Anlage zu bauen, das ist noch stark zu bezweifeln. Bei der Größenordnung von 160.000 Tonnen bin ich gespannt, wie sie diese zusammenbringen wollen. Mag sein, dass es zurzeit noch so ist, dass wir derzeit auf dem Markt zu viele Abfälle haben

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Herr Schubert,... Flugplatz Altenburg...)

und dass diese zu vielen Abfälle zurzeit einen hohen Preis bewirken und dass man für Müll heute in Verbrennungsanlagen viel Geld bezahlen muss, um ihn loszuwerden. Das mag jetzt kurzfristig ein Vorteil sein, wenn die Anlage in Betrieb geht. Aber wenn die ganzen Anlagen, die derzeit gebaut werden, in Sachsen-Anhalt, in Heringen, in Betrieb gehen, werden sich die Abfälle dort am Ende auf die kommunalen Bereiche reduzieren. Dann bin ich gespannt, wie sie ihre 160.000 Tonnen zusammenbringen wollen. Das haben sie so lange in die Reihe zu bringen, wie die Anlage betrieben wird; für mindestens 20 Jahre werden sie dieses Problem immer noch am Hals haben und das werden am Ende die Gebührenzahler zahlen müssen.

(Beifall bei der SPD)

Ich muss schon sagen, da hätte man als Entscheidungsträger eigentlich von vornherein ganz anders an die Sache herangehen sollen. Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen von Abgeordneten vor. Doch. Bitte, Herr Abgeordneter Wehner. Er darf ein drittes Mal und da hat er wieder fünf Minuten.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will noch mal versuchen, ein bisschen für Aufklärung zu sorgen an dieser Stelle. Dieser ZASt ist ein Zweckverband, der sich schon zu Beginn der 90er-Jahre gegründet hat. Dort gab es politische Mehrheiten, die gesagt haben, sie wollten dieses Problem in der Region selbst lösen. Dieses Problem der Müllentsorgung in der Region zu lösen, halte ich auch nach wie vor für sinnvoll. Wir sind ja nicht mit einer Anlage, die sich auf dem freien Markt irgendwelche Müllmengen suchen muss,

ausgestattet, sondern die im Wesentlichen aus einer Region ihren Müll bezieht, die Verbandsmitglied ist. Also dieser Müll steht dieser Anlage immer zur Verfügung. Und wenn man etwas neu baut, Herr Dr. Schubert, dann plant man natürlich auch immer für die Zukunft. Es hat auch niemand eine Wasserleitung gebaut für die Leute, die im Moment da sind. Wenn vielleicht ein Gewerbegebiet entsteht, wenn etwas Neues dazukommt, dann versucht man, letztendlich auch an die Zukunft zu denken.

(Zwischenruf Abg. Dr. Schubert, SPD: Die Einwohnerzahl sinkt.)

Nun geht es gar nicht darum, ob in dieser Region mehr Einwohner letztendlich leben, das ist überhaupt nicht die Frage, Herr Dr. Schubert,

(Zwischenruf Abg. Dr. Schubert, SPD: Doch, es ist so.)

sondern es geht darum, was wird mit Klärschlämmen in der Zukunft, was wird beispielsweise mit andienungspflichtigen Abfällen aus dem Bereich der Industrie, also Gewerbemüll, was im Moment noch sonstwo in Europa entsorgt werden kann? Wenn diese Mengen letztendlich dazukommen, dann können wir das über die eigene Anlage auch entsorgen.

(Glocke der Präsidentin)

Meine Damen und Herren, noch einmal: Der Gebührenzahler wird hier an der Stelle nur belastet, je länger das ganze Verfahren dauert. Ich sage auch noch einmal in Richtung Frau Leukefeld, man mag zwar politisch unterschiedlicher Auffassung gewesen sein, was man für eine Anlage will, aber die Ausschreibung war verfahrensoffen, ob Sie das nun wahrhaben wollen oder nicht. Der einzige mechanisch-biologische Anbieter, Herr Dr. Schubert, ist auf der Strecke geblieben. Es gibt keinen weiteren Anbieter. Er ist deswegen natürlich bei der Ausschreibung herausgefallen, weil er die Bankbürgschaft nicht liefern konnte. Die konnte er nicht liefern, weil er schon in wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu dieser Zeit war. Der Nachteil der mechanisch-biologischen Anlagenbetreiber ist eben, dass sie ca. 40 Prozent, nämlich dieses sogenannte Trockenstabilat, noch nicht entsorgen können und keine Entsorgungssicherheit für die Zukunft bieten können. Früher ist das - und das können Sie in Dresden nachschauen - an Zementwerke oder an Eisenverhüttung geliefert worden. Aber dort haben sich auch die Umweltvorschriften geändert. Man hat die BImSch verändert. Diese Betriebe dürfen solche Sachen auch nicht mehr verheizen. Das war der Tod der mechanisch-biologischen Anbieter an dieser Stelle. Das ist nun mal so. Wenn Sie das auch nicht zur Kenntnis nehmen wollen, dann tut es mir leid. Das Ganze, was wir hier jetzt

diskutieren, sind technische Sachen, die haben aber mit dem Thema der Aktuellen Stunde und mit diesem Landtag eigentlich überhaupt nichts zu tun. Das ist Sache eines Zweckverbandes gewesen, auf kommunaler Art und Weise organisiert,

(Beifall bei der CDU)

und der hat aus meiner Sicht diese Aufgabe auch sehr ernst genommen. Ich sage es auch zum wiederholten Male, es waren alle auch hier im Raum sitzenden Parteien mit ihren Verbandsräten dort anwesend. Die Verbandsversammlung hat ganz klare Beschlüsse mit Mehrheiten beschlossen. Die Stadt Suhl war übrigens - Frau Leukefeld, das wissen Sie auch - an dieser Stelle die Stadt oder die Gebietskörperschaft, die gegen diese Anlage auf Beschluss des Stadtrates Suhl gestimmt hat. Das muss man an dieser Stelle auch noch einmal deutlich sagen.

Als letzten Gedanken, meine Damen und Herren, ich sage noch einmal, wir leben in einem Rechtsstaat, und ob da nun bei diesem Verfahren irgendetwas nicht ordnungsgemäß gelaufen ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Ich habe aber das Vertrauen in den Rechtsstaat noch und ich gehe davon aus, dass das Ermittlungsverfahren in absehbarer Zeit abgeschlossen ist. Dann werdet Ihr mehr wissen. Die ganzen Unterstellungen, die über die Presse verbreitet werden, da wäre ich an dieser Stelle sehr, sehr vorsichtig. Ich finde es eigentlich schade, dass man auf diesem Niveau hier operiert und die Forderung mit Ihrem Baustopp, Frau Becker, die zeigt einmal mehr: Schuster, bleib bei deinen Leisten! Sie wissen teilweise überhaupt nicht, worüber Sie reden.

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Aber Sie wissen das, Herr Wehner?)

Die 30 Minuten Redezeit für die Abgeordneten sind abgelaufen. Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Möchte die Landesregierung reden? Bitte, Herr Staatssekretär Prof. Dr. Juckenack.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, ich war mir jetzt sehr unsicher geworden, ob ich noch reden sollte im Namen der Landesregierung und überhaupt hierzu gefordert bin. Ich war mir nämlich auch nicht mehr sicher, ob ich noch im Landtag bin. Das, was wir hier seit geraumer Zeit besprechen, ist nicht zwingend etwas, zu dem die Landesregierung etwas sagen kann.

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Doch, doch.)

Ich beziehe mich auf den Antrag und der lautet: „Aktuelle Situation bezüglich des Baus der Müllverbrennungsanlage in Zella-Mehlis“. Insoweit - Aktuelle Stunde - ist die Frage zu stellen und von mir die Antwort zu geben: Gibt es etwas Aktuelles hinsichtlich des Baus? Da kann ich Ihnen antworten: Es gibt nichts Aktuelles hinsichtlich des Baus. Nach unserem Erkenntnisstand wird die Anlage voraussichtlich im Sommer 2007 in Betrieb gehen. Das Thema ist ein klassisches Thema der kommunalen Selbstverwaltung. Es gibt die Zweckverbände, das wurde zu Recht von Herrn Wehner in dem letzten Redebeitrag noch einmal unterstrichen. Der ursprüngliche Antragstext betrifft hingegen die dahinterstehende Idee, aktuelle Vorwürfe aufzugreifen, und dieses wiederum ist ebenfalls kein zwingendes Thema für den Landtag, sondern eine Sache staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen und insofern auch nichts Neues vom Bau. Auch hier ist keine Zuständigkeit der Landesregierung.

Nun kommt aber der Punkt, der mich bewogen hat, doch hier zu reden, nämlich diffuse Vorwürfe in Richtung Landesregierung, die in weite, weite frühere Jahre zurückreichen, in einem Kompendium von Andeutungen und Mutmaßungen. Also, ich denke, da gibt es sicherlich die geeigneten Möglichkeiten im Rahmen eines gewählten Parlamentes, dies in geeigneter Form mit der Landesregierung auf den Punkt zu bringen. Dafür stehen wir gern zur Verfügung. Ich verwahre mich aber natürlich gegen pauschale Vorwürfe, die in die Richtung gehen, dort sei etwas seitens der Landesregierung verabsäumt worden oder eben gerichtet, gelenkt oder was auch immer erfolgt.

Meine Damen und Herren, das Thema, was uns als Schnittstelle mit der Landesregierung betrifft, ist das emissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Nicht nur das. … Landesabfallwirtschaftsplan.)

und dieses betrifft Grundeigentum und Vergaberecht und vertragsrechtliche Vereinbarungen nicht. Insofern, soweit es eben die benannten Verdachtsmomente anbelangt, kann ich hier nur erklären, es gibt keine Auswirkungen auf die emissionsschutzrechtlichen Fragen der Genehmigung. Der nun hier im Zusammenhang stehende Baustopp, die Forderung nach dem selbigen, ist nach unseren Kenntnissen beim Zweckverband Abfallwirtschaft Südwestthüringen vorgelegt und am 15.01.2007 abschlägig entschieden worden. Insofern ist das also auch ein Thema, was a) in der Zuständigkeit liegt und b) insofern auch nichts aktuell Neues hat. Zusammengefasst: Mehr ist zur aktuellen Situation tatsächlich nicht zu berichten. Vielen Dank.

Ich beende die Aktuelle Stunde und rufe auf den Tagesordnungspunkt 5

Beratung des Zwischenberichts der Enquetekommission „Zu- kunftsfähige Verwaltungs-, Ge- meindegebiets- und Kreisgebiets- strukturen in Thüringen und Neu- ordnung der Aufgabenverteilung zwischen Land und Kommunen“ Beratung des Zwischenberichts der Enquetekommission - Druck- sache 4/2515 - auf Verlangen der Fraktionen der CDU, der Links- partei.PDS und der SPD dazu: Unterrichtung durch die Prä- sidentin des Landtags - Drucksache 4/2619 -

Wünscht jemand das Wort zur Begründung des Antrags? Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache zum Zwischenbericht und erteile Herrn Carius, CDU-Fraktion, das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich vielleicht kurz voranstellen, wir haben hier in einer sehr kurzen Beratungsdauer der Enquetekommission ein wirklich inhaltsreiches Kompendium verschiedener Aspekte unserer Arbeit vorgelegt und ich darf deshalb vor allen Dingen den Sachverständigen, meinen Kollegen, das darf ich hier sagen, aller drei Fraktionen, der Landesregierung sowie der Landtagsverwaltung herzlich für die geleistete Arbeit danken.

(Beifall bei der CDU)

Die Enquetekommission wurde mit Beschluss vom 2. Juni 2005 eingesetzt und der Beschluss hat einen ganzen Blumenstrauß von Aufgaben für uns bereitgehalten, vom demographischen Wandel über die Mittelinstanzen, die Aufgabenanalyse etc., deren Abarbeitung wir uns intensiv widmeten. Naturgemäß kann eine solche Mammutaufgabe eben nicht in einem Jahr abgearbeitet werden, aber Sie finden im vorliegenden Zwischenbericht Daten und Informationen, insbesondere zum demographischen Wandel im Freistaat, zur prognostizierten finanziellen und personellen Entwicklung im Land und in den Kommunen sowie eine Sammlung von Reformbestrebungen der anderen Bundesländer. Zudem mussten zunächst auch die Verwaltungsorganisationen und -strukturen sowie der jeweilige Aufgabenbestand erhoben werden, wobei Letzteres gerade noch nicht abzuschließen war, bis zur Beratung des Zwischen

berichts. Es ist jedenfalls sicher, dass diese intensive Ist-Stands-Ermittlung Grundlage für die weitere Arbeit der Kommission sein wird. Insofern, meine Damen und Herren, ist die Absicht von Teilen der Opposition, ohne detaillierte Erforschung der Basisdaten geradezu die Reformen anderer Länder oder gar ihre Grundsatzbeschlüsse - also die Grundsatzbeschlüsse ihrer Parteien - als Lösung auf den Freistaat zu übertragen, nicht sachgerecht. Im Gegenteil, eher ergeben sich hier Fragen, ob man wirklich gewillt ist, eine gemeinsame Lösung zu finden, umso mehr, als gerade die Übertragung eigener Parteitagsbeschlüsse schon dann nicht sachgerecht sein kann, wenn vor der Befassung des Parteitags eine umfangreiche Ist-Stands-Analyse überhaupt nicht vorliegt, wie wir sie jetzt in Teilen haben.

(Beifall bei der CDU)

Zudem wird dadurch auch nicht berücksichtigt, dass wir mit über 50 Prozent der Gemeinden unterhalb der Zweitausend-Einwohner-Grenze eine deutlich ländlich geprägtere Struktur haben als die große Mehrheit der deutschen Länder. Dies wird zusätzlich damit belegt, dass, anders als in allen anderen Ländern, mehr als die Hälfte der Bevölkerung in Gemeinden unterhalb von 10.000 Einwohnern lebt.

Meine Damen und Herren, was wird darin deutlich? Darin wird deutlich, dass wir, oftmals bedingt auch durch die landschaftliche Prägung unseres Freistaats, eine ganz andere Siedlungsstruktur haben als viele andere Länder und deshalb schon die Eins-zu-EinsÜbertragung eines Konzepts aus Mecklenburg-Vorpommern scheitern muss. Gelegentlich der Befassung mit den Reformen anderer Länder und auch der bisherigen Reformen in Thüringen wurde ja geunkt, dass diese überflüssig und Teil einer vorgeblichen Hinhaltetaktik der CDU-Fraktion seien.

Meine Damen und Herren, die CDU-Fraktion hielt dies für dringend geboten, denn wir mussten uns schon mit den Argumenten, die früher für Gebietsreformen ins Feld geführt wurden, befassen, um dann auch ihre Stichhaltigkeit zu überprüfen. Ich möchte an dieser Stelle deshalb exemplarisch nur auf die zwei wichtigsten Argumente früherer Debatten eingehen. In den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts wurden Gebietsreformen der Landkreise oft damit begründet, dass die Anschaffung von Datenverarbeitungssystemen nur in größeren Strukturen wirtschaftlich vertretbar wäre. Nun gut, dieses Argument, selbst wenn es zur letzten Gebietsreform 1994 noch eine gewissen Rolle gespielt haben sollte, so ist es doch heute völlig ad absurdum geführt, denn die neuen Möglichkeiten von EDV-Technik rechnen sich deutlich eher.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Das ist ja unerhört.)

Herr Kollege Fiedler, auch Ihnen hilft zuhören ab und zu.