Protokoll der Sitzung vom 26.01.2007

(Heiterkeit und Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Ein gutes Beispiel dafür bieten auch die Ende vergangenen Jahres in der Presse veröffentlichten Überlegungen des Ministerpräsidenten zu den Theaterstandorten Erfurt und Weimar. Da können Sie sich, Herr Althaus, auf der einen Seite eine Holding zwischen Erfurt und Weimar vorstellen und nur wenige Zeilen später tendieren Sie dafür, das DNT und die Weimarer Staatskapelle in ihrer bisherigen Ausprägung zu erhalten. Wie passt das zusammen? Oder besser, was ist mit solchen widersprüchlichen Aussagen überhaupt gemeint? Man kann das zehnmal lesen, man kann das wieder und wieder lesen und man versteht es trotzdem nicht.

Meine Damen und Herren, was solch ein ZickzackKurs mit ständigem Richtungswechsel und sich widersprechenden Anweisungen von der Schiffsbrücke an positiven kulturpolitischen Effekten bringen soll, das ist für mich bis heute rätselhaft. Neben totaler Verunsicherung der Thüringer Theater und Orchester und ihrer Träger vermag ich als einzig greifbares Resultat eines derartigen Herumgeeieres nur den endgültigen kulturpolitischen Schiffbruch dieser Landesregierung zu erkennen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Was die Landesregierung uns hier darbietet ist ein einziges Chaos. Unter kulturpolitischem Gestaltungswillen stelle ich mir ehrlich etwas anderes vor. Aber das Ganze ist ja nicht nur ein Problem des Ministerpräsidenten, sondern auch seines Kultusministers. Bis heute sind Sie uns, Herr Goebel, die Antwort schuldig geblieben, was Sie sich denn konkret unter zukunftsfähigen Strukturen bei der Thüringer Theater- und Orchesterlandschaft vorstellen. Sie haben heute auch wieder von Strukturveränderungen gesprochen, von notwendigen. Aber wie sollen sie aussehen? Kein einziges Wort von Ihnen dazu. Sie können nicht Strukturen fordern, aber haben gar keine Vorstellung, wie sie überhaupt aussehen sollen. Wie will ein Kultusminister hier gestalten, wenn er null Vorstellungen hat und wenn er sie hat, sie den Bürgern aber nicht mitteilt und auch nicht den Betroffenen. Das ist ein Rätsel, das Sie hier wirklich einmal auflösen sollten. Ich sage, hier ist der Kultusminister eindeutig in der Pflicht, wirklich ein klares, ein nachvollziehbares Gesamtkonzept auf den Tisch zu legen.

(Beifall bei der SPD)

Sich an dieser Stelle immer wieder in die Ausrede zu flüchten, die Träger allein seien in der Verantwortung, das ist für mich unredlich, ja, es ist für mich geradezu zynisch. Damit werden bewusst Entwicklungen in Kauf genommen, die unumkehrbar sind,

auch für die nächsten Generationen unumkehrbar und die irreparable Schäden verursachen werden. Sich angesichts solcher Tatsachen gemütlich im Amtssessel zurückzulehnen und darauf zu warten, dass den letzten die Hunde beißen, das ist für mich grob fahrlässig und eines Ministers, der seine Verantwortung für die Kultur des Landes tatsächlich ernst nimmt, unwürdig.

(Beifall bei der SPD)

Weit entfernt von Redlichkeit und Würde ist für mich auch der Umgang des Kultusministers mit den Standorten Erfurt und Weimar. Sie haben uns im vergangenen Jahr im Ausschuss zugesichert, Herr Goebel, dass es einen vom Kultusministerium moderierten Dialog zwischen den Trägern geben werde. Der Presse ist zu entnehmen, dass das Kultusministerium am 5. November tatsächlich einen solchen Kommunikationsprozess mit beiden Oberbürgermeistern vereinbart habe. Sollte das damals von Ihnen ernst gemeint gewesen sein, Herr Goebel, wäre es ja löblich. Nur zweifele ich eben stark an dieser Ernsthaftigkeit, wenn ich auch erfahren konnte, dass seitdem überhaupt nichts mehr passiert ist, dass es bislang keinerlei Bemühungen des Kultusministeriums gegeben hat, den Dialog wirklich in Gang zu bringen.

Der Oberbürgermeister Wolf hat sich für eine enge Kooperation beider Standorte ausgesprochen und auch dafür, die Orchester beider Häuser flexibel und je nach den objektiven Inszenierungserfordernissen sowohl in Weimar als auch in Erfurt zum Einsatz zu bringen. Bei allen Schwierigkeiten, im Detail könnte das ein für beide Städte sicher gangbarer Weg sein. Nur, das Kultusministerium ist offenbar überhaupt nicht bereit, auch nur Impulse für einen Dialog zwischen Erfurt und Weimar auf der Basis dieses Vorschlags zu geben. Dann muss man sich natürlich auch nicht wundern, wenn es Retourkutschen aus Erfurt gibt und Erfurt sehr wohl die eigene Interessenlage dann bekundet.

Meine Damen und Herren, wir haben bereits vor einigen Wochen den Rücktritt des Kultusministers gefordert. Damals ging es um die eklatanten bildungspolitischen Fehlleistungen dieses Kabinettsmitglieds. Ich nenne nur die Stichworte Hortkommunalisierung, Büchergeld und Teilzeitverbeamtung.

Nun haben wir es mit einem neuen Desaster zu tun, mit dem totalen Versagen des Kultusministers in der kulturpolitisch erstrangigen Theater- und Orchesterfrage. Der Scherbenhaufen, Herr Minister, den Sie angerichtet haben, ist immens. Sie haben nicht allein das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Landespolitik massiv erschüttert, mit Ihrem verantwortungslosen Dahergerede haben Sie auch die politische Kultur insgesamt beschädigt und Sie haben

den guten bundesweiten Ruf Thüringens als Kulturland nahezu zunichte gemacht.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Deshalb sind Sie als Kultusminister auch in dieser Hinsicht für uns nicht länger tragbar.

Meine Damen und Herren, schließen möchte ich mit zwei einprägsamen Sätzen, die aus meiner eigenen Feder stammen könnten, denn sie sind wirklich vollends auch unsere Position zu dieser Frage - ich zitiere: „Wir können nicht als Kulturland werben und dann den Ast absägen, auf dem wir sitzen.“ - und - „Wir brauchen die Kultur auch in der Fläche.“ Diese beiden Sätze stammen wundersamerweise direkt aus der Landesregierung - von Minister Reinholz. Ich wäre dankbar, wenn Sie sich als Ministerpräsident ebenfalls diese Sätze zu Eigen machen. Vom Kultusminister will ich gar nicht reden. Wenn Sie sagen, wir sind auf einem guten Weg, kann ich sagen: Nein, wenn Sie so weitermachen, sind Sie auf einem Holzweg und Sie sollten diesen Holzweg schleunigst verlassen. Danke.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat der Abgeordnete Carius, CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, zunächst lassen Sie mich kurz, Herr Blechschmidt, zu Ihnen zurückkommen. In der Tragödie fällt der Held meist unverschuldet und schicksalhaft. Das haben Sie scheinbar nicht beachtet, denn auf Ihren Antrag passt dieses Bild eigentlich nicht. Auf Ihren Antrag passt eher das Bild des feigen und hinterhältigen Fürstenmordes.

(Heiterkeit bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Meine sehr verehrte Frau Präsidentin, uns liegen zu diesem Tagesordnungspunkt zwei Anträge vor, Sie erlauben mir, dass ich mich nach dem Senioritätsprinzip zunächst dem älteren Antrag und dann dem weitaus entbehrlicheren, jüngeren Antrag widmen werde.

Liebe Kollegen von der SPD, dass wir erst heute über einen Antrag beraten können, den Sie vor 10 Wochen eingereicht haben, finde ich einerseits bedauerlich. An uns hat es nicht gelegen, dass es angesichts der Vielzahl unnötiger Oppositionsanträge nicht bereits im vergangenen Jahr zu einer weiteren Debatte kommen konnte,

(Beifall bei der CDU)

denn letztlich handelt es sich ja nur um die Fortsetzung der Plenardebatten des vergangenen Jahres. Auf der anderen Seite muss ich aber auch gestehen, dass sich mein Bedauern in engen Grenzen hält. Dadurch, dass wir erst heute diese Debatte führen, können wir sie mit einem erheblich besseren Hintergrund, sozusagen auf höherem Niveau führen.

(Heiterkeit bei der SPD)

Vor allem fällt es heute doch ein wenig leichter, dem Antragsteller die völlig abwegige Formulierung seiner Überschrift und des Antrags selbst vor Augen zu führen.

Lieber Herr Matschie, eine geplante Verschiebung der Entscheidung der Landesregierung hat es nie gegeben. Nachdem trotz anhaltenden Sperrfeuers Unterschriften unter die ersten sechs Verträge gesetzt worden sind, kann es nun von Ihnen wirklich jeder sehen, welche Interessen die Opposition mit ihren Schauanträgen zum wiederholten Mal verfolgt.

(Beifall bei der CDU)

Die Opposition will Unsicherheit erzeugen, den Druck auf kommunale Träger, Theater und Orchester erhöhen, dass sie ihre Unterschriften verweigern und der Landesregierung das Handeln im ureigenen Bereich erheblich erschweren. Dass dies den Interessen unseres Freistaats diametral entgegenläuft, interessiert Sie alle überhaupt nicht.

(Zwischenruf Abg. Döring, SPD: So ein Blödsinn.)

Ich nenne das einen miesen parlamentarischen Stil und ich nenne es das Bündnis politischer Verantwortungslosigkeit.

(Beifall bei der CDU)

(Unruhe bei der SPD)

Es ist gut, dass mit Nordhausen und Altenburg auch kommunale Verantwortungsträger Ihrer Partei

(Unruhe bei der SPD)

(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: Es geht um ein kulturpolitisches Gesamt- konzept!)

und Ihrer politischen Farben sich einem solchen Spiel verweigert haben. Manch einem steht offenbar kulturpolitische Verantwortungsübernahme näher als parteipolitisch motivierte Verantwortungslosigkeit.

(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD)

Selbstverständlich. Und, Herr Matschie, ich habe da gar keine Angst.

(Zwischenruf Abg. Döring, SPD: Das stimmt.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, über die Notwendigkeit von Strukturveränderungen zum Erhalt der reichen Thüringer Theater- und Orchesterlandschaft wird in diesem Parlament seit über 15 Jahren debattiert. Thüringen leistet sich seit Beginn dieser Debatte eine finanzierte Bedenkzeit, die, wenn wir sie weiterführen, zu Ergebnissen führt, die so keiner von uns möchte. Ein Festhalten an den Strukturen, die so mit einem Fortbestand an angemessenen Qualitätsstandards nicht zu halten sind, führt entweder zu einer Handlungsunfähigkeit der Träger oder aber zur völligen Bedeutungslosigkeit der Einrichtungen. Das eine wäre sicher so verheerend wie das andere. Ich erspare Ihnen deshalb, Herr Matschie, auch das Wiederholen von Zitaten meiner Fraktionsvorsitzenden aus der Plenarsitzung vom Oktober.

Der damalige stellvertretende Ministerpräsident und Mitglied Ihrer Fraktion, Herr Dr. Schuchardt, war vor acht Jahren schon erheblich weiter als Sie heute. Unser Land und seine Bürger sind zu Recht stolz auf das reiche kulturelle Erbe,

(Beifall bei der CDU)

sind zu Recht stolz auf das musikgeschichtliche Erbe in den zahlreichen Thüringer Residenzen und dennoch müssen wir einräumen, dass ein Land mit der Größe Thüringens mit seinen 2,3 Mio. Einwohnern es sich auf Dauer eben nicht leisten kann, im Abstand von wenigen Kilometern die heutige Zahl von Orchestern und Theatern mit eigenen Ensembles aufrechtzuerhalten. Ich weiß, dass immer wieder der wohlfeile Hinweis gebracht wird, auch in anderen Ländern gäbe es mit geringen geographischen Distanzen eine große Zahl von Orchestern. Man möge nur beispielsweise ins Ruhrgebiet schauen und die Entfernungen zwischen Orchestern und den Opernhäusern in Essen, Bochum und Dortmund betrachten. Es stimmt, die Entfernung ist auch dort nicht größer als die zwischen Gera, Jena, Erfurt und Weimar und ich könnte noch eine ganze Reihe weiterer, insbesondere Orchesterstandorte nennen, doch, meine Damen und Herren, die Wahrhaftigkeit gebietet es dann auch, im Vergleich zur Größe der Räume der jeweiligen Städte auch die Zahl ihrer Einwohner zu nennen. Essen, Bochum und Dortmund haben zusammen rund 1,5 Mio. Einwohner, das kann nicht ernsthaft ein Vergleichsmaßstab auf unsere Bedingungen hier sein.

(Unruhe bei der SPD)

Vor 10 Tagen hat der Kultusminister mit den Trägern von sechs Theatern und Orchestern die ersten Verträge zur künftigen Finanzierung unterschrieben und namens meiner Fraktion begrüße ich es ausdrücklich, dass in diese Verhandlungen nun auch öffentlich erkennbar neuer Schwung hineingekommen ist.

(Beifall bei der CDU)

Die unterschriebenen Verträge belegen zweierlei. Erstens: Die im Juli letzten Jahres vom Kultusminister vorgelegten Vorschläge waren so abwegig nicht, wie sie lange Zeit in der Öffentlichkeit und von der Opposition dargestellt wurden. Zweitens: Sie belegen aber auch die Verhandlungsbereitschaft und Ernsthaftigkeit, mit der sich der Minister in die Gespräche mit den Trägern begeben hat, eine Ernsthaftigkeit, wie wir sie in diesem Hause vermissen. Dass das Konzept vom Juli in der Region Nordthüringen einen gewissen Konstruktionsfehler hatte, ließ sich so in Gesprächen ausräumen und ich begrüße ausdrücklich die für Nordhausen und Sondershausen gefundene Einigung mit den kommunalen Trägern.

(Beifall bei der CDU)

Für die noch ausstehenden Vereinbarungen werden nun die unterschiedlichsten Szenarien entwickelt und Zitate bemüht. Wie immer man es drehen und wenden will, für mich ist es doch ganz offensichtlich, dass es für diejenigen Träger, die in ihren Verhandlungen mit der Landesregierung keinen substanziellen Fortschritt erzielen, mit zunehmendem Zeitverlauf und Fortschritt jedenfalls nicht leichter wird. Ich sehe es deshalb gelassen, denn ich glaube kaum, dass die Oberbürgermeister von Weimar und Erfurt oder die Landrätin von Saalfeld-Rudolstadt irgendwelche Beißattacken unseres Kultusministers zu befürchten haben. Aber dass er ein Ende der Bewegungsstarre auch einmal mit drastischen Bildern einfordern darf, das gestehen wir ihm zu, das erwarten wir auch von ihm. Im Übrigen darf ich darauf hinweisen, wer insgesamt...