Protokoll der Sitzung vom 26.01.2007

vorliegenden Antrag vorgelegt haben. Sollte Diamorphin in die Regelversorgung aufgenommen werden, so würde das bedeuten, dass Ärztinnen und Ärzte frei entscheiden könnten, ob sie dieses Medikament bei der Behandlung ihrer schwerstopiatabhängigen Patienten anwenden. Es würde nicht bedeuten, meine Damen und Herren, dass dann ab sofort jeder Arzt Diamorphin an jeden Suchtkranken verschreibt. Die Behandlung wäre sehr eng reglementiert. Wir hoffen und setzen unsere Hoffnungen auch auf Ihr Abstimmungsverhalten heute, dass den schwerstkranken Opiatabhängigen geholfen werden sollte, und bitten Sie um die Unterstützung unseres Antrags. Danke.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Einen Sofortbericht vonseiten der Landesregierung gibt es nicht. Damit eröffne ich die Aussprache und als erster Redner hat das Wort Abgeordneter Panse, CDU-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD- und der CDUFraktion, werte Kolleginnen von der PDS-Fraktion, ich bin hier vor ans Rednerpult lediglich mit zwei Drucksachen gegangen. Ich habe die Stichworte, die ich mir zu diesem Tagesordnungspunkt für eine inhaltliche Rede notiert hatte, auf meinem Platz liegen lassen und ich werde das auch begründen. Es hat zwei Gründe. Der erste Grund ist der uns heute vorliegende Antrag der PDS-Fraktion mit der Drucksachennummer 4/2503, der eine Bundesratsinitiative zur Überführung des Heroinmodells in die Regelversorgung und zum Schutz der Therapiefreiheit von Ärztinnen und Ärzten fordert. Aber es gibt einen zweiten Grund. Dieser zweite Grund hat die gleiche Drucksachennummer 2503, das ist allerdings eine Drucksachennummer des Deutschen Bundestages vom September vergangenen Jahres. Ich habe Ihnen, um das mal zu dokumentieren, was hier geschehen ist, kenntlich gemacht, was in dieser Drucksache des Deutschen Bundestages von der Linksfraktion wortgleich abgeschrieben wurde. Das Ergebnis mit Textmarker sieht so aus.

(Zwischenruf Abg. Kretschmer, CDU: Das gibt es doch nicht.)

Es ist schlichtweg von diesem Antrag, den die Linken im Bundestag im September letzten Jahres eingebracht haben, nichts übriggeblieben an eigenen Gedanken. Ich finde, das ist ein Skandal,

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Genau!)

das ist eine Unverschämtheit, dass die Linkspartei uns so etwas hier im Thüringer Landtag anbietet.

(Beifall bei der CDU)

Ich muss Ihnen sagen, es gibt einen einzigen Punkt, wo Sie vielleicht versucht haben, noch so zu tun, als ob Sie eigene Kreativität entwickelt haben, und das ist der Punkt 1, beim Punkt 1, wo Sie einen Bericht der Landesregierung zur Drogensituation fordern. Selbst das haben Sie sich nicht selber ausgedacht, das haben Sie auch noch aus der Großen Anfrage der SPD-Fraktion abgeschrieben, die seit einigen Monaten eingereicht und in dieser Woche beantwortet wurde. Es ist eine Unverschämtheit, was Sie sich hier erlauben. Ich habe in den sieben Jahren, seit ich hier im Thüringer Landtag bin, noch nicht erlebt, dass eine Fraktion einen Antrag vorgelegt hat, der komplett abgeschrieben war.

Ich werde im Anschluss meiner Rede diese beiden Drucksachen der Landtagspräsidentin mit der Bitte geben, dass sich der Ältestenrat mit dieser Frage beschäftigt, denn es kann ja wohl nicht sein, dass wir hier im Thüringer Landtag zu einer Beschäftigungstherapie verdonnert werden, dass die Faulheit einer Fraktion hier im Thüringer Landtag dazu führt, dass letztendlich dem Ansehen des Thüringer Landtags schwerer Schaden zugefügt wird. Wir sind hier kein Kasperletheater, wir sind hier nicht der verlängerte Arm Ihrer Bundestagsfraktion. Ich denke, das sollten Sie bei der inhaltlichen Befassung bei solchen Themen auch sehr deutlich machen.

(Beifall bei der CDU)

Sie wissen, dass der Deutsche Bundestag sich im September letzten Jahres auf Antrag der Linken mit diesem Thema auseinandergesetzt hat. Sie behaupten in Ihrem Antrag, die politische Bewertung steht noch aus. Das haben Sie verschlafen, denn das stand in dem Antrag der Bundestagsfraktion ja auch so drin, aber zwischenzeitlich ist die politische Bewertung erfolgt. Zwischenzeitlich hat nämlich die BundLänder-Arbeitsgruppe „Diamorphinbehandlung“ ihre Wertung gefunden, aber es haben sich auch die beiden Koalitionsfraktionen im Deutschen Bundestag darauf verständigt, dieses Heroinmodell in dieser Form nicht fortzuführen. Das mag Sie ärgern, das mag auch einige von den betroffenen Städten massiv ärgern, das können die auch gern im Rahmen einer Bundesratsinitiative diskutieren, das können die auch dort vor Ort diskutieren, wo es notwendig ist. Ich finde es schlichtweg einen Skandal, dass Sie uns in dieser Form hier damit befassen. Erstens hat Thüringen an diesem Bundesmodellprojekt nicht teilgenommen, zweitens sagt uns selbst die Thüringer Landesstelle für Suchtfragen, dass das Potenzial der infrage kommenden möglichen Betroffenen in Thü

ringen äußerst gering ist. Aus gutem Grund haben sich sowohl Thüringen als auch andere Bundesländer an diesem Bundesmodellprojekt nicht beteiligt. Wenn Sie aber hier mit Ihrem Antrag suggerieren, wir haben ein massives Problem in Thüringen mit der Therapie von schwerstabhängigen Heroinabhängigen, dann ist das schlichtweg falsch. Auch das weise ich entschieden zurück.

Es wäre sicherlich möglich gewesen, diese Frage inhaltlich miteinander zu diskutieren. Wir werden diese Frage ganz sicher auch, wenn die Große Anfrage der SPD-Fraktion hier im Thüringer Landtag zur Diskussion ansteht, wieder aufgreifen und miteinander besprechen. Aber ich sage Ihnen auch ganz deutlich, ich habe keine Lust, eine inhaltliche Diskussion zu einem solchen Antrag mit Ihnen zu führen, wenn sich herausstellt, dass da null eigene Kreativität bei Ihnen dabei ist.

Ich sage Ihnen zum Schluss etwas: Wir werden diesen Antrag in Gänze ablehnen und das aber auch aus zwei grundsätzlich unterschiedlichen Überlegungen heraus. Wir haben einen unterschiedlichen Ansatz in der Drogenarbeit, das wissen Sie, das wissen die Kolleginnen und Kollegen im Thüringer Landtag auch. Während die PDS sich für eine Freigabe von weichen, harten und sonstigen Drogen einsetzt und damit einen akzeptierenden Ansatz in der Drogenarbeit präferiert, haben wir immer in den Vordergrund gestellt, dass wir Prävention wollen, dass wir aber vor allem einen abstinenzorientierten Ansatz in der Drogenarbeit verfolgen. Genau das werden wir in Zukunft tun. Deswegen werden wir solchen Anträgen, aber auch Anträgen auf jegliche Freigabe von weichen, harten oder sonstigen Drogen in keinem Fall jemals hier zustimmen.

Lassen Sie mich zum Schluss noch etwas sagen: Vor einigen Minuten hat hier eine Schülergruppe auf dem Besucherrang gesessen. Wenn die diese erbärmliche Vorstellung mitbekommen hätten, was Sie sich hier geleistet haben, hätten die sich die eine oder andere Frage gestellt. Wenn sie in der Schule eine Klausurarbeit abschreiben, können Sie sich damit Ihr gesamtes Abitur versauen. Wenn Sie im Thüringer Landtag eine Vorlage abschreiben, glaube ich, schaden Sie uns im Ansehen als Parlament ganz beträchtlich. Sie sind ein miserables Vorbild für die Schülerinnen und Schüler im Freistaat Thüringen. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Wir haben vor einigen Monaten zwei Ihrer Kolleginnen und Kollegen für parlamentsunwürdig erklärt, weil sie Spitzelberichte über ihre Mitbürgerinnen und Mitbürger geschrieben haben; was Sie hier mit diesem Antrag abgeliefert haben, ist mindestens ebenso parlamentsunwürdig. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort Abgeordneter Gentzel, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Panse, vielen Dank für die Information. Das habe ich so nicht recherchiert, hat mich auch überrascht. Es ist zumindest phantasielos, mehr will ich dazu nicht sagen. Es ist arg phantasielos, hier so vorzugehen.

(Zwischenruf Abg. Kretschmer, CDU: Das können Sie sich nicht vorstellen.)

Ich habe auch so ein bisschen das Gefühl, man hat sich geärgert, dass die Große Anfrage zu den Drogen von der SPD kam. Aber ich bin da relativ uneitel, sage ich Ihnen an dieser Stelle. Ich bin auch uneitel, was die Bewertung des Antrags insgesamt betrifft. Mir ist auch relativ egal, was die Koalitionsregierung dazu beschlossen hat, denn es gibt noch ein paar Fragen, über die ich gerne noch gesprochen hätte. Was wir auch nicht wegschieben können - ob es nun den Einzelnen betrifft oder die ganze Familie - ist das unendliche Elend, auf das wir bei dieser Frage treffen. Deshalb glaube ich - bei all dem, was ich verstehen kann, was da von Ihrer Seite, Herr Panse, gekommen ist -, der eine oder andere Satz, die eine oder andere Beschäftigung mit diesem Thema tun uns ganz gut. Mich interessiert z.B. - und da habe ich noch kein Argument gehört -, warum diese logische Kette durchbrochen worden ist. Wir geben Geld für einen Modellversuch aus, weil wir wissen wollen, wie wir mit einer bestimmten Sache umgehen, dafür geben wir Geld aus. Dann stellt sich im Modellversuch heraus, es funktioniert, es ist gut, es ist ein erfolgreiches Projekt. Dann beschließen wir, es interessiert uns nicht, wir finanzieren es nicht. Es gab ja den Willen insbesondere aus den Städten - das ist anders als in Thüringen, an der Stelle haben Sie recht -, wo wir diese offene Heroinszene haben mit all dem, was dazugehört, mit der Beschaffungskriminalität, mit der Verelendung, mit allem Drum und Dran. Ich will in diesem Antrag ausdrücklich auch nicht nur auf Thüringen sehen, weil ich von diesem Elend dann schon mal gesprochen habe. Dieses Elend, welches teilweise ganze Familien trifft, das ist nun mal länderübergreifend und orientiert sich nicht an Ländergrenzen. Ich will da in keiner Familie, in keinem Umfeld stecken, wo man wirklich daran arbeitet, solche Leute aus diesem Feld herauszuholen. Es würde mich schon einmal interessieren, was unsere Kollegen - ich muss ja nicht zu allem Ja sagen - in Berlin bewogen hat, diese logische Kette zu durchbrechen. Wir machen einen Modellversuch und das Ergebnis interessiert uns nicht. Na

türlich sind in diesem Antrag der Linkspartei.PDS nicht nur klare Dinge aufgezeichnet, sondern auch Dinge, die man auch nachfragen muss. Ich weiß, dass es einige in diesem Hause nervt, aber es gehört nun einfach dazu, das sind die finanziellen Herausforderungen für die Länder, aber insbesondere für die Kommunen - es sitzen ja auch viele in Stadträten. Ich will das wenigstens abwägen können, bevor ich mich zu diesen Inhalten äußere und zu einigen anderen Dingen. Deshalb, Herr Panse, es ist phantasielos, was hier passiert ist, aber es ist es wert, mal darüber zu reden. Wenn das jetzt nicht geht, machen wir es gerne auch mit der Großen Anfrage der SPD. Ich möchte trotzdem darum bitten - weil es ein ganz bestimmtes Projekt betrifft -, dass wir dazu speziell im Ausschuss reden. Ich wäre für eine Ausschussüberweisung. Wenn wir den Ausschuss nicht bekommen, können wir diesem Antrag, so wie er hier gestellt ist, nicht zustimmen. Danke schön.

Als nächste Rednerin hat das Wort Abgeordnete Berninger, Linkspartei.PDS-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Panse, Sie haben unserer Fraktion bei dem Verfassen dieses Antrags Faulheit vorgeworfen. Sie haben gesagt, er ist in großen Teilen wortgleich mit dem Antrag, den die Linksfraktion im Deutschen Bundestag gestellt hat. Das ist wahr, und das finde ich auch nicht schlimm und auch nicht parlamentsunwürdig, Herr Gentzel.

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Hier, hier.)

Denn wir müssen das Fahrrad ja nicht neu erfinden, und wenn in einem Antrag einer Bundestagsfraktion was drinsteht, was richtig ist, dann muss ich das ja hier nicht umformulieren, um Phantasie zu beweisen.

Ich weiß jetzt gar nicht mehr, wer genau von Ihnen es gesagt hat. Es wurde gesagt, wir hätten in dem Antrag unterstellt, die Situation in Thüringen wäre eine ganz, ganz schlimme. Das ist nicht wahr. Lesen Sie den Antrag genau durch, da steht nichts davon drin, dass die Situation in Thüringen eine sehr schlimme ist. Außer den Fragen, die wir in Punkt 1 des Antrags gestellt haben, ist für Thüringen überhaupt keine Aussage getroffen in dem Antrag. Können wir nämlich nicht, es kann ja nicht mal der Herr Minister Zeh eine Aussage zur konkreten Situation schwerstopiatabhängiger drogenkranker Menschen treffen, wie einerseits daran zu sehen ist, dass er nicht gewillt oder in der Lage war, einen Bericht hier abzugeben, und

wie man andererseits auch in den Ausführungen in der Antwort auf die Große Anfrage der SPD nachlesen kann.

Herr Gentzel, wir haben uns nicht geärgert, dass die Große Anfrage zur Situation von Drogen und Sucht jetzt von Ihrer Fraktion war, im Gegenteil. Ich habe mich gefreut, als ich gelesen habe, dass Ihre Fraktion eine solche Anfrage formuliert hat. Ich freue mich sehr auf die Diskussion dazu, die wir zu führen haben werden. Ich habe auch schon eine Reihe Fragen, die sich aus der Antwort der Landesregierung zu Ihren Fragen noch ergeben.

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Ich auch.)

Ich hatte ursprünglich einen anderen Anfang für meinen Redebeitrag geplant, ich werde jetzt auch damit fortfahren. Ich wollte und werde jetzt meinen Redebeitrag mit einem Zitat aus einer Pressemitteilung vom 27. November vergangenen Jahres beginnen.

(Zwischenruf Abg. Kretschmer, CDU: Das ist aber ein Zitat. Ja.)

In dieser Pressemitteilung heißt es, ich zitiere: „Am 21. November ist in einem Gespräch der Fraktionsspitzen der Union und der SPD eine Entscheidung zum Fortgang der diamorphingestützten Behandlung gefallen.“ So viel zu Ihrer Aussage, Herr Panse, wir hätten die Diskussion verschlafen. Ich zitiere weiter: „Die Union war nicht bereit, eine Gesetzesinitiative mitzutragen, die eine Überführung der Diamorphinbehandlung in eine Regelversorgung ermöglichen würde. Lediglich eine Weiterbehandlung der Patientinnen in der Studie käme für die Union in Frage. Die Bundesdrogenbeauftragte, Frau Sabine Bätzing, vertritt die Auffassung, ein solcher Vorschlag stehe im Gegensatz zu den Ergebnissen der Arzneimittelstudie. Diese Ergebnisse der Arzneimittelstudie belegen, dass die Diamorphinbehandlung für die Zielgruppe der Schwerstopiatabhängigen der herkömmlichen methadongestützten Substitutionsbehandlung signifikant überlegen ist.“ Das hat auch meine Kollegin, Frau Kaschuba, schon ausgeführt. „Eine Begrenzung auf die Patientinnen und Patienten in der Studie“, so die Frau Bätzing, „leugnet diese Erkenntnis. Diese Entscheidung der Koalition im Bundestag, also der Bundesregierung, führt dazu, dass etwa 1.500 schwerstopiatabhängigen Menschen in Deutschland das einzig wirksamste Medikament verweigert wird. Diesen Menschen“, so Frau Bätzing weiter, „droht deshalb wieder die Verelendung.“

Meine sehr geehrten Damen und Herren, eine Opiatabhängigkeit ist eine Suchterkrankung. Es ist eine behandelbare Suchterkrankung. In unserem Antrag geht es im Kern darum, ob eine weitere Form der

substitutionsgestützten Therapie in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherungen aufgenommen werden soll. Neben einer drogenfreien ambulanten oder stationären Therapie gibt es zur Behandlung von Opiatabhängigkeit das Angebot einer substitutionsgestützten Therapie. Die rechtlichen Grundlagen für diese Substitutionsbehandlung wurden in 2001 im Betäubungsmittelgesetz und in der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung in den §§ 5 ff. verankert. Die von der Bundesärztekammer 2002 erarbeiteten Substitutionsrichtlinien stellen dafür eine fachliche Grundlage dar. Sie halten an der Suchtmittelfreiheit als oberstem Ziel der Behandlung fest, wobei aber wichtige Kriterien beachtet werden müssen, nämlich die Sicherung des Überlebens, die gesundheitliche und soziale Stabilisierung, die berufliche Rehabilitation und die soziale Reintegration als Vorstufen innerhalb eines umfassenden Behandlungskonzepts. Außerdem erfüllt die Substitutionsbehandlung, die natürlich von psychotherapeutischen und psychosozialen Maßnahmen begleitet werden soll, auch andere präventive Aufgaben, z.B. die Vermeidung von Infektionskrankheiten. Die substitutionsgestütze Behandlung ist auch deshalb unverzichtbarer Baustein in der Therapie opiatabhängiger Patienten, weil - wie es wissenschaftliche Studien belegt haben - mit dieser Therapieform längerfristig auch Abstinenz erreicht werden kann.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das bundesdeutsche Modellprojekt zur heroingestützten Behandlung Opiatabhängiger wurde im Jahr 2001 gestartet. Ausgangspunkt dafür war, dass die Kommunalpolitiker/innen in großen deutschen Städten wie Hamburg, Hannover, Frankfurt, Köln, Bonn, Karlsruhe und München dem Spritzdrogenelend in ihren Innenstädten und der medizinischen Unterversorgung eines Teils der Schwerstabhängigen nicht mehr tatenlos zusehen wollten und weil sie darauf gedrängt haben, der Abhängigkeit von illegalen Drogen mit den Mitteln der Gesundheitspolitik zu begegnen. Die einseitige Kriminalitätsbekämpfung war gescheitert. Gemeinsam mit dem Bundesministerium für Gesundheit und den Bundesländern Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Hessen arbeiteten diese Städte an dieser Studie mit und organisierten und kofinanzierten die ärztlich kontrollierte Heorinabgabe vor Ort. Die Studienergebnisse, das wurde schon gesagt, liegen seit Januar 2006 vor und belegen, dass den betroffenen Abhängigen durch die heroingestützte Behandlung, das heißt, durch eine ärztlich kontrollierte Heroinabgabe plus psychosozialer Betreuung, wirksam geholfen werden konnte.

Im Dezember letzten Jahres lief die Follow-up-Phase des Modellprojektes ab. Es wurde aber verlängert bis Mitte dieses Jahres, verlängert wohl deshalb, weil die politische Diskussion bis Ende 2006 nicht abgeschlossen war bzw. weil das Ergebnis dieser Diskus

sion noch offen ist. Ich glaube, man ist zu der Überzeugung gelangt, dass es unmenschlich wäre, die heroingestützte Behandlung für diejenigen Schwerstabhängigen, die am Programm teilnehmen konnten, abzubrechen, so lange noch Hoffnung besteht, dass sie dauerhaft von dieser Form der Behandlung profitieren können. Worin dieses Profitieren besteht, dazu werde ich später noch kommen.

Eine politische Bewertung und gesetzgeberische Initiative, meine Damen und Herren, steht dringend an, auch wenn die Union im Bundestag schon gesagt hat, dass sie dagegen ist. Wir sind der Auffassung, dass die Entlastung der am Modellprojekt beteiligten Städte und Kommunen ebenso wenig gefährdet werden darf wie die Stabilisierung der Abhängigen. Die beschriebene Heroinbehandlung sollte deshalb aus unserer Sicht als Ergänzung zur Abstinenztherapie und zur Substitutionstherapie mit Methadon schnellstmöglich in das Regelangebot des medizinischen Hilfesystems aufgenommen werden. Um die Heroinbehandlung in die Regelversorgung aufzunehmen, sollte unter anderem Ärztinnen und Ärzten Diamorphin als verordnungsfähiges Medikament zur Verfügung gestellt werden. Nur so ist eine ärztlich kontrollierte Substitution möglich. Dazu, meine Damen und Herren, sind Veränderungen des Betäubungsmittelgesetzes, der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung sowie eine Zulassung von Diamorphin als Arzneimittel und gegebenenfalls auch Änderungen im SGB V notwendig.

Derzeit befindet sich nach meinen Informationen ein Gruppenantrag in der Abstimmung zwischen den Oppositionsfraktionen im Bundestag. Außerdem haben sich im letzten Jahr auch einige Mitglieder der Fraktion der SPD im Bundestag positiv zu dem Vorhaben geäußert, wenn ich richtig informiert bin.

Die Arbeitsgemeinschaft der obersten Landesbehörden hat am 17. November 2006 beschlossen, dass das Bundesministerium für Gesundheit mit den Ländern gesetzliche Regelungen für eine eng reglementierte Behandlung mit Diamorphin in der Regelversorgung prüfen soll. Inwieweit die angestrebten gesetzlichen Regelungen Auswirkungen auf Thüringen haben, ist uns derzeit nicht bekannt. Wir hätten vielleicht ein wenig Aufschluss erhalten können, wenn der Herr Minister berichtet hätte; haben wir nicht. Auch die Antwort auf die Große Anfrage der SPD, das habe ich ja schon gesagt, hilft in diesem Fall nicht weiter. Aber auch wenn Sie heute zu den von uns im Antrag gestellten Fragen berichtet hätten, Herr Minister, so würden trotzdem noch viele Fragen offen bleiben. Ich hoffe, dass wir diese Fragen noch miteinander debattieren können.

Ich unterstütze Herrn Gentzel in seinem Ansinnen, den Antrag an den zuständigen Ausschuss, den Aus

schuss für Soziales, Familie und Gesundheit, zu überweisen. Ich hoffe, dass wir noch weiter miteinander reden können, zumal ja von der regierungstragenden Fraktion gerade in dem Redebeitrag kaum inhaltliche Aspekte benannt wurden, warum die CDUFraktion eventuell diesen Antrag ablehnen könnte. Ich werde das Protokoll nachlesen, sehr aufmerksam; ich hoffe, dass wir auch zu einer zweiten Beratung Gelegenheit haben.

(Zwischenruf Abg. Panse, CDU: Sie können das Protokoll nachlesen.)

Meine Damen und Herren, zu den Argumenten, die gegen die diamorphingestützte Substitutionsbehandlung ins Feld geführt werden: Hier gibt es zum Beispiel das Pauschalargument „zu teuer“. Außerdem wird behauptet, damit würde eine schleichende Legalisierung von Heroin oder, wie es die Drogenbeauftragte der Bundesregierung ausgedrückt hat, dass es den Heroinrausch in Zukunft einfach und für alle auf Rezept geben würde, angestrebt. Exemplarisch für die Gegenargumentation möchte ich Ihnen aus einem Brief vorlesen. Die Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren CDU-Abgeordnete, sicherlich bekannte Bundestagesabgeordnete Frau Maria Eichhorn - für alle, die Frau Eichhorn nicht kennen, Frau Eichhorn ist Mitglied des Fraktionsvorstands und Drogenbeauftragte der CDU/CSU-Bundestagesfraktion - schrieb im Juni 2006 in einem Brief an den Bundesverband der Eltern und Angehörigen für akzeptierende Drogenarbeit e.V. in Wuppertal, ich zitiere: „Das Vorhaben der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, als Ergebnis der Heroinstudien um Diamorphin als verschreibungspflichtiges Medikament für die Behandlung Schwerstopiatabhängiger in Deutschland zuzulassen, lässt für uns viele Fragen offen. Zunächst stellt sich die grundsätzliche Frage, ob es aus suchtpräventiver Sicht richtig ist, Heroin als legales Medikament zuzulassen. Durch medikamentöse Anwendung von Heroin unter ärztlicher Aufsicht kann für die Betroffenen zwar ein einigermaßen geregeltes Leben möglich werden, Ziel muss es aber sein, die Menschen vollkommen drogenabstinent zu machen. Bei der Heroinsubstitution wird zeitlich unbegrenzt eine Ersatzabhängigkeit geschaffen.“ Frau Eichhorn weiter: „Vereinzelte Probleme, die die Methadonsubstitution derzeit aufwirft, sind auch durch die kostspielige Einrichtung einer Originalstoffvergabe nicht lösbar.“ Immer noch Zitat Frau Eichhorn: „Nicht zuletzt muss auf die Kosten dieses Projekts hingewiesen werden. Die Behandlung mit Diamorphin ist eine sehr teure Behandlungsform. Sie verursacht Kosten, die viermal höher sind als bei der bisher üblichen Methadonbehandlung. Solange die o.g. Fragen nicht geklärt seien“, so Frau Eichhorn, „sei es keinesfalls angebracht, vorschnelle Entscheidungen über die Zulassung von Heroin als Medikament zu treffen.“ Ohne der Bundestagsabgeordneten Frau Eichhorn nahe

treten zu wollen, möchte ich im Folgenden versuchen, auf einige ihrer Argumente im Einzelnen einzugehen.

Erstes Argument: Frau Eichhorn schreibt, oberstes Ziel sei es, die Menschen vollkommen drogenabstinent zu machen.

Meine Damen und Herren, ganz abgesehen davon, dass dies eine wirklich unrealistische Zielvorgabe ist - vollkommene Drogenabstinenz würde bedeuten, die Menschen konsumieren kein Gläschen Wein mehr zum Essen, sie verzichten auf das Bierchen am Abend, sie rauchen keine Zigaretten oder keinen Tabak mehr, sie trinken nie mehr Kaffee oder Tee -, ganz abgesehen von dieser unrealistischen Wunschvorstellung ist es erwiesen, dass mit der substitutionsgestützten Behandlung längerfristig Abstinenz erreicht werden kann, und zwar sowohl mit der methadongestützten als auch mit der diamorphingestützten Substitutionsbehandlung, aber eben bei der Gruppe der Schwerstabhängigen viel eher dadurch, dass man sie gleichzeitig mit psychosozialer Betreuung mit Diamorphin behandelt. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie sind eindeutig, meine Damen und Herren. In einem offenen Brief von Mitgliedern und Mitarbeitern der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen und ihrer Diakonie habe ich gelesen, ich zitiere: „Bleibt noch das Argument, dass nicht eine heroingestützte Therapie, sondern ausschließlich Abstinenz Ziel gesundheitspolitischen Handelns sein sollte. Abstinenz ist ein hoher Wert, ohne Frage, aber eine demokratische Gesellschaft nimmt ernst, dass die Realität nicht unbedingt den eigenen hohen Idealen entspricht, sondern Konflikte, Probleme und Unvollkommenheiten zu unserer Welt dazugehören. In der aktuellen Debatte wird die Abstinenz zu oft zu einer wirklichkeitsfernen Ideologie degradiert. Vom christlichen Glauben aus gesehen“ - steht in dem offenen Brief - „wird hier Abstinenz zu einem Götzen gemacht, für den man bereit ist, Menschenleben zu opfern.

Zweites Argument: Frau Eichhorn sagt, vereinzelte Probleme, welche die Methadonsubstitution derzeit aufwirft, seien auch durch die kostspielige Einrichtung einer Originalstoffvergabe nicht lösbar. Hier, meine Damen und Herren, liegt die Drogenbeauftragte der Unionsfraktion im Bundestag nachgewiesenermaßen, ich verweise erneut auf die Ergebnisse der Studie, falsch.

Drittes Argument: Frau Eichhorn stellt die grundsätzliche Frage, ob es aus suchtpräventiver Sicht richtig sei, Heroin als legales Medikament zuzulassen. Fast könnte man zu dem Schluss kommen, Frau Eichhorn hätte sich mit dem Modellprojekt nicht beschäftigt und die Studie nicht gelesen. Aber das kann ja nicht sein, sie ist ja schließlich die Drogenbeauf