Protokoll der Sitzung vom 29.03.2007

Das wirft ein bezeichnendes Licht auf den Zustand dieser Landesregierung und der Thüringer CDU, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Herr Matschie, überlegen Sie sich doch ein- mal etwas anderes.)

Die Sächsische Landesregierung hat eine Verwaltungs- und Gebietsreform zum wichtigsten Projekt der laufenden Legislaturperiode erklärt. Die Thüringer CDU befindet sich nach wie vor im Tiefschlaf bei diesem Thema, und der Ministerpräsident hält es nicht mal für notwendig, im Parlament anwesend zu sein, wenn diese wichtige Frage hier diskutiert wird.

(Unruhe bei der CDU)

(Glocke der Präsidentin)

(Beifall bei der SPD)

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Das ist für euch wichtig, nicht für uns.)

Für Sie ist es nicht wichtig, Frau Kollegin. Genau das ist mein Punkt, genau das ist mein Punkt! Für Sie ist die zukünftige Entwicklung dieses Landes nicht wichtig. Das war auch ein sehr bezeichnender Zwischenruf.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

(Unruhe bei der CDU)

(Glocke der Präsidentin)

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Ich bin selbst Βürgermeisterin.)

Ja, ja, ich weiß, ich weiß, getroffene Hunde bellen, das sagt schon ein altes Sprichwort. Also schreien Sie ruhig weiter, ich weiß, dass es wehtut, unangenehme Wahrheiten zu hören.

Meine Damen und Herren Abgeordneten, ich bitte um Ruhe! Bitte, Herr Abgeordneter Matschie.

Vielen Dank, Frau Präsidentin, für die freundliche Unterstützung. Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, in den kommenden Jahren erreicht die demographische Entwicklung mit voller Wucht die Berufsschulen. Wir haben gerade in den letzten Tagen dazu Zahlen veröffentlicht bekommen. Wir haben zurzeit etwa 85.000 Berufsschülerinnen und Berufsschüler und in einigen Jahren bis 2012 schrumpft die Zahl auf etwa die Hälfte - 45.000. Uns liegt noch kein offizielles Gutachten der Landesregierung vor, aber die ersten Zahlen waren in der Presse nachzulesen. Das heißt, in den nächsten Jahren halbiert sich die Zahl der Berufsschüler in Thüringen.

Machen wir uns nichts vor, in dieser Situation wird natürlich ein Kampf entstehen um die 55 Berufsschulen im Lande: Wer darf bleiben, wie soll die zukünftige Struktur aussehen? Jede Thüringer Region wird von dieser Auseinandersetzung betroffen sein, viele Unternehmen, viele Schülerinnen und Schüler. Was macht die Landesregierung in dieser Situation? Gab es irgendein Krisenmanagement in den letzten Jahren bei dieser absehbaren Entwicklung? Null Reaktion dieser Landesregierung.

Als wir 2004

(Zwischenruf Diezel, Finanzministerin)

diese Frage im Thüringer Landtag diskutiert haben, hat der zuständige Minister erklärt - das waren nicht Sie gewesen in dem Fall, Frau Diezel, sondern Herr Goebel -, eine Berufsschulnetzplanung sei nicht vorgesehen, und wörtlich gesagt: „Die Zeiten der zentralen Planung und Leitung sind vorbei.“

Wenn eine Landesregierung so mit wichtigen Strukturproblemen im Land umgeht, dann kann ich nur sagen, dann ist auch die Zeit dieser Landesregierung bald vorbei.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Das werden wir sehen. Wer zu früh lacht... So eine große Klappe, die Sie haben!)

(Unruhe bei der CDU)

Sie fragen sich vielleicht, was die Berufsschulen mit dem heutigen Thema „Verwaltungs- und Gebietsreform“ zu tun haben. Ich will es Ihnen sagen, Herr Mohring, Thüringen hätte auf diese Strukturfrage besser vorbereitet sein können, denn die Zahlen liegen seit Langem auf dem Tisch. Das erste Gutachten zur Schülerentwicklung kam 1995 auf den Tisch des damaligen Kultusministers. In dieser Studie hieß es - ich darf zitieren: „Die aus dem künftigen Schüleraufkommen zu bedenkenden Konsequenzen für das bisherige Standortnetz der Schulen aller Schularten sind gravierend, Reduzierungen unvermeidbar.“

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter Matschie?

Aber selbstverständlich.

Bitte, Herr Abgeordneter Seela.

Herzlichen Dank, Herr Matschie. Zurück zur Gebietsreform - eine Frage: Sie haben vorhin das Beispiel des Freistaats Sachsen genannt. Jetzt bin ich ursprünglich mal Plauener gewesen, das liegt lange Zeit zurück. In Plauen liegen jetzt 23.000 Unterschriften gegen das Vorhaben des Freistaats Sachsen vor, gegen die Landesregierung. Meinen Sie nicht, dass diese Politik des Freistaats Sachsen sehr bürgerunfreundlich ist, weil Sie ja immer auf Bürgerfreundlichkeit hinweisen?

Nein, Herr Seela, ich glaube nicht, dass diese Strukturreformen bürgerunfreundlich sind. Ich glaube, dass sie notwendig sind, wenn die öffentliche Verwaltung auch in Zukunft kostengünstig für die Bürger erledigt werden soll.

(Unruhe bei der SPD)

Ich kann verstehen, dass Bürger sagen, meine Stadt

(Glocke der Präsidentin)

soll Kreisstadt bleiben. Das kann ich gut nachvollziehen, das ist auch das gute Recht der Bürger. Aber unsere Aufgabe als Politiker ist es, dafür zu sorgen, dass die Gesamtstruktur stimmt, dass sie bezahlbar bleibt und dass nicht, wie in den letzten Jahren, jedes Jahr eine neue Milliarde Schulden in diesem Land aufgenommen wird, Herr Seela.

(Beifall bei der SPD)

(Unruhe bei der CDU)

(Zwischenruf Diezel, Finanzministerin: Was bieten Sie denn dafür an?)

Deshalb, um die Haushalte zu sanieren, Frau Finanzministerin, werden wir an einer Verwaltungs- und Gebietsreform in diesem Land nicht vorbeikommen. Das wissen Sie genauso gut wie ich, Frau Diezel.

(Unruhe bei der CDU)

(Zwischenruf Diezel, Finanzministerin: Wenn überhaupt, wenn überhaupt.)

Wenn man sich mit Kolleginnen und Kollegen aus der CDU-Fraktion unter vier Augen unterhält, dann räumen auch viele ein, dass man an einer Verwaltungs- und Gebietsreform in den nächsten Jahren

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Na- men, Namen - wer denn?)

nicht vorbeikommt und...

(Unruhe im Hause)

(Glocke der Präsidentin)

(Zwischenruf Diezel, Finanzministerin: Namen, Namen!)

Meine Damen und Herren Abgeordneten, ich bitte um Ruhe!

Herr Mohring, jetzt haben Sie aber mit Ihrem Ruf „Wer denn?“ den Ball auf den Elfmeterpunkt gelegt. Es waren Sie, Herr Mohring, der vor einiger Zeit einmal in den Zeitungen angekündigt hat, dass man selbstverständlich nach 2009 über eine Gebietsreform nachdenken müsse.

(Beifall bei der SPD)

Dann hat Sie Ihr Ministerpräsident zurückgepfiffen und heute ist alles ganz anders.

(Unruhe bei der CDU)

Herr Mohring, Sie können jetzt zwar sagen, die Zeitung hat Sie falsch verstanden, falsch zitiert, aber es war klar und deutlich nachzulesen. Es ist ja auch so, dass alle anderen Länder, die in strukturell ähnlicher Situation sind - Mecklenburg-Vorpommern, SachsenAnhalt, Sachsen -, an solchen Verwaltungs- und Gebietsreformen arbeiten, mittendrin sind in der Arbeit. Ich will es noch einmal sagen: Die sächsische Landesregierung hat das zum wichtigsten Projekt der Legislaturperiode erklärt.