Herr Mohring, Sie können jetzt zwar sagen, die Zeitung hat Sie falsch verstanden, falsch zitiert, aber es war klar und deutlich nachzulesen. Es ist ja auch so, dass alle anderen Länder, die in strukturell ähnlicher Situation sind - Mecklenburg-Vorpommern, SachsenAnhalt, Sachsen -, an solchen Verwaltungs- und Gebietsreformen arbeiten, mittendrin sind in der Arbeit. Ich will es noch einmal sagen: Die sächsische Landesregierung hat das zum wichtigsten Projekt der Legislaturperiode erklärt.
Brandenburg hat eine Gemeindegebietsreform längst hinter sich, aber Brandenburg hat strukturell etwas andere Probleme, nämlich durch eine sehr große Stadt, die in der Mitte von Brandenburg liegt, Berlin, und damit ganz andere strukturelle Bedingungen zu bewältigen, als wir sie hier in Flächenländern haben, die nicht große Ballungsräume in der Mitte haben. Das müsste auch für Sie nachvollziehbar sein, Herr Carius. Sie sitzen seit Langem in der Enquetekommission Verwaltungs- und Gebietsreform und müssten eigentlich solche Zusammenhänge kennen. Ich weiß nicht, weshalb Sie hier solche Fragen stellen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will noch mal auf das Beispiel der Berufsschulen kurz zurückkommen. Der damalige Kultusminister nahm das Gutachten zur Kenntnis, legte es in die Schublade und es passierte nichts. Auch die nachfolgenden Kultusminister haben nichts getan. Dieses Nichtstun, diese Zeitverschwendung, die kommt das Land teuer zu stehen. Es sind Millionen und Abermillionen investiert worden, Landesmittel, Bundesmittel, Europamittel, in eine Berufsschulstruktur, die absehbar in wenigen Jahren völlig überdimensioniert sein wird. Das ist die Verantwortung der Landesregierung, des zuständigen Ministers. Der Kultusminister hieß 1995, als die Studie auf den Tisch kam, Dieter Althaus. Er hat die Warnung nicht ernst genommen, er hat die Entwicklung verschlafen und heute ist er wieder dabei, die Entwicklung zu verschlafen, die auf dieses Land zukommt durch die demographische Entwicklung.
Wir haben nicht nur alle Daten auf dem Tisch, wir haben von der Landesregierung einen Demographiebericht eingefordert, haben den auch durchgesetzt, der liegt uns vor. Die Zahlen sind also bekannt. Es gibt die Untersuchung in den anderen Bundesländern über solche strukturellen Reformnotwendigkeiten. Es gibt die Untersuchung auch von Prof. Seitz, den Sie ja vor einigen Tagen erst zu Ihrer Kabinettsklausur eingeladen haben. Hören Sie sich doch einfach mal die Daten und Fakten an und stellen Sie sich dieser Herausforderung, anstatt gebetsmühlenartig zu wiederholen: Thüringen ist klein strukturiert und das ist auch schön so und Änderungsbedarf sehen wir nicht. Es gibt massiven Änderungsbedarf und Sie stoßen, wenn Sie ehrlich sind, bei Schritt und Tritt, auch bei aktuellen Vorhaben auf diesen Änderungsbedarf.
Ich nenne nur die gegenwärtig laufende Debatte um die Behördenstrukturreform; man muss ja sagen: sogenannte Behördenstrukturreform, weil vieles einfach stecken geblieben ist.
Der Landkreistag, Frau Diezel, hat Ihnen vorgerechnet, dass Ihr Vorhaben, die Versorgungsverwaltung zu kommunalisieren, nicht Geld einspart, sondern dass es mindestens doppelt so teuer wird als die jetzige Struktur.
Frau Ministerin Diezel, ich glaube, Sie wollen eine Redemeldung abgeben, aber das müssen Sie hier tun, hier spricht erst mal der Fraktionsvorsitzende der SPD-Fraktion.
Sie sehen, Frau Finanzministerin, ich habe die Unterstützung aller Präsidentinnen hier in diesem Hause, um mir Gehör verschaffen zu können.
Frau Diezel, ich meine, die Rechnungen des Landkreistags liegen Ihnen doch vor. Da müssen doch bei einer Finanzministerin zumindest alle Alarmglocken schrillen, wenn die Landesregierung ein Vorhaben auf den Weg bringt, was am Ende die Landeskasse deutlich mehr Geld kostet als heute. Deshalb sage ich Ihnen, das kann so nicht funktionieren. Sie können bestimmte Aufgaben nicht in diese kleinteilige Kreis- und Gemeindestruktur kommunalisieren, es funktioniert nicht. Es wird teurer bei vielen Aufgaben, als heute die Aufgabenerledigung ist.
Auch bei der Debatte um die Polizeistrukturreform, die ja auch stecken geblieben ist - Herr Fiedler freut sich schon da hinten.
Auch die Polizeistrukturreform ist ja nicht wirklich zu einem Ergebnis gekommen bisher. Da muss man sich ja auch ernsthaft fragen, ob es Sinn macht, eine solche Polizeistrukturreform zu machen, ohne vorher darüber nachgedacht zu haben, welche zukünftige Landkreisstruktur wir möglicherweise in den nächsten Jahren brauchen. Und jetzt die Polizei neu zu organisieren und in wenigen Jahren wieder alles umzuorganisieren, das kann nicht im Sinne der inneren Sicherheit dieses Landes sein.
Herr Abgeordneter Matschie, vielen Dank. Herr Abgeordneter Matschie, Sie haben sicherlich vernehmen können, dass wir gestern ein Gespräch mit den kommunalen Spitzen hatten zur Kommunalisierung, und Sie konnten sicherlich auch vernehmen, dass man sich auf ca. 250 Aufgaben geeinigt hat, die zur Kommunalisierung angedacht oder vorbereitet wer
den und jetzt umgesetzt werden. Herr Abgeordneter Matschie, ich hatte den Eindruck, dass gerade der Oberbürgermeister von Jena, gerade weil er Erfahrungen als Sozialdezernent hat, im Bereich der Sozialverwaltung sehr offen für diese Aufgaben war und für eine Kommunalisierung und für eine Zweistufigkeit. Haben Sie den Eindruck auch oder hat er Ihnen was anderes erzählt?
Ich bin ja gestern in Ihrer Runde nicht dabeigewesen, aber ich habe natürlich den Medien entnehmen können, dass es im Grundsatz eine Einigung gibt, die Aufgaben zu kommunalisieren, dass aber der Geschäftsführer des Gemeinde- und Städtebundes sehr deutlich hat vernehmen lassen, über die Finanzierung vieler dieser Aufgaben und über die konkrete Umsetzung besteht noch lange keine Einigkeit. Die grundsätzliche Bereitschaft, Aufgaben zu kommunalisieren, besteht seit Langem. Problematisch wird es dort, wo es konkret wird, wo es um die Finanzen geht, wie viel Geld kostet die Kommunalisierung der Aufgabe. Mein Eindruck ist - ich habe übrigens auch mit Albrecht Schröter geredet -, mein Eindruck ist, dass Sie jetzt sagen, weil Sie stecken geblieben sind mit der Kommunalisierung, wir müssen da irgendwie durch, und zwar koste es, was es wolle.
Es wird am Ende die Bürger mehr kosten, was Sie hier auf Biegen und Brechen durchsetzen, als die heutige Struktur.
Frau Finanzministerin, ich empfehle Ihnen, sich einfach vielleicht mal mit Ihren Kollegen zusammenzusetzen aus Sachsen-Anhalt, aus Sachsen, aus Mecklenburg-Vorpommern, aus welchen Gründen die gesagt haben, gekoppelte Verwaltungs- und Gebietsreformen sind unabdingbar, um die Finanzen in den Griff zu bekommen. Die Entwicklung ist im Gange in den anderen Bundesländern. Thüringen hängt hier sehr weit zurück und wir verlieren durch diese Ängstlichkeit der Landesregierung ständig an Boden gegenüber den anderen Bundesländern.
Ja, schauen Sie nach Bayern. Bayern hat ganz andere strukturelle Voraussetzungen und Probleme, als sie Thüringen hat. Frau Finanzministerin, ich glaube, Sie haben noch nicht zur Kenntnis genommen, dass Thüringen massiv an Einwohnern verliert. Das ist
Sie haben noch nicht zur Kenntnis genommen, dass Thüringen massiv an Einnahmen verliert, weil der Solidarpakt ab 2009 degressiv gestaltet ist, weil wir Mittel aus dem Länderfinanzausgleich verlieren, weil wir weniger europäische Strukturfondsmittel haben, und da wollen Sie sich mit Bayern - einem Geberland - vergleichen. Frau Finanzministerin, da sind Welten dazwischen.
Thüringen kann gerade mal die Hälfte seiner Landesausgaben aus eigenem Steueraufkommen bestreiten und da vergleichen Sie sich mit Bayern, einem Land, was als Geberland in die Kasse einzahlt. Ich bitte Sie, Frau Finanzministerin, wo leben Sie denn überhaupt!
Wer so die Wirklichkeit ausblendet, der stellt schon eine gewisse Gefahr für dieses Land dar, wenn er in einer so verantwortlichen Position ist.
Frau Finanzministerin, ich kann das leider nicht anders sagen. Wenn Sie solche Vergleiche ziehen, die so absurd sind, was die strukturellen Probleme angeht, dann weiß ich mir nicht mehr zu helfen an dieser Stelle.