Protokoll der Sitzung vom 29.03.2007

Frau Finanzministerin, ich kann das leider nicht anders sagen. Wenn Sie solche Vergleiche ziehen, die so absurd sind, was die strukturellen Probleme angeht, dann weiß ich mir nicht mehr zu helfen an dieser Stelle.

(Zwischenruf Abg. Schröter, CDU: Das ist doch dummes Zeug.)

Ich will noch mal verweisen auf das...

(Zwischenruf Abg. Jaschke, CDU: Ein bisschen Disziplin wahren, Herr Mat- schie.)

Herr Kollege, ich bin durchaus für Disziplin, aber bei manchen Fragen werde ich auch emotional, weil es um die Zukunft dieses Landes geht und weil ich nicht akzeptiere, dass bestimmte Entwicklungen einfach ausgeblendet werden, weil ein Regierungschef sich nicht an die Aufgabe rantraut.

(Beifall bei der SPD)

Und da muss man auch mit aller Konsequenz und auch mit Emotionalität sagen, wir streiten für zukunftsfähige Strukturen in diesem Land - so wie das andere Bundesländer im Übrigen auch tun. Und dann schauen Sie mal nach Sachsen - obwohl Sachsen seinen Haushalt weitgehend saniert hat, obwohl Sachsen ohne Neuverschuldung auskommt, sagt die dortige Landesregierung, wir brauchen eine durchgreifende Reform.

(Zwischenruf Diezel, Finanzministerin: Die haben erst den Haushalt saniert und dann die Reform gemacht.)

Ja, die haben erst den Haushalt saniert, ja, Frau Finanzministerin. Das zeigt, wie weit Sie davon entfernt sind. Sie sind weit entfernt von der Haushaltssanierung. Sie sind noch weiter entfernt von einer Verwaltungs- und Gebietsreform. In Sachsen wird es in Zukunft noch zehn Landkreise geben und drei kreisfreie Städte. Kein Landkreis wird dann weniger als 200.000 Einwohner haben, sondern deutlich mehr. Auch die Gemeindezahl ist heute schon deutlich geringer, als sie in Thüringen ist. Oder schauen Sie nach Sachsen-Anhalt, die haben sich gerade bei den Gemeinden auf eine Zielgröße von 10.000 Einwohnern verständigt. Die Zahl der Landkreise sinkt dort von 21 auf neun. Auch in Mecklenburg-Vorpommern ist die Reform in vollem Gange. Der Norden kommt in Zukunft mit fünf Landkreisen aus und hat eine zweistufige Funktionalreform gemacht, nämlich erst gesagt, welche Landesaufgaben auf die kommunale Strukturebene übertragen werden, und dann noch mal interkommunal in einer weiteren Stufe Aufgaben neu verteilt. Sie sind meilenweit von solchen notwendigen Strukturreformen entfernt.

(Zwischenruf Abg. Jaschke, CDU: Auch wenn es 11.11 Uhr ist.)

Ich sage es Ihnen klipp und klar und ganz deutlich, Sie gefährden mit Ihrer sturen Haltung die Zukunftsfähigkeit dieses Landes. Sie werden zu verantworten haben, dass die Bürger in Zukunft weiter eine überdimensionierte Verwaltung bezahlen müssen, dass die Bürger bei wichtigen Aufgaben weiter damit konfrontiert werden, dass gekürzt wird. Sie trauen sich nicht an diese Reform heran, aber Sie kürzen im Kulturbereich, Sie kürzen im Bildungsbereich, Sie streichen den Kindergärten das Geld. Glauben Sie, dass

so Zukunft für dieses Land zu gewinnen ist?

(Zwischenruf Diezel, Finanzministerin: Und Sie wollen bei den Kommunen kür- zen.)

(Beifall bei der SPD)

Glauben Sie, dass so Zukunft für dieses Land zu gewinnen ist?

(Unruhe bei der CDU)

Herr Abgeordneter Matschie, Frau Abgeordnete Groß möchte Ihnen eine Frage stellen. Gestatten Sie das?

Aber selbstverständlich.

Bitte, Frau Abgeordnete Groß.

Danke. Herr Abgeordneter Matschie, wo nehmen Sie denn das Wissen her, dass große Einheiten, große Landkreise, große kommunale Einheiten automatisch billiger sind?

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Das hat uns Frau Finanzministerin vorgerechnet.)

(Heiterkeit bei der SPD)

Denn die Zahlen, die wir in der Enquetekommission haben, belegen das wirklich nur punktuell.

Frau Kollegin, es liegen uns ja Berechnungen dazu vor. Zum einen haben natürlich auch die Landesregierungen in Sachsen, in Mecklenburg-Vorpommern, in Sachsen-Anhalt Berechnungen dazu angestellt.

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Das ist aber nicht belegt.)

Die haben nicht einfach ins Blaue gesagt, wir machen größere Gemeindestrukturen, wir machen größere Kreisstrukturen, sondern die haben ihre Wissenschaftler, ihre Experten drangesetzt, haben Untersuchungen anstellen lassen, haben sich das berechnen lassen und sind in allen drei Ländern zu dem Ergebnis gekommen, dass diese Strukturen kostengünstiger sind.

(Zwischenruf Baldus, Staatssekretär: Kein einziges Bundesland außer Thürin- gen hat hierzu jemals genaue Erhebun- gen angestellt.)

Wir haben Berechnungen eines Finanzwissenschaftlers für Thüringen, der auch zu dem Ergebnis kommt, dass eine konsequente Kreisreform - deutliche Summen, die Größenordnung, die er dort genannt hat - überschlägig 200 Mio. € pro Jahr einsparen kann. Frau Kollegin, es gibt die Untersuchungen, die für solche Strukturreformen sprechen. Deshalb sage ich Ihnen noch einmal ganz deutlich: Blockieren Sie nicht länger, machen Sie sich endlich auf den Weg und machen Sie nicht den gleichen Fehler, der vor zehn Jahren bei den Berufsschulen gemacht worden ist, als das Gutachten auf den Tisch kam, als die Zahlen auf den Tisch kamen, als die Wissenschaftler gewarnt und gesagt haben, kümmert euch um die Strukturentwicklung in den nächsten Jahren. Solche Gutachten in die Schublade zu legen und zu sagen, Thüringen ist schön, wir brauchen nichts zu ändern, alles geht seinen gewohnten Gang, und am Ende zu sehen, wie die Karre vor die Wand fährt, davor warnen wir. Wir fordern eine Verwaltungs- und Gebietsreform, die die Strukturen kostengünstig und effizient macht. Machen Sie endlich mit und blockieren Sie nicht weiter die Entwicklung dieses Landes.

(Zwischenruf Abg. von der Krone, CDU: Sie wissen doch gar nicht, was Sie re- den.)

Herr Abgeordneter Matschie, gestatten Sie noch eine Anfrage durch Herrn Mohring? Nein, Herr Mohring.

Ich rufe als Nächsten in der Debatte für die CDUFraktion den Abgeordneten Fiedler auf.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist schon sehr verwunderlich, was so alles von diesem Pult gesagt wird. Wenn ich gerade Herrn Matschie...

(Heiterkeit bei der SPD)

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Sie wis- sen wohl schon, was Sie sagen wollen?)

Die erste Reihe, die hier links von mir sitzt, weiß manchmal überhaupt nicht mehr, was sie sagt, weil sie nur noch hin und her springt. Wenn ich an den Exkurs denke, den der ehemalige Parlamentarische Staatssekretär Matschie hier gehalten hat, indem er gleich einmal in einem Rundumschlag hier alles mal

losgelassen hat von Berufsschulen und Ähnlichem, ich habe so den Eindruck, Sie haben hier von Ihrer Rede gestern, wo wir die Diskussion hatten, das hatten Sie gerade noch oben drauf liegen, dass das jetzt noch mal mit kam.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich lehne eins grundsätzlich ab und da, Herr Matschie, möchte ich Sie bitten, darüber doch noch mal nachzudenken, wenn Sie solche Dinge hier loslassen. Ich wundere mich auch manchmal darüber - hinter mir -, wenn Sie von einer Gefahr für dieses Land ausgehen. Das kann man auch missdeuten oder das kann man auch anders interpretieren. Ich bitte Sie einfach zu überlegen, ob so etwas in der Auseinandersetzung hier den richtigen Platz hat. Sie haben vorhin gesagt, in der Wirklichkeit wären wir nicht angekommen. Da muss ich Ihnen sagen, Sie waren noch nie in der Wirklichkeit da. Das ist einfach so.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich hatte mir eigentlich vorgenommen, dass ich - heute kommen hier nun zum zigsten Mal die unterschiedlichen Vorschläge. Sie können erzählen, was Sie wollen, meine Fraktion, die CDU-Fraktion, plus Landesregierung, wir sind gemeinsam der Überzeugung, dass die Strukturen so, wie sie in Thüringen angelegt sind, gute Strukturen sind. Und weil es gute Strukturen sind, lassen wir uns weder von Ihnen noch von Ihnen auf ein Pferd hieven oder führen, auch nicht von Herrn Kollegen Hauboldt, dass wir in irgendeine Richtung vielleicht mit Ihnen dort gehen. Ich kann Ihnen sagen, wir haben ja in diesem Land nun schon zwei Gebietsreformen durchgeführt: Gemeindegebietsreform, Kreisgebietsreform. Wir wissen doch, wie schwierig diese Problematik ist und war.

Herr Abgeordneter Fiedler, gestatten Sie eine Anfrage durch...

Ich kann ihn gut leiden, aber am Schluss bitte.

Herr Abgeordneter Hauboldt, zum Schluss.

Ich will noch mal deutlich machen: Wir haben zwei Gebietsreformen hier schon durchgeführt. Ich denke, wer in der kommunalen Familie verwurzelt ist, weiß, dass es schon schwer war, überhaupt diese größeren Einheiten hinzubekommen. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir hier jetzt erst nach der Wende neue Einheiten überhaupt wieder schaffen konnten, die

über Jahrzehnte - da muss ich mal von mir aus rechts schauen - durch PDS, SPD -

(Unruhe bei der SPD)

ich entschuldige mich doch ausdrücklich - SED, SED

(Zwischenruf Abg. Döring, SPD: CDU, CDU.)

damit Ihr es nun dreimal gehört habt - also Vereinigungsparteitag soll ja nicht wieder werden, das hoffe ich nicht. Wir lassen uns auch von Ihnen nicht dazu bringen; diese jetzt endlich demokratisch gewählten Strukturen sollen wir jetzt schon wieder zerschlagen und kaputtmachen. Wir haben gerade das bürgerschaftliche Engagement, was wir in den kleineren Kommunen, in den kleineren Einheiten erleben. Das ist nicht mit Geld zu bezahlen. Ich sage es noch einmal: Immer wieder alles nur noch am Geld zu berechnen, das ist ein wichtiger Faktor, na klar ist das ein wichtiger Faktor, aber nur alles daran zu messen, wir müssen auch noch wissen, wer gehört zu welcher Kommune. Ich bleibe beim Landkreis. Je größer die Einheiten werden, da weiß keiner mehr, wo überhaupt noch welche Schule ist. Wenn es zum Beispiel das Schulnetz -

(Unruhe bei der SPD)

ja, Herr Matschie, das sind solche praktischen Dinge -, wenn dort so was zu schließen ist, dann weiß der Abgeordnete nicht mehr, da muss er eineinhalb Stunden erst mal zum Kreissitz fahren. Solche Dinge wollen Sie hier. Ich kann Ihnen ganz klar und deutlich sagen, wir werden diesem nicht nachkommen, wenn Sie es zehnmal wiederholen und noch mal auf die Tagesordnung hieven. Wir haben eins gemacht, damit nicht der Eindruck entsteht, wir wollen ja nicht oder wollen es generell: Weiterentwicklung wollen wir uns ja nicht verwehren. Weiterentwicklung werden wir auch gemeinsam bereden. Wir müssen über viele Dinge nachdenken, das ist ja unbestritten. Aber wir werden natürlich eins gemeinsam mit der Landesregierung machen, dass wir uns überlegen, was zu welchem Zeitpunkt notwendig ist. Da bringen Sie immer wieder Ihre Studie von Herrn Prof. Seitz. Der Herr Prof. Seitz hat - wenn ich das noch richtig in Erinnerung habe - gesagt, dass gegebenenfalls 200 Mio. € bis 2019 eingespart werden könnten. Das sind lauter solche Dinge, die werden dann immer wieder wie eine Schimäre vorne weg getragen, dass dort irgendwo jemand gesagt hat, das und das ist es. Ich kann nicht erkennen, dass gerade diese Finanzgeschichten - da kann man sich viele Dinge betrachten. Wir haben uns - das haben wir hier auch schon gesagt -, die einen sagen immer so spöttisch, von Bayern lernen, heißt siegen lernen, die ganz Roten wissen auch, wie das früher hieß - wir wissen und das hat uns Günter

Beckstein ganz klar und deutlich ins Stammbuch geschrieben, dass gerade Bayern mit kleineren Einheiten sehr, sehr gute und effiziente Erfahrungen gemacht hat. Jetzt werden wir genauso bei uns das weiter anschauen entsprechend auf der kommunalen Ebene. Dass natürlich die Spitzenverbände unterschiedliche Meinungsäußerungen dazu abgeben, Herr Matschie, Sie wissen es genauso gut wie ich oder wie wir, dass natürlich die Spitzenverbände jetzt erst einmal - man muss ja nicht immer einer Meinung mit ihnen sein, man kann oft mit ihnen einer Meinung sein, aber nicht immer, sonst braucht man ja uns nicht mehr zur Entscheidung. Dann könnten wir ja gleich sagen, was sagen die Spitzenverbände, dann ist es so. Wir nehmen die Äußerungen, die von dort kommen, sehr ernst, aber gerade wenn ich den Gemeinde- und Städtebund nehme, wenn dann Meinungsäußerungen kommen... Sie haben vorhin gesprochen vom Geschäftsführer Herrn Rusch. Ich will Sie nur aufklären, das ist das geschäftsführende Vorstandsmitglied Herr Rusch. Da legt er immer Wert darauf, dass das auch gesagt wird und er da nicht so einfach degradiert wird. So viel Zeit muss sein. Wenn natürlich dort Meinungsäußerungen vom Gemeinde- und Städtebund kommen, dann sage ich Ihnen ganz klar, auch dort gibt es immer wieder Kompromisse, wo natürlich die Gremien den entsprechenden Kompromiss dann rüberbringen. Gehen Sie einmal in die kleineren Gemeinden und reden Sie dort mit dem Bürgermeister, was dort los ist. Oder wenn ich dann höre, Sie preisen hier Sachsen-Anhalt an. Die kleinste Einheit sind da 10.000er Einwohnergrößen. Was denken Sie, was in Thüringen dann noch übrig bleibt? Nehmen Sie einmal die ganzen Städte, die noch 10.000er Größe haben. Da können Sie in Größenordnungen das ganze Land umrasieren. Ich habe den Eindruck, Sie wollen nicht fachlich, sachlich an die Dinge herangehen, sondern Sie meinen mit Ihrem Populismus uns treiben zu können. Aber ich sage Ihnen ganz klar und deutlich, wir werden dieses Thema auch zu den nächsten Wahlen zum Thema machen.

(Beifall bei der CDU)