Protokoll der Sitzung vom 03.05.2007

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Mich z.B. interessiert ganz intensiv, was passiert denn jetzt mit meinem Grundstück. Vielleicht komme ich dann durch Ihre Regelung auch völlig von der Beitragsbezahlung frei. Ich wohne nämlich im Außenbereich, ja gut, und was passiert dann mit mir.

(Unruhe im Hause)

Ja, die Wismut hat was abgerissen und da ist eine mehrere hundert Meter Lücke entstanden, auf einmal war ich im Außenbereich und das hat Vor- und das hat Nachteile.

(Heiterkeit im Hause)

Aber da würde ich schon ernsthaft noch mal diskutieren wollen. Wir wollen ja, wenn wir Straßenbeiträge erheben, auch die gesamte Bevölkerung dann gleichmäßig mit beteiligen. Was die Anpassung an die tatsächliche Bebauung betrifft, auch da haben wir noch Diskussionsbedarf. Es ist einfach die Frage, ist diese Regelung, wie Sie sie beschrieben haben, tatsächlich die wirksame. Der Vergleich mit den Abwasserbeiträgen, ich denke, der ist gestattet, dort ist es auch so und mir sind auch Gemeinden bekannt, die sich darüber freuen würden, wenn so eine Regelung im Kommunalabgabengesetz stehen würde.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Dass die Stundungen von Beiträgen bei Grundstücken staatlicher kommunaler Angelegenheiten der Daseinsvorsorge dienen, da habe ich auch einen großen Bedarf an Diskussion. Sie haben es zwar jetzt

so interpretiert, dass man nur einzelne Bereiche herausnehmen sollte als Gemeinde, z.B. die Kindereinrichtungen, und die befreien sollte, nur, es macht natürlich auch einen schlechten Eindruck auf den Bürger, wenn die Kommune sich selbst von den Beiträgen entlastet, weil man das im Einzelnen in der Darstellung nicht so differenzieren kann, und dann sagt, wir bezahlen nicht, aber die Bürger müssen bezahlen. Dass es die Gemeinde doch im Endeffekt tatsächlich bezahlen muss, weil, wenn sie es erlässt, auch wenn sie es z.B. dem freien Träger erlässt, muss sie es dann selber bezahlen, aufbringen, das ist schwieriger vermittelbar. Insofern sehen wir nicht nach der ersten Inaugenscheinnahme oder Hören Ihrer Vorstellungen, dass es unbedingt in diese Richtung gehen muss, aber die zwei anderen Punkte sind auf alle Fälle eine Diskussion im Innenausschuss wert. Auch wir beantragen, unseren Antrag im Innenausschuss zu behandeln. Danke.

(Beifall bei der SPD)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen von Abgeordneten vor. Herr Minister Gasser, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, den Gesetzentwurf der Linkspartei.PDS halte ich für nicht weiterführend. Ich begründe dies wie folgt: Der Gesetzentwurf geht in allen Punkten von falschen Prämissen aus. Die Kosten, die durch ein entsprechendes Gesetz für das Land und die Kommunen entstehen würden, werden schlicht verschleiert.

Im Einzelnen: Artikel 1 Nr. 1 Buchstabe a soll eine Klarstellung der bestehenden Rechtslage bewirken. Es soll sinngemäß klargestellt werden, dass eine Beitragserhebung für Außenbereichsgrundstücke nicht zulässig ist. Durch eine solche Regelung würde die geltende Rechtslage nicht klargestellt, vielmehr bedeutet dies eine Neuregelung des Ausbaubeitragsrechts. Dies ist der Linkspartei.PDS auch bekannt. Bei der Beantwortung der Kleinen Anfrage 1160 des Abgeordneten Kuschel „Rechtssicherheit bei der Erhebung wiederkehrender Straßenausbaubeiträge“ hat die Thüringer Landesregierung darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber in Thüringen die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen nicht auf alle baulich oder in ähnlicher Weise nutzbaren Grundstücke beschränkt hat. Es wurde aber auch weiter ausgeführt, dass die Landesregierung prüft, ob der Verwaltungsvollzug bei der Erhebung von wiederkehrenden Straßenausbaubeiträgen durch eine Definition der in § 7 Abs. 1 Satz 3 Thüringer Kommunalabgabengesetz verwendeten Begriffe „Orts

straße“ und „beschränkt öffentliche Wege“ im Thüringer Straßengesetz erleichtert werden kann. Diese Prüfung, meine sehr verehrten Damen und Herren, findet derzeit statt. Die Fraktion der Linkspartei.PDS scheint nach den Ausführungen auf dem Vorblatt des Gesetzentwurfs davon auszugehen, dass dies ein gangbarer Weg ist. Das werden wir sehen, Herr Kuschel. Wenn immer wieder von Ihnen gesagt wird, seit zwei Jahren würde ich schlafen, dann muss ich Ihnen entgegenhalten, 17 Jahre sind seit der Wiedervereinigung vergangen und da hat die PDS ja dann gewaltig mitgeschlafen - oder?

Auffällig ist, dass die Linkspartei.PDS eine Änderung des Straßengesetzes zunächst als gangbaren Weg bezeichnet, um diesen dann aber wieder aus gesetzessystematischen Gründen zu verwerfen. Gesetzessystematische Gründe, die gegen eine Definition der Begriffe „Ortsstraßen“ und „beschränkt öffentliche Wege“ im Thüringer Straßengesetz sprechen, sind mir aber nicht ersichtlich. Die Landesregierung hat das Anliegen aus der Praxis, wie in der Antwort zur Kleinen Anfrage 1160 ausgeführt, aufgegriffen und wird es abschließend prüfen - da sind wir dabei.

Die Linkspartei.PDS fordert, die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen von der tatsächlichen Bebauung des Grundstücks abhängig zu machen. Sie begründet dies damit, wie dem Vorblatt des Gesetzentwurfs zu entnehmen ist, dass die Rechtslage bei der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen für unbebaute oder bebaubare Grundstücke streitig sei. Es ist aus dem Gesetzentwurf nicht nachvollziehbar, welcher Rechtsstreit oder welche unklare Rechtslage durch die beabsichtigte Regelung beseitigt würde. Weiterhin lässt die beabsichtigte Regelung die Systemunterschiede im leitungsgebundenen und nicht leitungsgebundenen Bereich unberücksichtigt. Mit dem Gesetz zur Änderung des Thüringer Kommunalabgabengesetzes und des Thüringer Wassergesetzes wurden die sogenannten Privilegierungsfälle unbebaute Grundstücke, Grundstücke, die unterhalb der baurechtlichen Höchstgrenze bebaut sind und sogenannte übergroße Grundstücke für den Bereich der leitungsgebundenen Einrichtungen eingeführt. Nach der Rechtslage bis zu dieser Gesetzesänderung wurde bei der Beitragserhebung auf die bloße rechtliche Möglichkeit zur Nutzung der Grundstücke abgestellt, unabhängig davon, ob der Eigentümer das Grundstück auch tatsächlich dementsprechend nutzen konnte. Auftretenden Härtefällen konnte allenfalls im Einzelfall durch zeitlich befristete Stundungen gemäß § 7 b Thüringer Kommunalabgabengesetz begegnet werden. Der Gesetzgeber hatte sich deshalb dafür entschieden, Beiträge für leitungsgebundene Einrichtungen nur dann zu erheben, wenn diese auch tatsächlich benutzt werden und damit tatsächlich dem Grundstückseigentümer einen Vor

teil verschaffen. Dies führte für den Bürger zu nachvollziehbaren und akzeptablen Ergebnissen.

Im Straßenausbaubeitragsrecht liegt die Vorteilslage jedoch anders. Im Straßenausbaubeitragsrecht reicht allein der leichtere und gefahrlose Zugang zum Grundstück, um einen tatsächlichen besonderen Vorteil zu begründen. Einer weiteren Maßnahme, wie Herstellen eines Anschlusses, bedarf es hier nicht. Die Ausführungen in Ihrem Vorblatt des Gesetzentwurfs, wonach die Verpflichtung zur Beitragserhebung umstritten sei in den Fällen, in denen Dritte bestimmte Aufgaben der kommunalen Daseinsvorsorge im Auftrag der Gemeinde erfüllen, sind ebenfalls nicht nachvollziehbar.

In der Antwort der Landesregierung zur Kleinen Anfrage 1170 wird in Bezug auf freie Träger von Kindertagesstätten die eindeutige Rechtslage dargelegt. Danach gelten die allgemeinen Regelungen, die auch zu sachgerechten Ergebnissen führen, und zwar: Es besteht eine grundsätzliche Beitragspflicht, es gelten die allgemeinen Regelungen des Thüringer Kommunalabgabengesetzes und der Abgabenordnung zur Entlastung der Beitragspflichtigen. Letztlich hat es die Gemeinde unabhängig von abgaberechtlichen Vorschriften in der Hand, vertraglich oder durch Zuschüsse Entlastungen vorzunehmen.

Die Darlegungen in Ihrem Gesetzentwurf, dass eine Erhöhung von Zuschüssen aus Systemgründen ausscheiden würde, ist auch nicht zutreffend. Die haushaltsrechtliche Behandlung von Zuschüssen und Einnahmen aus der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen schließt eine Entlastung über Zuschüsse unabhängig von der Beitragserhebung nicht aus. Im Übrigen wäre dies nur eine von mehreren Möglichkeiten der Entlastung.

Für die Forderung der Linkspartei.PDS, Beiträge zusätzlich dort zinslos zu stunden, wo Dritte Aufgaben der kommunalen Daseinsvorsorge im Auftrag der Gemeinden erfüllen, besteht danach kein Bedarf. Andererseits kann die vorgeschlagene Regelung unabhängig davon mit Blick auf die nicht übersehbaren Kostenfolgen für die Kommunen nicht befürwortet werden. Auf die Kostenfolgen geht der Gesetzentwurf der Linkspartei.PDS leider überhaupt nicht ein.

Auch im Übrigen werden in dem Gesetzentwurf die Kostenfolgen der beabsichtigten Regelung verschleiert. Einerseits wird zum Beispiel behauptet, dem Land würden durch das Gesetz der PDS keine zusätzlichen Kosten entstehen, andererseits wird auf den erhöhten Bedarf an Zinsbeihilfen hingewiesen. Ich möchte betonen, dass die aus dem Zinsbeihilfeprogramm des Landes gewährten Zuwendungen Landesmittel sind. Nähere Angaben dazu, in welcher Höhe Landesmittel hier benötigt würden, feh

len in dem Gesetzentwurf.

Conclusio: Die Aussage, dem Land entstünden keine zusätzlichen Kosten, ist daher mit Blick auf die beabsichtigte Stundungsregelung der PDS nicht nachvollziehbar. Das Kostenrisiko für die Kommunen wird gänzlich verschwiegen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, der Gesetzentwurf der Fraktion der SPD zur Änderung des Thüringer Kommunalabgabengesetzes zeigt andere, und zwar positive Ansätze als der Gesetzentwurf der Linkspartei.PDS. In dem Entwurf der SPD-Fraktion soll die Beitragserhebungspflicht im Grundsatz nicht angetastet, sondern modifiziert werden. Dies ist vom Grundsatz her zu begrüßen. Nach der geltenden Rechtslage verpflichten sowohl das Kommunalabgabengesetz als auch die Thüringer Kommunalordnung die Gemeinden zur Erhebung von Straßenausbaubeiträgen. Mit dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts vom 31. Mai 2005 ist auch deutlich geworden, dass es nach der gegenwärtigen Gesetzeslage Ausnahmen von dieser Pflicht nur in ganz engen Grenzen geben kann. Der beim Präsidenten des Thüringer Landesverwaltungsamts eingerichtete Beraterstab liefert wichtige Erkenntnisse, um hier sachgerechte Lösungen zu finden. Dabei zeigen sich auch die Schwierigkeiten auf der Verwaltungsebene, nachvollziehbare und einfache Lösungen anzubieten. In einigen Ausnahmefällen werden nur aufgrund der konkreten tatsächlichen Umstände die für die Beitragserhebung notwendigen Satzungen mangels Akzeptanz vor Ort nicht erlassen. Solche Fälle greift die Linkspartei.PDS auf und bezweifelt populistisch die Beitragserhebung insgesamt. Das ist nicht der Fall. Sie erwecken damit Unsicherheit bei den Bürgern gegenüber dem notwendigen und sinnvollen Instrument der Beitragsfinanzierung von Straßen. Außerdem verunsichern Sie damit auch alle kommunalen Entscheidungsträger, die sich an die Gesetzeslage halten und Beiträge erhoben haben. Sie wissen, das Problem der Stichtagsregelung wird vom Innenministerium auch geprüft im Rahmen der Gesamtproblematik. Insofern warten Sie doch bitte noch ein wenig geduldig - es ist zu früh - auf das, was wir Ihnen vorschlagen werden. Um Lösungen zu finden, um Lösungen zu definieren, muss man zunächst einmal die tatsächliche Situation ermitteln, sonst stochert man mit einer Stange im Nebel herum, was zu nichts führt. Ich bitte Sie abzuwarten, was das Innenministerium und der Beraterstab des Landesverwaltungsamts hier herausfinden und Ihnen dann darlegen werden.

(Beifall bei der CDU)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen von Abgeordneten vor. Damit beende ich die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung in Bezug auf den Gesetzentwurf der Fraktion der Linkspartei.PDS. Es ist die Überweisung an den Innenausschuss beantragt worden. Herr Abgeordneter Schröter.

Namens der Fraktion bitte ich um weitere Überweisung an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten sowie an den Ausschuss für Bau und Verkehr. Die Federführung für diese Beratung sollte der Innenausschuss übernehmen.

Damit ist die Überweisung an drei Ausschüsse beantragt. Wir stimmen über diese Anträge ab.

Es ist als Erstes Überweisung an den Innenausschuss beantragt worden. Wer stimmt dieser Überweisung zu, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Wer ist gegen die Überweisung an den Innenausschuss, den bitte ich um das Handzeichen. Wer enthält sich der Stimme? Damit ist der Überweisung an den Innenausschuss einstimmig zugestimmt worden.

Wir stimmen ab über die Überweisung an den Ausschuss für Bau und Verkehr. Wer für die Überweisung an den Ausschuss für Bau und Verkehr ist, den bitte ich um das Handzeichen? Danke. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Keine Gegenstimmen, keine Stimmenthaltungen. Damit wurde auch einstimmig dieser Überweisung zugestimmt.

Wir kommen zu dem Antrag auf Überweisung an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten. Wer ist für die Überweisung an diesen Ausschuss, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Wer ist gegen die Überweisung? Wer enthält sich der Stimme? Keine Stimmenthaltungen, keine Gegenstimmen. Damit auch hier einstimmig an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten überwiesen.

Wir kommen zur Abstimmung über die Federführung. Es ist beantragt, dass der Innenausschuss federführend diesen Gesetzentwurf behandelt. Wer ist für die Federführung des Innenausschusses, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Wer ist gegen diese Federführung? Wer enthält sich der Stimme? Keine Stimmenthaltung, keine Gegenstimme. Damit ist einstimmig beschlossen, dass der Innenausschuss diesen Gesetzentwurf der Linkspartei.PDS federführend behandelt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktion der SPD. Hier ist Überweisung an den Innenausschuss beantragt. Bitte, Abgeordneter Schröter.

Auch diesen Gesetzentwurf, der ja aus einer Fraktion stammt, beantragen wir an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten mit zu überweisen. Auch hier sollte die Federführung beim Innenausschuss liegen.

Wir stimmen über die Anträge ab, als Erstes über die Überweisung an den Innenausschuss. Wer für die Überweisung an den Innenausschuss ist, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Damit ist einstimmig die Überweisung an den Innenausschuss beschlossen worden.

Wir stimmen ab über die Überweisung an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten. Wer für diese Überweisung ist, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Das ist nicht der Fall. Damit ist dieser Gesetzentwurf überwiesen an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten.

Wir kommen zur Abstimmung über die Federführung. Es ist beantragt, dass der Innenausschuss die Federführung übernimmt. Wer ist für die Federführung im Innenausschuss, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Keine Gegenstimmen, keine Stimmenthaltungen. Damit wird auch dieser Antrag federführend im Innenausschuss behandelt.

Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt und rufe auf den Tagesordnungspunkt 5

Thüringer Gesetz zur Änderung sicherheits- und verfassungs- schutzrechtlicher Vorschriften Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 4/2941 - ERSTE BERATUNG

Wünscht die Landesregierung das Wort zur Begründung? Bitte, Herr Innenminister Dr. Gasser.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, der vorliegende Gesetzentwurf enthält neben der Neufassung des Thüringer Gesetzes zur Ausführung des Artikels 10 Ge

setzesänderungen des Polizeiaufgabengesetzes, des Thüringer Verfassungsschutzgesetzes sowie des Thüringer Sicherheitsüberprüfungsgesetzes. Durch die Änderung sicherheits- und verfassungsschutzrechtlicher Vorschriften wird einerseits das Ziel erreicht, Regelungen an die aktuelle Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anzupassen. Dabei stellt das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum „Großen Lauschangriff“ und die Entscheidung zur Überwachung der Telekommunikation im niedersächsischen Polizeirecht wesentliche Vorgaben für den vorliegenden Gesetzentwurf dar. Diese wurden ausnahmslos umgesetzt. In wesentlichen Punkten geht der Entwurf sogar über das durch das Bundesverfassungsgericht definierte Mindestmaß an Schutz - ich nenne hier als Beispiel nur den Kreis der zu schützenden Berufsgeheimnisträger - hinaus. Andererseits bleiben Polizei und Verfassungsschutz mit den notwendigen Befugnisnormen ausgestattet, um Thüringen auch in Zukunft als eines der sichersten Länder zu erhalten.

In den versuchten Anschlägen auf deutsche Regionalzüge hat die Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus eine konkrete Form innerhalb Deutschlands angenommen. Der glückliche Umstand, dass die Pläne der Täter nicht aufgingen, kann nicht von der Notwendigkeit ablenken, alles zu unternehmen, um den Terrorismus zu bekämpfen und damit die Bevölkerung vor Anschlägen zu schützen. Dazu gehört es, dass die Sicherheitsbehörden in rechtlicher Hinsicht über die entsprechenden verfassungssicheren Befugnisse verfügen.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich die wesentlichen Änderungen im Einzelnen kurz darstellen, zunächst zum Polizeiaufgabengesetz. Die Befugnis des Platzverweises in § 18 wird um eine spezielle Befugnis zur Wohnungsverweisung erweitert, die in Fällen häuslicher Gewalt zur Anwendung kommen soll. Der Schutz von Opfern häuslicher Gewalt wird auf diese Weise weiter verbessert. Die Rechtssicherheit für die Polizeibeamtinnen und -beamten wird erhöht. In § 33 des Entwurfs ist die Möglichkeit der Videodokumentation von Personen- und Fahrzeugkontrollen vorgesehen. Werden die kontrollierten Personen auf die Videodokumentation der Maßnahme aufmerksam gemacht, kann durch die dadurch gesenkte Aggressionsbereitschaft ein aktiver Beitrag zur Eigensicherung der Polizeibeamten geleistet werden. Wie lebensnotwendig dies unter Umständen für unsere Beamtinnen und Beamten sein kann, haben uns die schrecklichen Vorfälle in Heilbronn gezeigt und ich bin froh, dass wir mit dieser Änderung die Gefahren für unsere Beamtinnen und Beamten verringern können. Die Maßnahme erfolgt in jedem Fall in offener Form, ich betone, eine verdeckte Datenerhebung scheidet hier aus. § 33 a erlaubt den Einsatz automatisierten Kennzeichener

kennungssysteme, durch die amtliche Kennzeichen von Kraftfahrzeugen erfasst und mit dem Fahndungsbestand oder im Einzelfall auch mit anderen Dateien zum Zwecke der Gefahrenabwehr abgeglichen werden können.

Um an dieser Stelle auf die Pressemitteilung einer Fraktion, der PDS, vom 18.04.2007 einzugehen, ja damit ist nach Auffassung der Landesregierung auch ein Einsatz im Rahmen von Vorkontrollen bei Versammlungen möglich und beabsichtigt. Wenn es uns dadurch gelingt, Störer von vornherein von öffentlichen Versammlungen fernzuhalten und damit Gewalttätigkeiten zu verhindern, dann ist dies ein ebenso wichtiger Beitrag für die Sicherheit aller friedlichen Demonstranten, wie die polizeiliche Präsenz vor Ort. Dann werden Tage wie der 1. Mai noch besser abgesichert werden können, als dies der Polizei vor wenigen Tagen gelungen ist. Bei dieser Befugnisnorm ist die sofortige Löschung der erhobenen Daten gesetzlich vorgeschrieben, wenn der Datenabgleich keinen Treffer ergibt. Es erfolgt also keine Vorratsdatenspeicherung. Es wurde wiederholt behauptet, Maßnahmen der automatischen Kennzeichenerfassung dienten der Strafverfolgung und nicht der Gefahrenabwehr. Dem widerspreche ich ausdrücklich. Die Verhinderung der Fortsetzung von Straftaten gehört genauso zur Gefahrenabwehr, wie das Verhüten von Straftaten, dass sich Maßnahmen der Strafverfolgung anschließen können, ändert daran nichts. Auch wurde vorgebracht, dass der Einsatz solcher Geräte qualitativ mit der Rasterfahndung gleichzusetzen sei, dies kann eindeutig verneint werden. Eine automatisierte Kennzeichenerfassung weist zwar eine große Streubreite auf und betrifft auch überwiegend Personen, die mit den abzuwehrenden Gefahren in keinem Zusammenhang stehen. Sie erreicht jedoch hinsichtlich der erhobenen Daten qualitativ bei Weitem nicht die Eingriffsintensität einer Rasterfahndung. Ein aus meiner Sicht entscheidender Aspekt besteht darin, dass bei der automatisierten Kennzeichenerfassung nicht auf Datenbestände anderer öffentlicher oder nicht öffentlicher Stellen zurückgegriffen wird, lediglich das am Fahrzeug angebrachte und dadurch von vornherein für jedermann offen erkennbare amtliche Kennzeichen, an das daher keine Vertraulichkeitserwartung gestellt werden kann, wird mit dem Fahndungsbestand abgeglichen.

Besonderes Augenmerk lag im Rahmen der Novellierung auf Fragen der Wohnraum- und Telekommunikationsüberwachung. Die Wohnraumüberwachung und die Überwachung der Telekommunikation waren in jüngerer Vergangenheit Gegenstand verfassungsgerichtlicher Überprüfungen. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Wohnraumüberwachung sowie der Telekommunikationsüberwachung zur Gefahrenabwehr wurden dabei ausdrücklich fest

gestellt. Das Bundesverfassungsgericht hat allerdings für diese Maßnahmen Vorkehrungen für den Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung, zur Kennzeichnung der erhobenen Daten, zur Benachrichtigung der Betroffenen sowie zum Berufsgeheimnisträgerschutz gefordert. Die im Polizeiaufgabengesetz bereits enthaltenen Regelungen zur verdeckten Erhebung personenbezogener Daten werden daher an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts angepasst, wobei die Ausformung des Berufsgeheimnisträgerschutzes über die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts hinausgeht. Ich will kurz anführen, wen der Kreis der Berufsgeheimnisträger, die hier geschützt sind, umfasst. Es handelt sich um Geistliche, Strafverteidiger, Rechtsanwälte, Patentanwälte, Notare, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer, Steuerberater und Steuerbevollmächtigte, Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Kinder- und Jugendpsychotherapeuten, Apotheker und Hebammen sowie - diesen gleichgestellt - sonstige Mitglieder einer Rechtsanwaltskammer, Mitglieder oder Beauftragte einer anerkannten Beratungsstelle nach den §§ 3 und 8 Schwangerschaftskonfliktgesetz, Berater für Fragen der Betäubungsmittelabhängigkeit, Mitglieder des Bundestags, eines Landtags oder einer Zweiten Kammer, Personen, die bei der Vorbereitung, Herstellung oder Verbreitung von Druckwerken, Rundfunksendungen, Filmberichten oder der Unterrichtung oder Meinungsbildung dienenden Informations- und Kommunikationsdiensten berufsmäßig mitwirken oder mitgewirkt haben. Darüber hinaus sind deren Hilfspersonen geschützt. Das ist ein kleiner Auszug, der nicht unbedingt vollständig sein muss.

Die Befugnisse zur Überwachung der Telekommunikation und zur Wohnraumüberwachung stellen unverzichtbare Mittel im Kampf gegen organisierte Kriminalität und Terrorismus und damit eng verbunden für den Schutz unschuldiger Opfer dar. Die Schutzpflicht des Staates gegenüber möglichen Opfern zwingt dazu, die Polizei mit solchen Befugnissen auszustatten. Durch den vorliegenden Entwurf wird die Verfassungsmäßigkeit dieser Befugnisnormen garantiert. Zur Verbesserung der Zusammenarbeit mit Sicherheitsbehörden in den EU-Mitgliedstaaten werden die rechtlichen Voraussetzungen für Maßnahmen gegenüber Personen bzw. Fahrzeugen geschaffen, die gemäß Artikel 99 des Schengener Durchführungsübereinkommens zur gezielten Kontrolle ausgeschrieben sind. Thüringen liegt innerhalb des Schengen-Fahndungsraums. Mit den Änderungen der Vorschriften zur Durchsuchung von Personen bzw. Sachen und zur Identitätsfeststellung kann den von Polizeidienststellen anderer EU-Staaten veranlassten Ausschreibungen künftig umfassend entsprochen werden. Daneben wird auch auf nationaler Ebene die Möglichkeit neu geschaffen, Personen unter bestimmten engen Voraussetzungen zur gezielten Kontrolle auszuschreiben. Der Wegfall der systematischen

Kontrollen an den Schengen-Binnengrenzen hat das praktische Erfordernis eines effektiven Zusammenwirkens der Polizeien in den Staaten Europas verstärkt. Bedeutendes Kernelement der Zusammenarbeit ist der Austausch personenbezogener Daten zur Abwehr von Gefahren, für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung. Der Bund hat auf völkerrechtlicher Ebene eine Vielzahl von Verträgen zur Polizeikooperation geschlossen, die u.a. den Austausch von Informationen und personenbezogenen Daten vorsehen. Die Vorschriften zur Datenübermittlung des § 41 PAG werden an diese Entwicklung angepasst, um den zunehmenden internationalen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland zur grenzüberschreitenden Polizeikooperation nachkommen zu können. Die im Polizeiaufgabengesetz enthaltenen Regelungen zur internationalen Datenübermittlung werden dementsprechend fortentwickelt. Schließlich werden aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur präventiven Rasterfahndung die Tatbestandsvoraussetzungen den Vorgaben des Gerichts angepasst. Nunmehr ist - und das ist wichtig für eine solche Maßnahme - das Vorliegen einer konkreten Gefahr gefordert.