Protokoll der Sitzung vom 03.05.2007

Lassen Sie mich aber mal Folgendes vorausschicken: Die Deutsche Telekom AG ist ein privatwirtschaftlich arbeitendes Unternehmen. Das haben wir hier gemeinschaftlich festgestellt und Herr Dr. Schubert ist auch darauf sehr deutlich eingegangen. Sie ist eben auch kein Monopolist mehr. Das war übrigens eine staatliche Entscheidung. Deshalb muss man der Telekom jetzt auch zugestehen, dass sie ihre Strukturen so gestaltet, dass sie sich am Markt und damit natürlich auch im Wettbewerb überhaupt behaupten kann. Darüber hinaus zeigt sich immer wieder, staatlicher Einfluss auf notwendige Unternehmensentscheidungen ist eher kontraproduktiv. Auch wenn der Bund noch ein großes Aktienpaket der Telekom hält, so sollte er sich doch wohl vorerst besser aus der Diskussion heraushalten. Darüber hinaus muss ich Ihnen auch sagen, die Einflussmöglichkeiten einzelner Bundesländer und damit auch die des Freistaats Thüringen auf anstehende Entscheidungen der Telekom sind doch wohl eher begrenzt. Wir tun, was in unserer Macht steht, um Arbeitsplätze am Standort Thüringen zu halten, aber es ist nun einfach mal nicht so, dass man eine Lawine, die auf einen zurollt, mit einem einfachen Fußtritt wieder den Berg hinaufbefördern könnte. Das ist ja, wenn ich das so richtig verstehe, die Vorstellung der Linkspartei.PDS in Sachen Telekom.

Aber kommen wir nun mal zu den Fakten. Zu den Vorschlägen des Telekomvorstands gibt es folgende Informationen: Die Telekom plant die Gründung von drei Servicegesellschaften, die DT Kundenservice GmbH, hier werden die Callcenteraktivitäten zusammengeführt, die DT Technischer Kundendienst GmbH für den technischen Kundendienst letztendlich vor Ort und die DT Netzproduktion GmbH für den Aufbau und Betrieb der gesamten Netzinfrastruktur. Darüber hinaus hat die Deutsche Telekom ein Gesamtpaket mit drei grundlegenden Vorschlägen vorgelegt: Erstens, insgesamt 9 Prozent Entgeltabsenkung über einen Zeitraum von 30 Monaten mit sozialem Ausgleich, zweitens, Kündigungsschutz bis Ende 2011 und Verkaufsverzicht bis Ende 2010 und drittens - und das halte ich auch für sehr wichtig - Schaffung von 3.000 neuen Arbeitsplätzen, allerdings bei Vereinbarung neuer Einstiegsgehälter.

Hinzu, meine Damen und Herren, kommt eine ganze Reihe von Detailvorschlägen, wie z.B. die Erhöhung der Arbeitszeit auf 38 Stunden pro Woche, flexiblere und am Kundenwunsch ausgerichtete Arbeitszeit zur Verbesserung der Servicequalität, Erhöhung des variablen Gehaltsanteils, Qualifizierung, Fortsetzung der Ausbildung auf hohem Niveau und Übernahme von Nachwuchskräften, Investition in eine moderne Arbeitsumgebung und eine moderne Arbeitsmittelausstattung und aktive Einbindung der Mitarbeiter in den Gestaltungsprozess und die kontinuierliche Verbesserung der Arbeitssysteme.

Ich betone, in diesen Vorschlägen stecken sowohl negative als natürlich auch positive Aspekte. Ein negativer Aspekt sind ganz sicher die drohenden Gehaltseinbußen der Mitarbeiter - auch für Mitarbeiter wahrscheinlich in Thüringen - und damit verbundene Kaufkraftverluste. Die Telekom argumentiert aber im Hinblick darauf, dass die Bedingungen für ihre Beschäftigten auch nach den geplanten Veränderungen teilweise noch günstiger sind als bei ihren Wettbewerbern und dass sie sich in den anderen Punkten auf einem vergleichbaren Niveau bewegen. Wer sich mal die Mühe gemacht hat, die FAZ vom vergangenen Sonntag, den Wirtschaftsteil, zu lesen, der kann sich das auch sehr deutlich vor Augen führen. Ich will Ihnen nur ein paar Zahlen nennen: Das Jahresgehalt eines Callcenter-Mitarbeiters bei der Deutschen Telekom beträgt im Durchschnitt 38.800 € bei nur 34 Stunden; bei Vodafone nur 32.100 € bei 38 Stunden oder bei der Lufthansa gar nur etwa 21.700 € bei auch 38 Stunden. Noch deutlicher wird es bei den Monteuren. Ein deutscher Telekom-Monteur verdient im Durchschnitt 34.900 € bei 34 Stunden Arbeitszeit; ein Mitarbeiter der Siemens-Montagegesellschaft 30.300 € bei 38 Stunden oder ein Monteur im Elektrohandwerk SachsenAnhalt etwa gar nur etwas mehr als die Hälfte, nämlich nur 18.550 €, und das bei 40 Stunden.

Natürlich ist es bitter für die Beschäftigten, dass sie nicht nur länger arbeiten, sondern zusätzlich auf Gehalt verzichten sollen. Dafür habe ich auch volles Verständnis. Dennoch sollte man im Blick behalten, dass ein mittelfristig sicherer Arbeitsplatz besser ist als ein sofortiger Personalabbau und damit dann auch Arbeitslosigkeit für eine größere Zahl an Beschäftigten. Die Entscheidung darüber müssen letztendlich die Beschäftigten zusammen mit ihrer Gewerkschaft vornehmen und auch treffen, das kann ihnen wirklich keiner abnehmen.

Abgesehen davon gibt es natürlich auch ein paar positive Seiten dieser diskutierten Pläne, die durchaus positive beschäftigungspolitische Auswirkungen haben können: zum Beispiel, ich sagte es schon, keine Entlassungen und damit sichere Arbeitsplätze bis zum Ende des Jahres 2011, eine Neueinstel

lung von 3.000 Mitarbeitern und damit sogar ein Abbau von Arbeitslosigkeit in den einzelnen Regionen und eine große Anzahl von Auszubildenden, von denen ein Teil übernommen werden soll, während ein anderer Teil der gut ausgebildeten Fachkräfte - und das will sicher der Telekom keiner absprechen - anderen Unternehmen zur Verfügung gestellt werden kann - und das immer wieder vor dem Hintergrund, den wir auch auf der Hannovermesse mit den unterschiedlichsten Firmen diskutiert haben, nämlich dem des Fachkräftebedarfs gerade in den neuen Bundesländern.

Ohnehin, meine Damen und Herren, ist derzeit unklar, inwieweit Thüringen von bestimmten Veränderungen überhaupt betroffen ist. Im Hinblick auf die geplanten Arbeitszeiterhöhungen kann man zum Beispiel feststellen, dass die meisten Mitarbeiter in Thüringen bereits 38 Stunden pro Woche arbeiten.

Für die Thüringer Landesregierung gibt es nach dem gegenwärtigen Stand der Verhandlungen keinen Grund zu akuter Besorgnis, dass signifikant negative Auswirkungen auf die Beschäftigungssituation bei der Telekom in Thüringen zu erwarten sind. Seien Sie aber versichert, dass wir die Entwicklung genau im Auge behalten und gegebenenfalls auch handeln werden. Das ist uns ja auch in der Vergangenheit gelungen. Nicht zuletzt aufgrund der Gespräche, die ich mit der Telekom geführt habe, konnte der Standort der ehemaligen T-Systems-Nova, jetzt T-Systems Systemintegration, in Erfurt erhalten werden. Dass der Bundestagsabgeordnete Schneider ebenfalls mit der Geschäftsführung gesprochen hat, ist sicher positiv. Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit beende ich die Aktuelle Stunde.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 4 in seinen Teilen

a) Thüringer Kommunalabgaben- anpassungsgesetz Gesetzentwurf der Fraktion der Linkspartei.PDS - Drucksache 4/2933 - ERSTE BERATUNG

b) Gesetz zur Änderung des Thüringer Kommunalabgaben- gesetzes Gesetzentwurf der Fraktion der SPD - Drucksache 4/2956 - ERSTE BERATUNG

Die Fraktion der Linkspartei.PDS wünscht das Wort zur Begründung zu ihrem Gesetzentwurf. Ich erteile Abgeordneten Kalich das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, mit dem heutigen Gesetzentwurf reagieren wir erneut auf bestehende Probleme im Kommunalabgabengesetz. Der Gesetzentwurf zielt dabei im Wesentlichen auf drei Dinge:

Erstens: Die Bestimmungen des § 7 Abs. 1 Satz 3 Thüringer Kommunalabgabengesetz, die auch für wiederkehrende Straßenausbaubeiträge nach § 7 a Abs. 1 Satz 3 entsprechend Rechtsanwendung finden, regeln, dass Straßenausbaubeiträge für die Erweiterung oder Verbesserung von Ortsstraßen und beschränkten öffentlichen Wegen erhoben werden, soweit keine Erschließungsbeiträge zu erheben sind. Die Gesetzgebung ist dabei im Freistaat Thüringen wie in Bayern wortgleich. Der Begriff „Ortsstraße“ ist aber in Thüringen durch den Gesetzgeber nicht definiert. Dies unterscheidet das bayerische Straßen- und Wegegesetz von dem in unserem Freistaat. Eine vergleichbare Regelung gibt es dagegen in Rheinland-Pfalz im Kommunalabgabengesetz. Es geht also um eine klare Regelung, die unserer Verwaltungsgerichtsbarkeit eventuell einige Fälle zur Entscheidung ersparen könnte.

Zweitens ist bei der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen für unbebaute aber bebaubare Grundstücke strittig, ob die Begründung für die Erhebung in allen Fällen zutreffend ist. Darin steht bekanntlich, dass dies grundstücksbezogen dauerhaft und der Gebrauchswert steigend sein soll. Insbesondere bei der Steigerung des Gebrauchswertes ist dies stark anzuzweifeln.

Drittens ist umstritten, dass die Verpflichtung der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen durch die Gemeinden in den Fällen, in denen Dritte bestimmte Aufgaben der kommunalen Daseinfürsorge im Auftrag der Gemeinden erfüllen, zielführend ist. Die Aufgaben der Daseinsfürsorge können durch die Träger regelmäßig nur dann erfüllt werden, wenn sie von den Gemeinden zu den laufenden Kosten Zuschüsse erhalten. Es macht doch keinen Sinn, erst Geld als Zuschuss auszureichen und danach umgehend über Beiträge zurückzuverlangen.

Meine Fraktion ist der Meinung, dass aus den von mir aufgezeigten Fällen, zu denen es Anfragen aus Kommunen unseres Landes gibt, schon über einen längeren Zeitraum Handlungsbedarf besteht, den der Landtag mit Taten füllen sollte. Unsere vorgeschlagenen Änderungen zum Thüringer Kommunalabgabengesetz sollen dazu die Grundlage geben.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Wünscht die Fraktion der SPD das Wort zur Begründung? Das wünscht sie nicht. Damit eröffne ich die gemeinsame Aussprache und erteilte das Wort der Abgeordneten Stauche, CDU-Fraktion.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wieder einmal müssen wir uns mit einem Gesetzentwurf der Linkspartei.PDS beschäftigen,

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

der die Bezeichnung „Gesetzentwurf“ im Grunde nicht verdient. Sie müssen mich aussprechen lassen, bevor Sie klopfen.

(Zwischenruf Abg. Hausold, Die Links- partei.PDS: Wir wollten uns mal freuen.)

(Zwischenruf Abg. Kuschel, Die Links- partei.PDS: Manchmal ist es besser, Sie sagen nichts.)

Die zur Beratung anstehende Drucksache ist an verschiedenen Stellen fehlerhaft, widersprüchlich und leidet auch deutlich unter handwerklichen Mängeln. Beispielsweise wird behauptet, dass der Gesetzentwurf dazu diene, die Rechtslage klarzustellen. Meine Damen und Herren, an einer klaren Rechtslage mangelt es jedoch nicht. Die Rechtslage ist klar. Bei der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen kommen grundsätzlich auch Außenbereichsgrundstücke in Betracht. Wenn Sie, meine Damen und Herren von der Linkspartei.PDS, mit den Praktikern vor Ort sprechen würden, wenn Sie richtig lesen und richtig verstehen würden, was zum Beispiel der Vorsitzende der Verwaltungsgemeinschaft „Fahner Höhe“ in seinem Schreiben an die Fraktionen zum Ausdruck bringen wollte, dann würden Sie wissen, worum es geht. Es geht jetzt um eine Erleichterung des Verwaltungsvollzugs. Die Landesregierung hat in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage 1160 mitgeteilt, dass sie prüft, die im Kommunalabgabengesetz verwendeten Begriffe „Ortsstraße“ und „beschränkte öffentliche Wege“ eventuell im Straßengesetz zu definieren. Die Klärung dieser Frage ist ein sinnvoller Weg, die Sie aber in Ihrem Gesetzentwurf zwar im Vorfeld ansprechen, aber nicht weiterverfolgen. Richtig abenteuerlich wird der Gesetzentwurf in Bezug auf die Forderung nach dem Entstehen einer Beitragspflicht erst nach der Bebauung des Grundstücks, gekoppelt an die Forderung nach einer zinslosen Stundung bis dahin. Abenteuerlich aus zwei Gründen:

Erstens deshalb, weil zwar auf dem Deckblatt des Gesetzentwurfs schön steht, dass das Gesetz eine Regelung für eine solche zinslose Stundung enthalten soll, tatsächlich aber im Gesetzestext keine entsprechende Regelung zu finden ist.

Zum Zweiten ist es sehr seltsam, dass eine Beitragspflicht erst mit der Bebauung des Grundstücks entstehe, die zinslose Stundung aber bereits vorher erfolgen soll. Mit einem Minimum an rechtlichem Grundwissen sollte die Linkspartei.PDS aber wissen, dass Beiträge erst dann gestundet werden können, wenn sie entstanden sind. Der Gesetzentwurf sieht weiterhin die Möglichkeit vor, Beiträge unverzinst zurückzuzahlen, wenn dies die dauernde Leistungsfähigkeit der Gemeinde erlaubt. Aber das ist ja heute nicht das erste Mal, dass wir über diese zweifelhaften Vorschläge in diesem Hause sprechen. Es wurde hier schon oft ausgeführt, dass die Einführung einer solchen Ermessensregelung zu enorm großen Problemen führen würde, und das wissen Sie auch. Der größte Teil der Gemeinden, auch wieder belegt schon in den letzten Diskussionen durch Zahlen, hat ja schließlich schon Straßenausbaubeiträge erhoben. Die Ermessensregelung würde dazu führen, dass landesweite Rückforderungen gestellt würden. Aber ich kann mir vorstellen, dass das Ihre Partei ja durchaus bezweckt. Der Druck der betroffenen Bürger auf die Zurückerstattung würde letztlich unabhängig davon entstehen, ob die betreffende Gemeinde tatsächlich dauernd leistungsfähig ist oder nicht. Der Nachweis der dauernden Leistungsfähigkeit, darüber hatte ich auch das letzte Mal schon Ausführungen gemacht, ist kein ausreichender Maßstab, um eine Rückerstattung von Beiträgen zu rechtfertigen, weil sich Leistungsfähigkeit der Kommunen aufgrund unvorhergesehener Umstände ganz schnell ändern kann. Dafür gibt es genug Beispiele in der Praxis. Auch das habe ich hier schon oft genug gesagt, aber Sie lernen es nicht, Sie wollen es nicht lernen und Sie hören es gar nicht. Ich weiß es nicht.

Der dritte Kernpunkt des Gesetzes zeigt, dass die Linkspartei.PDS zwar fleißig Kleine Anfragen stellt, aber offenbar mit dem Lesen der Antworten Probleme hat. Die Landesregierung hat in der Antwort auf die Kleine Anfrage 1170 eine eindeutige Rechtslage dargelegt. Da bedarf es schlichtweg keiner Neuregelung für die Fälle, in denen Dritte bestimmte Aufgaben der kommunalen Daseinsvorsorge im Auftrag der Gemeinde erfüllen. Nicht zuletzt drückt sich die Linkspartei.PDS auch hier wieder um konkrete Angaben zu den finanziellen Folgen einer solchen Stundungsregelung. Etwas leichter liest sich dann schon der Gesetzentwurf der SPD zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes. Hier zeigt sich zumindest, dass man die Situation schärfer durchleuchtet hat, und es lässt sich der Wille zu konstruktiven Vorschlägen erkennen. Der Vorschlag einer Stichtags

regelung ist nicht neu. Dementsprechend bekannt sind auch die Argumente, die dagegen sprechen, denn eine unwillkürliche Festlegung eines Stichtags - das sagten wir auch das letzte Mal schon - würde die Bürger nicht nur landesweit, sondern auch innerhalb jeder Gemeinde in zwei Lager teilen. Das ist auch in den Gemeinden schwer händelbar und ich habe auch mit vielen Bürgermeistern schon darüber gesprochen, die bis jetzt noch keine Straßenausbausatzung haben. So wollen sie es eigentlich nicht. Wenn die einen die Beiträge bezahlen müssen im Ort und die anderen nicht, also dort gäbe es Probleme. Ich denke, die Folgen, die daraus entstehen, müssen wir noch einmal ernsthaft durchdenken und auch abwägen. Der Vorschlag einer Ermessensregelung für die Erhebung von Beiträgen für die Maßnahmen, die ja vor Ort mit Inkrafttreten einer Satzung für wiederkehrende Beiträge abgeschlossen wurde, ist letztlich auch keine neue Lösungsvariante, aber hier gilt genau dasselbe, was ich vorhin sagte. Auch hier müssen wir noch einmal überlegen und müssen auch noch einmal über die finanziellen Auswirkungen für die Gemeinden nachdenken.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch wenn die in beiden Gesetzentwürfen angesprochenen Bereiche schon einige Male hier im Plenum und in den Ausschüssen beraten wurden, wir sind gern bereit, auch jetzt wieder die vorliegenden Vorschläge in den zuständigen Ausschüssen zu beraten, um dort gemeinsam über eine Lösung nachzudenken. Danke.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Abgeordneter Hauboldt, Die Linkspartei.PDS.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, die rückwirkende Erhebung von Straßenausbaubeiträgen beschäftigt den Landtag nicht erst seit heute und nicht erst seitdem auch die Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion das Thema für sich entdeckt haben. Entdeckt, dass die Straßenausbaubeiträge und die Anwendung des Kommunalabgabengesetzes ein flächendeckendes Problem in Thüringen sind, hat aber immerhin auch die CDU-Fraktion, als sie plötzlich erklärte, ernsthaft - und heute entnehme ich das den Worten von Frau Stauche ebenfalls - über den Gesetzentwurf sowohl der Linksfraktion als auch der SPD-Fraktion reden zu wollen. Das war so ein bisschen der Aufreger der letzten Woche, als ich das lesen durfte, aber ich muss das etwas relativieren, zumal ja heute der Innenminister Dr. Gasser gegen 14.00 Uhr verlautba

ren ließ, dass die Zeitungsberichte so eine Sache sind, wo nicht alles zu glauben sei, was da drin steht. Aber Sie haben das jetzt noch einmal bekräftigt, insoweit bin ich Ihnen dankbar, dass Sie zumindest den Willen aufbringen, auch in den Ausschüssen darüber zu reden. Es ist bedauerlich, dass Sie sich erst jetzt diesen Vorstellungen nähern, denn es ist nicht neu, wir haben in unseren bisherigen Vorstößen immer davon Kenntnis nehmen müssen, dass Sie als CDU-Fraktion diese Dinge stets blockiert haben.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Frau Stauche, wir wollen Sie auch nicht zu Abenteuern hinreißen, so vermessen sind wir ja gar nicht, aber, ich denke, ein ernsthaftes Nachdenken sollte möglich sein, der Wille zur konkreten Mitarbeit, Sie haben ihn ausgesprochen, wir nehmen ihn diesbezüglich gern auf, er ist erkennbar, aber Sie sollten auch den Mut aufbringen, nicht auf althergebrachten Standpunkten zu verharren und immer die Gerichte entscheiden zu lassen, bringen Sie auch den Mut auf, sich diesen Alternativen zu nähern, die wir hier aufgeschrieben haben.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Meine Damen und Herren, ich will kurz auf die Vorstellungen der SPD-Fraktion eingehen. Zunächst will ich Ihnen ganz unverhohlen auch meinen Glückwunsch aussprechen, dass Sie es geschafft haben, die eigentlich - ich sage es bewusst - komplizierte Materie mit einem Gesetzentwurf lösen zu wollen und dafür nur ein DIN-A4-Blatt benötigen, in anderen Bereichen, zum Beispiel Sparkasse, wir haben es ja ähnlich praktiziert, ist uns dies auch gelungen, aber bei dem Thema „Straßenausbaubeiträge“ eben nicht, insoweit unser Kompliment. Meine Fraktion braucht mitunter Papierstapel höher als das Landtagshochhaus, um nur ansatzweise ein paar Informationen von der Landesregierung zu erhalten. Wir fordern die Landesregierung auf, das sage ich ganz deutlich, hier umzudenken und die notwendigen Informationen bereitzustellen, um an einer Versachlichung der Diskussion auch mitzuwirken. Wir werden als Fraktion nicht lockerlassen, auch wenn dabei manchmal sehr ungewöhnliche Wege gegangen werden müssen, wie Sie es angesprochen haben, zum Beispiel das Stellen von 652 Kleinen Anfragen.

Aber nun zum eigentlichen Inhalt: Herr Matschie, Ihr Gesetzentwurf mag ja ein gut gemeinter Versuch sein, das Problem lösen zu wollen, doch beim Versuch der Problemlösung sind Sie stecken geblieben. Es ist ja schon merkwürdig, wenn ausgerechnet Richard Dewes, so habe ich gehört, beauftragt werden musste, diesen Vorschlag zu erarbeiten,

(Heiterkeit bei der SPD)

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Jetzt muss ich aber wirklich lachen.)

(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: Wo haben Sie denn das gehört, Herr Hau- boldt?)

immerhin war ja Herr Dewes mal Innenminister und ist damit mitverantwortlich für diese Situation, mit seinem Vorschlag oder mit Ihrem Vorschlag, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion, einer Stichtagsregelung. Das betrachte ich jetzt einmal unabhängig vom definierten Stichtag, löst aber das grundsätzliche Problem nicht.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Sie sollten wirklich nicht alles glauben.)

Anstatt die bestehenden Problemlagen aus der Welt zu schaffen, werden jetzt, denke ich, neue produziert. Wenn Sie den Gemeinden per Gesetz die Möglichkeit einräumen, die rückwirkende Erhebung von Straßenausbaubeiträgen ins Ermessen zu stellen, müssen Sie vor Ort und hier auch die Frage beantworten, ob dadurch in den Gemeinden nicht neues Unrecht zusätzlich produziert wird. Wie soll das Ermessen denn aussehen? Welcher Gemeinderat wird schon ruhigen Gewissens darüber entscheiden, dass Bürger A keinen Beitragsbescheid erhält und Bürger B sehr wohl dafür zahlen muss. Das Problem verschieben Sie lediglich auf eine Stufe nach unten und machen, denke ich, einen Fehler, der sonst typisch für die handwerklichen Fehler in der CDU-Fraktion ist.

Das Programm der Landesregierung und CDU sieht nämlich immer vor, dass die Bürgermeister und Gemeinderäte vor Ort das ausbaden müssen, wozu sich die Noch-Landtagsmehrheitsfraktion in möglichen Entscheidungen nicht durchringen will. Auch mit dem Gesetzentwurf Ihrer Fraktion - so befürchte ich - müssen die Kommunalpolitiker wieder einmal für verfehlte Landespolitik den Zorn der Bürgerinnen und Bürger ertragen.

Damit komme ich auch gleich zum zweiten Problem: Mit der Formulierung der Ermessensentscheidung und der von mir nur kurz skizzierten Praxisauswirkung wird ja de facto an der gegenwärtigen Situation überhaupt nichts geändert.