Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, neuerlich ein Staatsvertrag, für uns bleibt da regelmäßig die sogenannte Notarfunktion, zu schauen, geht das insgesamt auf, ja oder nein; Veränderungen daran sind nicht möglich. Damit wäre die Gesetzgebung eigentlich auch schnell zu Ende. Man hätte tatsächlich - ich weiß nicht, wer das überhaupt ins Gespräch gebracht hat, Frau Henning - ohne Aussprache dort durchgehen können. Nun hat dieses Gesetz aber mehr vor als nur die Umsetzung der Vereinbarung der Ministerpräsidenten über die Zentrale Stelle zur Vergabe von Studienplätzen. Die Abkürzung ZVS ist, glaube ich, geläufiger. Das ist möglicherweise der Grund, weshalb Thüringen sich besonders viel Zeit genommen hat, denn es gibt eine Vereinbarung, das innerhalb eines Jahres umzusetzen, was man am 22.06.2006 im Rahmen der Ministerpräsidentenkonferenz beschlossen hat. Andere Länder waren schneller. Ich mache nur eine kurze Aufzählung: So hat die Regierung von Nordrhein-Westfalen den Gesetzentwurf am 30.10.2006 in das Parlament eingebracht, in Bayern war es ganz und gar möglich, Ende September mit dem Gesetz in den Landtag zu gehen, in Rheinland-Pfalz im März dieses Jahres, Niedersachsen im März, Sachsen im Januar, Mecklenburg-Vorpommern immerhin noch Ende April, aber Thüringen jetzt Anfang Mai. Das nimmt uns als Parlamentarier an sich den nötigen Beratungsraum. Wenn Sie mit Recht Hochschulen angehört haben, so sollten wir das dann auch tun, wenn tatsächlich mehr vorgesehen ist als nur die Umsetzung dieses Staatsvertragstextes. Das ist offensichtlich so. Denn man baut - ich beklage das nicht - gleich noch die Regelung zur Vergabe von Studienplätzen an den Hochschulen zusätzlich hier mit ein und geht damit über den Inhalt der reinen Staatsvertragsregelung hinaus. Deshalb rege ich dringend an, dass wir das an den Ausschuss für Wissenschaft, Kunst und Medien überweisen und uns überlegen sollten, wie wir mindestens noch eine schriftliche Anhörung hinbekommen. Denn darin liegt eine spannende Materie, nach welchen Kriterien Hochschulen ihre Studenten aussuchen. Es gibt
ein Gerüst, es gibt eine Empfehlung, mindestens zwei der dort angeführten Kriterien zu wählen, und insbesondere gibt es die Empfehlung, ganz dringend auf die Abiturnote zu setzen. Darüber müssen wir aber auch diskutieren. Es gibt noch etwas Weiteres, was meine Kolleginnen und Kollegen vielleicht schon erwartet haben. Es gibt etwas ganz Spannendes, nämlich den Hochschulen soll ein Instrumentarium an die Hand gegeben werden, um die Anzahl von ausländischen Studierenden bei Bedarf zu begrenzen. Warum? Eigentlich ist das ja ein gutes Zeichen, wenn viele ausländische Studierende an unsere Hochschulen kommen. Es dient regelmäßig dem wissenschaftlichen Austausch und es bildet Botschafter für Thüringen und Deutschland im besten Sinne des Wortes aus. Also ist es nur zu begrüßen. Aber es gibt auch die Möglichkeit, dass ganz viele ausländische Studierende manche Fächer in Thüringen in hohem Maße in Anspruch nehmen, üblicherweise kostet das auch sehr viel Geld und die Hochschulen müssten dann versuchen, die Zahl ausländischer Studierender zu begrenzen. Dass das nun kein Phantom mehr ist, merkt man, wenn man sich erkundigt. In manchen Fächern ist die Zahl chinesischer Studierender in Thüringen schon erstaunlich hoch angestiegen. Das ist keine Erscheinung nur für Thüringen; das zeigt sich auch in anderen Bundesländern, nur reagieren die mittlerweile. Wir tun es aus hier hinlänglich bekannten Gründen nicht. Ich stelle trotzdem im Gespräch mit chinesischen Studierenden fest - wir haben jetzt über mehrere Jahre zwei chinesische Studentinnen im Rahmen eines sehr guten Programms hier in Erfurt betreut -, die haben dafür eigentlich kein Verständnis. Sie haben eigentlich fest damit gerechnet, dass sie sich auch finanziell beteiligen müssen, nehmen das gern hin. Ich sage auch an dieser Stelle noch einmal ganz offen: Das ist auch kein Akt von Entwicklungshilfe, denn die jungen Leute - ich beziehe mich jetzt nur auf China -, die hierherkommen, gehören dort nicht einer unterprivilegierten Schicht an. Es sind wohlsituierte Haushalte, denn die normalen Lebenshaltungskosten müssen ja trotzdem aufgebracht werden und man versteht es wirklich nicht gut, warum hier in Thüringen das Studium kostenfrei ist. Also hier ist die Regierung so weise und gibt den Hochschulen Regelungen an die Hand, um ein Auswahlinstrumentarium an die Hand zu bekommen, um den Zugang ausländischer Studierender im Bedarfsfalle begrenzen zu können. Auch darüber möchten wir gern mit den Hochschulen sprechen. Ich bedauere noch mal, dass uns die Regierung ähnlich wie beim Hochschulgesetz zum zweiten Mal sehr wenig Zeit für die parlamentarische Beratung lässt. Ich verstehe es nicht. Die Ursachenfindung überlasse ich der Opposition. Sie sollen ja auch noch etwas zu tun haben. Mir fällt da schon manches ein, aber ich will ja nicht Ihre Arbeit mit übernehmen.
Zur ZVS selber: Der nächste Staatsvertrag, der danach folgt, ist ja schon in Bearbeitung. Die ZVS wird sich in ihrem Charakter verändern. Sie wird zunehmend weniger ihrer bisherigen Aufgaben haben und wir sind erneut in einem Dilemma, in einem sehr bevölkerungsreichen Bundesland eine gemeinsame von den Ländern getragene Einrichtung infrage gestellt zu sehen. Ähnlich wie beim richtigen Umzug der Regierung und des Parlaments von Bonn nach Berlin machen wir erneut einen faulen Kompromiss. Es führt nicht zum Abbau dieser nicht mehr benötigten Arbeitsplätze, nein, es werden neue Aufgaben gesucht. Ob diese sehr sinnvolle, Herr Eckardt, zentrale Stelle zur Beratung von jungen Leuten, auch für die Hochschulen unbedingt im öffentlichen Dienst geführt werden muss oder ob man da nicht auch private Formen, die viel flexibler wären, hätte etablieren können, diese Frage ist bestimmt richtig und gut, aber sie wird auch regelmäßig wieder nur mit „öffentlichem Dienst“ beantwortet. Das ist bedauerlich und ich kann die Regierung nur bitten zu versuchen, da noch etwas zu korrigieren. Ich weiß, dass Herr Rüttgers an jedem Arbeitsplatz klammert. Möglicherweise würden wir es genauso tun, ich will das ja gar nicht kleinreden, aber im Sinne der gesamten Sache ist das eigentlich nicht. Wir brauchen leistungsfähige Strukturen, aber warum die ausgerechnet immer beim öffentlichen Dienst angesiedelt werden müssen, erschließt sich mir zumindest nicht. Also das scheinbar harmlose Thema „Umsetzung eines Staatsvertrags“ entpuppt sich in der konkreten vorgelegten Drucksache als mehr, als es der Titel ursprünglich aussagt. Deshalb werden wir uns noch inhaltlich damit befassen. Das Thema „Zentrale Studienplatzvergabe“ wird uns auch in den Folgejahren beschäftigen. Ich hoffe, dass wir trotz der Restzeit, die uns die Regierung gelassen hat, noch zu einer vernünftigen Beratung kommen, und lade Sie dazu herzlich ein.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, die kurze Debatte hat es gezeigt, dieses Thema, das wir mit dem Zustimmungsgesetz zum Staatsvertrag hier aufreißen, setzt ein Stück fort und knüpft an das an, was wir im letzten Jahr in der Debatte über das Hochschulrecht in Thüringen begonnen haben. In der Tat ist die Ausweitung der Autonomie der Hochschulen auch im Zulassungsbereich natürlich ein Punkt, der uns veranlasst, darüber nachzudenken, wie hier effektive Strukturen geschaffen werden können. Ich bin deshalb Herrn Kollegen
Eckardt ganz besonders dankbar, dass er das umrissen hat, was dies inhaltlich auch für die Hochschulen insgesamt bedeutet. Ich denke, es muss uns langfristig über das jetzige Zustimmungsgesetz zum Staatsvertrag hinaus gelingen und auch sehr zügig gelingen, aus der ZVS eine Serviceeinrichtung zu machen, die dem university and colleges admission services in Großbritannien nachempfunden ist und den Hochschulen etwas von der Arbeit, administrativen Bewältigung der Zulassung abnimmt und gleichzeitig den Hochschulen ermöglicht, ihre Zulassungskriterien zu entwickeln. Dies erproben wir seit dem Studienjahr 2005/2006 in Thüringen sehr erfolgreich. Viele Hochschulen haben allerdings auch gemerkt, dass die eigenständige Zulassung Arbeit macht. Das hatten sie vorher nicht so vermutet. Das ist ein Erkenntnisprozess, den man natürlich in die Weiterentwicklung des Rechts auch einfließen lassen muss.
Was die Zeitschiene anbetrifft, so liegt es natürlich auch ein Stück weit daran, dass wir im vergangenen Herbst sehr intensiv über das Thüringer Hochschulgesetz reden und arbeiten mussten. Dass dieses Thema sich nahtlos anschließt, zeigt die Tatsache, dass der Gesetzentwurf, den wir heute hier dem Parlament vorlegen, im Februar bereits in die Anhörung gegangen ist und den Anhörungskreis erreicht hat, den ich hier umrissen habe. Ich denke, dass es für die parlamentarische Beratung auch durchaus einen angemessenen Zeitraum gibt. Es ist sinnvoll, dass das Zustimmungsgesetz im Herbst in Kraft gesetzt wird, das ist von jetzt, von Mai an eine durchaus, wie ich meine, leistbare Aufgabe und auch ich freue mich auf eine zielgerichtete, zukunftsorientierte Debatte, auch, was die Weiterentwicklung der Zulassungsstelle in Dortmund und was die künftige Struktur der Hochschulzulassung an deutschen Hochschulen insgesamt angeht. Vielen Dank.
Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit beende ich die Aussprache. Es ist die Überweisung an den Ausschuss für Wissenschaft, Kunst und Medien beantragt worden. Wer für diese Überweisung ist, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Keine Gegenstimmen, keine Stimmenthaltungen, damit ist die Überweisung einstimmig beschlossen.
Thüringer Gesetz zur Änderung des Dienstrechts Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 4/2950 - ERSTE BERATUNG
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, der vorliegende Gesetzentwurf dient wesentlich der Novellierung des Thüringer Beihilferechts. Bislang fanden in Thüringen die Beihilfevorschriften des Bundes in Form der einfachen Inkorporation Anwendung. Das Bundesverwaltungsgericht hat allerdings entschieden, dass diese Vorschriften des Bundes nicht den Anforderungen des Gesetzesvorbehalts genügen. Nach einem weiteren Urteil des Bundesverwaltungsgerichts gilt dies auch, wenn der Gesetzgeber die Beihilfevorschriften des Bundes in der jeweils geltenden Fassung durch ein Landesgesetz übernommen hat, was hier in Thüringen durch den § 87 Abs. 1 des Thüringer Beamtengesetzes der Fall ist. Mit der Neufassung der Beihilferegelungen im Thüringer Beamtengesetz werden daher als Konsequenz aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Strukturprinzipien der Beihilfegewährung bei Krankheit, Pflegebedürftigkeit und in Geburtsfällen gesetzlich geregelt. Hierzu werden durch Artikel 1 der Gesetzesnovelle der Kreis der Leistungsberechtigten und die Grundsätze der Leistungsgewährung sowie der Umfang der zu treffenden Eigenvorsorge festgelegt. Zur Sicherstellung einer flexiblen und zeitnahen Reaktion auf geänderte Rahmenbedingungen enthält die novellierte Vorschrift eine Ermächtigung, die Detailfragen der Beihilfegewährung durch Rechtsverordnung zu regeln. Durch den vorliegenden Gesetzentwurf wird weiterhin aus Klarstellungsgründen der Wortlaut des § 29 Abs. 2 Satz 2 Ziffer 4 des Thüringer Beamtengesetzes an den der Ziffern 2 und 3 der Vorschrift angepasst. Hierdurch wird klargestellt, dass es sich bei allen Beförderungssperrzeiten um Untergrenzen handelt, die zwar überschritten, grundsätzlich aber nicht unterschritten werden dürfen. Eher redaktionellen Charakter hat zudem die Änderung des § 85 des Thüringer Beamtengesetzes; in der bisherigen Fassung wird noch vom Bundeserziehungsgeldgesetz gesprochen. Dieses wurde aber seit dem 1. Januar 2007 durch das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz abgelöst.
zes. Dieses wurde notwendig infolge einer Änderung des § 25 der Verwaltungsgerichtsordnung. Darin wurde die Amtszeit der ehrenamtlichen Richter von vier auf fünf Jahre angehoben. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit zur Anpassung der §§ 47 und 49 des Thüringer Disziplinargesetzes. Ich bitte um Ihre Zustimmung zum Gesetzentwurf. Vielen Dank.
Die Fraktionen sind übereingekommen, diesen Tagesordnungspunkt ohne Aussprache zu behandeln. Ich frage: Wird Ausschussüberweisung beantragt? Abgeordneter Schröter.
Die Überweisung an den Innenausschuss ist beantragt. Ich lasse darüber abstimmen. Wer ist für die Überweisung an den Innenausschuss, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Wer ist gegen die Überweisung? Wer enthält sich der Stimme? Keine Stimmenthaltung, keine Gegenstimme, damit ist einstimmig beschlossen, diesen Gesetzentwurf weiter im Innenausschuss zu beraten.
Umweltpolitische Strategie der Landesregierung im Bereich des Bodenschutzes Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 4/2567 -
Wünscht die Fraktion der CDU das Wort zur Begründung? Das ist nicht der Fall, dann erstattet die Landesregierung Sofortbericht. Herr Juckenack, bitte, ich erteile Ihnen das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, die aktuelle Entwicklung zum Bodenschutz auf der EU-Ebene mit dem Ziel, eine Richtlinie zu erlassen, ist Anlass, sich über den diesbezüglichen Sachstand zu informieren und auszutauschen auf Antrag der CDU-Fraktion, und gleichzeitig auch eine Gelegenheit, eine Bilanz zu ziehen, was in der Nachwendezeit speziell im Freistaat Thüringen erreicht worden ist.
Es gibt aktuelle weitere Aspekte, die zu dem Thema Bodenschutz passen. Wir wissen, dass die BUGA, die letzte Woche eröffnet worden ist, zwei Facetten thematisiert, die beide mit dem Thema Boden/Bodenschutz eng verbunden sind: zum einen der Stadtumbau Gera, eine Stadt im Strukturwandel, und dort die sehr gelungene Erschließung und Reaktivierung von Flächen, die zum Teil devastiert und ungenutzt waren. Ein zweiter Punkt: die Bergbaufolgelandschaft, eine der spektakulärsten Aktionen, die in Deutschland je dagewesen sind, und die bisher kostenintensivste Altlastensanierung für einen Themenschwerpunkt, ein Projekt mit 6,2 Mrd. €. Beides typische Themenfelder, die auch für den Aufbau Ost stehen, Säulen, die es zu bewältigen gilt und - das darf man gleich ergänzen - die auch beispielhaft sind für Herausforderungen, die in Osteuropa anstehen.
Eines wird an diesem Beispiel deutlich: Böden waren und sind immer auch Standorte der gewerblichen und industriellen Produktion. Sie sind gleichzeitig Rohstofflagerstätte, Standorte für die Entsorgung von Abfällen, Grundlage für Landwirtschaft und Forstwirtschaft und damit für die Produktion von Lebensmitteln bzw. Energie. Ein sorgloser Umgang kann zu erheblichen Verunreinigungen und Devastierung führen und - und das ist der Punkt, der in der Vergangenheit zu wenig im Blickfeld war - eben auch finanzielle und technische Aufwendungen nach sich ziehen, die am Schluss eine volkswirtschaftliche Bilanz darstellten, die mit einer kurzfristigen betriebswirtschaftlichen Bilanz nichts zu tun hat, sondern eine oft ganz andere, kostenträchtige Dimension eröffnet.
Boden - insofern ein Schutzgut. Beim Wasser war es immer klar, Trinkwasser als Nahrungsmittel, Grundwasser als Schutzgut, Boden - ein Schutzgut mit mittelbarem Effekt oft, in der Regel Jahrhunderte, Jahrtausende, wenn nicht gar Jahrzehntausende alt, eine nicht schnell erneuerbare Ressource, insofern kein Konsumartikel für Gebrauch und Missbrauch. Die Quittung gibt es später, abgerechnet wird später und in der Industrialisierungsphase, insbesondere auch der europäischen Länder, waren Schäden in Größenordnungen nachträglich zu sanieren. In der Zeit der DDR - in der Vorwendezeit - war der Bodenschutz zwar ein theoretisch erschlossenes Thema, in der Praxis sah es leider etwas anders aus. Müllablagerungen vor den Dörfern, vor den Siedlungen, Gülleverbringungen, Güllehochlastflächen und natürlich Industrieabfälle, die oft genug in nicht einmal einfach abgedichteten Löchern in der Landschaft abgelagert wurden wie beispielsweise Teer, von denen das spektakulärste Projekt der Teersee Rositz ist.
Ein letzter Aspekt für die einleitende Sichtweise ist die aktuelle Klimadiskussion. Die aktuelle Klimadiskussion hat noch zu wenig den Aspekt „Bedeutung des Bodens“ erfasst.
Nach Schätzungen speichern Böden weltweit in der Humus- und Wurzelmasse dreihundertmal so viel Kohlenstoff, wie pro Jahr durch Verbrennung fossiler Brennstoffe freigesetzt wird. Insofern ist die Thematik Boden, Bodenqualität, Bodenschutz, Bodenentwicklung und Bodensanierung noch mal von einer neuen Bedeutung.
Meine Damen und Herren, die Grunddaten für Thüringen, damit in etwa der Rahmen noch mal gesetzt ist: 1,6 Mio. ha Grundfläche, davon etwa 55 Prozent Landwirtschaft und etwa 30 Prozent, etwa ein Drittel, Forst und knapp 10 Prozent Siedlung und Verkehr. Insofern zeigen auch diese Zahlen noch mal, wir sind eine ländlich geprägte Region und zum Glück ausgestattet mit einem umfassenden Anteil an Wald. Gleichwohl ist die Thematik Verlust von Böden und unversiegelter Fläche, unveränderter Fläche, ein bedeutendes, unverändertes Thema in Thüringen - und ich werde darauf noch eingehen -, aber auch ein gelungener Gegenstand erfolgreicher Politik.
Kommen wir zum Thema „Bodenschutz auf EUEbene“: Sie haben am Rande, oder wer thematisch in der Sache steht, mitbekommen, dass die EU zu ihren vielen Richtlinien eine weitere plant. Am 22. September letzten Jahres hat die EU-Kommission ihre lang angekündigte thematische Strategie zum Bodenschutz vorgelegt. Sie hat insbesondere in den Ländern Deutschland, Holland und Österreich sofort zu Protesten geführt. Warum dieses? Ganz einfach aus dem Grunde, dass diese Länder - und nicht nur diese, auch einige andere - enorme Anstrengungen und Erfolge in den letzten Jahren beim Bereich Bodenschutz aufzeigen können und nun konfrontiert werden mit einer ja etwas oberlehrerhaften Regelung, die seitens der EU kommen soll, ohne dass darin eine Mindestanforderung an die Länder gestellt wird, was die Qualitätssetzung und die Zielerreichung anbelangt. Für Thüringen und die einzelnen Bundesländer im föderalen System Deutschlands kommt hinzu - und dieses auch aufgrund der Erfahrungen mit bestehenden Richtlinien -, die Kostenlast wird von den Ländern getragen. Daneben aber auch die Regelung - und das betrifft Richtlinien und Vollzugsfragen -, die Erfüllung der Anforderungen werden auf die Schultern der Länder gelegt. Nordrhein-Westfalen hat zwischenzeitlich die Kosten hochgerechnet nur auf der Basis der jetzt schon bekannten Eckdaten der EU-Bodenschutzrichtlinie und kommt auf Größenordnungen in zweistelliger Millionenhöhe als Daueraufwand pro Jahr für die Erfüllung schlicht von Daten- und Berichtspflichten gegenüber Brüssel.
desländern an die Spitze gesetzt und wir haben ein klares Nein formuliert zu der vorgeschlagenen Bodenschutzrichtlinie der EU. Die Länder haben mitgestimmt und wir haben - auch die Zahlen sage ich Ihnen noch mal - zwei Bundesratsbeschlüsse herbeiführen können. Das bedeutet nicht - und das gilt für keines der Länder -, dass die Länder gegen Bodenschutz sind, sondern es geht dezidiert um den Ansatz, der aus Brüssel gekommen ist. Ganz im Gegenteil sind es gerade die Länder, die Vorleistungen haben und nicht einsehen, dass eine EU-Richtlinie auf sie zukommt, die Kosten produziert, aber keinen Vorteil in der Entwicklung des weiteren Bodenschutzes erkennen lässt.
Meine Damen und Herren, die Erwartungen an eine EU-Regelung - wenn überhaupt - sind getragen von substanziellen Fortschritten, d.h. Chancengleichheit und vor allem Harmonisierung bei dem Ziel, eine Bodenqualität in Deutschland, in Europa herbeizuführen. Dies kann nur so aussehen, dass wir analog der Zielsetzung der EU in etwa gleiche Verhältnisse erreichen, soll heißen, dass wir erkennen, dass in den nachholbedürftigen Ländern, und das sind insbesondere jene von Osteuropa, die Bodenqualität Schritt für Schritt verbessert wird, um tatsächlich ähnliche Wettbewerbsbedingungen letztlich für Wirtschaft und Arbeit zu erreichen und, soweit es eben grenzüberschreitende Fragen anbelangt, ein Bodenniveau, wenn man jetzt den Klimaaspekt sieht, in Europa erhöht.
Meine Damen und Herren, bisher sind diese Wünsche nicht erfüllt. Es ist eine reine bürokratische Chimäre, die dort entstanden ist, und wir sagen dazu schlicht „Taten statt Daten“ und fordern dies auch mit Nachdruck weiterhin über unsere Möglichkeiten, die, was Brüssel betrifft, bescheiden sind, ein.
Meine Damen und Herren, die Angleichung der Verhältnisse im Umweltbereich in Europa ist uns auch fern des Bodens ein besonderes Ziel. Wir können in vielen Bereichen in Deutschland auf Vorleistungen verweisen. Wir haben eine nationale Bodenschutzgesetzgebung seit März 1998, also fast schon zehn Jahre. Wir haben eine Landesbodenschutzgesetzgebung seit Dezember 2003. Wir haben insofern auch im Bereich der Gesetzgebung und davor schon im Bereich der Praxis hinreichende Erfahrungen, die geeignet wären, um in Brüssel sich mit diesen zu befassen. Da stellt sich die Frage, warum nicht diese Thematik so angehen, dass ich mir unter den Mitgliedstaaten anschaue, wer hat Fortschritte gemacht, was können wir davon übernehmen, wie können wir es übertragen. Wenn es denn eine vielleicht zu hohe Hürde ist, dann kann ich analog einer EFRE-Regelung Ziel-1-, Ziel-2-Gebiete definieren und sagen, dann wollen wir doch mal gemeinsam die gröbsten der Schrauben drehen und zumindest
mal ein Level von 75 Prozent erreichen, bezogen auf eine durchschnittliche Bodensituation in Europa. Dann müssen wir die Forderung aufmachen gegenüber diesem Nachholbedarf. Dann hätten wir etwas gekonnt. Es erinnert fatal an die Diskussionen über Luftreinhalterichtlinien, Feinstaub etc., wo wir genau wissen, wo die Emissionen sind, wo wir genau wissen, dass der Ferntransport ein entscheidender Beitrag ist, aber wir diskutieren Millionenaufwendungen innerhalb der Städte und Kommunen, die es zu tragen haben, innerhalb von Deutschland, obwohl eben nachweislich 50 Prozent von noch nicht geregelten Abgasanlagen der Industrie in Windrichtung und oft aus dem Ausland kommen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich einen Rückblick machen zu den Leistungen und Entwicklungen in Thüringen seit der Zeit 1989/1990. Draußen ist eine kleine, bescheidene Ausstellung zum Thema Umwelt mit einer Bildersprache vorher - nachher. Sie soll in etwa noch mal den Rückblick vermitteln, der schwierig genug ist. Wir wissen das auch aktuell mit der Wismut-Sanierung. Wer die Löcher vorher nicht gesehen hat, kann es sich kaum vorstellen, wie es ausgesehen hat. Viele der Bundesbürger, die aus den alten Ländern kommen, werden dieses Bild nur indirekt vermittelt bekommen über die Ausstellung, die sehr gelungen ist.
Meine Damen und Herren, die Umweltressourcen waren ein Thema, was hinter der Produktion zurückzustehen hatte. Der rechtliche Rahmen war gleichwohl da und in Teilen auch sehr gut. Ein umfassender praktischer Schutz war aber eine andere Thematik und oft genug nicht gegeben. Entsprechend waren umfängliche Sanierungs- und, man kann sagen, Reparaturarbeiten zu leisten. Wir sind entlang von dieser sehr steinigen und sehr langen Straße doch sehr weit vorangekommen. Beispielsweise flächendeckende Untersuchungen zum Bodenzustand führten zu einem Gesamtuntersuchungsbericht zur Bodenbelastung, erschienen und veröffentlicht 1997/98. Dort ist beispielsweise entstanden ein Atlas der Schwermetallgehalte Thüringer Böden. Seit 1992 gibt es bereits 33 Bodendauerbeobachtungsflächen - auch das ein Beispiel, dass ein zusätzlicher EURichtlinienentwurf, der in diese Richtung geht, keine zwingenden Vorteile bringt, weil einfach eine weitere Erfahrung ist, die Kompatibilität der abgeforderten Unterlagen ist nicht immer gegeben. Wir erleben das derzeit bei der Hochwasserdiskussion, wo insbesondere der Freistaat Bayern beklagen muss, dass die langjährig ermittelten Daten, Fakten und Karten nicht das ist, was Brüssel haben will, sondern man müsste zusätzliche Daten erheben.
Meine Damen und Herren, ein weiterer Aspekt - Bodenschutz und Landwirtschaft: Auch hier sehen wir, dass die schon vorhandene Regelung der EU -
Stichwort „Cross Compliance“ - bereits ihren Niederschlag in der Praxis gefunden hat. Auch hier können wir nicht erkennen, dass eine zusätzliche Diskussion zum Bodenschutz in der Landwirtschaft durch die EU mehr bringt als zusätzliche Belastungen für die Landwirte. Und es - das darf am Rande gesagt sein - ist genug, was derzeit schon über dicke Bücher an Anforderungen und Formularen gegenüber der EU zu leisten ist. Die landwirtschaftlichen Flächen haben in den letzten 15 Jahren an Ertragsleistungen deutlich zugenommen. Als Zahl - um es etwas zu vergleichen -, im Zeitraum 1990 bis 1994 sind etwa 10 dt Getreideeinheit pro Hektar dazugekommen. Wir haben 2004 mit etwa 70 dt Getreideeinheit pro Hektar die höchste Bodenproduktion je Hektar in Thüringen erzielt, wie sie so nie erzielt worden ist. Seit Mitte der 90er-Jahre werden bodenschonende Verfahren eingesetzt. Nach Einschätzung der Landesanstalt für Landwirtschaft werden zurzeit 40 bis 50 Prozent der Thüringer Flächen mit pflugloser Bodenbearbeitung für die Aussaat der Kulturen vorbereitet.
Wo gibt es noch Handlungsbedarf in diesem Bereich Boden und Landwirtschaft? Sicherlich haben wir die Thematik der Nährstoffzehrung speziell im Bereich Phosphor und Kalium, Magnesium noch dazu. Dort muss die bedarfsgerechte Düngung verbessert werden. Das ist bekannt. Dort sind wir mit den Landwirtschaftsämtern und der Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft dabei, diese fachliche Beratung der Landwirte weiterhin zu intensivieren. Wir werden dort nicht lockerlassen.
Ein weiterer Punkt - betrifft dann den Grundwasserschutz - ist die Stickstoffdüngung. Dort wiederum haben wir manchmal des Guten zu viel, aber auch da sind genügend Pilotprojekte in Arbeit. Auch dieses wird sich Schritt für Schritt verbessern.
Meine Damen und Herren, ein größerer Schritt - wir kommen zum Thema Altlasten. Altlasten bzw. kontaminierte Standorte waren seinerzeit nach der Wiedervereinigung Deutschlands ein Sonderthema, Investitionshindernisse in einem entsprechenden Freistellungsgesetz zu regeln. Frühzeitig mit dem Thüringer Abfallwirtschafts- und Altlastengesetz vom 31.07.1991 wurde der rechtliche Rahmen für den Freistaat Thüringen geleistet. Es war im Übrigen der erste Gesetzentwurf im östlichen Teil Deutschlands. 1996 wurde eine flächendeckende Erfassung von Altstandorten mit dem Ergebnis von 18.800 altlastenverdächtigen Flächen abgeschlossen. Davon konnten zwischenzeitlich 2.700 entlassen werden, meist nach einfachen orientierenden Untersuchungen. Man muss wissen, dass die Begrifflichkeit „Altstandort“ sehr schnell kommt, wenn auf dieser Fläche der Verdacht besteht, dass mit Schadstoffen umgegangen worden sein kann. Insofern sind mit allen Zu-
Was wurde bisher gemacht? Insgesamt wurden bis 2006 ca. 2.550 Gefährdungsabschätzungen und 771 prioritär erforderliche Sanierungen abgeschlossen. Die Anzahl der tatsächlichen Sanierungen mag vielleicht für den einen oder anderen gering sein, das liegt schlicht auch an der in den letzten 15, 16 Jahren weiterentwickelten Kenntnis über Schadstofftransporte, über den Ort der Beurteilung, der in den 80erJahren und 90er-Jahren noch ein anderer war. Man hat in den Anfangsphasen schlichte Grenzwertvergleiche gemacht und daraus schon eine Gefährdung abgeleitet. Dieses ist dann auch aufgrund einer Kosten-Nutzen-Betrachtung und aufgrund einer gesamtökologischen Betrachtung relativiert worden, so dass man heute zum Glück beileibe nicht mehr alle Altlasten sanieren muss, sondern sich in vielen Bereichen den Aufwand sparen kann, wenn erkennbar ist, dass der Schadstoff nicht eluiert, das heißt, sich nicht verbreitet, weder an die Oberfläche austritt und eine Gefährdung für die Menschen darstellt, noch in überproportionaler Bedeutung einen Grundwasserkörper beschädigt, mit Ausgasungen ebenfalls eingeschlossen.
Meine Damen und Herren, noch mal zur Freistellung - der Generalvertrag als wichtiges Instrument einer effektiven Altlastenbearbeitung in Thüringen: Maßgeblich war und ist die Freistellungsklausel nach dem Umweltrahmengesetz vor allem in den Anfangsphasen gewesen. Damit sollten Investitionen in den neuen Bundesländern gezielt gefördert und der wirtschaftliche Neuaufbau intensiviert werden. Der Investor sollte in der Regel mit 90 Prozent der Sanierungskosten vom Land bzw. vom Bund freigestellt werden, so dass er sich auf seine wirtschaftlichen Ziele und hier auf Arbeitsplätze konzentrieren konnte.
Die Bearbeitung der Freistellungsanträge im Freistaat Thüringen ist weitestgehend abgeschlossen. 1992 waren noch insgesamt 13.000 registrierte Verfahren vorhanden; davon sind lediglich nur noch 2 Prozent in einem Ausgangsverfahren. Die Umsetzung hatte gerade in den Anfangsjahren mit großen Defiziten im Verwaltungsvollzug zu kämpfen, dies allein schon wegen der immer wieder erforderlichen Abstimmungen zwischen Land und Bund über Einzelmaßnahmen, über Kosten. Erst mit dem Abschluss des Generalvertrags mit der BvS, der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben, im Jahre 1990 war Thüringen in der Lage, allein, ohne Abstimmung und sehr effizient Entscheidungen zu Sanierungsmaßnahmen zu treffen. Dieses war ein Novum. Thüringen hat dieses geschultert, natürlich auch mit einem Fragezeichen: Wird uns das dann in der Eigenverantwortung gelingen, wird es besser gelingen? Das Zutrauen war groß und es hat sich er