Protokoll der Sitzung vom 22.06.2007

Kann ich das noch mal verkürzen? Haben Sie nun eine Meinung zu OPTOPOL als Landesregierung oder nicht?

Na sicher haben wir eine Meinung als Landesregierung.

Und warum antwortet mir der Innenminister auf meine Anfragen zu OPTOPOL, die Meinungsbildung der Landesregierung sei noch nicht abgeschlossen nach dem zweiten Kabinettsdurchgang, nach der Vorlage aller Unterlagen? Wie kommt denn der Innenminister dazu, zu sagen, dass Sie Ihre Meinungsbildung noch nicht abgeschlossen haben?

Sie müssen den Innenminister fragen, aber ich habe ihnen jetzt die Meinung der Landesregierung...

(Heiterkeit im Hause)

Wenn er da wäre, hätte ich ihn gefragt.

Herr Abgeordneter Gentzel, melden Sie sich dann zu Wort. Ich danke, Frau Ministerin Diezel, für Ihren Sofortbericht und frage: Wer wünscht die Beratung zum Sofortbericht zu Nummer 1 des Antrags? Die Fraktion der CDU, die Fraktion der SPD und die Fraktion der Linkspartei.PDS. Damit eröffne ich die Aussprache und erteile als Erstes das Wort dem Abgeordneten Baumann, SPD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, der heute zur Beratung vorliegende Antrag der Linkspartei.PDS widerspiegelt auch die schon mehrfach aufgestellten Forderungen der SPD-Fraktion. Die sich in jüngster Vergangenheit häufenden Irrungen und Wirrungen der Landesregierung, wann immer es um das Thema „Behördenstrukturreform“ ging, bestätigen diese Forderungen. Aber eigentlich wäre der Antrag ja überflüssig, wenn die Landesregierung ihre Arbeit verantwortungsbewusst gemacht hätte und vor allem ihr Versprechen gehalten hätte, was sie vergangenes Jahr im März gegeben hat und diesem Haus einen umfangreichen schriftlichen Bericht zum Stand des Behördenstrukturkonzepts vorgelegt hätte. Dies ist nun heute vor ein, zwei Stunden erfolgt. Das nimmt uns natürlich die Möglichkeit, intensiv darauf einzugehen. Aber ich werde trotzdem einige Anmerkungen dazu machen.

Frau Diezel, Sie reden in Ihrem Bericht davon, dass sich das Arbeitsumfeld im Land durch den Bevölkerungsrückgang ändert, gehen aber überhaupt nicht und nicht mit einem Wort und nicht mit einer Silbe darauf ein, dass sich daraus auch verpflichtende Änderungen der Kreis- und Gemeindestrukturen ergeben werden. Davon habe ich überhaupt nichts gehört. Sie sprachen davon, dass Sie z.B. 300 Mio. € Einsparungen im Jahr mit Ihrem Konzept erzielen werden. Da fehlen aber, glaube ich, noch 1,7 Mrd. € bis 2019. Das ist nun nicht gerade unerheblich.

Auch Ihr Vorgehen, erst Vorgaben zu machen und danach den Umsetzungsprozess aufgabenkritisch zu begleiten, ist, glaube ich, jämmerlich gescheitert. Das, was unsere Fraktion damals vorgeschlagen hat, hat sich als richtig erwiesen, nämlich erst die Analyse zu machen und dann Entscheidungen zu treffen.

(Beifall bei der SPD)

Das ist der richtige Weg. Das können Sie einfach nicht, weil Sie der Meinung sind, das, was die CDU sagt, ist richtig ohne Wenn und Aber. Im Übrigen muss ich mich bei Ihnen noch bedanken, Frau Diezel, da haben Sie nun ausnahmsweise mal recht gehabt, wenn Sie von Mecklenburg-Vorpommern reden und von den Erfahrungen, die Mecklenburg-Vorpommern bei der Umsetzung dort mit der Finanzministerin in Mecklenburg-Vorpommern gemacht hat. Herzlichen Dank auch für das Lob.

(Beifall bei der SPD)

Sonst reden Sie ja nicht immer so von MecklenburgVorpommern, da sind das immer die Schlechten und die Schlechtesten in ganz Ostdeutschland.

(Zwischenruf Diezel, Finanzministerin: Das hat in Mecklenburg-Vorpommern der Innenminister gemacht, der es nicht mehr ist.)

Frau Diezel, das haben Sie gesagt und wir bedanken uns dafür.

(Unruhe bei der SPD)

(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: Das war eine rot-rote Regierung, die das ge- macht hat.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, im September 2004 kündigte Ministerpräsident Althaus in einer Regierungserklärung eine Veränderung der Behördenstruktur im Land an. Dabei benannte er zahlreiche Einzelmaßnahmen. Die Liste begann bei der Auflösung eines Landgerichts, zahlreicher Amtsgerichte und endete bei der Abschaffung der staatlichen Umweltämter und der Kommunalisierung der Sozialverwaltung. Von Beginn an krankten die Pläne zu einer Behördenstrukturreform daran, dass sie im dunklen Kämmerlein der Staatskanzlei ersonnen wurden, scheinbar ohne Abstimmung mit den Fachressorts und vor allem ohne Analyse der zu erfüllenden Aufgaben. Das, obwohl sich nur auf der Basis einer solchen Aufgabenkritik schlüssig feststellen lässt, welche Funktionen von wem und wie sinnvollerweise künftig erfüllt werden können. Dazu gehört auch, in welchen kreislichen und gemeindlichen Strukturen dies geschehen soll. Zu all diesen Fragen fehlen bisher die Antworten der Landesregierung.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Das zeigt sich beispielsweise daran, dass zahlreiche von der Landesregierung geplante Projekte im Rahmen der Verwaltungs- und Behördenstrukturreform nach berechtigten Protesten wieder zurückgezogen wurden. Ich möchte hier nur exemplarisch auf

die geplante und nach massiven begründeten Protesten zurückgenommene Schließung des Landgerichts und der Staatsanwaltschaft Mühlhausen verweisen. Außerdem scheiterte die Landesregierung grandios beim Aufbau einer landesweiten Plattform E-Government und Entscheidungen der Landesregierung landen immer öfter vor den Gerichten. Dies, meine Damen und Herren, hat nichts mit zukunftsfähiger Personalentwicklung zu tun, es fehlt die Basis, ein schlüssiges Personalentwicklungskonzept.

(Beifall bei der SPD)

Genauso verantwortungslos erscheint die Standortentscheidung im Hinblick auf das Immobilienmanagement. Hier könnte ich zahlreiche, nicht nachvollziehbare Entscheidungen aufzählen, ich möchte es aber bei zweien belassen. Schauen wir nach Südthüringen. Dort zieht das Finanzamt von Meiningen nach Suhl, damit von Suhl das Landesamt für Soziales und Familie nach Meiningen zieht. Als Nächstes wird der Meininger Standort des komplett sanierten Landwirtschaftsamts zugunsten eines zu sanierenden und auszubauenden Standorts in Hildburghausen aufgegeben. Bei diesen und zahlreichen vergleichbaren Beispielen fehlt der Glaube an die Wirtschaftlichkeit Ihrer Behördenstrukturreform. Die Wirrungen der Gesamtplanung werden besonders darin deutlich, dass eine stringente Philosophie der Strukturveränderungen nicht nachvollziehbar ist. So sollen beispielsweise die Verwaltungen der Staatlichen Umweltämter zentralisiert, andere Aufgaben kommunalisiert werden, auch sollen die Versorgungsämter kommunalisiert werden. Die Finanzämter wiederum werden zentralisiert. Eine Erklärung, warum das eine so und das andere so geschehen soll, bleiben Sie bis heute leider schuldig.

Schuldig bleiben Sie auch eine Antwort, warum Abgeordnete nicht mit den Betroffenen reden dürfen, zum Beispiel bei den Gesprächen mit den Umweltämtern. Jüngstes Beispiel ein Maulkorb für die Personalvertretung und für die Amtsleiter der Umweltämter, wenn Abgeordnete sich informieren wollen. Das ist nicht das erste Beispiel, das wird wahrscheinlich zur täglichen Praxis Ihrer Landesregierung, Maulkörbe zu verpassen, damit die Abgeordneten keine Informationen von der Basis bekommen.

(Beifall bei der SPD)

Nun noch einige Worte zu den Versorgungsämtern. Hier möchte ich gern noch einmal auf die fragliche fiskalische Sinnhaftigkeit Ihrer Behördenstrukturreform eingehen. Sie rechtfertigen, Frau Diezel, die Kommunalisierung immer mit der vermeintlichen Bürgernähe als vordergründiges Ziel - koste es, was es wolle. In Südthüringen Bürgernähe von Versorgungsämtern - 20 Fälle im Monat für jedes Landrats

amt an Beratungstätigkeit, 20 Fälle pro Landratsamt, darüber gibt es Statistiken. Dafür wollen Sie 3,6 Mio. € ausgeben im Land, um die Bürgernähe herzustellen, die schon da ist von den Versorgungsämtern. Berechnungen von der GdV wie auch des Landkreistags kommen alle zu dem Ergebnis, dass durch diese Kommunalisierung der Versorgungsämter diese Mehrkosten entstehen. Zweifel an der Sinnhaftigkeit dieser einzelnen Projekte sind allerdings mehr als berechtigt.

(Beifall bei der SPD)

Dass die kommunale Aufgabenwahrnehmung der Versorgungsämter mindestens doppelt so teuer wird, das konnten die Verbände scheinbar sogar Herrn Althaus glaubhaft machen, so dass Sie im Finanzministerium im März noch mal nachrechnen mussten. Das war eindeutig die Vereinbarung der Runde, Sie mussten noch mal nachrechnen. Auch massive Kritik und Widerstand der Belegschaft und der kommunalen Spitzenverbände lässt Sie einfach kalt, obwohl Sie im Mai 2006 auf eine schriftliche Anfrage des Abgeordneten Pilger antworten - ich zitiere: „Bei der Umsetzung der Behördenstrukturreform werden Vorschläge der Belegschaft und der Personalvertretung in unterschiedlichen Formen in den Ressorts permanent berücksichtigt.“ Fehlanzeige. Fehlanzeige bei den Versorgungsämtern. Aus Sicht der SPD-Fraktion macht es sich die Landesregierung mit der Kommunalisierung...

Abgeordneter Baumann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Günther?

Herr Baumann, Sie sprachen gerade über die Versorgungsämter. Können Sie mir erklären, warum es gerade bei der Personalbemessung, bei der Übertragung der Aufgabe an die Kommunalen zum Streitpunkt gekommen ist, dass man von bisher 135 Beschäftigten in der Versorgungsverwaltung bei den Kommunalen 189 fordert, bei den doch so wenigen Fällen, die Sie hier deutlich machen?

Ich glaube, der Landkreistag hat eindeutig in seiner schriftlichen Stellungnahme dargestellt, warum das so ist: Weil die Aufgaben, die jetzt spezialisiert abgearbeitet werden in den Versorgungsämtern, so wie sie jetzt bestehen, nicht so auf die Landkreise über

tragen werden können und dort einfach mehr Spezialisten vor Ort gebraucht werden, um diese Aufgaben abzusichern.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Dort werden - ich kann das noch weiter ausführen - die Anträge in den jetzigen Versorgungsämtern vorbereitet von Sachbearbeitern, die dann den etwas höher dotierten Beamten zur Entscheidung vorgelegt werden. Das muss in Zukunft ein und derselbe Beamte vor Ort machen. Suhl hat z.B. dann noch einen Anspruch auf drei oder vier Mitarbeiter in seinem Versorgungsamt.

(Zwischenruf Abg. Hauboldt, Die Links- partei.PDS: Vier.)

Wie sollen die die Fülle der Aufgaben abarbeiten? Dort braucht man hoch spezialisierte Kräfte vor Ort. Und was noch dazukommt, wenn ich jetzt einmal dabei bin: Was die Landkreise alles signalisiert haben, dass sie nämlich das Personal nicht unbedingt übernehmen wollen von den Versorgungsämtern, bringt die Landesregierung in eine zusätzliche Schwierigkeit, weil die Landkreise sagen, ich werde nicht das Personal übernehmen, wenn ich dann selbst einen Personalüberhang habe. Das bedeutet aber, dass ich das Personal, das die Landkreise haben, erst ausbilden muss. Das kann ich nicht in drei Monaten tun, so wie das jetzt angedacht ist, dass ab 01.01.08 diese Umstruktuierung vonstatten gehen soll.

Ungeachtet dieser ganzen Probleme muss man, und das habe ich gerade angedeutet, vor einer solchen Kommunalisierung erst einmal leistungsfähige Strukturen schaffen. Dies hat natürlich etwas damit zu tun, dass man bei der Kommunalisierung dieser Aufgaben das Personal vorher vernünftig qualifizieren muss und natürlich vor Ort die entsprechenden Strukturen auch im IT-Bereich dazu schaffen muss, damit dies umgesetzt werden kann. Was hinzukommt, dass bei dieser Umstrukturierung, so wie es aussieht - und das ist auch das, was der Landkreistag befürchtet -, die Aufgaben auf die Kommunen übertragen werden sollen und die Kosten zum Schluss auch auf den Kommunen hängenbleiben, auch die Mehrkosten. Denn über diesen Weg wird den Kommunen wieder ein Stück Finanzkraft entzogen und das hat dann, glaube ich, nichts mehr mit bürgerfreundlicher Politik zu tun. Stattdessen wird dadurch den Kommunen nachhaltig Lebensqualität entzogen. Es wird mit Sicherheit seine Gründe haben, dass sowohl Wirtschaftsverbände als auch Arbeitnehmer- und Sozialverbände in den letzten Wochen sowie auch die kommunalen Spitzenverbände beständig und durchaus nachvollziehbar ihre Kritik an Ihren Vorhaben zur Behördenstrukturreform artikuliert haben. Der Thüringer Landkreistag bewertet das Agieren der Lan

desregierung genauso wie der Gemeinde- und Städtebund mit einem eindeutigen Vertrauensbruch und kündigt im Ergebnis den Konsens für diese Behördenstrukturreform. Ich habe noch nicht gehört oder mir ist noch nicht zu Ohren gekommen, dass es einen Konsens gibt zwischen Landkreistag und Landesregierung und auch nicht zwischen dem Gemeinde- und Städtebund. Auch die Landräte haben keinen Konsens erzielen können in der vergangenen Woche in den Beratungen mit Ihnen. Das muss uns doch irgendwo zu denken geben.

Die SPD-Fraktion wird den Bericht sehr intensiv prüfen und die Umsetzung kritisch begleiten und wir beantragen die weitere Beratung im Haushalts- und Finanzausschuss. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat der Abgeordnete Hauboldt, Die Linkspartei.PDS.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, Frau Ministerin Diezel, ich weiß nicht, die jetzt hier anwesenden Minister, ob das so eine Widerspiegelung der noch offenen Problemlagen im Bereich der Behördenstruktur darstellt. Ich habe in meinem Redemanuskript zumindest drei Baustellen - um bei der Begrifflichkeit zu bleiben, die Sie ja auch verwandt haben - aufgenommen. Das ist einmal die Frage der Versorgungsämter - der Minister ist jetzt nicht anwesend -, das ist die Frage der Umweltämter - das hatte ich schon thematisiert. Aber zumindest rechne ich ja Herrn Dr. Gasser seine Anwesenheit an, weil ich vorhabe, OPTOPOL auch noch kurz zu benennen.

Meine Damen und Herren, am späten Mittwochnachmittag hatte ich für mich in der Sondersitzung des Thüringer Landtags noch eine gewisse Erwartungshaltung, dass der Ministerpräsident zumindest den Versuch unternehmen würde, den Abgeordneten gewisse Eckpunkte des Konzepts der Landesregierung zur Behördenstrukturreform und auch zum KFA zu benennen. Zumindest Sie haben heute, Frau Diezel, nach unserer höflichen Erinnerung in Form unseres Antrags - wir haben genau noch mal nachgeschaut, wann Sie sich geäußert haben, evtl. einen Bericht abzugeben. Ich denke, insofern war es unsere Pflicht als Opposition, Sie noch mal daran zu erinnern. Sie haben das heute sehr ausführlich dargestellt und haben darüber gesprochen. Aber, ich betone, das ist jetzt keine qualitative Wertung, das ist erst einmal eine quantitative Wertung.

Sie haben viele Bereiche angesprochen. Ich spreche Ihnen auch nicht ab, dass Sie sich in der Finanzverwaltung vorzüglich auskennen, aber Sie haben natürlich andere Teilbereiche zumindest nur punktuell angesprochen und die Problembereiche ausgeklammert. Das ist meine erste Kritik an Ihrer Berichterstattung.

Sie machen tagtäglich neue Baustellen auf, so Ihre Formulierung. Die Baustellen sind Ihre Formulierung.

(Zwischenruf Diezel, Finanzministerin: Bausteine!)

Baustellen haben Sie auch benannt und Bausteine haben Sie auch benannt. Sie machen tagtäglich neue auf und ich unterstelle Ihnen, ohne genaue Baupläne, ohne Architekten und ohne Handwerker - Ihre Bausteine, die Sie benannt haben, passen leider nicht zusammen. Das heißt für mich, für uns, für meine Fraktion, dieses Haus „Behördenstruktur in Thüringen“ ist demnach mehr als einsturzgefährdet.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)