Protokoll der Sitzung vom 12.07.2007

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Da muss ich Ihnen noch einmal sagen: Verwundern kann mich das natürlich nicht. Bei dieser Politik, die Sie gegenüber Theatern und Orchestern betrieben haben, verwundert mich eine solche Haltung nicht. Die Lösungen, die Sie jetzt dort auf den Weg gebracht haben, folgen doch auch wieder einem Grundprinzip Ihres Regierens. Sie geben erst einmal die meist schlechteste aller Varianten im Interesse des jeweiligen Bereichs vor, dann wundern Sie sich über die Proteste und die Debatten, die es im Land gibt, und dann lassen Sie wieder ein Stück nach und sagen dann, oh ja, wir haben jetzt doch hier die Lösungen in die richtige Richtung getrieben. Aber, meine Damen und Herren und Herr Ministerpräsident, erstens wäre diese Rechnung und dieses Vorgehen nie aufgegangen, wenn wir nicht gegenwärtig eine konjunkturelle Entwicklung im Lande hätten, an der Sie übrigens mit Ihrer Politik keinerlei Anteil haben. Das will ich hier ganz deutlich sagen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Damit müssen Sie sich nicht schmücken. Zweitens ist es doch im Grunde genommen bei diesen Fragen auch so, dass es eben nicht Gestalten ist. Es ist nicht Ihr Konzept, wirklich Maßnahmen in diesem kulturellen Bereich einzuleiten, die eine dauerhafte Förderung ermöglichen. Bei Ihrer Politik nach Konjunktur und Kassenlage können die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land schon sicher sein, wenn sich die wirtschaftliche Konjunktur anders entwickelt, dann werden Sie das alles ganz schnell wieder vergessen haben. Dann bleiben Sie allein bei Ihren Streichungs- und Abbaumodellen. Das haben wir oft genug erlebt und das ist Ihre unzuverlässige Politik.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Dann kommen wir aber noch zu einigen

(Zwischenruf Abg. Carius, CDU: Das stimmt überhaupt nicht.)

Fragen im kulturellen Bereich. Man hat den Eindruck, in unserem Land scheint das bekannte BlindekuhSpiel Politik der Landesregierung zu ersetzen. Sie haben das heute noch mal angeführt. Ich muss mich wundern, wenn ich die Frage der Landesausstellung betrachte. Das ganze Theater um die Bauhaus-Ausstellung im Jahre 2009 macht doch nun wirklich das Dilemma deutlich. Man hat offensichtlich aus der peinlichen Panne, als man die Cranach-Ausstellung seinerzeit völlig verpennte, nichts gelernt und sucht jetzt nach Ausflüchten. Aber auch bei den durchgeführten Ausstellungen, die wir hatten, ist ja ein längerfristiger konzeptioneller Gedanke im Grunde genommen nicht zu erkennen.

Dann gibt es noch ein zweites Beispiel, das mir auch recht dilettantisch scheint. Im nordthüringischen Ort Bilzingsleben werden seit dem Jahr 1969 Funde von Archäologen freigesetzt, die weltweit für Aufsehen sorgen. Ich denke, das ist ganz angemessen, das hier mal zu erwähnen. Die fast 400.000 Jahre alten Reste stellen eine der Wiegen der Menschheit in Europa dar, Führungen bei laufenden Ausgrabungen oder Voranmeldungen sind zwar möglich, doch es existiert, man bedenke, dort keine museale Einrichtung vor Ort, weil, so wörtlich der Förderverein der Fundstätte, durch das Ministerium - nicht anwesend im Augenblick - kein Interesse besteht. Das muss man sich mal vorstellen, bislang wurde in keiner Weise zum Beispiel mal über einen Antrag in das UNESCO-Welterbe überhaupt nur nachgedacht, obwohl zahlreiche Experten darauf hinweisen. In unserem Nachbarland in Sachsen-Anhalt wird sogar an anderer Stelle bei Goseck in diesen Fragen mit einem nachgebauten Observatorium um Besucher geworben und damit auch um Möglichkei

ten, für dieses Land zu werben. Bei uns bleibt das im Grunde genommen alles ohne Folgen in der Politik unseres Landes. Ich weiß nicht, Herr Althaus, ob diese Ignoranz auch ein bisschen damit zu tun hat, dass Sie bekanntermaßen mit den Lehren von Charles Darwin einigermaßen auf Kriegsfuß stehen.

(Heiterkeit bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Grüner, CDU: So ein Blödsinn.)

(Zwischenruf Althaus, Ministerpräsident: Ich würde gern etwas sagen, aber ich darf es nicht sagen. Was Sie sagen, ist stillos.)

Sie sollten darüber nachdenken.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich denke, mit Ihrem heutigen Vortrag haben Sie erneut bewiesen, dass Sie nicht in der Lage sind, zukunftsfähige Konzepte für dieses Land Thüringen darzubieten. Sie haben eher hier wieder deutlich gemacht, dass Sie in gewisser Weise ratlos sind.

Aber ich möchte schon noch auf einen anderen Aspekt an dieser Stelle verweisen. Ich denke eben auch, Sie haben Grund, das zeigen auch Ihre Reaktionen, auf Ihre tatsächlichen Hintergründe und auf Ihre tatsächliche politische Strategie nicht mit allzu viel Deutlichkeit zu verweisen. Denn mit Ihrer Gesamtpolitik, auch unter anderem im sozialen Bereich, sagen Sie doch eigentlich Folgendes den Menschen im Land: Du musst heute für geringe Löhne arbeiten. Du wirst auch in Zukunft keine qualifizierte Arbeit leisten. Du wirst deshalb eine niedrige Rente haben und vielleicht auch Altersarmut. Da sage ich einmal, vielleicht nimmst du ja dann das Bürgergeld, mit dem ich durchs Land reise als Thüringer Ministerpräsident, meine Damen und Herren. Aber das ist keine Politik, die gerechtfertigt ist gegenüber den Menschen in unserem Land. Sie folgen einfach der Wirkungsweise der heutigen kapitalistischen Wirtschaft und des heutigen kapitalistischen Wirtschaftssystems.

(Heiterkeit bei der CDU)

Das kritisieren wir natürlich deutlich. Wir haben aber auch Positionen anderer Menschen, die dies kritisieren. Deshalb, denke ich, gibt es zusätzlich Anlass, darüber nachzudenken. Das vorangegangene Oberhaupt der Katholischen Kirche, Papst Johannes Paul II., darf ich an dieser Stelle zitieren. Er bezog sich auf unsere heutige Gesellschaft. Ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis: „Die menschlichen Defizite dieses Wirtschaftssystems, das die Herrschaft der Dinge über die Menschen festigt, heißen Ausgrenzung, Aus

beutung und Entfremdung.“ Wenn Sie schon unsere Positionen in den Wind schlagen, dann können Sie sich vielleicht wenigstens an dieser Aussage orientieren.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Diese Politik, die Sie im sozialen Bereich realisieren, die realisieren Sie auch in dem wichtigen Bereich der Bildung. Sie haben das heute wieder bekräftigt. An einer Schulreform sind Sie nicht interessiert. Sie wollen die zeitige Auslese nach der vierten Klasse. Sie wollen damit auch - und das ist Fakt, das wird uns international bescheinigt - eine zeitige soziale Auslese. Damit ist doch klar, wenn man das mit Ihren Konzepten des Billiglohns in Verbindung bringt und überhaupt Ihrer Position zur Einkommenspolitik, dann muss man davon ausgehen, dass vielleicht für die Zukunft für diese Kinder und Jugendlichen der Weg auch schon klargemacht ist, der Weg in die geringen Löhne, in die unqualifizierten Arbeiten, in das, was aus Ihrer Sicht offensichtlich der Restposten in dieser Gesellschaft sein soll. Wir wollen in dieser Frage eine andere Politik.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Ich hoffe und nehme an, dass Sie nicht so weit gehen wie Ihr Kollege Koch aus Hessen, der neulich in einem Interview für den Deutschlandfunk sinngemäß zum Ausdruck brachte: Da es doch nun einige Kinder und Jugendliche gibt, die sowieso nicht so gerne zur Schule gehen, kann man doch die Frage in dem Falle so klären, dass sie sich dann drei Tage in der Produktion engagieren und zwei Tage Schule reichen. Noch deutlicher kann man ein unsoziales und inhumanes Bildungssystem nicht begründen als Ihr Kollege Koch. Setzen Sie sich damit auseinander!

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist ganz deutlich, dass Ihre heutige Ansage erneut deutlich gemacht hat, dass Sie und Ihre Politik weder Thüringen auf den Erfolgskurs bringen, noch dass Sie Investitionen in die vernünftige Richtung leiten können, noch dass Sie in diesem Zusammenhang Gestaltungsanspruch verwirklichen. Wir sagen ganz deutlich, wir stehen für die Rücknahme Ihrer verfehlten Familienpolitik. Die Möglichkeiten dafür sind gegeben. Sie sind Ihnen noch ein Stück weit zugefallen durch die konjunkturelle Entwicklung, aber Sie nutzen Sie nicht. Sie verharren in Ihren Positionen. Wir treten für eine eigenständige Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik im Land ein, der Sie weiterhin - im Übrigen ist das auch aus dem Haushalt erkenntlich - eine Absage erteilen und sich lediglich auf die Mittel aus dem EU-Bereich konzentrieren.

Wir sind dafür, dass es eine andere Bildungspolitik in diesem Land geben muss. Wir möchten unter anderem mehr Demokratie auf der kommunalen Ebene und überhaupt mehr demokratische Mitbeteiligung. Wir möchten eine Verwaltungsreform in diesem Lande, um die Sie sich weiter drücken, einschließlich einer Gebietsreform.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Ja, wir möchten auch diskutieren über einen Kulturlastenausgleich, der wirklich eine dauerhafte Finanzierung unserer Kulturlandschaft ermöglicht. Wir sind auch für eine tatsächliche Energiewende in Thüringen - weg von den Monopolstrukturen, hin zu einer dezentralen, klimagerechten Energieerzeugung und -nutzung in diesem Land.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Über diese Dinge, denke ich, müssten wir trefflich streiten und debattieren. Ich muss Ihnen sagen, ich will nicht das Wort „Enttäuschung“ gebrauchen, aber Ihre Regierungserklärung ist es eigentlich nicht wert, dass man eine sehr ausgeweitete Debatte darum führt. Sie zeigt keine Wege für die Zukunft auf. Sie führt uns weiter in die Irre. Sie ist kein Konzept für dieses Land.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Sie haben Ihnen einfach nicht mehr aufge- schrieben, was Sie vorlesen können.)

Für die SPD-Fraktion hat sich der Abgeordnete Matschie zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen, vor gut drei Wochen haben wir eine Regierungserklärung eingefordert, eine Regierungserklärung, die sich mit den wichtigsten Herausforderungen für unser Land und mit den Perspektiven für Thüringen beschäftigt. Sie haben uns damals gesagt, Sie werden eine solche Regierungserklärung heute liefern. Sie haben uns heute erzählt, was Sie in der Vergangenheit getan haben - das wissen wir bereits. Über die Zukunft haben Sie wenig geredet. Sie haben, Herr Althaus, sich fast zwei Stunden durch eine lange Rede gearbeitet, aber ich haben den Eindruck, Sie haben eine wichtige Chance heute verpasst.

(Beifall bei der SPD)

Sie hätten heute klarmachen können, wo die strategischen Schwerpunkte für die kommenden Jahre liegen, Sie hätten sagen können, was dieser Landesregierung wichtig ist, stattdessen präsentieren Sie uns einen Bauchladen mit hundert verschiedenen Maßnahmen.

(Beifall bei der SPD)

Ich kann mir nicht helfen, Herr Althaus, irgendwie wirken Sie bei der ganzen Aktion hilflos. Sie haben sich heute heillos verzettelt. Ihre Rede spiegelt zwar die Fleißarbeit der Ministerien wider, aber von einem Ministerpräsidenten erwartet man erkennbare Linien, strategische Ansätze, klare Schwerpunkte, die sind Sie uns auch heute wieder schuldig geblieben.

(Beifall bei der SPD)

Herr Ministerpräsident, Politik ist Strategie und gutes Handwerk. Ihre Regierung lässt beides vermissen.

(Beifall bei der SPD)

Wir diskutieren in dieser Woche den Haushalt für die kommenden beiden Jahre und bekanntlich ist der Haushalt in Zahlen gegossene Politik. Viel haben Sie zu Ihrem Haushalt heute nicht gesagt.

(Zwischenruf Abg. Lieberknecht, CDU: Kommt ja noch.)

Das Erste, was daran auffällt, Sie liefern uns ein unfertiges Produkt. Sie haben keine Einigung zum Kommunalen Finanzausgleich, Sie haben keine Einigung zur Kommunalisierung von Aufgaben, Sie haben keinen Abschluss der Verhandlungen mit den Theatern und Orchestern, Sie haben keine Einigung zur Polizeireform - alles haushaltswirksame Reformen. Deshalb sage ich ganz deutlich, es reicht nicht, auf der Konjunkturwelle zu reiten und am Thüringentag zu winken.

(Beifall bei der SPD)

Die Regierung muss auch ihre Arbeit tun und die tut sie an vielen Stellen schlecht. Wenn selbst die Stellvertreterin von Dieter Althaus der Regierung grottenschlechtes Handwerk bescheinigt, dann läuft irgendetwas richtig falsch.

(Beifall bei der SPD)

Aber es ist nicht nur schlechtes Handwerk, was Sie uns abliefern. Die heutige Regierungserklärung hat es noch einmal ganz deutlich augenfällig gemacht, dieser Regierung fehlt auch eine tragende Idee. Es fehlt die Perspektive über den Tag hinaus: Was ist wichtig, wohin soll sich dieses Land entwi

ckeln? Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich finde, so planlos kann es nicht weitergehen. Wir brauchen einen echten Neustart der Landesregierung oder die nächsten beiden Jahre sind verlorene Jahre für Thüringen und das dürfen wir nicht zulassen, werte Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Zu einem solchen Neustart gehören frische Ideen, gehören überzeugende Strategien und überzeugende Köpfe. Ich frage mich: Wo sind die eigentlich? In der Regierungserklärung sind sie nicht deutlich geworden.