Protokoll der Sitzung vom 12.07.2007

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Das ist einfach unredlich und aus meiner Sicht auch ein Stück Selbstüberhebung. Aber ich glaube, davon sind die Thüringer CDU und die Landesregierung eben nicht frei.

Eine Thüringer Zeitung schreibt heute - ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin: „Thüringen wartet heute auf eine Ruckrede, eine Rede, die die Bevölkerung mitreißt, die nicht in selbstgefälliger Darstellung scheinbarer Erfolge sich erschöpft, sondern die Probleme des Landes beim Namen nennt. Thüringen muss raus aus der Lähmung, die die Landespolitik seit einiger Zeit gepackt hat.“ Der Autor mag Hoffnung gehabt haben. Ihrer Rede, Herr Ministerpräsident, konnte ich von einem Ruck und von Überlegungen über Veränderungen nichts entnehmen, das muss ich hier so deutlich sagen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Vor zwei Wochen hatten Sie uns, u.a. auch meiner Fraktion, während der Sondersitzung Ungeduld vorgeworfen. Gewissermaßen haben Sie dann in NullBock-Stimmung auf Ihre heutige Regierungserklärung verwiesen.

Ich muss jetzt deutlich fragen, Herr Althaus: Warum eigentlich haben Sie auf Ihre heutige Regierungserklärung verwiesen? Was Sie jetzt hier fast zwei Stunden vor uns geredet haben, das alles geht über die Substanz Ihres Kurzvortrags von vor zwei Wochen im Prinzip nicht hinaus.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Mit anderen Worten gesagt, Sie haben zwar in der Ihnen eigenen Weise Ihres Ansagestils an das Land eine lange Latte von Fragen aufgeworfen, zum Teil versucht zu beantworten, doch - ich muss es hier so sagen - mehr als ein Sammelsurium von Allgemeinplätzen ist das wirklich nicht gewesen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

Was die Menschen in diesem Land wirklich bewegt, also eine zukunftsweisende Rede, was Sie und Ihre Regierung in den nächsten Jahren hier vorhaben, das haben Sie einfach nicht geleistet.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Die Substanz Ihrer Rede kann man eigentlich zusammenfassen mit dem Satz: Es lebe das Thüringer Kabinett unter der bewährten Führung unseres großen Ministerpräsidenten.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

(Unruhe im Hause)

(Glocke der Präsidentin)

Vielleicht denken Sie mal über die andere Seite, nämlich über die Beklatschten nach, das wäre viel eher Ihre Aufgabe, das ist klar.

Sie preisen, Herr Althaus, eine Politik an und haben dabei offensichtlich - ich kann es nicht anders sagen - wirklich den Blick für die Realitäten verloren. Wenn wir auch heute wieder lesen können, dass Institute uns bescheinigen, dass die Prognose der Abwanderung bis 2050 für unser Land besagt, dass täglich 48 Menschen Thüringen verlassen werden, dann ist doch das nicht eine Frage, die einfach als demographische Entwicklung dargestellt werden kann, sondern das ist die Frage von Perspektivlosigkeit, sein Leben hier in Thüringen zu gestalten. Das geht zurück auf Ihre Politik, die Sie seit Jahren betreiben.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Vielleicht zu einigen Punkten: Sie reden tatsächlich in dem Kontext von Investitionen statt Billiglohn. Meine Damen und Herren, ich empfinde das - und ich denke, nicht nur ich - geradezu als Hohn, wenn Sie einen solchen Zusammenhang aufmachen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Haben wir nicht wiederholt in diesem Hause diskutiert - und die Fakten lassen sich nicht wegreden -, dass Thüringen die niedrigsten Einkommen in Deutschland hat? Bekommen wir nicht erst heute wieder auch aus der Presse die Meldung von Instituten, dass wir im Vergleich zum vorangegangenen Jahr einen Bruttolohnverlust in Thüringen verzeichnen? Haben wir nicht die Situation, dass wir ständig über die Billiglöhne in diesem Land debattieren und dass Sie sich konsequent z.B. unserer Forderung nach Mindestlohn verwehren? Was, frage ich mich, müssen z.B. die Beschäftigten der Bike Systems GmbH aus Nordhausen, die gestern hier in diesem Hause waren, denken bei ihrer Situation in diesem Land als wirklich Opfer einer Heuschreckenpolitik, wenn sie Ihre Rede heute hier hören, Herr Ministerpräsident?

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Es ist ein Hohn.

An anderer Stelle erwecken Sie den Eindruck, bei Ihrer Politik würde es sich z.B. um das Erreichen von nachvollziehbaren und verträglichen Kommunalabgaben handeln. Ich kann nur sagen, man höre und staune, meine Damen und Herren. Die wirklichen Probleme sind doch nun absolut nicht einer Lösung zugeführt worden. Man muss in diesem Zusammenhang noch mal darauf aufmerksam machen, dass Ihre Politik zur Abschaffung der Wasserbeiträge vor Wahlen das Land mit 1 Mrd. € finanziell belastet. Das ist Ihr Verständnis von Finanzpolitik.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Sie haben auch heute über eine Stichtagsregelung bei den Straßenausbaubeiträgen gesprochen.

(Unruhe bei der CDU)

Stichtagsregelung - es ist jedem klar, ein bisschen ist es vielleicht auch Ihnen klar geworden, dass das nur zu einem führt, nämlich zu Ungerechtigkeiten zwischen Beitragszahlern selbst innerhalb von Gemeinden in diesem Land. Was für eine Politik, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Eine sinnvolle Reduzierung der Zweckverbände und deren Demokratisierung - eine Zielstellung, von der wir weiter entfernt sind denn je. Sie haben sich zum Beispiel nicht eingesetzt für pflichtige Verbraucherbeiräte. Es gibt sie deshalb an vielen Orten nicht. Dann reden Sie, ich sage es noch einmal, in dem Kontext „nachvollziehbar“ und „verträglich“. Einfach das andere ist die Tatsache: Nicht nachvollziehbar und nicht verträglich ist Ihre Politik an dieser Stelle für unser Land. Dann haben Sie sich ja noch einmal geäußert zu den Fragen des Kommunalen Finanzausgleichs. Sie behaupten allen Ernstes, die Höhe der Finanzausstattung der Thüringer Gemeinden orientiere sich jetzt am angemessenen Bedarf, meine Damen und Herren. Also noch verzerrter kann man die Situation, die es tatsächlich im Land gibt, nicht darstellen. Ich finde, solche Bemerkungen sind einfach lachhaft. Sie vergessen dabei auch im Übrigen, dass der Bedarf, von dem Sie reden, im Grunde genommen überhaupt nicht ermittelt und nicht ermittelbar ist nach Ihren politischen Richtungen. Offensichtlich ist es auch so, Sie haben die kommunalen Spitzenverbände und ihre entsprechende Kritik auch nicht wahrgenommen. Sie meinen sogar, diese Kritiken wären, wenn ich Sie richtig verstanden habe, nicht gerechtfertigt. Ich sage aber, nicht nur die kommunalen Spitzenverbände, sondern auch viele andere Institutionen im Land und natürlich auch die Opposition haben eigentlich erkannt, dass Ihre sogenannten Segnungen für die Städte und Gemeinden in diesem Land eine Luftnummer sind.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Insofern will ich auch aufgrund aktueller Einschätzungen noch einmal deutlich sagen, wir halten die Kritik des Gemeinde- und Städtebundes nach wie vor für prinzipiell gerechtfertigt und mehr an dieser Stelle. Mit dem, was Sie unter dem Finanzausgleichsgesetz vorgelegt haben, meine Damen und Herren, Herr Ministerpräsident, machen Sie Ihren Haushalt, den wir ja heute auch noch bekommen, schon von vornherein zur Makulatur. Die zweite Frage, die damit verbunden ist, ist im Grunde genommen für mich noch bedenklicher. Die ganze Art des Umgangs mit den kommunalen Spitzenverbänden, die Art und Weise, wie Sie auch hier Ihre Ansagepolitik betrieben haben, wie Sie dann gönnerhaft nach der umfassenden Kritik einige Punkte etwas zurückgenommen haben und versucht haben, zumindest den Anschein einer Korrektur zu erwecken, die sind einfach der Demokratie und dem demokratischen Umgang in unserem Land nicht würdig.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Noch nie ist eine Landesregierung so mit den Städten und Gemeinden in diesem Land umgesprungen

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

und damit auch mit den Interessen der Bürgerinnen und Bürger. Ich habe auch heute wieder den Eindruck, dass Ihr Demokratieverständnis eh problematisch ist. Sie haben sich lange damit befasst, wie es mit der Einheit von Freiheit und Sicherheit bestellt ist. Aber Ihre Bemerkungen, bei denen Sie ja zum Beispiel die Demonstranten, die sehr breiten, also Institutionen, die gegen G 8 demonstriert haben, in einen Sack geworfen haben mit all jenen, die - und das verurteilen auch wir - dort gewaltsam ihrem Protest Ausdruck verleihen wollten. Das haben Sie wieder alles in einem behandelt und das zeigt meiner Meinung nach Ihr Problem, was Sie dort haben. Aber noch anders: Ich denke, Sie hängen den Überlegungen Ihres Bundesinnenministers Herrn Schäuble an, der ja nun wahrlich nichts unversucht lässt, die grundgesetzlichen Rechte unter dem Gesichtspunkt „Freiheit sichern und Terrorismus bekämpfen“ in einer unangemessenen Art und Weise einzuschränken. Da sage ich, das ist der falsche Weg, um Demokratie in diesem Land zu stärken.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Sie sprechen von Ihrer Sozialpolitik, wobei ich heute zur Kenntnis genommen habe, Sie sind zu dem Begriff „Familienoffensive“ zurückgekehrt. Das finde ich in Ordnung, weil es das auch viel besser im Sinne von Angriff auf Familien trifft.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Dann haben Sie ausgeführt, wie gut Sie den Familien Mut machen mit Ihrer Politik, auch erst einmal Familien zu gründen, Kinder zu haben und wie Sie damit Familie und Beruf vereinbaren. Aber genau das Gegenteil in beiden Punkten bei Ihrer Politik ist der Fall. Sie haben das selbst im Stück hier vorgeführt, indem Sie nämlich erst einmal das Kindertagesstättengesetz und die umfangreiche Inanspruchnahme der Kindertagesstätten Thüringens positiv bewertet haben. Das bewerten wir auch positiv. Aber das ist nicht Ergebnis Ihrer Politik.

(Zwischenruf Abg. Lieberknecht, CDU: Wer sagt denn das? Ein Unsinn!)

Wenn das Ergebnis Ihrer Politik wäre, Herr Althaus, dann müsste es ja letzten Endes so sein, dass Sie nicht gerade die Bedingungen in den Kindertagesstätten und die institutionelle Förderung, was diese Fragen betrifft, benachteiligen und hier Einsparungen durchführen, hier den Personalschlüssel zu erschweren, hier Qualität mit Ihrer Familienpolitik zu erschweren. Es ist doch vielmehr so: Die Tatsache, dass viele Menschen glücklicherweise nach wie vor Kindertagesstätten in Anspruch nehmen, hat damit zu

tun, dass sie einfach Ihr antiquiertes Bild von Familienpolitik und auch von der Frage der Vereinbarung von Beruf und Familie nicht teilen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Was diese Vereinbarkeit von Beruf und Familie betrifft, will ich dann auch noch einmal ganz deutlich an der Stelle sagen: Was hat denn die Wahlfreiheit, zu Hause zu bleiben und das Kind zu betreuen, die garantiert sein soll und die jeder haben kann, der das wünscht, was hat denn das damit zu tun, dass ich Beruf und Familie in Einklang bringe? Das ist genau das Gegenteil, was Sie hier anreizen. Sie sagen nämlich im Grunde genommen, ein Teil dieser Familie soll möglichst von vornherein auf eine berufliche Entwicklung verzichten. Das nennen wir gerade nicht Übereinstimmung von Beruf und Familie, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Dann sprechen Sie von touristischen Potenzialen und haben ja auch betont, Natur und Kultur in Thüringen gehören zusammen. Ja selbstverständlich, so weit und so gut, aber in dem, was Sie dann ausführen, muss ich deutlich sagen, findet Kultur überhaupt nicht statt.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

(Zwischenruf Abg. Lieberknecht, CDU: Was ist los?)

Da kann man den Eindruck haben, letzten Endes ist der Skitunnel die wichtigste naturverbundene und kulturelle Leistung, die wir hier zu bieten haben.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)