Wenn Sie diese Untersuchungen tatsächlich angestellt haben sollten, müsste man Ihnen ja unterstellen, dass Sie die finanziellen Mehrbelastungen in beachtlichen Größenordnungen wissentlich ignorieren. Ob Unwissenheit oder Ignoranz der Grund für diese politische Fehlentscheidung ist, es führt beides zum gleichen Ergebnis. Diese Landesregierung ist unfähig, durch eine Verwaltungsreform die Zukunftsfähigkeit des Freistaats Thüringen zu sichern.
Ja, dann hören Sie sich das mal an. Waren Sie nicht beim Gemeinde- und Städtebund dabei? Dann hätten Sie das gehört.
Nun zum Verfahren: In der Stellungnahme des Gemeinde- und Städtebundes zum Haushaltsbegleitgesetz heißt es: „Das Land benötigt für die Erarbeitung des Gesetzentwurfs zur Übertragung von Aufgaben mehr als drei Jahre, aber den betroffenen Kommunen wird nach dem Erlass der Rechtsgrundlage kaum Vorbereitungszeit eingeräumt.“ Die Landesregierung dagegen lobt in den höchsten Tönen eine Arbeitsgruppe, in der die Beteiligten diese Kommunalisierung vorbereitet hätten - es gibt aber keine Einigung mit den kommunalen Spitzenverbänden. Die Kommunen kritisieren nach wie vor das Verfahren, mit dem die Landesregierung das Vorhaben durchpeitschen will, und das ohne rechtliche Grundlage.
Wohin das führen kann, zeigt das jüngste Urteil zu den Kosten des von der Landesregierung verkündeten Beitragsmoratoriums. Auch hier hatten sich die Kommunen auf die Versprechungen der Landesregierung verlassen, denn die entstandenen Kosten wurden im Nachhinein nicht wie versprochen vollständig vom Land übernommen. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Gera - eine schallende Ohrfeige
Vor einer Neuauflage sollten wir unsere Kommunen schützen. Im Haushalts- und Finanzausschuss wurde jetzt bekannt, dass die Regierung zur Vorbereitung der Kommunalisierung der Versorgungsämter bereits 500.000 € zur Anschaffung von Technik ausgegeben und auch das Geld noch aus dem Titel „Blindengeld“ finanziert hat - eine Schande.
Zwar beteuert die Landesregierung, dass es sich um Technik handelt, die auch ohne Kommunalisierung benötigt wird, an der Glaubwürdigkeit dieser Aussage müssen aber erhebliche Zweifel angemeldet werden. Das zuständige Ministerium bestätigt, dass gegenwärtig umfangreiche Vorbereitungen, insbesondere in den Bereichen Personalwesen, Organisation und Informationstechnik erfolgen. Dies geht hin bis zu Urlaubssperren für Mitarbeiter bei den entsprechenden Behörden.
Meine Damen und Herren, dies dokumentiert eine Verfahrensweise der Landesregierung im Rahmen der von ihr geplanten Kommunalisierung, die nach Auffassung der SPD-Fraktion eine nicht hinzunehmende Missachtung der Rechte des Parlaments darstellt.
Der Gemeinde- und Städtebund schreibt dazu: „Wenn die Landesregierung Fakten schafft, über deren rechtliche Grundlagen später der Landtag entscheidet, wird dem Parlament die Funktion als Vollzugsorgan der Regierung zugeteilt.“ Dem ist, glaube ich, nichts hinzuzufügen. Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte in 15 Aussagen meinen Beitrag heute hier zusammenfassen.
1. Ich beginne mit einem Bekenntnis. Ich bin ein Verfechter der Kommunalisierung. Sie wissen auch, aus welchem Grund. Ich möchte es weiterhin begründen. Wir wissen auch aus Umfragen, dass ge
rade Mitarbeiter der Verwaltung immer mehr auch im Verhältnis zu anderen Berufsgruppen an Ansehen verlieren. Das liegt nicht etwa an ihrem Verhalten, sondern das liegt an der Art der Tätigkeit, die immer anonymer und unverständlicher für den Bürger wird. Deshalb müssen wir uns ständig einer Aufgabenkritik unterziehen und fragen, wo und welche Aufgaben am sinnvollsten an welchem Ort ausgeführt und realisiert werden können. Ich denke, eine Kommunalisierung trägt dem Rechnung.
2. Die Thüringer Kommunen sind grundsätzlich daran interessiert, die ihnen übertragenen Aufgaben so effizient und bürgernah wie möglich zu übertragen.
3. Der Freistaat hat in den letzten 17 Jahren bereits mehrere Kommunalisierungen durchgeführt ich greife darauf zurück -, das war die Kommunalisierung der staatlichen Verwaltung innerhalb der Landkreise. Dazu gehörten die ordnungsbehördlichen Aufgaben, die Gesundheitsaufgaben der Gesundheitsämter oder auch die Frage der Ämter offener Vermögensfragen. Wir hatten natürlich weitere Kommunalisierungen, die Kommunalisierung der Veterinärverwaltung oder die Kommunalisierung der Sozialhilfe. Ich möchte feststellen, diese Kommunalisierungen waren erfolgreich.
4. Die nun anstehende Kommunalisierung kommt nicht unerwartet, sondern war bereits mit dem Regierungsantritt durch den Ministerpräsidenten angekündigt worden.
5. Die derzeitige Kommunalisierung beinhaltet einzelne Aufgaben der Sozialverwaltung und der Umweltverwaltung. Ich möchte hier nur anmerken, die bisherigen Staatlichen Umweltämter waren vom Grundaufbau einer Verwaltung eine zweite parallele staatliche untere Verwaltungsbehörde, die normalerweise zum Grundsatz der Verwaltung nicht passend ist.
6. Jede Änderung der Verwaltungsstruktur ruft bei den betroffenen Mitarbeitern Unsicherheit hervor. Das können wir hier auch feststellen. Aus eigenen Erfahrungen aber weiß ich, dass diese in kürzester Zeit, nämlich nach persönlichen Gesprächen, abgebaut werden können.
7. Alle bisherigen Prozesse der Kommunalisierung - und ich hatte vorhin darauf hingewiesen, diese verschiedenen, die wir in den letzten 17 Jahren durchgeführt haben - waren immer mit einem mehr oder weniger starken Fingerhakeln zwischen Land und Kommunen begleitet. Damals ging es hauptsächlich um die Frage der Finanzierung.
8. Zur aktuellen Kommunalisierung: Der Entwurf des Haushaltsgesetzes sichert den Kommunen eine sichere Finanzierung der Personalkosten, der Sachkosten zu und er garantiert den Landkreisen und kreisfreien Städten die Kostenausstattung.
9. Ich begrüße den gewählten Weg, nämlich des Personalübergangs nach dem Prinzip der Freiwilligkeit. Jeder Mitarbeiter konnte sich selbst entscheiden, ob und zu welcher Kommune er gehen möchte oder auch nicht. Klar wurde vom Ministerpräsidenten von Anfang an gesagt, dass es keine Kündigungen aufgrund des Wegfalls der Arbeitsaufgabe geben wird.
10. Die von den Kommunen übernommenen Mitarbeiter verfügen über einen Bestandsschutz. Das betrifft die Kündigung der Arbeitszeit, aber auch das Einkommen beispielsweise.
11. Ich weiß von den meisten Landkreisen, dass sie die Kommunalisierung der Aufgaben oder die angekündigte Kommunalisierung bereits ernst nehmen und dies auch ordnungsgemäß vorbereitet haben
Natürlich wissen wir, dass zuerst der Gesetzgeber dies beschließen soll, aber wer nicht rechtzeitig Sorge trägt auf das Angekündigte, der ist säumig.
12. Es verweigern sich besonders die Kommunen, die bereits Standorte bisheriger Behörden aufzuweisen hatten. Ich frage deshalb: Geschieht dies etwa in der Hoffnung auf weiteres Entgegenkommen oder hat es andere, vielleicht politische Gründe?
13. Klärungsbedarf besteht natürlich auch zu einigen Fragen; ich möchte nur einige aufweisen, die auch mir übersandt wurden: die Frage der Altersteilzeit,
14. Das Sozialministerium hat eine ganze Reihe an konkreten Maßnahmen festgelegt, sie hat den Spitzenverbänden auch Vertragsentwürfe zukommen lassen.
15. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass der geplante Zeitraum ausreichend ist, auch wenn der Ministerpräsident den Nachzüglern eine Übergangsregelung angeboten hat.
Danke, mit viel Verständnis. Wir kommen zum nächsten Redner, Abgeordneter Hauboldt, Fraktion DIE LINKE.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, ich bin zunächst der SPDFraktion dankbar, dass sie das Thema „Verfahren bei der Kommunalisierung von Landesaufgaben“ auf die heutige Tagesordnung, die Aktuelle Stunde, gesetzt hat. Ich denke, es ist ein wichtiges und notwendig zu besetzendes Thema.
„Mission impossible“, meine Damen und Herren, „unmögliche Mission“ titelte eine Thüringer Zeitung am 25.08. und meinte damit nicht den bekannten Hollywoodstreifen, sondern die Behördenstrukturreform der Thüringer Landesregierung. Nun kann man zwischen Hollywood und der Thüringer Landesregierung vielleicht Parallelen erkennen, aber die Dramatik der Entwicklung zulasten des Personals aus den Versorgungs- und Umweltämtern erstickt - zumindest bei mir - dabei jegliches Amüsement. Es war für mich erschreckend, wie ignorant die Landesregierung und hier in Person der Ministerpräsident Althaus auf die Einwände der kommunalen Familie zur Mitgliederversammlung - mein Kollege von der SPD hat es ja vorhin benannt - des Gemeinde- und Städtebundes letzte Woche reagierte. Dort hat der Ministerpräsident Althaus samt seinem Kabinett, das hier fast vollständig anwesend war, ein wirklich klägliches Bild abgegeben, weil der Streit zwischen der Landesregierung und den kommunalen Spitzenverbänden Thüringens bezüglich KFA und Behördenstrukturreform fast eskalierte. Sie wissen, im Vorfeld haben ehemalige Landtagskollegen bzw. -kolleginnen und jetzige Landräte und Oberbürgermeister sogar von Sabotage und grottenschlechtem Handwerk hinsichtlich der Neugestaltung als Vorwürfe in Richtung Landesregierung gesprochen.
(Zwischenruf Dr. Zeh, Minister für Sozia- les, Familie und Gesundheit: Der Vorwurf „Sabotage“ ging wohl in die andere Richtung.)
Sie, meine Damen und Herren der Landesregierung, haben bisher alle inhaltlichen Argumente und Bedenken der Sozialverbände bis zur Petition für den Erhalt der jetzigen Struktur der Versorgungsämter nicht nur nicht zur Kenntnis genommen, Sie haben mehrfach betont, dass sie nicht willens sind, sie zur Kenntnis nehmen zu wollen. Das Angebot der Betroffenen zur Mitarbeit an der Umsetzung ihrer Behördenstrukturreform haben Sie auf eine Art und Weise bisher missachtet, missbraucht, indem Sie über ihre bereits festgelegten Ergebnisse letztendlich nur berichtet oder informiert haben. Eine Einbeziehung, das ist letzte Woche noch mal deutlich gesagt geworden, dass eine Mitarbeit auf gleicher Augenhöhe wohl nie ernsthaft gewollt war und umgesetzt wurde. Ihre Zugeständnisse - der Ministerpräsident hat das dort zum Ausdruck gebracht -, den Zeitdruck 01.01.2008 herauszunehmen und die Behördenstrukturreform mit Übergangsfristen zum Erfolg zu führen, lenken vom eigentlichen Problem ab, die Reform in ihrer Gesamtheit auf ihre Notwendigkeit und Sinnfälligkeit zu hinterfragen.