Protokoll der Sitzung vom 21.09.2007

Es geht nämlich nicht nur darum, das Ist festzustellen, sondern wir müssen auch zukünftig für eine Infrastruktur in diesem Land Faktoren mit zugrunde legen, wie z.B. die Einschätzung der demographischen Entwicklung, auch der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik. Es geht darum, und das muss zur Kenntnis genommen werden, Menschen gehen dorthin, wo Arbeit ist. Deshalb - ich wiederhole mich noch einmal - geht es nicht nur um Leuchttürme in diesem Land, sondern wir müssen besonders auch an die Infrastruktur denken, die in der Fläche liegt. Sie begründen das natürlich damit, dass nicht mehr ausgegeben werden kann als wir haben, das ist richtig, aber wenn ich Finanzpolitik mache, dann muss ich auch Schwerpunkte setzen. Die LIGA und die darin enthaltenen Organisationen, Herr Minister, sind sich bewusst, dass auch die Finanzlage dieses Landes bei einer Gestaltung der Infrastruktur beachtet werden muss. Gerade wenn wir eine planmäßige Infrastruktur haben, ist es möglich, dass soziale Angebote effektiv genutzt werden können, wenn nämlich der Bedarf dazu ermittelt wurde und wenn eine Schwerpunktsetzung entsprechend einer Sozialplanung stattfindet, die sich nach Sozialräumen richtet. Das ist eine ordnungspolitische Funktion, auch wenn Sie wieder sagen, wir möchten, dass alles der Staat plant. Aber ich muss Ihnen sagen, im Bereich der Jugendarbeit ist die Sozialraumplanung schon gang und gäbe und hat sich dort bewährt.

Aber was tut die Landesregierung - und das wird auch von der LIGA kritisiert? Sie überlässt alles den Kommunen. Natürlich sind wir auch für die Stärkung der Selbstverwaltung, aber Stärkung der Selbstverwaltung bedeutet auch, dass die Kommunen die entsprechende Finanzkraft haben, um ihren Aufgaben der Selbstverwaltung gerecht zu werden. Wenn gerade soziale Aufgaben in den Kommunen der Selbstverwaltung überlassen werden sollen, so höre ich dann schon wieder das nächste Argument: Soziale

Aufgaben, soziale Angebote sind in den Kommunen freiwillige Aufgaben. Wenn jetzt das gesamte Geld auch für soziale Aufgaben in den Kommunalen Finanzausgleich gesteckt wird ohne Schwerpunktsetzung, ohne Bindung dieser Mittel, so wissen wir doch, was von diesem Geld in den Kommunen bei der gegenwärtigen Haushaltslage in den Kommunen für wirklich soziale Aufgaben übrig bleibt.

Das ist das, was auch die LIGA kritisiert, wenn sie über den Kommunalen Finanzausgleich spricht. Erstens kritisiert sie, dass die Steuerungsfunktion auf Landesebene wegfällt. Die Landesverbände der LIGA und ihre Mitgliedsorganisationen sind jetzt gezwungen, nicht mehr mit dem Land zu verhandeln, wenn es um Angebote geht, wenn es um Kostensätze geht, wenn es um Gebührensätze geht, sondern sie müssen mit jedem einzelnen Landkreis bzw. mit jeder Kommune, wo es Angebote gibt, wo Verträge abgeschlossen werden, Einzelverhandlungen durchführen. Diese Verhandlungen werden geführt werden aufgrund der Haushaltslage der jeweiligen Kommune, werden geführt werden nach dem was die Kommune eventuell noch übrig hat für soziale Ausgaben. Wo die LIGA schon seit Jahren bereit ist und Angebote unterbreitet hat, ist die Festsetzung von Qualitätsstandards, von einheitlichen Qualitätsstandards bei sozialen Angeboten. Das können wir mit dem Kommunalen Finanzausgleich begraben, weil dann nämlich diese Qualitätsstandards von der Haushaltslage der jeweiligen Kommune, Stadt und Gemeinde bestimmt wird. Die Qualitätsstandards in Thüringen richten sich dann wiederum danach, habe ich viel Geld - hohe Qualitätsstandards; habe ich wenig Geld - niedrige Qualitätsstandards. Die Leidtragenden dabei sind dann die, die diese Dienstleistungsangebote, die diese Betreuungsangebote annehmen müssen. Zu befürchten ist durch die LIGA zu Recht, dass diese Qualitätsstandards im Land Thüringen insgesamt nach unten gehen werden. Deshalb ist meine Frage: Inwieweit wurden die Empfehlungen der LIGA der Freien Wohlfahrt wirklich in Ihrer Politik berücksichtigt? Ich habe den Eindruck, sie wurden zur Kenntnis genommen und das war es.

Einige Vorschläge an Sie, Herr Minister, wie wirklich in diesem Land eine soziale Infrastruktur aufgebaut werden kann, die in der Lage ist, soziale Problemlagen hier zu lösen:

1. Wir brauchen eine abgestimmte Sozialraumplanung auf Landes- und kommunaler Ebene.

2. Wir brauchen die Festsetzung landesweit einheitlicher Qualitätsstandards für soziale Angebote und Dienstleistungen.

3. Wir brauchen die Schaffung von Netzwerken zur Bündelung sozialer Angebote, seien es Beratungs

leistungen, seien es Betreuungsleistungen, vor allem Leistungen im niederschwelligen Bereich, und wir brauchen Angebote in der begleitenden Hilfe.

4. Wir sind für die Schaffung von Möglichkeiten, um besonders diese Netzwerke, die ich hier fordere, personell mit hoch qualifizierten Arbeitskräften auszustatten.

Das Ehrenamt braucht eine hauptamtliche Unterstützung und Logistik. Wir brauchen vor allem Menschen, die im niederschwelligen Angebot die begleitende Hilfe leisten, um Menschen aus ihrer prekären Situation, aus ihrer prekären Lage herauszuführen. Das führt gleichzeitig zur Schaffung auch von weiteren Arbeitsplätzen. Wenn Sie vorhin sagten, Herr Minister, die LIGA denkt auch an sich - ja, die LIGA ist ein Faktor hier in diesem Land, die sehr viele Arbeitsplätze geschaffen hat und Arbeitsplätze vorhält. Das sollte man nicht vergessen.

Wenn ich hier von Netzwerken spreche und von effektivem Einsatz, dann bedeutet das auch in letzter Instanz, dass das Land Geld spart. Habe ich hohe Qualitätsstandards, habe ich Netzwerke, dass die Angebote sich wirklich nach dem Bedarf in der jeweiligen räumlichen Region, also in der Region danach richten, dann habe ich effektive Strukturen und dann spare ich Geld. Die LIGA ist doch bereit, nicht Doppelangebote zuzulassen; die LIGA ist doch bereit, nicht ein Überangebot zuzulassen, sondern es geht wirklich darum, dass auf der Grundlage von Sozialraumplanung effektive Strukturen geschaffen werden. Diese Empfehlungen, Herr Minister, sollten in Ihrer Haushaltsdebatte eine Rolle spielen. Deshalb unterstützen wir eventuell einen Vorschlag vonseiten der Fraktion der SPD, wenn sie beantragt, dass die weitere Debatte zu dieser Problematik auch im Sozialausschuss weitergeführt wird. Danke.

(Beifall DIE LINKE)

Das Wort hat Abgeordneter Pilger, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, zunächst vielen Dank, dass wir überhaupt zu diesem Tagesordnungspunkt einen Bericht der Landesregierung bekommen haben. Allerdings hätte ich dieses Mal mehr Bereitschaft zur Selbstkritik erwartet, zumal die CDU-Landesregierung und die sie tragende Mehrheitsfraktion sich ansonsten gern aufspielt als Hüter der Freien Wohlfahrtspflege. Aber wieder einmal war es einer dieser Berichte, die die Bereitschaft zur kritischen Auseinandersetzung weitgehend vermissen lassen. Vor allen Dingen konnte

ich nicht erkennen, dass Sie, Herr Minister, die Freie Wohlfahrtspflege als Partner und als Experte der sozialen Daseinsvorsorge verstehen. Ihre eigenen Formulierungen, die Sie hier auch wieder gebraucht haben, zeigen, Sie nehmen die Freie Wohlfahrtspflege nicht ernst. Ich habe den Eindruck, dass zumindest seit dieser Legislaturperiode die Wohlfahrtsverbände mehr und mehr von der Landesregierung in die Rolle von Bittstellern gedrängt werden. Von Bitt- und Antragstellern, die unter dem Generalverdacht der Abzocke stehen, die von der Landesregierung jedenfalls nicht als das verstanden werden, was sie in vielen Bereichen des Sozialsystems und der sozialen Daseinsvorsorge in der Bundesrepublik sind und sein sollen, nämlich als Partner, der gleichberechtigt oder gar vorrangig neben den öffentlichen Trägern steht und der gemeinsam mit den öffentlichen Trägern die sozialen Strukturen gestaltet. Wenn Sie diesen Anspruch und diese Tradition ernst nehmen würden, dann wäre der Umgang mit der LIGA der Freien Wohlfahrtspflege in Thüringen ein anderer, dann nämlich wäre es selbstverständlich, dass Verhandlungen mit den Experten der sozialen Daseinsvorsorge tatsächlich auf gleicher Augenhöhe zu erfolgen hätten. Aber weit gefehlt, dies alles ist der Realpolitik der Landesregierung nicht zu entnehmen.

Dafür ist die Verfahrensweise mit der auf Initiative der LIGA der Freien Wohlfahrtspflege eingerichteten Arbeitsgruppe ein bezeichnendes Beispiel. Das wesentliche Ziel dieser Arbeitsgruppe, die sicher nicht ohne Grund etwa ein Jahr vor der Landtagswahl 2004 eingerichtet wurde, bestand darin, das Niveau der sozialen Infrastruktur in Thüringen umfassend und nachhaltig zu sichern.

Was aber ist seit dieser Zeit tatsächlich geschehen? Lassen Sie mich nur einige Beispiele nennen. Der Landesjugendförderplan wurde seit 2004 - also nach Einrichtung der Arbeitsgruppe - um 33 Prozent gekürzt. Im engen Zusammenhang damit steht die Jugendpauschale, sie wurde samt dem Titel Schuljugendarbeit im gleichen Zeitraum von 14,5 auf 9 Mio. €, also um 38 Prozent gekürzt. Das alles hat Strukturen verändert, damit wurden Angebote abgebaut.

(Beifall SPD)

Weder mit den freien Trägern noch den Kommunen, die ja in der Arbeitsgruppe vertreten waren, wurde in irgendeiner Form ein Dialog zur Ausgestaltung der Jugendarbeit geführt.

Meine Damen und Herren, das Gleiche gilt übrigens für den Landesjugendring und den Landesjugendhilfeausschuss. Es war sicher nicht ohne Grund so, dass der neue Landesjugendhilfeausschuss erst im Juli 2005 gebildet wurde - ein Jahr nach der Wahl. Zu dem Zeitpunkt hatte der Ministerpräsident in sei

ner Regierungserklärung kurz nach der Wahl verkündet, das Landesjugendamt auflösen zu wollen und damit auch den Landesjugendhilfeausschuss, der schließlich Bestandteil des Landesjugendamtes ist. Dies hätte eine entscheidende Beschneidung der Rechte freier Träger bedeutet. Schließlich haben sie im Landesjugendhilfeausschuss ein gewichtiges Wort mitzureden. Nun konnte bekanntlich das Landesjugendamt aus rechtlichen Gründen nicht aufgelöst werden, aber es ist schon interessant, wie einerseits mit einer Arbeitsgruppe verhandelt wird und andererseits politisch versucht wird, deren Einfluss zu mindern.

Ambulant vor stationär war ein weiteres Stichwort - Sie haben darauf hingewiesen - und es war auch eine weitere Zielrichtung der Arbeitsgruppe. Und die Wirklichkeit? Mit dem 2005 novellierten Thüringer Gesetz zur Ausführung des Pflegeversicherungsgesetzes und mit dem künftigen faktischen Entfall des Landespflegegeldes flüchtet die Landesregierung aus ihrer Mitverantwortung im Bereich der Pflege. Heimbewohner und pflegebedürftige Menschen, die ambulante Dienste in Anspruch nehmen, werden zusätzlich belastet. Die Wohlfahrtsverbände sind Sturm gelaufen gegen dieses Gesetz, die Landesregierung setzt es bis heute ungerührt um. Aber dabei blieb es nicht. Die Förderung niederschwelliger Betreuungsangebote für Pflegebedürftige mit erheblichem Betreuungsbedarf wurde von 200.000 € im Jahre 2004 auf 109.000 € im laufenden Haushaltsjahr reduziert, also faktisch halbiert.

Diese Strategie des Sozialabbaus setzt sich im Bereich der Behindertenpolitik fort. Obenan steht die Diskussion um das Landesblindengeld, bei der Thüringen bundesweit eine traurige Vorreiterrolle einnahm. Erst angesichts eines drohenden Volksbegehrens und der heraufziehenden Wahlen im Jahre 2009 kam es zur Umkehr. Die damit verbundenen Umstände wiederum deuten nicht auf Einsicht hin, ganz und gar nicht. Das erinnert alles viel mehr an einen Handel auf einem Basar. Auch dort, wo es unmittelbar um die Arbeit der Wohlfahrtsverbände geht, wurde weiter gekürzt. Die sogenannte sonstige Behindertenhilfe, also familienentlastende Dienste, Beratungsstellen, betreutes Wohnen, wurde von 1,2 Mio. € im Haushaltsjahr 2004 auf nur noch 450.000 € gekürzt. Die Maßnahmen für psychisch Kranke und seelisch Behinderte wiederum wurden von 1,2 auf 0,67 Mio. € gekürzt, alles in dem Zeitraum, in dem die Arbeitsgruppe zum Erhalt sozialer Infrastrukturen tagte. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die LIGA jemals solche Vorschläge unterbreitet hat.

Die Ergebnissicherung aus der Wahrnehmung der Landesregierung heraus ging munter weiter, auch dort, wo es um Arbeitsmarktpolitik für benachteilig

te Menschen in diesem Land geht, ebenfalls ein Handlungsfeld, auf dem die Träger der Freien Wohlfahrtspflege tätig sind. Der Haushaltstitel „Arbeit für Thüringen zur Förderung von ABM, SAM, 50 Plus, Arbeitsloseninitiativen, Beschäftigungsgesellschaften“ usw. wurde seit 2004 von 43 Mio. auf 12,76 Mio. € im laufenden Haushaltsjahr gekürzt. Die Förderung der Arbeitsloseninitiativen und der Beschäftigungsgesellschaften wurde ersatzlos gestrichen. Das lange Jahre erfolgreiche Programm Jugendberufshilfe mit Ziel zusätzlicher Förderung benachteiligter junger Arbeitsloser ist als Förderprogramm für die Träger entfallen. Gekrönt aber wurde die Strategie des Sozialabbaus mit dem Familienfördergesetz. Spätestens dann war die tatsächliche Einstellung der Landesregierung und der CDU-Fraktion zur Freien Wohlfahrtspflege ersichtlich. Wiederholt haben wir in der Diskussion um das Familienfördergesetz in diesem Hause neben den Kürzungen in Millionenhöhe Diskreditierungen der freien Träger erlebt. Von Wohlfahrtskonzernen war die Rede und lauthals wurde immer wieder Missbrauch der Fördermittel unterstellt. Das ist das Ergebnis realer Landespolitik, vor der wir seit der Errichtung der Arbeitsgruppe der LIGA mit der Landesregierung und den kommunalen Spitzenverbänden stehen.

(Beifall SPD)

Die LIGA trat damals an mit dem Slogan „Thüringen bleibt sozial“ und verfolgte dieses Ziel in den Arbeitsgruppen. Die Landesregierung machte derweil Realpolitik und überschrieb die Haushaltspläne 2005 bis 2007 mit der heimlichen, unheimlichen Überschrift „Sozialabbau, wo es nur geht“. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Landesregierung die gemeinsamen Treffen als eine Art Beschäftigungstherapie betrachtet hat. Völlig schleierhaft ist mir, wie trotz dieser an den Haushaltsdaten abzulesenden Entwicklung die Landesregierung heute in der Lage ist, die Ergebnisse der Arbeitsgruppe positiv darzustellen. Ich erinnere mich gut daran, wie der Direktor der Caritas Thüringen, Herr Heller, als damaliger Vorsitzender der LIGA, bei der ersten Podiumsdiskussion zur Thüringer Familienoffensive im Jahre 2005 erklärte, dass er bezweifle, ob er den zuvor von der Landesregierung immer wieder propagierten Thüringer Weg bei der Finanzierung der Kindertagesstätten noch als vorbildlich bezeichnen könne. Ich weiß, dass die Initiatoren der damaligen Arbeitsgruppe heute kopfschüttelnd vor den Ergebnissen stehen.

Meine Damen und Herren, so kann es nicht weitergehen in Thüringen im Umgang mit den freien Trägern der Wohlfahrtspflege; Subsidiarität und Partnerschaftlichkeit verlangt etwas anderes als Gängelei, Verunglimpfung und Missbrauch von Arbeitsgruppen als Spielwiesen. Umkehr in der Sozialpo

litik und im Umgang miteinander ist angesagt. Nun ist es nicht möglich, dass die LIGA der Freien Wohlfahrtspflege in diesem Hause ihren Eindruck selbst schildern kann, aber sie kann es in den Ausschüssen machen, wenn wir es wollen. Deshalb, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wem an der Wahrhaftigkeit und einem partnerschaftlichen Umgang mit der LIGA der Wohlfahrtspflege liegt, der sollte der LIGA und auch den Vertretern der kommunalen Spitzenverbände im Sozialausschuss die Möglichkeit einräumen, ihre Sicht der Arbeitsergebnisse zu schildern. Dann wird klar, wo und wie umgesteuert werden muss. Deshalb beantrage ich für meine Fraktion die Überweisung dieses Tagesordnungspunkts an den Sozialausschuss und Weiterberatung des Berichts. Wir sollten dort die Gelegenheit zur Anhörung der von mir Genannten nutzen. Dies zu verweigern, wäre nichts anderes, als die Freie Wohlfahrtspflege in Thüringen erneut vor den Kopf zu stoßen. Vielen Dank.

(Beifall SPD)

Das Wort hat der Abgeordnete Panse, CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, ich hatte nicht ganz das Glück wie der Kollege Pilger. Der Kollege Pilger hat offensichtlich die Rede des Ministers vorher schon aus dem Ministerium bekommen oder zumindest schon zur Kenntnis gehabt, denn Sie haben uns gerade eine komplett formulierte, aufgeschriebene Rede vorgetragen zum Bericht des Ministers, den er vor wenigen Minuten hier gehalten hat. Respekt, Herr Kollege Pilger, das haben Sie ganz schnell hinbekommen. Allerdings muss ich auch sagen, Sie haben bei Ihrer Rede hier weit das Thema verfehlt, denn das hat wenig noch mit dem zu tun, was Sie uns ursprünglich mal in Ihrem Antrag der SPD-Fraktion aufgeschrieben hatten, über was wir vielleicht miteinander hätten reden können.

Sie haben hier gerade in den letzten paar Minuten über die Sozialpolitik im Allgemeinen genauso wie der Kollege Kubitzki gesprochen. Das ist vielleicht auch dem geschuldet, dass tatsächlich dieser Bericht jetzt gerade gegeben wurde und Sie sonst wenig gehabt hätten, was Sie mit uns bereden wollten. Sie haben vom Familienfördergesetz den bunten Strauß einmal wieder gebunden. Sie haben aber ein paar Sachen gesagt, die einfach falsch sind und die wir deswegen auch hier nicht so stehen lassen können. Sie haben gerade gesagt, die LIGA würde hier als Bittsteller im Hause auftreten. Ich kann das nicht erkennen, gerade wenn Sie sich den Ablauf des

gestrigen oder des heutigen Plenums auch vor Augen führen. Gestern haben wir über das Gesetz zum Glücksspielwesen diskutiert. Da ging es sehr wohl darum, wie die LIGA zukünftig sich finanziert, wie der Landessportbund sich finanziert, wie viel Prozent an Mitteln ihnen auch in Zeiten zurückgehender Lotterieeinnahmen des Landes zur Verfügung gestellt werden. Sie haben das offensichtlich nicht wahrgenommen. Ich muss Ihnen auch ganz ehrlich sagen, die Arbeitsgruppe, so wie sie sich nach meinem Kenntnisstand zusammensetzt und wie ich es eben auch gerade hören konnte, hat nicht den Auftrag, Verhandlungen mit der Landesregierung zu führen über die Finanzierung von Leistungen. Das ist nicht Aufgabe dieser Arbeitsgruppe und insofern bringt es auch nichts, dass Sie uns das hier suggerieren. Ich will vielleicht in Erinnerung rufen, diese gemeinsame Arbeitsgruppe ist, soweit ich mich entsinne, 2003 gegründet worden mit einem durchaus berechtigten Interesse und Anliegen. Damals war das Ziel, so habe ich es in einer Pressemitteilung gefunden, formuliert - ich zitiere: „In einer Zeit knapper werdender finanzieller Mittel muss es darum gehen, unser bestehendes engmaschiges Netz zukunftssicher zu machen.“ Genau darum geht es, genau darüber wird in der Arbeitsgruppe gemeinsam mit der LIGA, mit den kommunalen Spitzenverbänden und der Landesregierung diskutiert und themenbezogen gearbeitet. Aber ich sage es Ihnen noch einmal: Es ging nicht darum, Geld zu verteilen oder Forderungen zu begründen, es ging in jedem Fall auch nicht darum, ein vorweggezogenes Verfahren zur Haushaltsaufstellung hier durchzuführen.

Wir haben bei der Grundsatzaussprache zum Haushalt einiges zum Thema „Soziales“ gehört. Wir werden in den nächsten paar Wochen zum Haushalt, alles, was Soziales und Finanzmittel aus diesem Bereich angeht, miteinander diskutieren. Aber es ist in der Tat nicht Aufgabe einer Arbeitsgruppe, sondern es ist Aufgabe hier im Thüringer Landtag von uns als Parlament, vom Haushalts- und Finanzausschuss, vom Sozialausschuss, die Diskussion über die Leistungen, die im Sozialbereich in Thüringen zweifellos notwendig sind, um das Sozialnetz in Thüringen zukunftssicher zu halten, denn wir haben ein zukunftssicheres System, in der Tat hier im Haus zu führen. Da nützt es nichts, wenn man eine Arbeitsgruppe dann als Argument herauszieht.

Ich habe auch aufmerksam die Medien verfolgt, wir hatten den Punkt ja schon einmal vor der Sommerpause auf der Tagesordnung und konnten ihn nicht mehr abarbeiten. Damals war die Situation so, dass der LIGA-Geschäftsführer Hans-Otto Schwiefert nach Medienberichten mit dem Haushalt der Landesregierung Böses erwartet und beklagt hat, es sei fast üblich, nicht mehr in Verhandlungen einbezogen zu werden. Zwischenzeitlich haben wir den Haushalt auf

dem Tisch liegen. Die Befürchtungen von Herrn Schwiefert haben sich als unbegründet herausgestellt. Diese großen Verschiebungen, die damals suggeriert wurden, haben in der Tat nichts mit den sozialen Leistungen zu tun, sondern auch ein Stück weit mit der Neuordnung des Kommunalen Finanzausgleichs.

Ein paar abschließende Sätze vielleicht auch noch zum Kollegen Kubitzki. Herr Kubitzki, was wir hier im Thüringer Landtag nicht im Raum stehen lassen, das haben wir auch schon ein paar Mal diskutiert, ist, wenn Sie sich bei unserem Sozialsystem hinstellen und von Almosenpolitik reden. Das ist mitnichten so. Wir werden das immer wieder zurückweisen. Unser Sozialsystem ist engmaschig. Wir haben Sicherungssysteme. Wir betreiben aber mitnichten eine Almosenpolitik, sondern wir erfüllen Ansprüche, wo berechtigte Ansprüche da sind. Ich bitte Sie eindringlich und herzlich, dies nicht immer wieder als eine Almosenpolitik zu diskreditieren. Das ist falsch und wir weisen das als CDU-Fraktion zurück.

(Beifall CDU)

Lassen Sie mich einige wenige Sätze vielleicht noch sagen zu den LIGA-Positionen. Die LIGA-Positionen - auch wir als CDU-Fraktion erhalten diese zur Kenntnis. Selbstverständlich sind wir im Dialog miteinander, selbstverständlich reden wir miteinander. Das ist genauso legitim, dass sich die Landesregierung im Dialog mit der LIGA befindet, aber auch wir können daraus nicht per se den Anspruch ableiten, dass diese Arbeitsgruppe vielleicht zukünftig für eine Sozialraumplanung zuständig sei. Sie wissen, dazu gehören eine ganze Menge Partner. Sie wissen sehr wohl, dass wir uns dafür auch ein Stück weit im zuständigen Sozialausschuss des Thüringer Landtags regelmäßig mit Themen befassen.

Vor diesem Hintergrund kann ich Sie nur eindringlich bitten, Sie haben eben beide hier appelliert, wir sollten dieses ganze Thema im Sozialausschuss weiterbehandeln, diesen Bericht, der uns heute ja gerade umfänglich gegeben wurde, und ich für die CDU-Fraktion auch sagen kann, wir sind mit dem Bericht, wie er erstattet wurde, einverstanden. Damit ist das Thema für uns auch in der Tat erledigt, weil wir uns an einem Punkt auch wehren werden - Sie haben das ja gerade, Herr Kollege Kubitzki, mit Ihrer Drohung von einer Sammlung von Anfragen deutlich gemacht -, wenn Sie meinen, Sie könnten regelmäßig die Tagesordnung auch hier im Parlament, insbesondere aber im Ausschuss mit Anhörungen, mit Themen, die eigentlich maximal, wenn man es vorsichtig formuliert, vielleicht dazu geeignet wären, das im Rahmen einer Kleinen Anfrage abzuhandeln und von der Landesregierung auch diese Information zu bekommen, vielleicht aber auch noch als ein Berichts

ersuchen im Ausschuss verständlich gewesen wäre, aber hier doch beileibe nicht dieses Thema gewesen wäre, um damit am Freitagnachmittag um vier, zumal wir eine ganze Menge auch an Tagesordnungspunkten noch haben, muss ich konstatieren, es scheint augenscheinlich nicht den ganz großen Widerhall im Freistaat Thüringen zu treffen, was wir hier diskutieren. Ich muss Sie eindringlich und herzlich bitten, wenn Sie wollen, dass wir uns weiter ein Stück weit in unserer parlamentarischen Arbeit nach außen so darstellen, dass wir uns die Tagesordnung hier mit Themen - ich sage es jetzt böse formuliert - zumüllen, die wir auch auf einer anderen Ebene miteinander diskutieren können und wir Arbeitsgruppen, die als Arbeitsgremien eingerichtet sind, nicht mit einer Erwartungshaltung überfrachten können, dass sie sozusagen der Ersatzhaushaltsausschuss des Landtags sind, wenn Sie das wollen, dann müssen sie so weitermachen. Wenn Sie mit Heerscharen von Anfragen meinen, Sie könnten das Ministerium lähmen, dann werden Sie erleben, dann wird weniger an Sacharbeit, an Zeit für Sacharbeit übrig bleiben. Ich kann nur sagen, das, was Sie hier gerade an Erwartungshaltung für die Arbeitsgruppe formuliert haben, was die alles machen soll, die arme Arbeitsgruppe! Diejenigen, die in dieser Arbeitsgruppe arbeiten, haben klare Ziele formuliert. Die haben das in einzelne Untergruppen unterteilt, zu denen sie diskutieren und sehr sachgerecht arbeiten. Die wissen sehr wohl, dass nicht alles, was in dieser Arbeitsgruppe besprochen wird, hinterher in Beschlussfassungen mündet, aber sie leisten eine sachgerechte Arbeit. Das soll auch so bleiben. Wir werden weder diese Arbeitsgruppe mit einer Erwartungshaltung überfrachten, die sie nicht erfüllen kann, noch - und das kann ich für die CDU-Fraktion sagen - werden wir uns selber hier in dieser von Ihnen verordneten Beschäftigungspolitik weiter im Ausschuss mit Themen auseinandersetzen, die heute auch erschöpfend und umfänglich vom Ministerium berichtet und abgearbeitet wurden.

Insofern wird die CDU-Fraktion der Überweisung dieses Antrags an den Ausschuss nicht folgen. Was die sozialen Themen angeht, werden wir in den nächsten Wochen auch bei der Haushaltsberatung genügend Gelegenheit haben, miteinander im Gespräch zu sein. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Abgeordneter Kubitzki, bitte.

Frau Präsidentin, Herr Kretschmer, wenn wir den Mindestlohn hätten in diesem Land - nur um auf Ih

ren Einwurf zu reagieren -, dann hätten wir weniger prekäre Situationen und da bräuchten wir weniger soziale Betreuungsangebote. Das ist erst einmal ein Zusammenhang, den wir hier feststellen müssen.

(Beifall DIE LINKE)

Da kann ich Ihre abfällige Bemerkung nicht verstehen.

Herr Panse, über Ihre Ausdrucksweise bin ich schon ein bisschen erschrocken. Wenn Sie soziale Themen hier in diesem Haus bezeichnen mit „wir wollen Sie hier zumüllen“, so erschreckt mich das schon ein bisschen. Aber das beweist die Tatsache, Herr Panse, Sie wollen soziale Probleme hier nicht sehen und es ist eindeutig auch in Ihren Ausführungen zum Tragen gekommen. Diese Arbeitsgruppe - und da möchte ich den Kollegen Pilger unterstützen - haben Sie hier als Alibifunktion missbraucht, um so zu tun, jawohl, wir reden mit der Wohlfahrtspflege, aber wir machen das, was wir wollen. Das ist die Politik, die hier in diesem Haus gemacht wird, und Sie gehen überheblich an Sozialpolitik heran. Deshalb muss ich das noch mal wiederholen.