Protokoll der Sitzung vom 11.10.2007

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Der von Hessen.)

Ja, von Hessen. Diesen Satz haben wir bewusst nicht in unseren Antrag genommen, weil wir der Meinung sind, dass hier gegen europäisches Wasserrahmenrecht schon wieder verstoßen wird und eine Aufweichung erfolgt, wenn man bis 2020 so ein bisschen salomonisch formuliert, wir wollen dann einen naturnahen Zustand haben. In der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie steht: „Bis 2015 ist ein guter ökologischer und chemischer Zustand herzustellen.“ Was ist eigentlich der Unterschied zwischen einem guten ökologischen Zustand und einem naturnahen Zustand? Diese Fragen haben wir uns gestellt und haben dann gesagt, Mensch, hier war eigentlich ein Stratege am Wirken, der schon wieder die Europäische Wasserrahmenrichtlinie um fünf Jahre nach hinten hinausschiebt. Die Frage, die wir im Ausschuss ganz intensiv mit Kollegen Kummer diskutiert haben, ist ja eigentlich die gewesen: Warum wollen wir einen öffentlich-rechtlichen Vertrag? Ja, genau aus diesem Grund. Wir wollen mit diesem öffentlich-rechtlichen Vertrag erzielen, dass Kali + Salz sich zu diesen Aufgaben bekennt und nicht immer wieder politisch die Grenzwerte um 6 Jahre, um 12 Jahre hinausgeschoben werden können. Das wollen wir nicht, das ist nicht unser Ziel.

(Beifall CDU)

Wollen wir es wirklich, dass wir die Ziele der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie aufweichen? Ich könnte mit dieser Formulierung auch leben - gar keine Frage -, aber ich glaube, es ist nicht richtig, das zu tun.

Gehen wir zu Punkt 2. Sie schreiben: „Die nach 2009 bzw. 2012 neu festzusetzenden Grenzwerte sollen für die gesamte Werra im Einflussbereich der Kaliindustrie gelten. Sie sind so festzulegen, dass eine

Wiederbesiedlung der Werra mit den typischen heimischen Arten erfolgen kann.“ Auch hier würde ich im ersten Moment sagen, das ist überhaupt kein Problem, das könnten wir mittragen. Aber ich glaube, das ist wasserwirtschaftlich nicht zielführend. Im Oberlauf ist doch weniger Salz im Gewässer als im Unterlauf. Da kann man doch nicht einen einheitlichen Grenzwert für alle Bereiche der Werra festlegen. Wir würden doch in dem Oberlauf die Leute irgendwo sogar provozieren, den Grenzwert auszureizen. Nein, im Oberlauf soll der Grenzwert natürlich niedriger sein als im Unterlauf. Im Unterlauf am Pegel Gerstungen ist er mit 2.500 mg/l festgeschrieben. Das kann nicht unser Ziel sein.

(Unruhe DIE LINKE)

Dort dürfen wir nicht stehen bleiben und ich denke, wir sollten nicht über den gesamten Lauf der Werra den Salzgrenzwert erhöhen. Wir würden mit einem einheitlichen Grenzwert dort wirklich nicht zielführend arbeiten.

(Zwischenruf Abg. Dr. Scheringer-Wright, DIE LINKE: Sie interpretieren da etwas hinein, das nicht drinsteht.)

Es steht doch hier eindeutig drin: „Die... Grenzwerte sollen für die gesamte Werra im Einflussgebiet der Kaliindustrie gelten.“ Also würden wir diesen Grenzwert doch vereinheitlichen und auf den ganzen Flusslauf übertragen.

(Unruhe DIE LINKE, SPD)

Jetzt gilt er am Unterlauf, also ist weiter oben der Grenzwert niedriger. Das sollten wir einfach nicht tun, das müssen wir wirklich ausdiskutieren.

(Zwischenruf Abg. Dr. Scheringer-Wright, DIE LINKE: Sie müssen den Satz fertig lesen.)

Dieser Satz ist fertig gelesen. Dann kann ich eigentlich schon auf die nächsten Punkte eingehen. Sie wollen auf der einen Seite, dass wir das Wasser aus allen Regionen zusammenführen, und sprechen dann aber im nächsten Punkt, Punkt 6, davon, dass Sie das Wasser von Neuhof/Ellers nicht überleiten wollen. Wenn wir das zusammenführen wollen, dann müssen wir es doch wenigstens erst einmal auf einen Punkt bringen und eigentlich nehmen Sie meine Diskussion aus dem Ausschuss auf. Ich habe immer gesagt, dass es wichtig ist, es (das Wasser) auf einen Punkt zu bringen, aber wir sollten uns nicht schon wieder auf eine Technologie festlegen, um zu sagen, wir bringen das in die Nord- oder in die Ostsee.

(Zwischenruf Abg. Kummer, DIE LINKE: Nur mal zum Beispiel.)

Nein, es gibt auch noch andere Varianten. Wir sollten auch die technische Aufbereitung, die chemikalische, die physikalische, prüfen und nicht schon wieder der K + S den Freibrief einräumen, eine Technologie, die vorgeschlagen wird, und von vornherein alles zerreden. Wir haben gerade im Hessischen Landtag ganz negative Beispiele erleben müssen, wie unsere Kollegin Apel im Hessischen Landtag zerpflückt worden ist, weil sie sich auf konkrete Dinge bezogen hat,

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Es steht doch nur da: „zum Beispiel“.)

die dann von so einem großen Weltkonzern ohne Weiteres auseinandergenommen werden können. Deswegen unsere Empfehlung, den Rahmen so zu spannen, dass Technologien in Verantwortung der K + S vorgestellt werden, mit denen wir in der Zukunft gut leben können.

Herr Abgeordneter Rose, darf Ihnen jetzt Frau Abgeordnete Wolf eine Frage stellen?

Bitte, Frau Wolf.

Danke schön. Ich gebe zu, es sind zwei Fragen. Meine erste Frage: Herr Rose, Ist Ihnen bekannt, ob das Gebiet oberhalb von Vacha noch Einflussgebiet der Kaliindustrie ist?

Die zweite Frage: Ist es denn nicht sinnvoll, einen Grenzwert für den gesamten Lauf der Werra festzulegen, also ab dem Pegel Gerstungen, weil die diffusen Einträge eben nicht nur vor Gerstungen reinkommen, sondern auch dahinter und das dazu führen kann, dass die Grenzwerte dahinter deutlich überschritten werden?

Die Einleitung von Salz ist aus meiner Sicht nicht nur an die Einleitung von K + S gebunden. Wir haben traditionell den Bergbau in der Region gehabt und haben aus diesen Bereichen hohe diffuse Einträge, das wissen wir alle. Aus diesem Grund - denke

ich mal - wird es immer so sein, dass wir an den verschiedensten Punkten verschieden hohe Einträge in den Flusslauf haben werden. Gerade deshalb halte ich es nicht für zielführend, einen Grenzwert über die gesamte Werra zu ziehen. Schauen Sie sich dann mal die Weser im Unterlauf an, dort sind die Konzentrationen dann viel niedriger. Ich denke, das kann man mit einem Grenzwert für ein Bundesland überhaupt nicht erfassen.

Als letzter Punkt in Ihrem Antrag der Punkt 7: Ich glaube, Einzelmaßnahmen gehören aus unserer Sicht nicht in diesen Beschluss, nicht, weil wir das nicht mittragen könnten. Wenn in der Gerstunger Mulde kein Platz mehr zum Versenken ist, dann muss dort Schluss gemacht werden, ohne Wenn und Aber.

(Zwischenruf Abg. Doht und Abg. Becker, SPD: Dann soll- ten wir es auch so beschließen.)

Aber man darf sich hier wirklich nicht auf die Einzelmaßnahmen beschränken. Das Versenkungsvolumen im gesamten Werragebiet geht zu Ende. Dafür müssen wir Lösungen finden. Es ist doch eine völlig neue Situation, die wir seit März dieses Jahres haben, als wir in Kassel eine Anhörung der K + S zu diesem Thema hatten, als das Hessische Landesamt für Umwelt und Geologie dargestellt hat, dass im Werragebiet nur noch 120 Mio. m³ Versenkvolumen zur Verfügung stehen, auf der anderen Seite aber Erklärungen abgegeben werden, dass man noch 35 bis 40 Jahre produzieren will im Gebiet.

Glücklicherweise liegen mittlerweile belastbare Zahlen vor, abgestimmt zwischen der Hessischen und Thüringer Landesregierung. Wir haben im Jahr 14 Mio. m³ salzhaltige Abwässer. Jetzt rechnen Sie das mal zusammen. Das ist dann ganz schnell zu Ende, wenn man sich hier nicht zu vernünftigen Lösungen bekennen kann.

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Deshalb brauchen wir eine ganze Lösung.)

Aus diesem Grunde haben wir diesen Rahmen gefasst und sagen, wir wollen, dass das Versenkvolumen kritisch in jeder Richtung hinterfragt wird.

Frau Becker, ich habe mich im Hessischen Landtag in Wiesbaden davon überzeugen können, wie schwer es den Partnern gefallen ist, diesen Antrag, der in Hessen vorgelegt worden ist, auszuhandeln. Aber es ist doch irgendwo gut zu sehen, wenn die Landesregierung in Hessen und die in Thüringen die gleichen Worte finden und auch die gleichen Zielstellungen formulieren.

(Zwischenruf Abg. Dr. Scheringer-Wright, DIE LINKE: Wenn es doch nichts bringt.)

Innerhalb weniger Monate hat sich die vom Hessischen Landesamt - ich habe das schon angesprochen - für Umwelt und Geologie festgestellte Situation, dass das Versenkvolumen im Plattendolomit der Werraregion bei Weitem nicht ausreicht, um für die prognostizierte Zeit des Rohstoffabbaus eine sichere Entsorgung zu gewährleisten, bewahrheitet. Wir sind der Meinung, dass vor der Diskussion um Entsorgungsvarianten zunächst viel intensiver als bisher Vermeidungsstrategien diskutiert werden sollten. Wir sehen hier das Unternehmen Kali + Salz in der Pflicht, im eigenen Interesse durch umfangreichere Forschung und Entwicklung die Probleme zu lösen. Bei dieser Diskussion darf es keine Tabus mehr geben. Frau Becker, ja, Sie haben recht, zentrale physikalisch-chemische Aufbereitung, Haldenabdeckung und Haldenwasserreinigung, Tiefenverpressung, Versatz und Einleitung in Nord- oder Ostsee - alle Entsorgungstechnologien müssen erneut auf den Prüfstand.

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Das wissen wir seit Jahren.)

Herr Abgeordneter, Abgeordneter Gentzel möchte Ihnen jetzt gern eine Frage stellen. Gestatten Sie das?

Sehr gern.

Bitte, Herr Gentzel.

Ja, ich will - es hat eine zeitliche Verzögerung gegeben - noch mal auf die Laugenverpressung, unseren letzten Punkt, eingehen. Herr Rose, ich habe Ihrem Beitrag sehr genau zugehört und Sie haben in der Einleitung davon gesprochen, dass wir umweltverträgliche Alternativen entwickeln müssen. Was ist denn Ihre umweltverträgliche Alternative zur Nichtverpressung der Kalilauge?

Meine umweltverträgliche Alternative ist Zusammenführung der Abwässer von Kali + Salz an einem Standort und dann entweder eine physikalisch-chemische Aufbereitung oder eine Ableitung in Nord- oder Ostsee und mittel- und langfristig überhaupt kei

ne Verpressung mehr in den Plattendolomit, Schluss dann damit.

Dann können Sie doch aber Ihrer Fraktion empfehlen, diesem Punkt zuzustimmen.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Ich verstehe es nicht.

Es gibt derzeit in vielen Bereichen noch keine Alternative zur Verpressung. Da muss man letzten Endes kompromissfähig sein und doch noch dem Unternehmen einige Zeit geben, das realisieren zu können.

(Zwischenruf Abg. Kummer, DIE LINKE: Was nützt denn die Kompromissfähigkeit, wenn es …)

Ich glaube, die wesentlichste Frage ist doch, welche Vorkehrungen getroffen werden müssen, um die Chloridkonzentration der Gewässer im Flusseinzugsgebiet zu reduzieren und gleichzeitig einen weiteren Betrieb der Kalibergwerke und Düngemittelwerke in der betroffenen Region bei gleichzeitiger allgemeiner Akzeptanz zu sichern? Ich sage es in aller Deutlichkeit, es geht um einen Ausgleich unterschiedlicher Interessen, das ist wirklich so. Und das wird ohne Kompromisse nicht möglich sein. Weder darf den Interessen von Kali + Salz leichtfertig nachgekommen werden, noch dürfen Standorte durch unrealistische und überzogene Forderungen gefährdet werden. Kali + Salz gab und gibt vielen Menschen in Hessen und Thüringen gut bezahlte und sichere Arbeitsplätze. Hier besteht eine Schuld der Menschen, die am besten durch fairen Umgang mit dem Unternehmen zurückgezahlt werden kann.

Ich möchte mich ausdrücklich - und ich habe das schon mehrfach im Ausschuss für Naturschutz und Umwelt betont - der Meinung von Prof. Christian Wolkersdorfer von der Ludwig-Maximilians-Universität in München anschließen, der mittelfristig die Chloridkonzentration in der Werra auf die Maximalkonzentration Chlorid des geochemischen Atlas von Europa von 1.100 mg/l vorschlägt und langfristig noch festzulegende niedrigere Werte an den Pegeln Gerstungen und Hannoversch Münden. Das ist eigentlich, denke ich, der richtige Weg. Wir müssen an Einzelpunkten die entsprechenden Chloridkonzentrationen festlegen und können das nicht über den Flusslauf als einheitlichen Grenzwert formulieren. Ich glaube, die Werra hat der Region jahrhundertelang gute Dienste geleistet und es ist nun an der Zeit, dem

Fluss etwas davon zurückzugeben. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU)

Mir liegen jetzt seitens der Abgeordneten keine weiteren Redemeldungen mehr vor, aber für die Landesregierung Minister Dr. Sklenar bitte. Nein, der hat sich gleich wieder hingesetzt, damit die Abgeordnete den Vorrang hat. Bitte, Frau Abgeordnete Dr. ScheringerWright.