Protokoll der Sitzung vom 14.12.2007

(Beifall SPD)

Herr Ministerpräsident, Sie haben hier auf den Vorrang für Eigenverantwortung gesetzt. Da bin ich sehr bei Ihnen, natürlich...

Herr Abgeordneter Matschie, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte, Abgeordneter Althaus.

Kennen Sie die Gutachten vom HWWI, von der Fachhochschule Jena und von Herrn Dr. Strengmann-Kuhn, die ganz klar beweisen, dass es natürlich finanzierbar ist?

Ich kenne viele Gutachten, die zu diesem Thema vorgelegt worden sind, nicht alle haben die gleiche Qualität aus meiner Sicht. Ich denke, dass man dem Sachverständigenrat der Bundesregierung für Wirtschaftsfragen schon Glauben schenken kann, wenn er zu dem Schluss kommt, das Konzept, was Sie vorgelegt haben, hat eine Finanzierungslücke von 230 Mrd. €.

(Beifall SPD)

Und der Sachverständigenrat sagt dann, Herr Althaus: Wenn man versucht, in Ihrem System diese Finanzierungslücke zu schließen, dann verpuffen sämtliche positiven Effekte Ihres Systems. Da kann ich nur sagen, Treffer, versenkt das Ding, verabschieden Sie sich von diesem Konzept, Herr Ministerpräsident.

(Beifall SPD)

Jetzt noch einmal zu Ihrem Vorrang der Eigenverantwortung: Ich bin da sehr bei Ihnen, wie viele andere übrigens auch in diesem Haus, dass da, wo Eigenverantwortung möglich ist, Eigenverantwortung auch wahrgenommen werden kann. Da muss nicht der Staat in die Bresche springen, wo Bürgerinnen und Bürger oder Unternehmen selbst Verantwortung übernehmen können. Aber, Herr Ministerpräsident, Eigenverantwortung heißt das dann, wenn es politisch eng wird vor einer Wahl, den Leuten zu sagen, nein, nein, die Wasser- und Anschlussbeiträge, die müsst ihr in Zukunft nicht mehr bezahlen, das übernehme ich mal ganz generös. Ist das Ihre Vorstellung von Eigenverantwortung?

(Beifall SPD)

Sie haben auf diese Art und Weise mit diesem Wahlkampfgeschenk den Thüringer Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern eine Last von 1 Mrd. € zusätzlich aufgebürdet in einer Zeit, wo der Haushalt ohnehin hohe Schulden machen musste - ist das Ihre Vorstellung von Eigenverantwortung? Oder ist es Ihre Vorstellung von Eigenverantwortung, wenn Sie Erziehungsgeld, was zunächst nur für bedürftige Familien in Thüringen gezahlt wurde, auch jetzt an Familien zahlen, die gar nicht nach diesem Geld gerufen haben, die auch ganz gut ohne dieses Erziehungsgeld auskommen können - ist das Ihre Vorstellung von Eigenverantwortung, Herr Ministerpräsident?

(Beifall SPD)

Oder ist es Ihre Vorstellung von Eigenverantwortung, wenn der Staat die Miete für ein Spielcasino finan

zieren muss oder einem windigen Investor Millionenbeträge hinterherwirft - ist das Ihre Vorstellung von Eigenverantwortung?

(Beifall SPD)

Und dann auf der anderen Seite reklamieren Sie plötzlich Eigenverantwortung, wenn Sie hingehen und den Kindergärten das Geld wegstreichen, dass Eltern zukünftig höhere Elternbeiträge zahlen müssen, das ist dann plötzlich Eigenverantwortung.

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Sie haben es bis heute nicht verstanden.)

Ja, Frau Kollegin, es ist an vielen Stellen der Fall, dass Eltern höhere Elternbeiträge bezahlen müssen, weil diese Landesregierung eine Familienoffensive gestartet hat und Sie in diesem Parlament diese Kürzungen beschlossen haben. Begreifen Sie das endlich mal.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Herr Ministerpräsident, Sie haben das hier wieder gesagt, es hätte massive Überkapazitäten im Kindergartenbereich gegeben. Ich bin in vielen Kindergärten unterwegs gewesen, ich habe diese massiven Überkapazitäten nirgendwo feststellen können.

(Beifall SPD)

(Unruhe CDU)

(Zwischenruf Dr. Zeh, Minister für Sozia- les, Familie und Gesundheit: Wo kommen denn dann die Erhöhungen der Zahlun- gen in die Kindertagesstätten her?)

Und wenn Sie sagen, es gibt Gutachten, die uns bescheinigen, dass wir noch ein gutes Angebot an Kindergärten haben, dann sage ich, das ist in der Tat so, aber es ist nicht mehr das Verdienst dieser Landesregierung, sondern das Verdienst vieler Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker,

(Beifall DIE LINKE, SPD)

dass diese Struktur noch so existiert. Ich habe erst vor wenigen Tagen, um Ihnen mal ein Beispiel zu nennen, mit dem Bürgermeister von Breitungen geredet. Der sagte mir, ich muss jetzt, weil die Landesregierung diese Kürzung beschlossen hat, jedes Jahr 55.000 € zusätzlich in meinem Haushalt aufbringen, damit ich den Kindergarten vor Ort noch finanzieren kann. So sieht Ihre Eigenverantwortung aus. Sie haben einfach Ihre Lasten auf die Kommunen und die Eltern verschoben. Da sagen wir, das ist falsche Politik, auch falsche Familienpolitik.

(Beifall SPD)

Abgeordneter Matschie, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Zeh?

Herr Matschie, sind Sie meiner Auffassung, dass, wenn etwas gut läuft, vielleicht die Rahmenbedingungen dazu gut geschaffen worden sind?

Die Rahmenbedingungen, Herr Zeh, sind von Ihnen massiv verschlechtert worden.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Sie können doch nicht den Kommunen Millionenbeträge kürzen und sich dann auch noch für die Rahmenbedingungen loben. Wo ist denn da die Logik, Herr Minister? Ein bisschen mehr hätte ich Ihnen da wirklich zugetraut.

Jetzt noch mal zum Erziehungsgeld, wo Sie sagen, es geht um Wahlfreiheit. Natürlich hat jede Familie die Freiheit der Wahl, ob das Kind in den Kindergarten geht oder nicht. Die Wahlfreiheit wird auch nicht dadurch eingeschränkt, dass es kein Erziehungsgeld gibt. In vielen Bundesländern gibt es das nämlich nicht und trotzdem haben Eltern dort Wahlfreiheit. Die Wahlfreiheit, die haben sie aber nur, wenn ein ausreichendes Kindergarten- und Kinderkrippenangebot besteht. Da besteht auch in Thüringen noch Handlungsbedarf, wie wir gestern in einer Studie gerade nachlesen konnten.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

(Zwischenruf Althaus, Ministerpräsident: Die Studie ist Quatsch. Lesen Sie mal heute die STZ.)

(Unruhe SPD)

Herr Ministerpräsident, da sagen Sie, die Studie ist Quatsch. Dann setzen Sie sich doch mal mit den Trägern, mit der LIGA auseinander, wenn Sie sagen, diese Studie ist Quatsch. Es ist der Wille vieler Eltern, dass es bessere Öffnungszeiten gibt, als das heute an vielen Stellen möglich ist. Es ist der Wunsch vieler Kindergärten, zu sagen, wir wollen einen guten Bildungsplan umsetzen, aber wir können

es mit diesem knappen Personal nicht umsetzen. Es ist notwendig, mehr in diese Struktur zu investieren. Ich hoffe, dass Sie da endlich wieder auf den richtigen Weg kommen, Herr Ministerpräsident.

(Beifall SPD)

Nun bin ich sehr dafür, Familien stärker zu fördern, wenn sie Kinder haben. Aber die Kopplung zu machen, du bekommst das Geld nur, wenn dein Kind nicht in den Kindergarten geht, das ist zum Schaden für viele Kinder, die dieses Angebot dringend brauchen, deren Eltern die Kinder aber nicht mehr hinschicken, weil sie genauso dringend das Geld im Portemonnaie brauchen.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

(Unruhe CDU)

Die Entwicklung ist doch ganz deutlich, die Zahlen sind gesunken in diesem Bereich. Das sind die ersten Effekte, die wir da haben. Das Statistische Landesamt hat es uns auf den Tisch gelegt.

(Zwischenruf Althaus, Ministerpräsident: Das Land trägt mehr Verantwortung als die Kommune.)

Das Statistische Landesamt hat uns doch die Zahlen auf den Tisch gelegt. Wenn Sie Ihrem eigenen Landesamt keinen Glauben schenken, müssen Sie die Leute auswechseln, Herr Ministerpräsident, aber nicht hier die Zahlen in Zweifel ziehen.

(Beifall SPD)

Das ist auch die Erfahrung, wenn wir vor Ort gehen. Natürlich sagen uns die Kindergärtnerinnen, aus diesen und jenen Familien - es sind insbesondere problematische Familien - sind die Kinder nicht im Kindergarten oder sind sogar abgemeldet worden. Auch solche Fälle gibt es mittlerweile. Und da sage ich, das ist genau die falsche Politik zur frühkindlichen Bildung. Das sind die Kinder, die den Kindergarten am dringendsten brauchen, die am dringendsten eine solche Förderung brauchen, damit sie in ihrem Leben gleiche Chancen haben. Deshalb ist es richtig, Kindern die Möglichkeit zu geben, in den Kindergarten zu gehen, und nicht den Eltern einen finanziellen Anreiz, damit die Kinder zu Hause bleiben.

(Beifall SPD)