Protokoll der Sitzung vom 25.01.2008

(Heiterkeit CDU)

Um hier die Voraussetzungen zu schaffen, müsste erst einmal wieder kräftig investiert werden, Gelder, die letztendlich wieder vom Steuerzahler aufzubringen sind. Deswegen fordern wir: Keine weiteren Modellversuche für Gigaliner auf Thüringer Straßen. Die Beschlussempfehlung aus dem Ausschuss lehnen wir ab.

(Beifall SPD)

Wir fordern auch von dieser Stelle aus noch einmal, dass man sich als Bundesrepublik Deutschland europaweit dafür einsetzt, diese Gigaliner abzulehnen.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Für die Fraktion DIE LINKE hat sich Abgeordneter Lemke zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die Verkehrsministerkonferenz am 9. und 10. Oktober 2007 hat einstimmig dieses Projekt abgelehnt, 60-Tonner weiter in Deutschland fahren zu lassen, weil es mit EU-Recht, Herr Minister, momentan überhaupt nicht vereinbar ist.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: 60.)

Sechs Bundesländer, darunter Thüringen, konnte ja nicht anders sein, machen aus taktischen Gründen mit der leichteren Variante weiter, die da heißt 40 Tonnen. Die Länge bleibt die gleiche. Was wird damit für ein Signal nach außen gegeben? Hersteller und Spediteure werden ermuntert, genau in dieses Produkt zu investieren. Damit werden Tatsachen geschaffen, so wie Sie es in der Politik immer machen, um später dann einmal so ganz leicht und leise das Gewicht auf 60 Tonnen anzuheben. Und was machen Sie? Sie machen eine Politik am Willen der Bevölkerung vorbei.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Schwachsinn!)

Nicht Schwachsinn, ich sage es Ihnen gleich. Frau Doht hat schon die Verbände und Vereine aufgezählt, die sich dagegen verwahrt haben. Aber Ihr Schwachsinn geht noch weiter. 73 Prozent der Bevölkerung wollen diesen Versuch nicht. Diese Zahl ist nicht von uns, sondern das sagt eine repräsentative Forsa-Umfrage. Aber Bürgerwille hat Sie ja noch nie interessiert. Und da interessiert Sie es auch nicht, dass 73 Prozent das nicht wollen.

(Beifall DIE LINKE)

73 Prozent der Befragten wollen keine Riesen-Lkw, weder 60-Tonner noch 40-Tonner, und die sagen auch die Gründe, warum sie es nicht wollen. Punkt 1: Verkehrssicherheitsgründe. Und warum? Weil alle sagen, es besteht ein hohes Unfallrisiko für alle Verkehrsteilnehmer, ob für Fußgänger, Fahrradfahrer, Motorradfahrer oder Autofahrer.

Als Punkt 2 führen sie hohe Infrastrukturkosten an, die der Steuerzahler bezahlen soll. Ich will das Ihnen einmal mit einem Zitat von Wolfgang Rose, dem Vorsitzenden des Autoclubs Europa verdeutlichen. Der ist nicht verdächtig, mit uns irgendwie unter einer Decke zu stecken. Er sagt, ich zitiere: „Die Befürworter der Gigaliner ignorieren die Risiken und verschleiern die Kosten. Monster-Lkw passen nicht auf Deutschlands Straßen, diese Ungetüme schaffen keine Perspektive, sie sind vielmehr eine Bedrohung für moderne Mobilitätskonzepte. Je bombastischer diese Laster desto größer die Probleme für Verkehr und Sicherheit.“ In diesem Zitat steckt im Grunde alles drin. Aber was sagen die befragten Bürger als dritten Grund? Da führen sie an - umweltschädliche Verlagerung von Güterverkehr von der Schiene zurück auf die Straße. Genau das wollen wir doch überhaupt nicht, Herr Minister. Das betonen Sie doch immer wieder, wir wollen Güterverkehr auf die Schiene verlagern. Sie genehmigen Modellversuche, Sie machen genau das Gegenteil von dem, was Sie überall erzählen.

Ich will Ihnen sagen, was Sie mit dieser Entscheidung, diese Modellversuche zuzulassen, für ein verkehrspolitisches Signal senden. Eine unveröffentlichte Ministeriumsstudie macht deutlich, wo es hingehen soll - Sie kennen sie mit Sicherheit -: 125.000 zusätzliche Riesen-Lkw sollen auf Deutschlands Straßen fahren. Was passiert dann, Herr Minister? Die Güterbahn, die momentan prozentual hinterherhinkt, wird weiter geschwächt. Umweltfreundliche Transporte werden zurückverlagert auf die Straße. Genau das Gegenteil sollte eigentlich passieren. Das führt mittelfristig zu drastischen Verschiebungen zwischen den Verkehrsträgern. Der Einsatz - Frau Doht hat es schon gesagt - von Riesen-Lkw heißt, dass LkwVerkehr auch billiger wird. Das führt dazu, dass mehr Lagerhaltung auf der Straße passieren wird. Was passiert, wenn mehr Lagerhaltung auf der Straße auftritt? Zum Thema „Klimaschutz“ und „Feinstaubbelastung“ brauchen wir dann nicht mehr zu reden; denn dann ist es das nicht wert, weil Sie genau das Gegenteil dessen machen, was Sie eigentlich erreichen wollen. Sie beachten diese Problematik gar nicht.

Zum Thema „Stau“ brauche ich Ihnen gar nichts zu sagen. Wir werden noch mehr Lkws auf der Straße haben. Die Staus werden noch länger. Was passiert in Staus? Der Ausstoß an Abgasen wird drastisch weiter erhöht und daran können auch die modernsten Technologien nur wenig ändern. Wenn kilometerlange Staus entstehen, wird die Abgasproblematik die gleiche sein oder sie wird zunehmen, weil die Staus immer länger werden.

Herr Minister, mit dem Zeichen „Thüringen lässt Modellversuche zu“, fünf andere Länder machen das auch, was passiert damit? Den Rückverlagerungs

effekt von Schiene auf Straße habe ich schon genannt, aber allein in der Automobilindustrie werden sogar 50 bis 60 Prozent mehr Transporte zurück auf die Straße verlagert. Da brauchen Sie nicht mit dem Kopf zu schütteln, Sie sollten mal die Studie lesen, die das Bundesministerium für Verkehr in Auftrag gegeben hat. Sie kennen die Studie und schütteln hier mit dem Kopf, so als ob das alles nicht stimmen würde. Das ist aber Ihre Politik, Sie schütteln immer den Kopf, wenn es Ihnen nicht passt.

(Beifall DIE LINKE)

(Zwischenruf Trautvetter, Minister für Bau und Verkehr: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.)

Ja, wenn Sie Hänschen sind, der nichts mehr lernt, Herr Minister, dann tun Sie mir leid. Der Einzelwagenverkehr im Güterverkehr auf der Schiene, den Sie ja sowieso nicht wollen - es geht ja momentan sowieso darum, immer nur noch Ganzzüge zu bestellen, dafür sind Sie ja ein Fürsprecher - findet damit überhaupt nicht mehr statt. Sie verlagern alles zurück auf die Straße - ein völlig falsches politisches Signal.

Zum Thema „Verkehrssicherheit“: Da, Herr Minister, müssen Sie mir nun überhaupt gar nichts mehr erzählen. Im Ausschuss erzählen Sie mir Wunderdinge, wie schön die Verkehrssicherheit ist und Sie machen mit Modellversuchen genau das Gegenteil von dem, was Sie öffentlich verkünden. Das Thema „Verkehrssicherheit“ ist auch bei der leichteren Variante nicht vom Tisch zu wischen. Da meine ich noch nicht einmal überfüllte Parkplätze, da meine ich einfach Einfahrt in schmale Autobahnbaustellen. Ein solches Geschoss ist eine Gefahr! Überlange Überholvorgänge - Frau Doht hat es schon gesagt -, längere Räumzeiten bei Knoten ohne Signalanlagen. Da fährt ein Gigaliner auch in der leichten Variante drüber und kriegt den Knoten nicht frei. Was passiert denn dann, Herr Minister? Auch an Knoten ohne Signalanlagen unendlich lange Staus, unendliche Gefahr von Auffahrunfällen, all das ignorieren Sie.

Verlassen oder abbiegen: Haben Sie schon mal gesehen, wenn ein solches Gefährt abbiegt oder die Spur wechselt?

(Zwischenruf Trautvetter, Minister für Bau und Verkehr: Ja.)

Ja, was passiert denn beim Abbiegen, Herr Minister? Ein solches Gefährt kann die eigene Spur nicht halten. Es geht automatisch in die nächste Spur über. Das weiß aber der Nachfolger nicht.

(Zwischenruf Abg. Wackernagel, CDU: Hier sitzen wir, Herr Lemke.)

(Unruhe CDU)

Es ist ja schön, wenn Sie da sind, aber ich versuche erst einmal, es dem Minister zu erklären, bei ihnen bin ich mir da nicht sicher, ob das greift. Bei ihm bin ich mir da eher sicher.

(Beifall DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Kretschmer, CDU)

Herr Kretschmer, schauen Sie sich selbst an, wenn Sie hier vorn stehen. Ihr Versuch taugt nichts, Sie bringen mich nicht aus dem Konzept, also lassen Sie es doch gleich.

(Beifall DIE LINKE)

Herr Minister und liebe Kollegen der CDU-Fraktion, was passiert denn in Kreisverkehren? Frau Doht hat es beschrieben, da bleiben diese Gefährte stecken, verstopfen den Verkehr, sie brechen teilweise auseinander, wie wir es eben erst hatten. Bei Einmündigen gibt es genau dasselbe Problem. Ja, Herr Kretschmer, es ist auseinandergebrochen, hat stundenlang den Verkehr blockiert.

(Zwischenruf Abg. Kretschmer, CDU: Wer war das?)

Das stimmt nicht? Wer? Reden wir gerade vom Güterzug oder was?

(Heiterkeit im Hause)

Herr Minister, das letzte Problem, was von allen zu Recht benannt wird, ist ein umweltpolitisches. Sie wollen uns immer Glauben machen, durch überlange Lkws würden wir Lkws an sich einsparen. Das ist völlig falsch, weil wir viel mehr Lkws auf die Straße bringen, sparen wir an der Ecke gar nichts ein. Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe - auch das kennen Sie - sagt in ihrer Studie, es gibt keinerlei Umweltvorteile durch diese überlangen Lkws, keine! Auch das ignorieren Sie. Die Fraktion in der Mitte ignoriert das auch. Herr Schugens hat es in seinem Redebeitrag deutlich gemacht.

(Zwischenruf Abg. Dr. Scheringer-Wright, DIE LINKE: Und ist im Umweltaus- schuss!)

Genau, Herr Schugens, Sie sind im Umweltausschuss. Sie dürften diese Studie der Bund-LänderArbeitsgruppe kennen und Sie negieren Sie einfach, weil Sie sagen: Es ist eine Supertechnologie,

die brauchen wir unbedingt. Aber Sie verschweigen dabei, dass Sie Lobbyist sind, dass Sie genau dort hingehen, wo die Dinger hergestellt werden. Da stehen Sie ständig auf der Matte und freuen sich

(Beifall DIE LINKE)

und erklären denen, wir werden es in Thüringen schon richten. Der Minister macht an der Stelle mit und erteilt Ausnahmegenehmigungen. So ist Ihre Politik, reine Lobby-Politik.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Ich kann hier nur nochmals an Sie appellieren: Stimmen Sie dem Beschluss des Ausschusses nicht zu und stimmen Sie unserem Antrag zu. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE)

Seitens der Abgeordneten liegen mir keine weiteren Redeanmeldungen mehr vor. Für die Landesregierung spricht jetzt Minister Trautvetter, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich werde noch ein paar allgemeine Bemerkungen machen, denn ich habe auch allmählich keine Lust mehr, das, was technisch nachgewiesen ist bei dieser neuen Technologie, ständig zu begründen. Ich habe seit mehreren Monaten die Einladung an die Opposition ausgesprochen, doch mal den Hersteller eines Longliners zu besuchen, das Fahrverhalten auf dessen Werkgelände selbst auszutesten, das Fahrverhalten im Kreisverkehr auszutesten, das Fahrverhalten an Kreuzungen auszutesten. Wenn man natürlich dieses Angebot nicht annimmt,

(Zwischenruf Abg. Lemke, DIE LINKE: Wir müssen arbeiten.)

dann hat man gute Gründe, hier im Landtag immer wieder falsche Argumente vorzutragen. Die Debatte ist ja ein schöner Beleg für die Intensität der Diskussion in ganz verschiedenen Verkehrsbereichen. Das ist vollkommen unabhängig davon, ob man die modularen Nutzfahrzeuge nun „Riesen-Lkw“, „Gigaliner“, „Euroliner“, „Kombiliner“ oder „Ökoliner“ nennt, es gibt eine ganze Reihe von Aspekten, die man frei von jeder Polemik sehen und bewerten muss.

(Beifall CDU)