Protokoll der Sitzung vom 08.05.2008

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 7

Aus Erfahrung lernen - Förderung für Langzeit- arbeitslose verbessern Antrag der Fraktion der SPD - Drucksache 4/3833 - Neu- fassung Wünscht die Fraktion der SPD das Wort zur Begründung? Das ist nicht der Fall. Die Landesregierung erstattet Sofortbericht zu Nummer 1 des Antrags. Für die Landesregierung erteile ich das Wort Herrn Minister Reinholz. Bitte, Herr Minister.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Fraktion der SPD bittet um einen Bericht zur aktiven Arbeitsmarktförderung für Langzeitarbeitslose, gleichzeitig hat sie allerdings auch schon eine Reihe von Vorschlägen parat, ohne

dass der erbetene Bericht ausgewertet worden wäre. Ich will dem Berichtsansinnen gern nachkommen und anschließend auch auf die Forderungen eingehen. Zu Beginn weise ich aber zum wiederholten Male, meine Damen und Herren, darauf hin, dass die aktive Arbeitsmarktförderung nach dem SGB II in der Zuständigkeit des Bundes bzw. der Bundesagentur für Arbeit liegt. Direkte Entscheidungen zur Ausgestaltung der lokalen Arbeitsmarktprogramme im Rahmen des SGB II kann die Landesregierung daher, wie Sie eigentlich auch alle wissen, leider nicht treffen. Wir arbeiten aber sowohl mit der Bundesagentur als auch mit den ARGEn und den optierenden Kommunen gut zusammen, so dass sich durchaus Abstimmungen hinsichtlich der gemeinsamen Gestaltung der aktiven Arbeitsförderung ergeben, insbesondere auch im Hinblick auf den Einsatz der ESF- und Landesmittel. Aber nun zu den einzelnen Punkten des Berichtsantrags.

Zu Punkt 1: Den Thüringer Arbeitsgemeinschaften SGB II und den zugelassenen kommunalen Trägern standen im Jahre 2007 rund 232 Mio. € für Eingliederungsleistungen zur Verfügung. Davon wurden etwa 93 Prozent oder 216 Mio. € tatsächlich verausgabt. Ich denke, das ist ein gutes Ergebnis. Im laufenden Jahr stehen den Grundsicherungsträgern für Eingliederungsleistungen insgesamt rund 265 Mio. € zur Verfügung, etwa 25 Mio. € können davon für das neue Eingliederungsinstrument des § 16 a SGB II genutzt werden. Hierbei handelt es sich, wie Sie sicher wissen, um eine spezielle Leistung zur Beschäftigungsförderung von Langzeitarbeitslosen.

Zu Punkt 2: Der Freistaat ergänzt diese aktive Arbeitsmarktförderung aus Landes- und ESF-Mitteln über entsprechende Förderrichtlinien. Die Förderprogramme sind inhaltlich auch auf die Unterstützung der aktiven Arbeitsmarktförderung des SGB II und SGB III ausgerichtet, so zum Beispiel die flankierende Unterstützung strukturwirksamer Beschäftigungsprojekte nach der ABM/BSI-Richtlinie oder auch die Richtlinie über die Gewährung von Einstellungszuschüssen aus dem ESF. Im Jahr 2007 wurden aus Landes- und ESF-Mitteln rund 97 Mio. € für die aktive Arbeitsmarktförderung eingesetzt. Es ist statistisch allerdings nicht möglich, davon die Mittel auszuweisen, die SGB II-Leistungsempfängern zugutekamen oder in gemeinsamen Projekten mit den ARGEn und optierenden Kommunen eingesetzt wurden. Ein erheblicher Teil der neuen ESF-Mittel ist für die Aktionen „Verbesserung des Zugangs zur Beschäftigung“ und „Soziale Eingliederung von Benachteiligten zur Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit“ vorgesehen. Davon profitieren ganz besonders die Langzeitarbeitslosen.

Zu Punkt 3 des Antrags: Das SGB II ist mit dem Ziel angetreten, Langzeitarbeitslose besser zu akti

vieren und in den Arbeitsmarkt zu integrieren als die zuvor getrennten Systeme von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe. Einen klaren Schwerpunkt hat der Gesetzgeber auf die Integration der unter 25-Jährigen gesetzt. Hier konnten seit dem Inkrafttreten des SGB II auch wichtige Erfolge erzielt werden. Von April 2006 bis April 2008 konnte die Zahl der von Arbeitslosigkeit betroffenen unter 25-Jährigen im Rechtskreis des SGB II in Thüringen von rund 12.300 auf rund 6.700 gesenkt werden. Ich denke, das ist ein überaus erfreuliches Ergebnis.

Für das Jahr 2007 ergeben sich aus den statistischen Erhebungen der Bundesagentur für Arbeit für den Bereich der ARGEn in Thüringen hinsichtlich der Förderaktivitäten folgende Ergebnisse: Rund 36.600 Teilnehmer nahmen an Beschäftigung schaffenden Maßnahmen teil, rund 25.000 Teilnehmer nahmen an Qualifizierungsmaßnahmen teil, ca. 9.600 erwerbsfähige Hilfebedürftige erhielten Leistungen zur Förderung abhängiger Beschäftigung und ca. 920 erwerbsfähige Hilfebedürftige erhielten Leistungen zur Förderung der Selbständigkeit.

Zu den wichtigsten Ausgabeposten für aktive Arbeitsmarktförderung 2007 gehörten in den Thüringer ARGEn die Förderung Beschäftigung schaffender Maßnahmen mit rund 79 Mio. €, die Förderung mit integrationsorientierten Instrumenten am Arbeitsmarkt - wie z.B. Eingliederungszuschüsse, Weiterbildung, Trainingsmaßnahmen - mit 95,1 Mio. € sowie die Förderung benachteiligter Auszubildender mit 23,4 Mio. €. Nicht enthalten sind hier die Daten für zugelassene kommunale Träger, die Stadt Jena und, wie Sie wissen, der Landkreis Eichsfeld, die statistisch im System der BA nicht erfasst werden.

Im Zusammenhang mit den Förderprioritäten wird von der SPD-Fraktion nach dem Stellenwert der Fachkräftesicherung gefragt. Dazu sage ich Ihnen, die Deckung des Fachkräftebedarfs, meine Damen und Herren, hat in Thüringen eine sehr hohe Bedeutung. Die marktnahe berufliche Weiterbildung von geeigneten erwerbsfähigen Hilfebedürftigen trägt dazu bei, die Arbeitgeber und Arbeitnehmer auch zukünftig zu unterstützen.

Ich verweise an dieser Stelle auch auf die im Auftrag des TMWTA erstellte Studie „Entwicklung des Fachkräftebedarfs in Thüringen - Fortschreibung 2006“. Gegenwärtig laufen die Vorbereitungen zur Neuauflage der Studie 2008, die voraussichtlich im Herbst dann auch vorliegen wird. Auftragnehmer ist das IWH. Damit hat Thüringen als einziges Land eine mehrfach fortgeschriebene Studie mit konkreten und berufsbezogenen Aussagen zum mittelfristigen Fachkräftebedarf. Das Thüringer Wirtschaftsministerium hat außerdem zur Sicherung des Fachkräftebedarfs in der Wirtschaft den Unternehmer- und

Fachkräfteservice gestartet. Mit dem Service sollen Unternehmen bei der Suche nach geeigneten Bewerbern und Fachkräfte bei der Stellensuche unterstützt werden. Inzwischen wurden regionale Servicestellen in Mittel-, Nord-, Süd- und Südwestthüringen bzw. Ostthüringen eingerichtet. Die Servicestellen sollen auch Anlauf- und Koordinierungsstelle für diejenigen sein, die nach Thüringen zurückkehren oder auch zuwandern wollen. An einem entsprechenden speziellen Teil des Internetauftritts für Rückkehrer und Zuwanderer wird derzeit noch gearbeitet.

Kommen wir zu Punkt 4: Im Modellprojekt „Bürgerarbeit“ der Regionaldirektion Sachsen-Anhalt/Thüringen der Bundesagentur für Arbeit werden seit Mitte 2007 in Schmölln 136 Personen, die keine Chance auf einen Arbeitsplatz auf dem ersten Arbeitsmarkt haben, auf zusätzlichen Stellen im gemeinnützigen Bereich ein Jahr lang sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Der Freistaat unterstützt das Projekt durch einen Zuschuss zu den anfallenden Personalkosten in Höhe von 15 Prozent. Evaluierungsergebnisse liegen zum laufenden Projekt bislang nicht vor. Bisher konnten sieben Teilnehmer aus dem Projekt auf den ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden. Das sind etwa 5 Prozent. Diese Quote soll zumindest verdoppelt werden. Hauptsächlich finden Integrationen in reguläre Beschäftigung oder Qualifizierung allerdings in den Stufen 1 bis 3 statt, also im Vorfeld der eigentlichen Beschäftigung in Bürgerarbeit.

Zur Frage nach der Verlängerung des Projekts brauchen wir zumindest ein zweites Jahr, um Ergebnisse auch realistisch beurteilen zu können. Deshalb wird sich das Land für ein weiteres Jahr bis September 2009 in Höhe von 15 Prozent der Personalkosten auch finanziell beteiligen. Die BA trägt dabei die finanzielle Hauptlast, aber auch der Landkreis und die betreffende Kommune sollen sich im vertretbaren Umfang finanziell einbringen.

Ich sage an dieser Stelle aber, meine Damen und Herren, ganz deutlich, wir werden mit Bürgerarbeit und vergleichbaren Projekten nicht alle Probleme des Arbeitsmarkts lösen können. Der Fokus muss meines Erachtens auch weiterhin auf den ersten Arbeitsmarkt und die Förderung von möglichst arbeitsplatznaher Qualifizierung gerichtet werden.

In diesem Zusammenhang weise ich auch auf das kürzlich vorgestellte neue Projekt „ProArbeit“ hin, das unter der Trägerschaft der Parität Thüringen läuft. Mit einem gezielten Profilabgleich und intensiver Betreuung sollen Langzeitarbeitslose ausgestattet mit einem Lohnkostenzuschuss als sogenanntem Nachteilsausgleich in den ersten Arbeitsmarkt integriert werden.

Meine Damen und Herren, auch das ist wieder ein gutes Beispiel für die effektive Zusammenarbeit von ARGEn, optierender Kommune und Land bzw. ESF. Ich gehe davon aus, dass sich dieses Projekt ausweitet, da die EU vor wenigen Tagen die Anwendung dieses Lohnkostenzuschusses nach § 16 a des SGB II auch für gewerbliche Unternehmen genehmigt hat.

Kommen wir nun zu Punkt 5 des Berichtsantrags: Die Fraktion der SPD fragt, welche Zielgruppen eine zusätzliche Förderung benötigen. Gemessen am Anteil der Arbeitslosen ist davon auszugehen, dass das insbesondere die sogenannten über 50Jährigen sind. Darüber hinaus ist die Integration von unter 25-Jährigen beim Einstieg in den ersten Arbeitsmarkt besonders wichtig. Bei dieser Zielgruppe geht es vor allem um die Verbesserung der Startbedingungen ins Berufsleben, also vor allen Dingen um eine qualifizierte Ausbildung. Ferner ist es wichtig, dass wir Arbeitsmarktmaßnahmen stärker mit sozial integrativen Maßnahmen verknüpfen. Im Bereich der Langzeitarbeitslosen gibt es zwischenzeitlich viele, die zusätzlich Schuldnerberatung, Suchtberatung oder psychosoziale Beratung benötigen. Hier sehe ich weiteren Handlungsbedarf im SGB II. Dazu bedarf es aber offener und flexibler Förderinstrumente, die den Leistungsträgern vor Ort auch entsprechende Spielräume einräumen. Ich bin deshalb gespannt, ob das Bundesministerium für Arbeit und Soziales im anstehenden Gesetzentwurf für die Neuordnung der Arbeitsmarktinstrumente dieses Ansinnen der Länder aufgreifen wird. Vor Kurzem wurden dazu Eckwerte des BMAS veröffentlicht, die aber noch keine diesbezügliche abschließende Beurteilung zulassen. Allerdings deutet sich bezüglich der Möglichkeit der sonstigen weiteren Leistungen nach § 16 Abs. 2 Satz 1 des SGB II eher ein gewisser Rückschritt an. Das BMAS schlägt vor, dieses Instrument, dessen Anwendung zwischen Bund und Ländern umstritten ist, zu streichen. Stattdessen soll es im SGB III mit Anwendbarkeit für das SGB II einen sogenannten Experimentiertopf i.H.v. maximal zwei Prozent der Eingliederungsmittel geben. Dies könnte aber einen Wegfall der sonstigen weiteren Leistungen im SGB II meines Erachtens auf keinen Fall ersetzen. Ich hoffe, dass wir dies in der weiteren Diskussion mit dem Bund über die Arbeitsmarktinstrumente noch ändern und möglichst nachjustieren können.

Kommen wir zum Punkt 6 des Berichtsantrags, zur Versorgung mit Wohnraum. Wie Ihnen bekannt ist, umfasst das Arbeitslosengeld II die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat von seiner diesbezüglichen Verordnungsermächtigung keinen Gebrauch gemacht. Das ist auch gut

so, denn die Verhältnisse sind regional natürlich sehr unterschiedlich und nicht bundesweit einheitlich regelbar. Mit dieser Meinung stehe ich auch im Einklang mit den anderen Bundesländern. Das wurde am 29./30.04.2008 in der SGB II-Aufsichtskonferenz nochmals eindeutig bestätigt. Die vorliegenden Erfahrungen zeigen, dass die Kommunen als Leistungsträger der Kosten für Unterkunft und Heizung verantwortungs- und gleichzeitig kostenbewusst mit dieser Aufgabe umgehen. In der Regel wohnen die Bedarfsgemeinschaften nach dem SGB II in angemessenem Wohnraum oder können diesen auch finden. Thüringen ist als Lebensraum vor allem ländlich und kleinstädtisch geprägt. Deshalb bestehen bisher keine Tendenzen, dass sich sogenannte soziale Brennpunkte herausbilden und Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaften ausgegrenzt werden. Damit das auch so bleibt, ist es wichtig, dass die Kommunen auch zukünftig angemessenen Wohnraum in möglichst allen Wohngebieten bereithalten.

Meine Damen und Herren, kommen wir nun zu den Forderungen, die die SPD-Fraktion gestellt hat. Ihrer erste Aufforderung, zusätzliche Landesmittel oder ESF-Mittel des Landes für die Umsetzung des Bundesprogramms „Kommunal-Kombi-Lohn“ in Thüringen einzusetzen, kann ich nicht nachkommen. Das Bundesprogramm „Kommunal-Kombi-Lohn“ richtet sich an Städte und Gemeinden in Regionen, die von Arbeitslosigkeit besonders betroffen sind. Soweit diese zusätzliche Neueinstellungen vornehmen, kann mit Bundesmitteln sowie mit Mitteln aus dem sogenannten Bundes-ESF auch gefördert werden. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat das Programm aber initiiert, ohne vorher mit den Ländern über eine Mitfinanzierung zu reden. Wir haben deshalb auch keinen haushalterischen Spielraum für eine Landesbeteiligung und zum anderen auch nicht die Möglichkeit, ESF-Mittel zu nutzen, da der Bund Bundes-ESF-Mittel nutzt und eine Kombination, wie Sie wissen, nicht zulässig ist. Aber auch konzeptionell sehe ich da Probleme, denn es geht wieder nur um eine zeitlich befristete und öffentlich finanzierte Beschäftigung in einem künstlich erzeugten Teilarbeitsmarkt, ohne Qualifizierung und echte Perspektiven für eine dauerhafte Beschäftigung. Außerdem gibt es bessere Instrumente, wie z.B. die Förderung von Qualifizierung, aber auch das eben bereits erwähnte Projekt Arbeit für den ersten Arbeitsmarkt. Weil wir unsere begrenzten Mittel möglichst effektiv einsetzen müssen, wird es deshalb eine Beteiligung des Landes am - nach meiner Einschätzung - sehr teuren Kommunal-Kombi nicht geben, denn das würde auch dazu führen, dass wir kaum noch Spielräume für weitere sinnvolle Maßnahmen hätten. Beispielsweise halte ich es für sinnvoll, wenn sich das Land bei öffentlich-rechtlichen Trägern, also insbesondere Kommunen, an der Förderung nach dem neuen § 16 a SGB II für besonders betroffene Langzeitar

beitslose beteiligt. Wir werden deshalb dort, ähnlich wie bei ABM, um 15 Prozentpunkte auf maximal 90 Prozent aufstocken. Das ist im Rahmen der strukturwirksamen Arbeitsförderung des Landes möglich. Die entsprechende Förderrichtlinie wird derzeit ergänzt.

Die zweite Aufforderung, meine Damen und Herren, betrifft die künftige Organisation der Umsetzung des SGB II. Hierzu soll die Landesregierung gemeinsam mit den Arbeitsmarktakteuren entsprechende Empfehlungen erarbeiten. In diesem Zusammenhang verweise ich aber auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Dezember letzten Jahres. Das Urteil besagt, dass die Organisation der Umsetzung des SGB II in den Arbeitsgemeinschaften gemäß § 44 b SGB II in den sogenannten ARGEn nicht verfassungsgemäß ist. Weiter heißt es, der Gesetzgeber hat bis zum 31. Dezember 2010 eine verfassungskonforme Regelung zu treffen. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und die Bundesagentur für Arbeit haben in diesem Zusammenhang bereits Eckpunkte für ein sogenanntes kooperatives Jobcenter vorgelegt. Danach präferiert der Bundesminister für Arbeit und Soziales, Herr Olaf Scholz, die getrennte Aufgabenwahrnehmung in einem kooperativen Jobcenter. Der Name, meine Damen und Herren, klingt zwar gut, es geht in Wirklichkeit aber um eine getrennte Trägerschaft und die Degradierung der Kommunen zu einem unbedeutenden Juniorpartner in Fragen der Gestaltung von Arbeitsmarktpolitik in den Regionen.

Die unionsgeführten Länder haben dagegen zunächst alle denkbaren Möglichkeiten für eine künftige Trägerorganisation eingehend geprüft. In einem gemeinsamen Schreiben an den zuständigen Bundesarbeitsminister, Herrn Scholz, haben die B-Länder vorgeschlagen, zunächst die bestehenden kommunalen Optionen zu verstetigen und auch die Möglichkeit weiterer Optionen zu prüfen und zu eröffnen. Zu möglicherweise eintretenden getrennten Trägerschaften haben wir vorgeschlagen, dies auf rechtlich saubere Beine zu stellen und das SGB II auch entsprechend zu modifizieren. Eine rein untergesetzliche und nur freiwillige Kooperation der beiden Leistungsträger ist nach Auffassung der Länder und auch vieler anderer Fachleute rechtlich ebenfalls nicht haltbar. Eine vollständige Kommunalisierung wäre zwar ein vielversprechender neuer Ansatz, das gebe ich zu; aufgrund der dafür erforderlichen massiven Änderungen sowohl der Bund-Länder-Finanzierungsbeziehung als auch der Verfassung scheint dies aber weder kurz- noch mittelfristig politisch realisierbar zu sein. Ich habe bereits Mitte März die Landräte und Oberbürgermeister als Träger der ARGEn in Thüringen angeschrieben und sie über den Abstimmungsstand in Kenntnis gesetzt. Gleichzeitig habe ich gebeten, jetzt keine vorschnellen Entscheidungen

zu treffen und die ARGEn bestehen zu lassen, bis man zu einem vernünftigen und tragfähigen Konzept der Weiterentwicklung gekommen ist.

Mein Eindruck ist, meine Damen und Herren, dass diese Auffassung von der deutlichen Mehrheit der Beteiligten in Thüringen sowohl auf kommunaler Ebene als auch in den Landesarbeitsgemeinschaften des SGB II in Thüringen geteilt wird. Es gilt nach wie vor die Rechtslage, auch der § 44 b für die ARGEn, zumindest bis 2010. Es besteht dadurch derzeit kein Zwang zur Auflösung von ARGEn oder zur Einrichtung von kooperativen Jobcentern. Insofern wäre aus Sicht verschiedener Länder, und das auch - wenn ich das so sagen darf - parteiübergreifend, wie auch von Thüringen eine kleinere Verfassungsänderung dahin gehend zu prüfen, ob eine verfassungsrechtliche Legalisierung der ARGEn möglich ist.

Am 9. Mai, also morgen, findet eine Sonderarbeits- und Sozialministerkonfernz zu diesem Thema statt, an der mein Staatssekretär teilnehmen wird. Ziel ist es, gemeinsam den Bund bzw. das BMAS aufzufordern, in einer übergreifenden Bund-Länder-Arbeitsgruppe unter Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände bis Ende Juni abgestimmte Vorschläge zu erarbeiten. Sowohl die Verfassungsänderung für eine Legalisierung der ARGEn als auch eine tragfähige Lösung für getrennte Trägerschaften sollen geprüft und bezüglich der Verfassungsänderung, sofern machbar, auch ausgearbeitet werden. Es muss insgesamt darum gehen, eine Lösung im Sinne der betroffenen Hilfebedürftigen zu finden, die möglichst einheitliche Leistungsbescheide und Hilfen zulässt und bis Ende 2008 dann auch zustande kommt.

Meine Damen und Herren, an dieser Stelle möchte ich abschließend noch zum Stichwort „Datenlage“ und „Informationsstand“ kommen und ergänzend auf den Arbeitsmarktbericht 2007 für Thüringen hinweisen. Der Bericht wurde von der Regionaldirektion Sachsen-Anhalt/Thüringen der Bundesagentur für Arbeit erstellt und gibt zu den Leistungen der Agenturen für Arbeit und der SGB II-Träger auch weitere Auskünfte. Darüber hinaus möchte ich Sie informieren, dass das BMAS den gesetzgebenden Körperschaften des Bundes bis zum 31. Dezember 2008 im Rahmen der Wirkungsforschung zur Experimentierklausel nach dem SGB II berichten wird. In diesen Bericht fließen die Ergebnisse der beteiligten Forschungsinstitute ein, die sich intensiv mit der Ausgestaltung der Umsetzung des SGB II befassen und dabei auch die lokalen und landespolitischen Rahmenbedingungen berücksichtigen. Im Übrigen enthält auch der monatliche Arbeitsmarktbericht des Wirtschaftsministeriums, der jeweils zeitnah auf unserer Internetseite verfügbar ist, die wichtigsten Daten zur Entwicklung des SGB II und des Arbeitsmarkts in Thüringen. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Ich frage, wer wünscht die Aussprache zum Sofortbericht? Die Fraktion DIE LINKE, die CDU-Fraktion und die SPD-Fraktion. Damit eröffne ich die Aussprache zum Sofortbericht zu Nummer 1 des Antrags. Gleichzeitig eröffne ich die Aussprache zu den Nummern 2 und 3 des Antrags und erteile das Wort der Abgeordneten Leukefeld, DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wir haben den Bericht vernommen und ich glaube, unabhängig davon ist es notwendig, noch einmal festzustellen, dass die Förderung der Langzeitarbeitslosen verbessert werden muss, dass das natürlich eine wichtige Aufgabe auch für Landespolitik ist. Etwa 55.000 registrierte betroffene Langzeitarbeitslose waren es im April in Thüringen. Schaut man sich den Rechtskreis des SGB II an, wird es noch brisanter - fast 137.000 Bedarfsgemeinschaften mit über 191.000 erwerbsfähigen Hilfebedürftigen. Das Thema bleibt also auch künftig wichtig trotz eines Rückgangs in den letzten Monaten, den eine günstige Konjunktur verursacht hat, auch wenn die Landesregierung ständig betont - und wir haben es ja jetzt eben vom Minister wieder vernommen -, sie sei für die aktive Arbeitsmarktpolitik eigentlich gar nicht zuständig und außerdem läuft ja sowieso alles bestens. Für die Betroffenen, meine Damen und Herren, vor allen Dingen für die, die aus der Arbeitslosenstatistik schon ganz herausgefallen sind, ist das bitter.

(Beifall DIE LINKE)

Ich will noch eine Anmerkung dazu machen. Der Geschäftsbericht 2007 der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit vermerkt, dass Thüringen sowohl beim Anstieg der Erwerbstätigkeit allgemein als auch bei dem der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen im Besonderen sehr deutlich unter dem ostdeutschen Durchschnitt lag. Da gibt es also keinen Grund für ministerielle Selbstgerechtigkeit. Interessant ist auch, dass die Arbeitslosigkeit gegenüber dem Vorjahr um 24.500 sank, die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aber nur um 13.100 stieg. Das macht ein gravierendes Strukturproblem deutlich und offensichtlich auch das Verschwinden von Arbeitslosen aus der Statistik.

(Beifall DIE LINKE)

Es ist also richtig, dass sich die SPD des Themas annimmt. Allerdings gilt es zumindest daran zu erinnern, dass wir als LINKE seit Jahren in diesem Parlament tätig geworden sind, um die Situation der

Langzeitarbeitslosen zu verbessern und dazu auch konkrete Vorschläge unterbreitet haben. Ich möchte an eine ganze Reihe von Anträgen erinnern, angefangen mit „Arbeit statt Arbeitslosigkeit“ im September 2004 bis zur „Initiative gemeinwohlorientierter Arbeit für Langzeitarbeitslose“ im vergangen Jahr. Unsere Anträge wurden hier in diesem Haus abgelehnt, immer wegen einer ideologisch motivierten Ignoranz bei der CDU und der Landesregierung im Hinblick auf eine aktive Arbeitsmarktpolitik. Dadurch sind Chancen vertan worden, die Situation der Langzeitarbeitslosen und ihrer Familien nachhaltig zu verbessern übrigens auch, weil oftmals die Unterstützung durch die SPD-Fraktion fehlt. Diese Erkenntnis gehört auch zur Ehrlichkeit.

Wie bei vielen anderen Themen, beispielhaft möchte ich noch auf die Erhöhung der Hartz-IV-Regelsätze oder den gesetzlichen Mindestlohn hinweisen, hat sich hier auch die SPD sehr zwiespältig gezeigt. Der aktuell vorliegende Antrag der SPD stellt über weite Strecken ein Berichtsersuchen dar, das nun erfüllt ist. Leider fehlen meines Erachtens eigene Ideen und Vorschläge zur Veränderung der Situation. Darunter leidet aber regelmäßig die inhaltliche Umsetzung. Schnellschüsse, meine Damen und Herren, ersetzen systematische Arbeit nicht und ein inhaltlich untersetzter Antrag ist für die Debatte eines so wichtigen Themas allemal besser geeignet.

Lassen Sie mich auf einige Aspekte näher eingehen. Die SPD fragt nach den Erfahrungen mit der Bürgerarbeit. Der Minister hat geantwortet. Nun ist Bürgerarbeit nicht der ganz große Wurf, keine Frage. Mir ist auch bewusst, dass vor Ort in Schmölln viel Kritik geäußert wird. Ich will das auch nicht besserreden als es ist, aber es ist ein Ansatz öffentlich geförderter Arbeit. Die quantitative Bilanz, meine Damen und Herren, fällt außerordentlich dürftig aus. Nur 135 Personen - 136 hat der Minister gesagt - waren Ende 2007 in Beschäftigung. Die Parität kommt bei ihrer Evaluation des Projekts in Magdeburg zu dem Ergebnis, dass im Vergleich mit den Ein-Euro-Jobs die Bürgerarbeit, die dort …

Abgeordnete Leukefeld, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, bitte.

Bitte, Herr Abgeordneter.

Frau Leukefeld, waren Sie schon mal in Schmölln und haben sich das Projekt „Bürgerarbeit“ angesehen und haben Sie, wenn Sie dort waren, von den Leuten, die da tätig sind, erfahren, wie hoch motiviert und zufrieden die sind, dass sie dort bei der Bürgerarbeit dabei sein können?

Ich muss Ihnen sagen, ich war selber noch nicht in Schmölln. Wir haben ja da eine Abgeordnete vor Ort und ich habe somit einen sehr guten Draht dorthin. Ich weiß, dass ich auch selber dieses Modellprojekt gewürdigt habe mit allen Einschränkungen, dass ich Kritik bekommen habe, auch von Betroffenen, die dort tätig sind, Herr Schubert, die mich angerufen und gesagt haben, man muss das tiefer hängen, so ist das nicht. Es gibt sehr viel Kritik dazu, das muss ich Ihnen einfach so sagen.

Aber noch einmal zurück zu der Evaluation von Magdeburg, wo gesagt wird, dass im Vergleich mit den Ein-Euro-Jobs die Bürgerarbeit die dort beschäftigten Arbeitslosen mit einem - und das zitiere ich - „deutlich besseren Status ausstattet“, zum Beispiel durch den regulären Arbeitsvertrag und seine sozialversicherungspflichtige und unbefristete Ausgestaltung. Es sei eine höhere öffentliche Wertschätzung und größere Akzeptanz bei den Betroffenen zu verzeichnen, so der Evaluationsbericht. Zudem wird in dieser Studie auf einen vergleichsweisen hohen Integrationseffekt von 25 Prozent verwiesen. Wenn hier von sieben Vermittlungen gesprochen wird, dann ist das aus meiner Sicht völlig ungenügend und ich glaube, man sollte hier auch nicht so halbherzig mit dem Projekt „Bürgerarbeit“ in Schmölln umgehen.

(Beifall DIE LINKE)

Eine großartige wissenschaftliche Auswertung ist freilich nicht nötig, um eins zu erkennen: Die Thüringer Landesregierung und die CDU wollen die Bürgerarbeit nicht wirklich, weil sie bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik nicht mal zu einem Mindestmaß an Flexibilität bereit und wahrscheinlich auch nicht mal in der Lage sind. Damit nimmt Thüringen - darauf möchte ich schon hinweisen - eine radikale Außenseiterposition im bundesdeutschen Vergleich ein. Selbst innerhalb der Bundes-CDU ist die Landesregierung hier in dieser Frage isoliert. Mehr starrsinnige Verweigerung als hierzulande, meine Damen und Herren, geht kaum.

(Beifall DIE LINKE)

Die Leidtragenden sind einmal mehr die Betroffenen, die Langzeitarbeitslosen und ihre Familien. Die Lan

desregierung, das haben wir jetzt gerade gehört, setzt inzwischen auf den neuen § 16 a des SGB II. Der betrifft nur Langzeitarbeitslose mit Mehrfachvermittlungshemmnissen. Der Minister hat hier auf das Projekt „Pro Arbeit“ abgehoben und auch gesagt, dass es hier eine Aufstockung auf 90 Prozent der Zuschüsse geben soll. Ab 01.04., das wissen wir, kann und soll vorrangig in Unternehmen gefördert werden. Es kommt dieser § 16 a vor allen Dingen auch dort zum Einsatz in Unternehmen, denen ein Beschäftigungszuschuss und weitere Zuschüsse gezahlt werden.