Protokoll der Sitzung vom 08.05.2008

Thüringer Gesetz zur Stär- kung des bürgerschaftlichen Engagements und zur verbes- serten Teilhabe an kommuna- len Entscheidungsprozessen Gesetzentwurf der Fraktion der CDU - Drucksache 4/4084 - ERSTE BERATUNG

Wünscht die Fraktion der CDU das Wort zur Begründung? Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache und erteile das Wort dem Abgeordneten Hausold, DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, das vorliegende Gesetz der CDU-Fraktion enthält in seinem Titel zwei sehr schöne, sehr richtige und auch, denke ich, wohlklingende Aspekte: einmal die Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements und zweitens die verbesserte Teilhabe an kommunalen Entscheidungsprozessen. Die CDU hat hier offensichtlich Schritte vor, die sie selbst wie auch die Landesregierung noch vor Kurzem prinzipiell abgelehnt haben. Doch gerade deshalb ist natürlich die Frage an dieser Stelle angesagt und herausgefordert: Liegt hier tatsächlich ein Sinneswandel bei der Mehrheitsfraktion und auch bei der Landesregierung vor? Um es vorwegzunehmen: aus meiner Sicht keinesfalls, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)

Bürgerschaftliches Engagement zu fördern, Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger an Entscheidungen auszuweiten, dies zu tun, heißt, das Innerste, die Seele unserer Demokratie zu stärken. Aber genau, meine Damen und Herren, von diesem Geist, um im Bild zu bleiben, ist der Gesetzentwurf der CDU-Fraktion nach meiner Ansicht überhaupt nicht beseelt - kein Wunder, da die CDU ja den Versuch unternimmt, etwas in Gang zu setzen, was, wie ich gesagt habe, bis vor Kurzem selbst noch von Ihnen ad absurdum geführt wurde. Dies hilft natürlich auch nicht darüber hinwegzusehen, dass auch unser Ministerpräsident und Ihr Landesvorsitzender noch bis vor Kurzem ganz andere Auffassungen vertreten hat. Wie gerade die Mehrheitsfraktion in diesem Hause und die Landesregierung mit den Fragen von Teilhabe an Entscheidungen und bürgerschaftlichem Engagement immer wieder umgegangen sind, das steht ja fest und es muss auch an dieser Stelle, meine Damen und Herren, daran erinnert werden. Bürgerschaftliches Engagement oder gar das Interesse der Bürgerinnen und Bürger spielten bislang bei Ihnen eher eine marginale Rolle; dafür gibt es viele Beispiele. Ich erinnere nur an den Streit um das Schulbuchgeld, die sogenannte Familienoffensive, das Blindengeld, die aus unserer Sicht und auch im Lande immer als verheerend wahrgenommene Kulturpolitik im Bereich der Theater, die konzeptionslosen Ämterfusionen und Streichungen, wo oft auch noch die Verantwortung einfach auf die Kommunen abgeschoben wurde. Alles, meine Damen und Herren, ohne Beteiligung der Betroffenen, ohne Bürgerbeteiligung, ohne das, was Sie jetzt ansatzweise immerhin in Ihrem Gesetzentwurf auf den Weg bringen möchten. Deshalb, meine Damen und Herren, ist es im Augenblick auch nicht sehr glaubhaft, was Sie hier der Öffentlichkeit vermitteln wollen.

(Beifall DIE LINKE)

Dazu kommt, dass es reihenweise Gerichtsurteile gegen die Landesregierung bei Stellenbesetzungen, Besoldungen, zum Kommunalen Finanzausgleich usw. gegeben hat und mitunter - auch das muss hier nochmals festgestellt werden - klagte die Regierung sogar gegen das eigene Volk, wie es bei der Familienoffensive der Fall gewesen ist.

Meine Damen und Herren, deshalb denke ich auch, aus Einsicht oder Läuterung entstand der jetzige Gesetzentwurf der CDU nicht, sondern - nennen wir es beim Namen, meine Damen und Herren - aus purer Not haben Sie da etwas aufgeschrieben.

(Beifall DIE LINKE)

Ich gehe davon aus, dass zum Beispiel die Frage des Fallens der 5-Prozent-Hürde bei den Kommunalwahlen jetzt angestrebt wird, natürlich auf Grundlage einer Entscheidung des Verfassungsgerichts, die übrigens, meine Damen und Herren, lange vorhersehbar gewesen ist. Und das, was Sie jetzt hier nachbessern wollen, ist im Übrigen auch eine schallende Ohrfeige für die Landesregierung, die bis zuletzt - und das wollen wir doch mal feststellen - vor Gericht verbissen an ihrer Position zur Sperrklausel festgehalten hatte. Es drohen aber - und das ist auch gerichtlich festgestellt - keine Zersplitterung und keine Handlungsunfähigkeit in den Kommunen ohne diese Hürde, vielmehr wird die politische und vor allem auch nicht parteigebundene Vielfalt in den Kommunalparlamenten gestärkt. Das hatten wir als PDS wie auch DIE LINKE schon lange Jahre gefordert, auch mit wiederholten Anläufen zur Gesetzesänderung, meine Damen und Herren. Nunmehr kommen Sie viel zu spät mit dieser Angelegenheit - viel zu spät im Interesse einer breiteren Beteiligung und eines breiteren Interesses gerade auch von Bürgerinnen und Bürgern bei Kandidaturen für Kommunalwahlen - daher und wollen dies noch als Erfolg verkaufen. Ich glaube, da sind Sie auf dem Holzweg, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)

Zweitens, meine sehr verehrten Damen und Herren: Neben diesen Fragen treibt Sie offensichtlich die blanke Sorge um den Verlust Ihrer Macht. Doch an dieser Stelle will ich auch sagen: Wer so, wie an den Beispielen gezeigt, offen gegen die Interessen der eigenen Bevölkerung agiert, meine Damen und Herren, der muss sich nicht über Dauerumfragetiefs wundern. Das ist das Resultat Ihrer Politik.

(Beifall DIE LINKE)

Der heutige Gesetzentwurf wird ja nun schon vom neuen Minister Scherer begleitet. Im Moment hat er sicher anderes zu tun. Ob nun er allerdings in der

Lage ist, innenpolitisch u.a. auch im Kontext Ihres Gesetzentwurfs eine politische Veränderung wirklich durchzusetzen, das muss schon stark bezweifelt werden. Denn auch seine Tätigkeit als Minister, wie - das muss man hier schon mal sagen - die gesamte Kabinettsreform, zu der wir ja bisher keinerlei inhaltliche oder politische Erläuterungen des Ministerpräsidenten hören können, ist genauso wie dieser Antrag, meine Damen und Herren, aus der Not geboren.

(Beifall DIE LINKE)

Abgesehen davon im Übrigen, dass der Glaube, mit einer solchen Ämterrochade das Vertrauen der Bürger zurückgewinnen zu wollen, ohnehin nicht von übermäßigem Selbstbewusstsein zeugt, ist sie ja letztlich auch das Eingeständnis des Fehlschlagens der ganzen bisherigen Regierung Althaus, meine Damen und Herren. Wenn man mit zwei Dritteln seines Kabinetts ein Jahr vor den Wahlen am Ende ist, welche andere Botschaft soll denn das bitte aussenden?

(Beifall DIE LINKE)

Dann muss man ja auch an dieser Stelle sagen, weil das alles mit Fragen von Demokratie und Beteiligung zu tun hat, mit dem Ernstnehmen der Interessen, aber auch der Fragen und Nöte der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land, selbst dieser Versuch der Regierungsumbildung ist Ihnen ja nun gehörig danebengegangen. Er wurde ein einziges Desaster, allein schon durch die Personalie Krause, aber auch durch die insgesamt konzeptionslose und überstürzte Vorlage dieser Angelegenheit.

(Beifall DIE LINKE)

Dieses Personalpuzzle gleicht wirklich eher einem Würfelspiel und kann überhaupt nicht mit einer durchdachten Strategie verglichen werden. Der Ministerpräsident hat aber nicht nur keine Strategie, sondern offensichtlich, meine Damen und Herren, gehen ihm und Ihnen auch die Leute aus. Denn sehen wir uns zum Beispiel im Sinne von …

(Glocke der Präsidentin)

Abgeordneter Hausold, sprechen Sie bitte zum Thema.

Oh, ich denke, das mache ich, Frau Präsidentin.

(Unruhe SPD)

Es ist natürlich eine Frage von Demokratie, in der Richtung dieses Gesetzentwurfs Zeichen zu setzen, zum Beispiel auch, wen man in eine Regierung neu aufnimmt. Es ist Ihrem Ministerpräsidenten nicht gelungen, auch nur ein Signal zu setzen, dass jemand von außen mit entsprechendem politischen und fachlichen Verstand - manche Namen waren ja zumindest im Gespräch - in dieser nun umgebildeten Regierung ist.

(Beifall DIE LINKE)

Offensichtlich ist niemand mehr außer Generalen und Parteisoldaten bereit, einer Regierung Althaus beizutreten. Das muss doch deutlich gesagt werden an dieser Stelle.

(Beifall DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, gerade an dem Gesetzentwurf der CDU-Fraktion wird deutlich, es nahen Wahlen. Die Thüringer CDU führt in Sorge um ihre Pfründe und vor allem aus Angst vor dem erfolgreichen Ausgehen des laufenden Volksbegehrens den Versuch einer Notbremse hier ein. Zögerlich und halbherzig und erst - wie üblich bei Ihnen - durch öffentlichen Druck geht sie einen halben Schritt in die richtige Richtung.

Zum Volksbegehren möchte ich an dieser Stelle nur Folgendes anmerken. Wer an den Ständen steht, an denen die Unterschriften zum Volksbegehren gesammelt werden, macht die Erfahrung, die Bürgerinnen und Bürger wollen unsere Demokratie. Sie verlangen jedoch das gute Recht des Souveräns, nämlich tatsächlich mehr Teilhabe und mehr Mitbestimmung. Sie sind bereit, sich dafür zu engagieren. Wenn man heute sagen kann, dass bereits jetzt mehr als 51.000 Thüringerinnen und Thüringer dieses Volksbegehren unterzeichnet haben, dann fordere ich Sie hier noch mal auf, ändern Sie Ihre Politik nicht scheinheilig und halbherzig wie mit diesem Entwurf, sondern tatsächlich und gründlich, meine Damen und Herren von der CDU.

(Beifall DIE LINKE)

Denn es ist auch Fakt, die Bürgerinnen und Bürger leisten diese Unterschrift auch angesichts Ihres Gesetzentwurfs. Es gehört einfach zu unseren und auch meinen persönlichen Erfahrungen, dass die Bürgerinnen und Bürger im Land sagen: Ja, sie haben wahrgenommen, die CDU will ein Stück weit etwas auf den Weg bringen, aber sie sagen auch ganz deutlich: Denen da oben und dieser CDU kann man nicht trauen. Das ist ein Zustand, den Sie herbeigeführt haben und der für unsere Demokratie äußerst abträglich ist, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)

Denn er beschädigt freilich auch die Demokratie insgesamt. Ich denke, vernichtender kann ein Urteil über eine Regierung und die sie tragende Partei im Grunde genommen nicht mehr ausfallen.

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Das ist eine Frechheit!)

Spätestens an dieser Stelle muss man ja wohl auch deutlich sagen, meine Damen und Herren, Sie und Ihr Ministerpräsident haben gegenwärtig die Mehrheit der Thüringerinnen und Thüringer eindeutig verloren. Ihre Politik steht mehrheitlich in deutlicher Kritik in diesem Land Thüringen.

(Beifall DIE LINKE)

Abgeordneter Hausold, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Groß?

Am Schluss bitte, Frau Groß.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich denke, was den Entwurf nun selbst betrifft - meine Kollegin Berninger wird auf einige Dinge hier noch näher eingehen -, will ich doch zumindest noch auf zwei Dinge eingehen.

Zunächst mal kommen Sie wieder zurück zur Amtsstubensammlung. Das ist übrigens bei den Verhandlungen nach dem Verfassungsgerichtsurteil vor sieben Jahren zwischen der Mehrheitsfraktion, den anderen beiden Fraktionen und vor allem natürlich den Vertretern des Volksbegehrens lange in der Debatte. Wir konnten Sie damals davon überzeugen nach vielen Debatten, von dieser Sache aus der Landesebene Abstand zu nehmen. Das war übrigens auch für uns ein Grund, weil das wirklich ein demokratischer Schritt in die richtige Richtung war, manchem anderen dann, wie das bei Kompromissen immer der Fall ist, zuzustimmen. Aber nun muss ich mal sagen, meine Damen und Herren, wie antiquiert sind Sie denn, dass Sie diese Sache, die wirklich nicht für eine deutliche und einfache Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger spricht, hier wieder aus der Mottenkiste holen?

(Beifall DIE LINKE)

Von wegen, Sie wollen bayerische Verhältnisse. Nein, Sie wollen immer noch keine bayerischen Verhältnisse, denn diese Amtsstubensammlung, die gibt es in Bayern bekanntermaßen nicht. Also bleiben

Sie wenigstens bei dem Punkt auf der Ebene Ihrer Aussagen und ändern Sie das in diesem Zusammenhang.

(Beifall DIE LINKE)

Ich will hier auch noch mal auf die Frage verweisen, wie Sie sich den Stichwahlen bei Oberbürgermeister- und Landratswahlen zuwenden. Die möchten Sie zukünftig sozusagen aus demokratischen Gründen wegfallen lassen, weil Sie - wenn ich Sie recht verstehe - der Auffassung sind, dass die geringen Wahlbeteiligungen bei solchen Stichwahlen auf das Prinzip an sich zurückzuführen sind. Aber das ist gerade Ihr verheerender Fehler, meine Damen und Herren. Es ist nicht das Prinzip an sich, diese Stichwahlen sagen nicht, was Wählerinnen und Wähler davon abhält, am Wahltag dorthin zu gehen und die Stimme abzugeben; sondern es ist die Politik, die hier in Thüringen vorherrscht, die sie daran hindert. Es ist die Tatsache, dass zum Beispiel Landespolitik dafür sorgt, dass Kommunen und ihre kommunalen Verantwortungsträger immer wieder weniger wirklich eigene Entscheidungen treffen können, weil Sie ihnen über Ihre Finanzpolitik unter anderem dieses Entscheidungsrecht im Grunde genommen verwehren, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)

Sie müssen nicht das Wahlsystem an dieser Stelle ändern, so dass Sie dann vielleicht hoffen könnten, bei den nächsten Wahlen in den großen Städten wieder die Oberbürgermeister stellen zu können, Sie müssen endlich bei Ihrer Politik ändern, dass die Bürgerinnen und Bürger Ihnen wieder mehr zutrauen, meine Damen und Herren. Das wäre für Sie der richtige Weg, den Sie gehen müssen.

(Beifall DIE LINKE)

Wir wollen diesen halben Schritt, meine Damen und Herren, den Sie gehen wollen, gerne weiter begleiten, aber wir wollen natürlich genauso deutlich sagen: Wenn aus diesem Gesetz auch nur annähernd die Richtung herauskommen soll, dass mehr Teilhabe. mehr Bürgerbeteiligung und mehr Möglichkeit der Bürgerinnen und Bürger, direkt zu entscheiden, erleichtert werden, dann ist eine große Arbeit daran notwendig und viele Änderungen. Daran allerdings wollen wir uns gerne beteiligen.