Protokoll der Sitzung vom 06.06.2008

(Beifall SPD)

(Zwischenruf Abg. Grüner, CDU: Sie, nicht die Öffentlichkeit.)

Denn Vertrauen entsteht ja nicht durch eine verstolperte Kabinettsreform; Vertrauen kann ja nur durch konkrete politische Ziele und konkretes politisches Handeln wiederhergestellt werden.

(Unruhe CDU)

Auch wenn Sie jetzt laut dazwischenrufen, werte Kolleginnen und Kollegen von der Union, zeigt das eigentlich nur, dass Sie das wahrscheinlich ganz ähnlich sehen,

(Unruhe CDU)

dass Sie auch ein Unbehagen darüber verspüren, dass dieser Ministerpräsident entweder nicht in der Lage oder nicht willens ist, hier zu erklären, was bis zum Ende der Legislaturperiode geschehen soll. Denn neben dem Vertrauensverlust gibt es ja einen weiteren Punkt.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Was denn noch?)

Aus Ihren beiden Regierungserklärungen sind Ziele benannt, die heute ganz offensichtlich nicht mehr gelten. Noch im letzten Jahr haben Sie z.B., Herr Ministerpräsident, eine Gebietsreform kategorisch ausgeschlossen.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Das ha- ben Sie doch gestern schon mal gesagt.)

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Jetzt wiederholt er es; x-mal die gleiche Rede.)

Die ist vom Landtag auf den Weg gebracht. Ja, manchmal muss man Dinge so lange wiederholen, bis sie auch ankommen,

(Beifall SPD)

denn ganz offensichtlich ist das noch nicht passiert.

Denn, Herr Ministerpräsident, Sie haben ja auch in einem Interview gesagt, was Sie in Ihrer Regierungserklärung von 2004 und Ihrem Resümee von 2007 deutlich gemacht haben, das gilt nach wie vor und das wird jetzt abgearbeitet. Aber in Sachen Gebietsreform gilt es offensichtlich nicht mehr, sondern der Landtag hat einen anderen Weg eingeschlagen als den, den Sie vorgegeben haben. Die Enquetekommission ist mittlerweile dabei, auch die Debatte über eine Kreisgebietsreform vorzubereiten.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Nein.)

Es würde uns interessieren, wie eigentlich der Regierungschef zu solchen Fragen steht. Ich habe gestern schon deutlich gemacht - da hatten Sie allerdings den Saal verlassen, als wir das diskutiert haben, deshalb muss ich es heute auch hier noch mal wiederholen -, auch in der inneren Sicherheit sind Sie völlig widersprüchlich. In Ihrer letzten Regierungserklärung im Juli vergangenen Jahres haben Sie gesagt, OPTOPOL wird umgesetzt, so wie es damals vorgesehen war. Da gibt es eine schöne bunte Broschüre, da sind vier Polizeidirektionen abgedruckt. Inzwischen geht der Innenminister durch das Land und sagt, ja, vielleicht werden es auch nur zwei oder drei, das wissen wir noch nicht ganz genau. Und andere Strukturen, die Sie damals angekündigt haben, die hält er ganz und gar für verfehlt.

Deshalb gibt es doch eine berechtigte Frage in der Öffentlichkeit: Was gilt jetzt eigentlich - Ihre Regierungserklärung oder das, mit dem die Minister heute durch das Land ziehen und peu à peu das einkassieren, was Sie vorher erklärt haben? Das schafft Unsicherheit im politischen Raum, das schafft Unsicherheit bei den Beteiligten und es wäre höchste Zeit, dass Sie in diesen Fragen wieder Klarheit herstellen, Herr Ministerpräsident.

(Beifall SPD)

Diese Liste lässt sich beliebig fortsetzen, ich will das an der Stelle gar nicht tun. Ich will Ihnen nur meinen Eindruck sagen: Sie vermitteln im Moment den Eindruck von jemandem, der in der Staatskarosse sitzt mit angezogener Handbremse, Bremsklötze unter allen vier Rädern, und mit Vollgas versucht vorwärtszukommen.

(Beifall SPD)

Das kann den gewünschten Effekt nicht haben,

(Unruhe CDU)

Herr Althaus, sondern Sie müssen schon die Handbremse lösen und die Bremsklötze wegnehmen, wenn Sie vorwärtskommen wollen.

(Heiterkeit CDU)

Deshalb, wir fordern nach wie vor: Geben Sie in diesem Haus eine Regierungserklärung ab. Schicken Sie nicht Ihre Minister mit Interviews durch das Land, die mal dieses, mal jenes verkünden, sondern stehen Sie hier im Parlament Rede und Antwort über das, was Sie bis zum Ende der Legislaturperiode vorhaben. Dieses Parlament hat ein Recht darauf, von Ihnen zu erfahren, was Sie vorhaben, und die Öffentlichkeit hat es auch.

(Beifall SPD)

Deshalb, werte Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion, bitte ich Sie, helfen Sie mit, die Handbremse zu lösen und die Bremsklötze wegzunehmen, stimmen Sie unserem Antrag zu.

(Beifall SPD)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor, damit beende ich die Aussprache. Wird Ausschussüberweisung beantragt?

(Heiterkeit CDU)

Die ist nicht beantragt. Dann kommen wir direkt zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD. Herr Schröter, bitte

Sehr geehrte Frau Präsidentin, wir beantragen namentliche Abstimmung.

(Heiterkeit im Hause)

Dann führen wir eine namentliche Abstimmung durch. Ich bitte die Stimmzettel einzusammeln.

Hatten alle die Möglichkeit, ihre Stimmzettel abzugeben? Das ist offensichtlich der Fall, dann beende ich die namentliche Abstimmung und bitte um Auszählung der Stimmen.

Meine Damen und Herren Abgeordneten, ich gebe Ihnen das Abstimmungsergebnis bekannt. Es gab 31 Jastimmen, 42 Neinstimmen, 4 Enthaltungen (na- mentliche Abstimmung siehe Anlage). Damit ist der Antrag mit Mehrheit abgelehnt worden. Ich beende den Tagesordnungspunkt 12.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 13

Künftige Ausgestaltung des Berufsschulnetzes in Thürin- gen Antrag der Fraktion der SPD - Drucksache 4/4075 - dazu: Schritte zu einer kreis- übergreifenden Berufs- schulnetzplanung in Thü- ringen Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 4/4185 -

Wünscht die Fraktion der SPD das Wort zur Begründung zu ihrem Antrag? Das ist nicht der Fall. Wünscht die Fraktion DIE LINKE das Wort zur Begründung zu ihrem Entschließungsantrag? Das ist auch nicht der Fall. Die Landesregierung hat angekündigt, von der Möglichkeit eines Sofortberichts keinen Gebrauch zu machen. Damit eröffne ich die Aussprache und ich erteile das Wort der Abgeordneten Hennig, Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, wir beraten heute zu einem Thema, das eine einzige Baustelle darstellt und sehr gern ignoriert wird und obwohl das nicht neu ist und obwohl

die Wichtigkeit bekannt sein sollte, weil es nämlich 70 Prozent der Bevölkerung betrifft, und zwar geht es um die Thüringer Berufsausbildung und ihre berufsschulische Absicherung trotz drastischen Rückgangs der Schülerinnen- und Schülerzahlen im berufsbildenden Bereich. Die Bedeutung des berufsschulischen Ausbildungsteils muss ich, denke ich, zumindest einer Landesregierung und der sie tragenden CDU-Fraktion, die sich „Die Denkfabrik Thüringen“ als Label gesetzt hat und die Köpfe der Menschen als Ressource für die Entwicklung und Zukunft Thüringens erkannt hat, wohl nicht auseinandersetzen und setze Problembewusstsein voraus. Umso unverständlicher ist die Sprach- und Handlungslosigkeit der Landesregierung, wenn es darum geht, die Qualität der berufsbildenden Schulen zukunftsfest zu machen. An diesem Punkt kann ich nur sagen, Gott sei Dank gibt es die Opposition.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Sehr geehrte Damen und Herren, ein paar Worte zur Vorgeschichte: 1999/2000 gab es von der Uni Erfurt ein Gutachten zu den Prognosen der Schülerzahlen für Regelschulen und Gymnasien und schon da hätte klar sein müssen, in welche Schieflage die berufsbildenden Schulen in absehbarer Zeit geraten, zumindest was die Schülerzahlen angeht. Erst 2004 hat allerdings die Landesregierung zusammen mit dem Thüringer Landkreistag ein Gutachten in Auftrag gegeben, wohl auch infolge eines Antrags der damaligen PDS-Fraktion, die das Thema schon im Landtag thematisiert hatte. Das Zedler-Gutachten ist im April 2007 veröffentlicht worden, hat, soweit ich das beurteilen konnte, die Berufsschullandschaft sehr erschüttert und aufgeweckt und leistet einen erheblichen Beitrag, einen Überblick zu gewinnen, wenn es darum geht, Schülerzahlen abschätzen zu können, Problembewusstsein bei allen Beteiligten zu entwickeln, und hat in seiner Konsequenz die Ausschussberatung von Januar bis Juni 2007 gezogen.

Um was geht es und wie sieht es eigentlich generell in Thüringen aus? Wir haben es mit einer besonders schwierigen Lage zu tun, das gebe ich durchaus zu, denn die Berufsschulnetzplanung ist im Besonderen abhängig von der Arbeitsmarktsituation, von der wirtschaftlichen Entwicklung und von unterschiedlichen Zuständigkeitsebenen. Das Land teilt Personal und Ähnliches für die berufsbildenden Schulen ein. Die Schulträger sind Landkreise und kreisfreie Städte. Hinzu kommt, es bestehen elf Schulämter, die Schulaufsicht, sprich Land, an 13 Standorten bei 17 Landkreisen und kreisfreien Städten, die alle Schulträger sind. Nach Schulgesetz gibt es sieben berufsbildende Schulformen, die die unterschiedlichsten allgemeinen Schulabschlüsse anbieten und voraussetzen und die unterschiedlichsten beruflichen Abschlüsse vermitteln. Hinzu kommt, dass die Aus

bildungssituation in den vergangenen Jahren mehr als schwierig war. Von 30.000 Bewerberinnen 2007 konnten nur knapp 11.000 in einen rein betrieblichen Ausbildungsplatz vermittelt werden. Damit verbunden ist natürlich ganz klar die Warteschleifenproblematik. Tausende Jugendliche sind in den letzten Jahren in perspektivlose, vollzeitschulische Bildungsgänge abgeschoben worden, in denen sie nichts taten, als ihre Schulpflicht abzusitzen. Gleichzeitig hat die CDUMehrheit im Landtag den Titel zur Unterstützung der Schulsozialarbeit an berufsbildenden Schulen abgeschafft, was faktisch auch eine Abschaffung einer flächendeckenden Schulsozialarbeit an berufsbildenden Schulen gleichkam. Die Ausweitung der Angebote von freien Trägern im beruflichen Bereich ist fast eine logische Folge, die ich hier nicht weiter diskutieren möchte, weil das tatsächlich den Rahmen sprengt.

Im Jahr 2005/2006 - Datengrundlage des ZedlerGutachtens - lernten an 55 staatlichen berufsbildenden Schulen knapp 85.000 Schülerinnen und Schüler - inzwischen sind es nur noch 70.000 Schülerinnen und Schüler - und an 63 Schulen in freier Trägerschaft knapp 11.000 Schülerinnen und Schüler nach Daten des Statistikportals des TKM. Nach diesen Daten stellt es sich für 2007/2008 so dar, dass die Schülerzahlen an den freien Schulen tatsächlich ansteigen, während an den staatlichen Schulen die Schülerzahlen sinken.

7,4 Prozent aller Schülerinnen und Schüler befanden sich in 108 Landesfachklassen und 2 Prozent in 41 Bundesfachklassen, die sich über 150 Ausbildungsberufe bzw. Fachrichtungen erstrecken, wobei nicht zu übersehen ist, dass diese sich an der A 4 konzentrieren. Ich sage das im Übrigen alles, um die schwierige Gemengelage in diesem Bereich zu beschreiben. Knapp 3.800 Lehrerinnen und Lehrer sind derzeit an berufsbildenden Schulen in Thüringen beschäftigt, davon 2.566 Personen in Teilzeit. Die Landesregierung geht davon aus, dass dem jahrelangen Mangel an Lehrerinnen und Lehrern ein Überhang bevorsteht. Gleichzeitig haben wir die Situation, dass eine ungleiche Bewertung und Vergütung von Lehrerinnen und Lehrern und Ausbildern dazu führt, dass die Qualität an berufsbildenden Schulen gefährdet wird, weil wir sozusagen eine Zwei-Klassen-Lehrerzimmer-Gesellschaft entwickeln. Im Moment stehen knapp 16.000 Bewerberinnen auf einen Ausbildungsplatz knapp 11.000 gemeldeten Berufsausbildungsstellen gegenüber.

Was sagt das Gutachten? Nur ganz kurz: Kernaussagen des Gutachtens sind: Die Anzahl der 15- bis 25-Jährigen wird sich in Thüringen bis zum Jahr 2010 halbiert haben und nach dem Jahr 2015 nicht wesentlich steigen. Der massive Rückgang der Schülerzahlen im berufsbildenden Bereich um 50 Prozent

gefährdet insbesondere die beruflichen Ausbildungsgänge im dualen Bereich, aber auch nachgefragte vollzeitschulische Ausbildungsgänge. Die Schulraumbilanz im Land insgesamt ergibt etwa einen möglichen Raumüberhang von 1.435 Räumen, was nichts anderes heißt als: Etwa auf ein Drittel aller berufsbildenden Schulen könnte möglicherweise verzichtet werden.

Verehrte Abgeordnete, die Empfehlungen der Gutachter sind in Kurzfassung folgende: Es wird mit Nachdruck die Einrichtung von sechs übergreifenden Planungsraumregionen empfohlen. Zum Zweiten wird vorgeschlagen, Fachklassen auf der Stufe der beruflichen Grundbildung zusammenzulegen. Es sollen zum Dritten eine Reduktion und Schwerpunktbildung von Ausbildungsgängen ausgewogen erfolgen und grundlegende politische Entscheidungen - für die sicher nicht der Landtag zuständig ist - bis zum Jahr 2010 getroffen sein. Bisherige finanzielle Regelungen zur Finanzierung sollen neu gefasst werden, auch das hat das Ministerium bis jetzt abgelehnt. Gefordert wird eine Qualitätsoffensive für berufliche Bildung, die die Lehrer in die Lage versetzen, die pädagogische Leistungsfähigkeit der Einrichtung zu steigern. Wer sich erinnern kann, wir haben vor Kurzem ein Lehrerbildungsgesetz beschlossen, was dem nicht gerecht wird. Und mit Bildungsmarketing soll die künftige Nachfrage im Ausbildungsbereich beeinflusst werden, sprich, möglicherweise junge Menschen aus den alten Bundesländern nach Thüringen zu holen.