Protokoll der Sitzung vom 11.09.2008

Was mich bei beiden Vorrednern ein bisschen enttäuscht hat, ist, dass man zur Sache eigentlich überhaupt nichts sagt. Frau Sojka - sie heißt jetzt wieder „Sojka“, habe ich sofort geschaltet, bei Reimann hatte ich ein längeres Problem - hat wieder den großen Rundumschlag gemacht und alles, was ihr nicht passt, angeprangert, ich spare es mir, darauf einzugehen, zur Sache gar nichts. Herr Döring hat kritisiert, dass wir nicht konkret genug werden. Ich werde Ihnen noch erläutern, warum wir nicht konkret werden und Dinge hier von diesem Pult aus einfach ansagen und dann vielleicht vollziehen.

Meine Damen und Herren, die Thüringer Kommunen, das heißt die Landkreise, Gemeinden und Städte, tragen bereits Verantwortung in den Bereichen Bildung und Erziehung. Sie sind Träger von Kindertagesstätten und dem Personal, das dort arbeitet. Sie sind Träger und Förderer von Institutionen außerschulischer Bildung. Sie haben Verantwortung für Jugendarbeit, für Familienhilfe und andere soziale Dinge und sie sind auch zunehmend beteiligt am Modellvorhaben zur Weiterentwicklung der Thüringer Grundschulen und das mit großem Erfolg und wachsender Begeisterung. Dort hören wir - das habe ich an dieser Stelle auch schon zitiert - auch sehr positive Stellungnahmen von Vertretern Ihrer beiden Parteien, sowohl von der LINKEN als auch von der SPD. Warum Sie nun immer noch dagegen wettern, bleibt Ihr Geheimnis. Unser Antrag, die Bildungsverantwortung in der kommunalen Ebene weiterzuentwickeln, hat eine längere Vorgeschichte, als nur auf unseren gemeinsamen Besuch in Finnland abzuheben. Ich erinnere an die Arbeit in unserer Enquetekommission „Bildung und Erziehung“ in der letzten Legislaturperiode, da ging es ja auch darum, wie kann man die Lehr- und Lernqualität an den Thüringer Schulen weiterentwickeln. In der Enquetekommission gab es ein Zitat oder ein Ergebnis das hieß: Es gilt, die institutionelle Fremdheit von Schul- und Sozialpädagogik zu überwinden.

Meine Damen und Herren, was liegt dann näher, als die Verantwortlichkeit für Schule und für Sozialpädagogik, für Sozialhilfe mehr als bisher nur noch in eine und in ein und dieselbe Hand zu legen? Oder ich zitiere an anderer Stelle aus unserer Enquetekommission: „Schule soll nicht nur Lernort für Kinder, sondern auch für Erwachsene sein und sich zum kulturellen Mittelpunkt und Kommunikationszentrum in ihrem Einzugsgebiet entwickeln.“ Also

mehr Verantwortung in die Schule, in ihrem sozialen Nahfeld. Natürlich hat uns der Besuch in Finnland auch dazu animiert, diesen Antrag zu formulieren. Das war ja auch gerade ein Auftrag, den unser Ausschuss mit nach Finnland genommen hatte. Es ging um die Fragen, wie können wir Schulqualität systematisch weiterentwickeln und was könnte uns kommunale Bildungsverantwortung an Vorteilen bringen? Das waren doch die Hintergründe unseres Besuchs. Dann ist es doch nur logisch, dass wir hier mit einem Antrag auftreten, diese Dinge voranzubringen. Es ist eben so, dass in Finnland die Städte und Gemeinden die Hauptverantwortlichen für Schule sind. Das geht vom Gebäude über das Personal, aber auch bis hin zu inhaltlichen und pädagogischen Konzepten. Wir wollen nicht, dass vom Land her per Beschluss an dieser Stelle die Hauptverantwortung für Schulen auf eine kommunale Ebene übertragen wird, so wie es in Europa in vielen Ländern funktioniert, Finnland war ja nur ein Beispiel dafür. Was wir anregen wollen, ist ein Prozess, in dem ausgehend davon, was Schule und individuelle Förderung unserer Schüler nützt, gemeinsame Wege gefunden werden, also nicht von uns aus Vorschriften machen, sondern gemeinsam nach Wegen suchen. Auf dem Weg zur eigenverantwortlichen Schule muss geredet werden über z.B. Budget- und Sachmittelverwaltung von Schulen, über den Wegfall von Schuleinzugsbereichen, über Schulprogramme und die öffentliche Rechenschaftslegung von schulischer Arbeit, auch über mehr Einflussnahme von Schule und Kommunen auf das anzustellende Schulpersonal. Der Thüringer Landkreistag hat sich dahin gehend geäußert, dass man sich neben der Verantwortung für den Hort und die ganztätigen schulischen Angebote auch die komplette Verantwortung für Grundschulen vorstellen könne. Einzelne Bürgermeister in Thüringen äußern sich ähnlich. Der niedersächsische Landkreistag fordert sogar eine Öffnungsklausel im Gesetz für kommunale Schulverantwortung einschließlich Personal. Es gibt Beispiele aus anderen Bundesländern, wo sich Mitglieder unterschiedlicher Fraktionen, nicht nur der Union, darüber äußern, dass es Sinn macht, die kommunale Bildungsverantwortung zu stärken. Aber es ist natürlich in Deutschland - wenn man so will - der Sündenfall. Wer wirft hier den ersten Stein und es wundert mich jetzt schon, dass die beiden linken Parteien, die sich immer als progressiv und modern begreifen, sich heute unserem Antrag verweigern wollen. Das erstaunt mich schon. Scheinbar sind Sie doch nicht so mutig, wie Sie gern tun wollen und so modern schon gleich gar nicht.

(Zwischenruf Abg. Döring, SPD: Da hät- ten Sie in den Antrag was anderes ge- schrieben.)

Meine Damen und Herren, die Öffnung und das Gespräch mit den kommunalen Spitzenverbänden kann ein Weg sein, um Thüringen bei Schulleistungsvergleichen nicht nur auf einen Medaillenplatz, sondern ganz an die Spitze aller deutschen Bundesländer zu bringen. Der Weg aber sollte behutsam beschritten werden, er sollte im fairen Miteinander auf gleicher Augenhöhe zwischen Land und Kommunen beschritten werden. Denn es gibt zahlreiche Bedenken, die ausgeräumt werden müssen, es gibt aber auch zahlreiche faktische Hemmnisse, die auszuräumen sind. Wir sehen das bei dem Prozess im Modellvorhaben für die Weiterentwicklung der Grundschule, wie man ständig im Gespräch sein muss, um die tatsächlich guten Ergebnisse zu erreichen. Deshalb sollte die Übergabe von Verantwortung nur schrittweise, in jedem Falle immer auf freiwilliger Basis und im Modellcharakter und unter hundertprozentiger Finanzierungspflicht des Landes diskutiert werden. Herr Döring, es geht uns auch darum, die kommunale Selbstverwaltung zu achten. Es hat nichts damit zu tun, dass wir uns nicht trauen würden, bestimmte Dinge viel stringenter hier vorzuschlagen und dann umsetzen zu wollen - darum geht es nicht. Wenn man gemeinsam mit den Kommunen kommunale Bildungsverantwortung stärken will, dann muss man es auf Augenhöhe tun und das heißt, man muss miteinander reden. Wir reden über das Ziel, das steht, nämlich: Kommunale Bildungsverantwortung, stärkere kommunale Bildungsverantwortung kann die Qualität von Schule und Unterricht stärken. Diesen Weg wollen wir beschreiten mit den kommunalen Spitzenverbänden. Deswegen gibt es von uns auch keine konkreten Vorgaben. Wir wollen keinen Beschluss von oben, sondern ein Wachsen von unten. Unser Vorschlag heißt auch, dass unter Federführung des Thüringer Kultusministers eine Arbeitsgruppe eingerichtet werden soll, die natürlich auch aus Vertretern des Gemeinde- und Städtebundes, des Landkreistags, des Ministeriums, aber auch aus Praxisvertretern von Gemeindeverwaltungen und schulischem Alltag besetzt sein soll, damit am Ende auch ein gangbarer Weg gefunden werden kann. Dem Landtag soll bis Mai 2009 Bericht erstattet werden über die Inhalte und über die Ergebnisse dieser Arbeitsgruppe, denn wir wollen es auch nicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschieben.

Meine Damen und Herren, auch wenn die beiden Fraktionen der LINKEN und der SPD sich heute noch weigern, ich lade Sie ein, an diesem Gespräch teilzunehmen und bitte um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall CDU)

Für die Landesregierung hat sich Kultusminister Müller zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, bevor ich zu den Ausführungen zum Antrag komme, gestatten Sie mir doch ein paar Anmerkungen zu den Vorrednerinnen und Vorrednern der beiden Oppositionsfraktionen, weil ja auch die Landesregierung konkret angesprochen worden ist.

Zu Herrn Döring möchte ich sagen, Sie beziehen sich natürlich auf Ihren Besuch in Finnland, ohne auf Besonderheiten dieses Landes im Einzelnen einzugehen. Ich verstehe das, denn der Bezug auf sozialdemokratische Schulpolitik in Deutschland wird Ihnen im Vergleich mit dem Thüringer Schulsystem und den Ergebnissen des Thüringer Schulsystems äußerst schwer fallen, denn die Vergleiche zeigen mehrfach und ganz aktuell, dass Sie mit Ihrer Schulpolitik, ich meine mit der sozialdemokratischen Schulpolitik, in Deutschland weiß Gott keine Spitzenplätze belegen.

(Beifall CDU)

Das Zweite, was ich noch erwähnen möchte, ist Ihre Kritik an dem Handeln der Landesregierung bezüglich der Grundschulhorte, der Öffnung von Grundschule im Blick auf die Weiterentwicklung der Grundschule. Mir ist nicht bekannt, dass die SPD-Landräte und -Oberbürgermeister dieses Programm so kritisch sehen, wie Sie es hier dargestellt haben - im Gegenteil, sie unterstützen es, sie bewerten es positiv.

(Beifall CDU)

Zu Frau Sojka vielleicht noch eine Bemerkung, einmal was die Seriosität angeht, Sie präsentieren Einzelfälle und meinen damit das gesamte Schulsystem - ich halte das für nicht seriös.

(Beifall CDU)

Zu der Frage der Erzieherinnen und nach den Möglichkeiten, Neueinstellungen vorzunehmen: Ich habe ja die gesetzlichen Rahmenbedingungen sehr ausführlich in Ihrem Arbeitskreis dargestellt. Ich will nur darauf hinweisen, dass wir, was die Horte betrifft, die nicht im Programm „Weiterentwicklung der Grundschule“ enthalten sind, in diesem Jahr 330 Neueinstellungen vorgenommen haben und von diesen 330 Neueinstellungen 60 Entfristungen waren, das heißt also Einstellungen auf Dauer. Ich denke, bei

den Rahmenbedingungen, die wir vorfinden, ist das schon eine bemerkenswerte Zahl. Aus dem Programm „Weiterentwicklung von Grundschule“ möchte ich vielleicht doch noch erwähnen, dass zum Beispiel die Stadt Erfurt für die Arbeit in den Horten 70 Einstellungen von Erzieherinnen vorgenommen hat, und zwar noch zusätzlich zu den von mir erwähnten Zahlen.

Sie wissen, dass die Zuweisung von Aufgaben durch dieses Projekt „Weiterentwicklung der Grundschulen“ den eigentlichen Hortbereich überschreitet, so dass Erzieherinnen hier auch in anderen Bereichen tätig sein können. Es ist also nicht gesagt, ob das, was Sie jetzt behaupten, nämlich die Einstellung von 70 Erzieherinnen, sich ausschließlich auf die bisherige ureigenste Aufgabe von Hortarbeit bezieht, sondern ob das tatsächlich nicht in einem erweiterten Bereich zu sehen ist. Das müsste man vielleicht, wenn man seriös sein will, noch einmal genauer untersuchen und nicht so schnell die so passenden Schlussfolgerungen ziehen.

Das Staatliche Schulamt Erfurt ist immer noch eine Landesbehörde, Frau Sojka, und was da übereinanderliegt, das müssten Sie mir noch mal erklären.

(Zwischenruf Abg. Sojka, DIE LINKE: Identische Verwaltungsbereiche.)

Spannend für mich wird sein, weil Sie auf den Wahlkampf hingewiesen haben, wie Sie mit Ihrem Einheitsschulmodell auch tatsächlich die Wahlfreiheit der Eltern, ihre Entscheidungskompetenz beibehalten wollen oder ob Sie eine Zwangszuweisung in Ihre Einheitsschule beabsichtigen, wie Sie die Schulvielfalt in Thüringen weiter erhalten wollen, wenn alle Schüler in eine Einheitsschule gehen müssen. Aber das ist dann eine spannende Auseinandersetzung, die Sie ja schon in Aussicht gestellt haben.

Zum Antrag selbst möchte ich zu Beginn gleich sagen, dass der Inhalt des vorliegenden Antrags natürlich aus Sicht des Kultusministeriums mitgetragen wird. Ich freue mich über die Unterstützung, die aus diesem Antrag spricht, und will ganz deutlich sagen, dass ich meinem Vorgänger Jens Goebel dankbar bin, dass er vieles auf den Weg gebracht hat in dieser Richtung und ich das auch gern fortsetze, weil das, was wir begonnen haben, richtig ist. Abgeordneter Emde hat das noch einmal inhaltlich besonders unterstrichen. Wenn das von Ihnen allen mitgetragen würde, was hier der Tenor des Antrags ist, und wenn Sie es mit befördern würden, wäre ich Ihnen dafür sehr dankbar.

Wirkorte unseres Bildungssystems sind noch immer die Bildungseinrichtungen. Sie sind das Rückgrat aller Lernbemühungen, auch wenn ihre Arbeit

Voraussetzungen hat, wie zum Beispiel das Wirken von Eltern und Familie. Und wenn das schulische Lernen durch andere Bereiche, wie z.B. die Jugendarbeit, die Vereine, lokale Initiativen, auch Betriebe bzw. durch Praktika, ergänzt wird, wenn da noch viele andere mitwirken, wird sich das natürlich nur positiv auswirken. Stimmt aber in diesen Bereichen die Qualität nicht, wird es keine Bereitschaft geben, auf dieses Umfeld zuzugehen. Es wird dann für das Umfeld in den Kommunen schwer, sich erfolgreich im Bildungsgeschehen zu beteiligen. Deswegen gilt unser Augenmerk sowohl der Verbesserung der Qualität der Bildungs- und Betreuungseinrichtungen als auch deren Zusammenarbeit mit ihrem direkten Umfeld. Unsere Bildungseinrichtungen arbeiten eigenverantwortlich mit hoher Selbstständigkeit an diesem Thema zur Verbesserung, zur Optimierung der Angebote. Hier haben wir durch die Budgetierung der Fortbildung für Schulen, den Aufbau eines leistungsfähigen und bedarfsgerechten Unterstützungssystems sowie die schülerbezogene Lehrerzuweisung schon seit vielen Jahren Gestaltungsfreiräume eröffnet. Diese werden im Entwicklungsvorhaben „Eigenverantwortliche Schule“ noch erweitert.

Auch die frühkindliche Bildung ist besonders wichtig. Unser Bildungsplan für Kinder bis zehn Jahre unterstreicht dies genauso wie die Maßnahmen der Familienoffensive. Ziel der „Eigenverantwortlichen Schule“ wie auch des Bildungsplans für Kinder bis zehn Jahre ist auch die stärkere Verknüpfung mit dem Sozialraum, also dem schulischen Umfeld. Dafür brauchen wir jedoch auch die Bereitschaft eben dieses Umfeldes.

Das Thema „Bildung“ braucht einen hohen Stellenwert im öffentlichen Leben. Dazu gehört die Anerkennung der Arbeit von Lehrern und Erziehern genauso wie die Einsicht in notwendige Investitionen z.B. für die Ausstattung der Bildungseinrichtungen. Vor allem aber brauchen wir ein Bewusstsein dafür, dass Bildung etwas herausragend Wichtiges ist, wichtig für die persönliche Entwicklung des Einzelnen, für seine Chancen auf eine gelingende Existenz, privat wie im Beruf, wichtig aber auch für die Entwicklung der Gesellschaft, die Arbeitsmärkte, die Sozialstrukturen. Eine Gesellschaft bildet nicht nur den Einzelnen, sie regeneriert sich selbst und schafft so die Grundlagen für bessere oder eben auch schlechtere Zukunftschancen in der Region.

Unsere Maxime für die frühkindliche Bildung lautet: Vom Kind her denken. Alle, die mit Bildung und Betreuung zu tun haben, sollen das Individuum, seine Fähigkeiten und Chancen in den Vordergrund stellen. Im Verlauf der Bildungsbiografie tritt dann immer stärker auch das Element der Eigenverantwortung hinzu. Dies bedeutet, dass Eigenverantwortung und Fürsorge aufeinandertreffen und auszubalancieren

sind. Es bedeutet auch, dass jeder für seine Bildungsarbeit selbst verantwortlich ist und um die Bedeutung der eigenen Lernbeobachtung wissen muss. Das ist in den informellen, nonformalen und formalen Bildungsprozessen einer Region zu beachten. Das vorhandene Wissen vor Ort erlaubt eine zielgenaue Ressourcenbereitstellung und Unterstützung. Wechselseitig geschlossene verlässliche Vereinbarungen zur gegenseitigen Unterstützung sind dafür selbstverständliche Instrumente. Deshalb ist es notwendig, immer wieder Bestandsaufnahmen vor Ort zu machen, nachzuschauen, wo sind wir gut, wo gibt es Reserven, wie können wir was besser machen. Ebenso wichtig ist es, sich dann Ziele zu setzen und den Prozess, wie diese Ziele verfolgt werden, ebenfalls zu evaluieren. Eine solche Evaluation sollte für alle Bildungseinrichtungen selbstverständlich sein. Wir fördern das in den Thüringer Schulen zum Beispiel durch das Entwicklungsvorhaben „Eigenverantwortliche Schule“ und stellen den Bildungseinrichtungen dabei auch entsprechende Hilfen und Instrumentarien zur Verfügung. Auch der Bildungsplan für Kinder bis zehn Jahre enthält solche Elemente.

Ein afrikanisches Sprichwort sagt: „Für die Erziehung eines Kindes braucht es ein ganzes Dorf.“ An dieser Aussage ist zweifellos vieles richtig. Da gibt es Übergänge vom Elternhaus zur Kindertagespflege oder der Kindertagesstätte, später dann in die Grundschule und dann die weiterführende Schule. Aber auch Vereine, Jugendclubs, kulturelle Einrichtungen wie Musikschulen, Museen und Theater etc. prägen die Bildung mit. Lernorte gibt es genug bis hin zum Internet. Lernen ist eine lebenslange Aufgabe, im persönlichen Bereich genauso wie in der Fort- und Weiterbildung im Beruf oder eben auch für die ehrenamtliche Tätigkeit. Deshalb ist es wichtig, dass die in der Region angesiedelten Einrichtungen und Institutionen miteinander und nicht nebeneinander oder gar gegeneinander arbeiten, und zwar immer mit der entscheidenden Frage im Blick, wie können wir mit unserem Tun den Bildungswilligen, den Kindern und Jugendlichen, aber auch für das lebenslange Lernen den Erwachsenen, die sich fort- und weiterbilden wollen, am besten nützen. Auch die Frage, wie man bildungsfernere Schichten erreicht, muss in der Region eine Rolle spielen.

Das Bildungskonzept in Thüringen, wie z.B. der Bildungsplan für Kinder bis zehn Jahre oder z.B. die Vereinbarung mit den Volkshochschulen zur Alphabetisierung, berücksichtigen dies. Besonders wichtig erscheint mir, dass sich die Kommunen selbst als lernendes, sich stets weiterbildendes System verstehen müssen. Dazu gehört nicht nur die regelmäßige Evaluation und Optimierung der vor Ort vorhandenen Bildungseinrichtungen und -angebote, dazu gehört nicht nur die Entwicklung immer neuer Initiativen oder das Nachdenken über bildungsferne

Schichten, dazu gehört vor allem die Verknüpfung und Vernetzung der unterschiedlichen gesellschaftlichen Akteure Eltern, Kita, Schule, Weiterbildungseinrichtungen, der Sozialraum, der nach dem Unterricht greift, vom Sportverein bis zur Amateurbigband bis hin zum beliebten Jugendtreff, bei dem gerade die Problemfälle oft leichter anzutreffen sind als gewissermaßen forderndes und förderndes Vereinsleben.

Gemeinsames Lernen, wie wir es verstehen, meint nicht nur die Gemeinschaft im Klassenverband oder in der Schule, es meint eine Kultur des Lernens, die darüber hinaus greift. Es meint das Lernen von Kultur genauso wie das Erlernen einer Kultur des Umgangs miteinander weit über Schule und Elternhaus hinaus.

Meine Damen und Herren, das waren nur Stichworte und man könnte die Liste noch erweitern und weiter fortsetzen. Wenn das, was ich darzustellen versucht habe, in einer Kommune verwirklicht worden ist, dann werden die Früchte nicht nur in guten Ausbildungs- bzw. studierfähigen Absolventen der Schule und Hochschule zu finden sein. Ebenso wird es pädagogisch und menschlich gut arbeitende Kindertagesstätten geben, die nicht nur das Ziel haben, die Eltern bei der Betreuung ihrer Kinder zu entlasten, damit sie berufstätig sein können. Diese Kindertagesstätten helfen mit, die Anlagen der Kinder früh zu erkennen, zu lernen, die Welt zu erschließen, Fähigkeiten zu entwickeln. Das ist frühkindliche Bildung in enger Verzahnung von Elternhaus und Kindertagesstätte.

Es wird ebenso ein Potenzial gut qualifizierter Fachleute geben, das sich stetig weiterbildet und dafür auch die Möglichkeiten hat, so dass Wirtschaft und Gesellschaft davon profitieren können. Es wird allgemein gebildete Persönlichkeiten geben, die das, was sie selbst erfahren haben, nämlich das Engagement Ehrenamtlicher zu eigenen Aktivitäten anregt. Es werden weniger Menschen in Anonymität leben. Funktionierende Sozialstrukturen werden weit über den Bildungsbereich hinaus dazu beitragen, attraktive Lebensbedingungen gestalten zu können.

Freiheit und Eigenverantwortung werden - ergänzt durch Gemeinsinn und solidarisch-subsidiäres Handeln - zur Entwicklung der Gesellschaft beitragen. Das sind wichtige Früchte, für die es lohnt, alle Anstrengungen zu unternehmen, den Einzelnen in seinen Lernbemühungen gemeinschaftlich optimal zu fördern und zu fordern. Bildungsverantwortung zu übernehmen und zu pflegen liegt also im ureigensten Interesse der Kommunen selbst. Mit dem Thüringer Bildungsmodell „Neue Lernkultur in den Kommunen“ haben wir entsprechende Anstöße gegeben. Wir wollen die Gemeinschaft vor Ort dafür sensibili

sieren, ihre Verantwortung zur Förderung jedes einzelnen Kindes und Jugendlichen in Abstimmung mit Kindertagesstätten und Schule nachhaltig und ganzheitlich zu übernehmen.

Was bietet das Thüringer Bildungsmodell? Es bietet das hohe Wissen von Experten des Lernens, die für Moderation, für Coaching und Superversionen zur Verfügung stehen, und es schlägt die Brücke zwischen Wissenschaft und Bildungseinrichtungen vor Ort. Das ist übrigens eine für beide Seiten lehrreiche Angelegenheit. Wir wollen Schlüsselpersonen in Familie, Kindergarten, Schule und in der Jugend- und Vereinsarbeit aus der kirchlichen Bildungsarbeit und aus der Wirtschaft für diese neue Lernkultur mobilisieren.

Herr Minister, gestatten Sie eine Anfrage durch den Abgeordneten Nothnagel?

Ja.

Bitte, Herr Abgeordneter.

Danke. Herr Minister, eine Frage, weil Sie von Ganzheitlichkeit geredet haben. Im Hinblick auf die Ratifizierung der UN-Konvention der Rechte behinderter Menschen möchte ich einfach einmal nachfragen: Wie haben Sie das hier bei der Kommunalisierung der Bildung in Ihrem Konzept vorgesehen, die Sondereinrichtungen und Fördereinrichtungen für behinderte Menschen, die ja ausgrenzen und diskriminierend sind, zu überwinden, dass wir endlich zur Inklusion kommen? Dazu hätte ich einmal konkrete Aussagen von Ihnen gehört und nicht nur Allgemeinplätze.

Also zunächst darf ich, und ich bin davon ausgegangen, dass Ihnen das bekannt ist, noch einmal darauf hinweisen, dass nach dem Thüringer Schulgesetz im Rahmen der Förderung von Benachteiligten, sowohl körperlich als auch geistig Benachteiligten, die Integration, die integrative Förderung an erster Stelle umzusetzen ist. Das hat sich nicht geändert, sondern das ist seit Gültigkeit des Thüringer Schulgesetzes grundsätzlicher Bestandteil.

Zweitens dürfte Ihnen nicht entgangen sein, dass wir das gemeinsame Lernen von Kindern mit För

derbedarf in allgemeinbildenden Schulen gerade in den Wochen vor der Sommerpause im Besonderen thematisiert haben und in diesem Sinne letztendlich noch einmal gerade Schüler mit besonderen Verhaltensauffälligkeiten unter diesem Gesichtspunkt des Beschulens in allgemeinbildenden Schulen beachten und zunächst versuchen, auch durch organisative Strukturen, wie zum Beispiel die flexible Schuleingangsphase, diesem besonderem Förderbedarf gerecht zu werden. Die Beschulung in einer Förderschule sehe ich nicht, wie Sie es gesagt haben, als Ausgrenzung, sondern als eine Notwendigkeit in besonders harten Fällen, wo Integration nicht möglich ist. Auch das ist ein Entwicklungsprozess, diese Kinder und Jugendlichen speziell ihrem Förderbedarf zu betreuen. So sehe ich Förderschule und Förderzentren als besonderen Fall. Ich widerspreche Ihnen ganz klar, dass das eine Ausgrenzung ist, sondern es ist eine Reaktion auf die Besonderheiten, die diese Menschen haben. Integration steht an erster Stelle. Ich will das noch einmal zusammenfassen: Dort, wo besonderer Förderbedarf besteht, der nicht an den allgemeinbildenden Schulen realisiert werden kann, werden wir auch an speziell dafür eingerichteten und mit speziell dafür ausgebildeten Lehrern die Förderung an Förderschulen, an Förderzentren weiter fortsetzen.

(Beifall CDU)

Ich bin ja kurz vor dem Abschluss meiner Rede noch einmal durch die Frage unterbrochen worden, aber ich bin Ihnen dankbar, dass ich darauf so antworten konnte.

Unsere Erfahrungen aus dem von mir Vorgetragenen zeigen, dass mittlerweile durchaus hilfreiche Netzwerke entstehen; das belegen auch die Gespräche und die Kontakte mit den politischen Vertretern vor Ort und das gilt über alle Parteigrenzen hinweg. Gern werde ich dann auch im Mai des nächsten Jahres für die Landesregierung, wie das auch im Antrag der CDU-Fraktion gewünscht ist, über die Ergebnisse dieses Prozesses berichten. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU)

Mir liegen keine weiteren Redeanmeldungen mehr vor, so dass ich die Aussprache schließen kann.

Ausschussüberweisung für diesen Antrag ist nicht beantragt worden. Demzufolge stimmen wir direkt über diesen Antrag der Fraktion der CDU in Drucksache 4/4165 ab. Wer diesem zustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Danke. Die Gegenstimmen, bitte. Danke schön. Gibt es Stimmenthal